Plattform für Wasser, Gas und Wärme
Fachartikel
09. April 2025

IKT

Cybersecurity im Wasser-, Gas- und Wärme­sektor 

Die Schweizer Wasser-, Gas- und Wärmebranche steht vor neuen regulatorischen Anforderungen, die durch Standards wie den IKT-Minimalstandard geprägt werden. Dieser Artikel beleuchtet die bisherigen Entwicklungen, zukünftige Trends und die Auswirkungen auf Akteure unterschiedlicher Grössen in der Branche.
Dario Walder 

Die Regulierung in der Schweizer Wasser-, Gas- und Wärmebranche hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Technische Standards wie die IKT-Minimalstandards für Wasser (W1018) [1], Gas (G1008) [2] und Wärme (F1001) [3]wurden eingeführt, um die Sicherheit, Effizienz und Qualität der Wasser-, Gas- und Fernwärme-/Fernkälteversorgung zu gewährleisten. Die IKT-Minimalstandards bieten eine systematische Grundlage für die Bewertung von Cyberrisiken und das Management der jeweiligen Branche. Sie bilden somit zentrale Pfeiler der regulatorischen Landschaft.

Schutz vor Cyberrisiken: aktuell und relevant

Im europäischen Raum gibt es einen ähnlichen Ansatz, wobei europäische Normen wie DORA [4], NIS2 [5], CRA [6] oder CSA [7] die regulatorischen Anforderungen an die Cybersicherheit kontinuierlich verschärfen. Diese Standards verdeutlichen, wie aktuell und relevant der Schutz vor Cyberrisiken in der Schweiz und im EU-Raum ist. Gleichzeitig stellen sie technische Betriebe vor grosse Herausforderungen, da immer mehr Fokus und Ressourcen für die Einhaltung regulatorischer Anforderungen bereitgestellt werden müssen.

Im Hinblick auf die Regulierungen werden in diesem Beitrag zwei Ziele verfolgt:

  • Analyse der bisherigen Fortschritte und Herausforderungen der Regulierung
  • Bewertung der Auswirkungen auf kleine, mittlere und grosse Versorgungsunternehmen in der Schweiz

Status Quo der Regulierungen

Im November 2024 hat der SVGW gemeinsam mit dem BACS (Bundesamt für Cybersicherheit) den Leitfaden zur Umsetzung des IKT-Minimalstandards in der Gasversorgung (G15004) publiziert. Mit diesem Dokument wurde die Erstellung der Branchenstandards für kritische Sektoren abgeschlossen, die 2018 mit der Erarbeitung des IKT-Minimalstandards [8] begonnen hatte (Box 1, oben).

Ziel der Regulierung ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit und die Etablierung klarer Verantwortlichkeiten in Notfällen. Der Fokus der Standards liegt auf der Prävention und Minimierung von Risiken entlang der gesamten Versorgungskette. Alle Standards in der Box sind harmonisiert, da sie als Kern den Allgemeinen IKT-Minimalstandard [8] verwenden. Trotzdem stellt ihre Umsetzung Versorgungsunternehmen – insbesondere kleinere mit begrenzten Ressourcen – vor Herausforderungen.

Perspektiven und kĂĽnftige Entwicklungen
Technologische Anforderungen

Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Anforderungen an die Infrastruktur von Gas-, Wasser- und Wärmeversorgern. Immer wichtiger wird dabei die Integration von IT- und OT-Systemen (Operational Technology). Hierbei spielen Cybersecurity-Aspekte eine zentrale Rolle, da die zunehmende Vernetzung neue Angriffsflächen eröffnet. Zu den Beispielen zählen:

  • Prozessleitsysteme (z. B. zur Steuerung von Pumpen und Reservoiren)
  • Sensoren (z. B. zur Ăśberwachung der Wasserqualität oder des Durchflusses)
  • digitale Leitstellen fĂĽr die Steuerung und Ăśberwachung von OT-Systemen (Wasseraufbereitung,-speicherung und -verteilung, Wärmeproduktion, -speicherung und -verteilung, Verteilung von Gas etc.)

Regulierungsdruck und Trends

Es wird erwartet, dass die regulatorischen Anforderungen weiter zunehmen. So sind Gasversorger ab 1. Juli 2025 verpflichtet, den IKT-Minimalstandard umzusetzen [10]. Gleichzeitig steigt die Notwendigkeit, effiziente und kosteneffektive Ansätze zu entwickeln, um die Einhaltung dieser Anforderungen sicherzustellen. Der kooperative Ansatz, bei dem mehrere Gas-, Wasser- oder Wärmeversorger den Standard gemeinsam umsetzen, hat sich als besonders effizient erwiesen (Box 2, unten).

 

Auswirkungen auf die SVGW-Branchen
Kleine Versorgungsunternehmen

Kleine Versorger, die oft nur über minimale IT- und OT-Systeme verfügen (z. B. ein Laptop und ein separates Steuersystem), stehen vor besonderen Herausforderungen. Der Aufwand für die Umsetzung des IKT-Minimalstandards ist für sie verhältnismässig hoch. Hier können einfache und kosteneffiziente Lösungen Abhilfe schaffen, wie z. B. standardisierte Templates und gemeinsame Workshops.

Mittlere Versorgungsunternehmen

Mittlere Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitenden verfĂĽgen meist ĂĽber eine komplexere Infrastruktur, die sowohl IT- als auch OT-Netzwerke umfasst. Sie arbeiten oft mit mehreren Dienstleistern zusammen, was die Abstimmung und Umsetzung von regulatorischen Anforderungen erschwert. Effiziente Prozesse und klare Verantwortlichkeiten sind hier essenziell.

Grosse Versorgungsunternehmen

Grosse Unternehmen sind in der Regel professionell aufgestellt und verfügen über eigene IT-Abteilungen. Als Vorreiter bei der Implementierung neuer Standards könnten sie eine Vorbildfunktion für kleinere Akteure einnehmen. Allerdings müsste ihr Ansatz für kleinere Organisationen deutlich verschlankt werden.

Fazit

Die Einführung und Weiterentwicklung regulatorischer Standards wie des IKT-Minimalstandards für die Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung bieten für die Branche zahlreiche Vorteile. Sie erhöhen die Sicherheit und Resilienz der Infrastruktur, fördern die Effizienz und schaffen einheitliche Rahmenbedingungen. Ein kooperativer Ansatz, bei dem Ressourcen und Wissen geteilt werden, kann dabei helfen, die Umsetzung für alle Beteiligten zu erleichtern.

Handlungsempfehlungen
Förderung von Kooperationen

Durch die Zusammenarbeit mehrerer Versorgungsunternehmen (z. B. in Workshops) können Synergien genutzt werden (Box 2, unten).

 

Einsatz von Best Practices

Der Austausch bewährter Methoden ermöglicht eine schnellere und kosteneffizientere Umsetzung.

 

Investitionen in Cybersecurity

Die Absicherung von IT- und OT-Systemen sollte eine Priorität sein, um den zunehmenden Bedrohungen gerecht zu werden.

 

Bibliogrpahie

[1] Fachverband für Wasser, Gas und Wärme SVGW, Bundesamt für wirtschaftliche Landesersorgung BWL (2019): W1018 d Empfehlung; Minimalstandard für die Sicherheit der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Wasserversorgung.

[2] SVGW, Verband der Schweizer Gasindustrie VSG, BWL (2024): G1008 d Minimalstandard fĂĽr die Sicherheit der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Gasversorgung.

[3] SVGW, Thermische Netze Schweiz TNS, BWL (2023): F1001 Empfehlung; Minimalstandard für die Sicherheit der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Fernwärmeversorgung.

[4] Europäische Union (2022): DORA – Verordnung 2554 über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor (Digital Operational Resilience Act).

[5] Europäische Union (2022): NIS2-Richtlinie 2555 über Massnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union.

[6] Europäische Union (2024): Cyber Resilience Act (CRA). Verordnung 2847 über horizontale Cybersicherheitsanforderungen für Produkte mit digitalen Elementen und zur Änderung der Verordnungen.

[7] Europäische Union (2024): The EU Cybersecurity Act (CSA).

[8] BWL (2023): Allgemeiner IKT-Minimalstandard. [9] Fachverband für Wasser, Gas und Wärme SVGW, Verband der Schweizer Gasindustrie VSG, BWL (2024): G15004 d Leitfaden zur Umsetzung IKT-Minimalstandard in der Gasversorgung.

[10] Reichart, K. (2024): Neuer IKT-Standard fĂĽr die Gasversorgung. Aqua & Gas.

Box 2

Kooperativer Ansatz

Den IKT-Minimalstandard mit seinen 108 Controls umzusetzen, stellt Versorgungsunternehmen vor Herausforderungen. Je nach IT-Infrastruktur und Unternehmensgrösse variieren die Anforderungen erheblich. Um die Komplexität zu bewältigen, hat sich ein kooperativer Ansatz bewährt. 

Gemeinsame Workshops als SchlĂĽssel zum Erfolg

Statt den Standard isoliert umzusetzen, ermöglicht ein gemeinsames Workshop-Format den Versorgern den Austausch von Wissen und Ressourcen. Hier können bestehende Lösungen diskutiert, Herausforderungen gemeinsam analysiert und praxiserprobte Methoden adaptiert werden. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, das Rad neu zu erfinden – stattdessen wird auf bewährten Ansätzen aufgebaut.

Erfahrung der Workshopleitung als Erfolgsfaktor

Die Qualität eines solchen kooperativen Ansatzes hängt stark von der Erfahrung der Workshopleitung ab. Ein strukturierter Workshop mit praxisnahen Beispielen und gezielter Moderation stellt sicher, dass alle Teilnehmenden echten Mehrwert erhalten und pragmatische Lösungen für die Umsetzung des Standards entwickeln können.

Kommentar erfassen

Kommentare (0)

e-Paper

«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.

Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.

Die «gazette» gibt es auch als E-Paper. Sämtliche bisher erschienen Ausgaben sind frei zugänglich.