Wasserversorger sehen sich neben Herausforderungen rund um Nutzungskonflikte und Verunreinigungen durch verschiedene Stoffe zunehmend mit Fragestellungen in Zusammenhang mit den klimatischen Veränderungen konfrontiert. Einerseits machte der Sommer 2022 – wie auch der Sommer 2018 – deutlich, dass längere Trockenperioden im Sommer die sichere Versorgung mit Trinkwasser lokal und temporär in Frage stellen können. Andererseits sind Wasserversorger mittel- bis langfristig von weiteren Auswirkungen des erwarteten Temperaturanstiegs, wie dem zurückgehenden Gletschervolumen, den längeren Vegetationsphasen und dem damit erhöhten Wasserbedarf der Landwirtschaft sowie von Starkniederschlagsereignissen und der steigenden Schneefallgrenze, betroffen (Fig. 1).
Bereits 2009 veröffentlichte der SVGW die Fachinformation W15004 «Klimaänderung und Wasserversorgung – Informationen und Anpassungsstrategien». Weil der Handlungsspielraum der einzelnen Versorgung meist klein ist, wird darin als wichtigster Lösungsansatz die verstärkte Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen Wasserversorgern propagiert: «Langfristig kann nur durch eine sinnvolle Vernetzung die Versorgung mit qualitativ einwandfreiem Wasser jederzeit, in genügender Menge und zu wirtschaftlichen Kosten sichergestellt werden.» Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Beobachtung der Wasserqualität und -menge (Quellschüttung, Grundwasserspiegel) intensiviert werden sollte, um schleichende Veränderungen des Wasserdargebots zu erkennen.
Aufgrund der zunehmenden Dringlichkeit, die durch die trockenen, heissen Sommer 2018 und 2022 deutlich vor Augen geführt worden war, nahm sich die Spezialarbeitsgruppe des SVGW, die S-AG10 «Trockenheit», eine Gruppe von knapp 20 Spezialisten aus Wasserversorgung, Klimatologie, Hydro- und Hydrogeologie, kantonalen Umweltämtern und Ingenieurbüros, des Themas wieder an. Es wurde deutlich sichtbar, dass zusätzlich zu den im Merkblatt W15004 vorgeschlagenen Massnahmen weitergehende Anpassungen und Verbesserungen erforderlich sein werden. Entsprechend beschäftigte sich die S-AG10 in den vergangenen Monaten mit der Fragestellung, wie in Zukunft die Wasserversorgung in der Schweiz, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen und künftigen klimatischen Herausforderungen, gewährleistet werden kann.
Bei einem ersten Workshop der S-AG10 am 25. April 2023 zeigte sich, dass Anpassungen und Verbesserungen in sieben Stossrichtungen notwendig sein werden, damit eine sichere Wasserversorgung auch künftig gewährleistet werden kann (Fig. 2). Ebenso wurde klar, dass Wasser im Wasserschloss Schweiz grundsätzlich in genügender Menge vorhanden ist und auch in Zukunft vorhanden sein wird, wobei sich allerdings die saisonalen Abweichungen deutlich akzentuieren werden (Fig. 3). Als Folge der Klimaänderung wird also die permanente, uneingeschränkte und flächendeckende Verfügbarkeit von Trink-, Brauch- und Löschwasser zunehmend in Frage gestellt.
Aus den Diskussionen des ersten Workshops kristallisierte sich schnell heraus, dass die Herausforderungen durch den Klimawandel nicht von den Wasserversorgungen allein bewältigt werden können. Die Beteiligten gingen darin einig, dass es gemeinsamer Anstrengungen von Wasserversorgern, anderen betroffenen Sektoren (Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Industrie), aber auch von den kantonalen Vollzugsstellen sowie einer Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bedarf. Zudem zeigte sich, dass in vielen Bereichen die notwendige Datengrundlage für fundierte Abklärungen und das Ableiten von Massnahmen fehlt – eine Tatsache, die schon im Grundlagenbericht des Bundesrats, «Wasserversorgungssicherheit und Wassermanagement»1, zum Postulat Rieder aufgezeigt wurde. So heisst es in der Zusammenfassung dieses Berichts: «Weder Bund noch Kantone führen eine umfassende Statistik der Wassernutzungen. Der Bund verfügt über Daten zum Wasserverbrauch der öffentlichen Wasserversorgung. Informationen über die Wassernutzung aus Eigenversorgungen, z. B. für die Landwirtschaft, sind jedoch nicht vorhanden. Solche Daten wären aber notwendig, um Trends im Wasserverbrauch zu erkennen und Prognosen zu erstellen. Für das regionale Wassermanagement und den Vollzug des Gewässerschutzes durch die Kantone braucht es zudem bessere Wassernutzungsdaten auf regionaler Ebene.»
1 Wasserversorgungssicherheit und Wassermanagement – Grundlagenbericht; Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 18.3610 Rieder vom 15. Juni 2018: https://www.parlament.ch/centers/eparl/curia/2018/20183610/Bericht%20BR%20D.pdf
In weiteren Sitzungen hat die S-AG10 «Trockenheit» anschliessend konkrete Vorschläge für Anpassungs- und Verbesserungsmassnahmen zu den sieben Stossrichtungen abgeleitet und diese in vier Bereichen zusammengefasst:
Eine sichere Wasserversorgung heute und in der Zukunft ist auf rechtskonform ausgeschiedene Schutzzonen S1 bis S3 und bezeichnete Zuströmbereiche Zu angewiesen. Während Erstere einerseits einen wirksamen Schutz bieten vor miÂkrobiellen Verunreinigungen (S2) und andererseits vor den Auswirkungen von Unfällen oder Havarien (S3), indem sie Zeit und Raum fĂĽr Interventionsmassnahmen zur VerfĂĽgung stellen, dienen Zuströmbereiche dem umfassenden und gezielten Schutz der Grundwasserqualität, insbesondere vor mobilen und persistenten Stoffen (Nährstoffen, MiÂkroverunreinigungen). Ausserdem sind bezeichnete Zuströmbereiche die Voraussetzung dafĂĽr, dass die Wasserversorger die risikobasierte Selbstkontrolle gemäss Lebensmittelgesetzgebung, die im Artikel 3, Absatz 3 der TBDV (siehe Box unten) explizit fĂĽr die genutzten Wasserressourcen gefordert wird, umsetzen können. Damit man auch kĂĽnftig einer aufgrund der Bevölkerungsentwicklung wahrscheinlich erhöhten Wassernachfrage gerecht werden kann, mĂĽssen darĂĽber hinaus Gewässerschutzareale und Schwammlandgebiete in der Raumplanung abgebildet werden. Letztere dienen der Grundwasseranreicherung und dem Hochwasserschutz.
Das Instrument der Generellen Wasserversorgungsplanung (GWP) hat sich in verschiedenen Kantonen bewährt, wird aber bedauerlicherweise dennoch nicht in allen Kantonen gefordert. Die GWP ist der zentrale Erfolgsfaktor, wie eine Wasserversorgung die Nachfrage und das Dargebot auf eine sichere, effiziente und qualitativ einwandfreie Art aufeinander abstimmen können. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel verlangen allerdings, dass die GWP in verschiedenen Punkten verbessert und bei Bedarf auch grösser gedacht werden muss. Dies kann bei regionen- und kantonsgrenzenüberschreitenden Projekten eine Regionale Wasserversorgungsplanung (RWP) erfordern.
Ein knappes Dargebot sowie eine möglicherweise stark ansteigende Nachfrage verlangen zudem nach einem Einzugsgebietsmanagement (IEM)2, also einer inteÂgralen Bewirtschaftung des Wassers im Einzugsgebiet. Die Verantwortung, das IEM aufzubauen und zu betreiben, sollte bei den Kantonen liegen. Ăśberdies liegt es in deren Händen, die Nachfrage der verschiedenen Sektoren durch ĂĽberlegte Konzessionsvergaben auf das Dargebot abzustimmen resp. zu koordinieren.
2 BAFU (2013): Einzugsgebietsmanagement – Anleitung für die Praxis zur integralen Bewirtschaftung des Wassers in der Schweiz.
An knapp einem Fünftel der Messstellen der Nationalen Grundwasserbeobachtung (NAQUA) werden die gesetzlich geforderten Höchstwerte für chemische Parameter wie Nitrat, Pestizide, PFAS o. Ä. überschritten. Aufgrund der dichten Besiedelung, der intensiven Landwirtschaft im Mittelland und der zahlreichen Verkehrswege gibt es zudem viele Nutzungskonflikte um bestehende Grundwasserschutzzonen. Diese müssen mittelfristig gelöst werden, damit das eigentlich vorhandene Dargebot nicht zusätzlich durch Verschmutzungen eingeschränkt wird oder wegen der unnötigen Aufgabe von Fassungen nicht genutzt werden kann.
Ebenfalls eine Stärkung des vorsorglichen Ressourcenschutzes verlangt die Motion Zanetti3 durch die Bezeichnung von Zuströmbereichen. Zusätzlich zur aktuell geltenden und vor allem kurativ wirkenden Regelung der Gewässerschutzgesetzgebung (Art. 29 GSchV; siehe Box unten) wĂĽrde diese Motion den prävenÂtiven Schutz stärken.
3 Motion 20.3625 Zanetti Roberto: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtlichesbulletin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=53349
Praktisch alle Entscheide verlangen eine vernünftige Datengrundlage, die Daten zu Klima, der Wasserbilanz in Einzugsgebieten, Grundwasserspeichern, Fassungen, Evapotranspiration etc. umfasst. Diese ist jedoch vielfach nicht vorhanden. Selbst bei vorhandenen Fassungen ist oft nicht bekannt, ob die bestehende Stetigkeit der Schüttung resp. die Ergiebigkeit einer Grundwasserfassung – vor allem bei fortschreitenden klimatischen Veränderungen – längerfristig gegeben ist.
Zudem bestehen nachfrageseitig grosse Wissenslücken, ob, in welchem Masse, wann und wie häufig andere Sektoren (Landwirtschaft, Tourismus, Industrie etc.) künftig auf die Lieferung von Trinkwasser der öffentlichen Versorgung angewiesen sein werden. Auch im Bereich der Hydrogeologie braucht es weitere Informationen – hauptsächlich im Bereich der Charakterisierung von Ressourcen, ob diese auch bei verstärkten klimatischen Veränderungen noch für die Wasserversorgung zur Verfügung stehen würden (Klimaresilienz von Einzugsgebieten).
In einem nächsten Schritt wurden für die vier Bereiche «Planung», «Raumplanung», «vorsorglicher Ressourcenschutz» sowie «Daten» die erforderlichen Aktionen definiert. Gleichzeitig wurden die Akteure identifiziert, mit deren Hilfe die gesetzten Ziele verfolgt werden sollen. Auf diese Weise wurden die Aktionen auf drei Aktionsfelder verteilt.
Im Aktionsfeld «SVGW intern» sind Ziele und Aktionen zusammengefasst, die innerhalb des Verbands und teilweise sogar durch die Geschäftsstelle selbst umgesetzt werden können. Hauptsächlich geht es um Anpassungen im Regel-werk:
Einen zusätzlichen Hebel zur Anpassung und Sensibilisierung hinsichtlich Klimawandelt stellt die Ausbildung von Wasserwarten und Brunnenmeistern dar. Es nützt nichts, wenn das SVGW-Regelwerk ein toter Buchstabe bleibt. Vielmehr geht es darum, dass die gewonnenen Erkenntnisse via Ausbildung und an Fachanlässen der gesamten Branche zugänglich gemacht werden und so in den Gemeinden konkreten Nutzen stiften können. Mit der Fachtagung «Trockenheit – Herausforderungen und Lösungen für die Schweizer Wasserversorgung», die im März dieses Jahres stattfand, wurde bereits ein erster Schritt in diese Richtung gemacht. Zurzeit wird schon die nächste Fachtagung geplant. Die Veranstaltung zum Thema «Daten» soll am 28. November 2024 in Biel stattfinden.
Im Aktionsfeld «kommunale, kantonale und nationale Politik» geht es darum, dass hinsichtlich des Klimawandels ein besserer und verbindlicherer rechtlicher Rahmen geschaffen werden soll. Auf nationaler Stufe wird die Schaffung eines nationalen Wasserwirtschaftsgesetzes angestrebt, in dem den Kantonen verbindliche Vorgaben auferlegt werden, welche Ziele wie zu erreichen sind. Das Gesetz sollte Themen behandeln wie die Erarbeitung von GWP und RWP oder gar von IEM, die Aufnahme von Schwammland in die Raumplanung sowie die Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine nationale Wasserrückhalteinfrastruktur (Speicherung). Auch auf dieser Stufe wird es erforderlich sein – so wie das Postulat Rieder dies schon fordert –, dass die Grundlagen für eine bessere Datenerfassung und -bearbeitung geschaffen werden.
Die Ziele in diesem Aktionsfeld lassen sich allerdings nur durch eine starke politische Interessenvertretung umsetzen. Die Arbeitsgruppe schlägt daher die Gründung einer Parlamentariergruppe «Trinkwasser» vor, mit deren Hilfe und Kenntnissen die Anliegen der Schweizer Wasserversorger den Weg in die nationale Politik finden sollen. Zusätzlich sollen alle anderen bekannten Instrumente der Interessenvertretung wie Stellungnahmen, Positionspapiere und die Teilnahme an Vernehmlassungen weiterhin eingesetzt werden.
Im Aktionsfeld «Vollzug» geht es darum, die schon heute bestehenden, aber auch die künftigen gesetzlichen Anforderungen im Bereich Ressourcenschutz und planerischer Grundwasserschutz auf Stufe Kanton umzusetzen. Eine zentrale Aufgabe stellt die Lösung von Nutzungskonflikten dar, wodurch der vorsorgliche Ressourcenschutz gestärkt wird. Das ist entscheidend, um Fassungen auf Dauer zu erhalten. Konkret sollen Kantone und Gemeinden mithilfe von Merkblättern, Schulungen, Kursen, Umsetzungshilfen und bei Bedarf durch Beratung vor Ort bei der Ausscheidung von Schutzzonen und der Bezeichnung von Zuströmbereichen unterstützt werden.
Im Hinblick auf die Anreicherung von Grundwasser müssen Wasserversorger, Gemeinden und die Kantone auch bei der Ausscheidung von Schwammland sowie bei Renaturierungen unterstützt werden – dies könnte mit einer Beschreibung von Best-Practise-Projekten und mithilfe eines Leitfadens erfolgen. Eine weitere zentrale Aktivität im Bereich Vollzug ist die Unterstützung der Kantone bei der Umsetzung eines integralen Einzugs-gebietsmanagements.
Die Arbeitsgruppe Trockenheit und der Bereich Wasser haben sich bei der Wahl der Form des Aktionsplans bewusst für eine PowerPoint-Präsentation in Kombination mit einer dedizierten Website entschieden. Mit der Absicht, nicht einfach ein Dokument zu produzieren, sondern mit den erarbeiteten Erkenntnissen einen Effekt bei Wasserversorgern, Bund, Kanton und Gemeinden zu erzielen, erschien dieses Vorgehen als das erfolgversprechendste. Das Dossier wird aktuell aufgebaut und und soll demnächst freigeschaltet werden (www.svgw.ch/wasser). Es soll als Informations- und Kommunikationsmittel dienen.
Viele der identifizierten Aktivitäten können durch den SVGW selbst bearbeitet werden. Die meisten Arbeiten können somit durch den Bereich Wasser koordiniert und zusammen mit Branchenvertretern in Arbeitsgruppen erledigt werden. Für alle anderen Aktivitäten, bei denen der SVGW auf die Kooperation mit Partnern aus der Politik oder von Bund und Kanton angewiesen ist, soll das bereits heute existierende Instrument der politischen Interessenvertretung genutzt werden.
Die Betreiberin oder der Betreiber einer Trinkwasserversorgungsanlage führt zudem unter Berücksichtigung der Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 1991 im Rahmen der gesamtbetrieblichen Gefahrenanalyse periodisch eine Analyse der Gefahren für Wasserressourcen durch.
Die Kantone bezeichnen bei der Einteilung ihres Gebiets in Gewässerschutzbereiche (Art. 19 GSchG) die besonders gefährdeten und die übrigen Bereiche. Die in Anhang 4, Ziffer 11 beschriebenen, besonders gefährdeten Bereiche umfassen:
[…]
c. den Zuströmbereich Zu zum Schutz der Wasserqualität bei bestehenden und geplanten, im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen, wenn das Wasser durch Stoffe verunreinigt ist, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe besteht […].
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