Sind Sie durstig? Das ist kein Problem in der Schweiz: Sie drehen den Wasserhahn auf und schon sprudelt das Trinkwasser – und das in bester Qualität. Doch nicht immer: Im Januar 2018 etwa musste das Grundwasserpumpwerk Tägernau, eines von vier städtischen Pumpwerken in Rapperswil-Jona, für einige Tage vom Netz genommen werden. Schuld daran war ein Bauer, der Gülle in ein Naturschutzgebiet und in einen Bach geleitet hatte. Ein solcher Verschmutzungsfall ist zwar nicht Alltag, doch das als Trinkwasser genutzte Grundwasser wird in der Schweiz weit weniger gut geschützt, als man meinen könnte. Dies, obwohl die rechtlichen Bestimmungen unmissverständlich sind: Um das genutzte und auch das zur zukünftigen Nutzung vorgesehene Grundwasser zu schützen, sieht die Gewässerschutzgesetzgebung den planerischen Schutz der Gewässer vor. Dieser beinhaltet unter anderem die Vorgabe, dass um alle Grundwasser- und Quellwasserfassungen im öffentlichen Interesse Schutzzonen ausgeschieden werden müssen. Zusätzlich werden Nutzungsbeschränkungen und Schutzmassnahmen festgelegt, die das Grundwasser vorsorglich vor Gefährdungen schützen sollen (s. Box «Das Konzept der Schutzzonen» am Ende des Beitrags und BAFU-Internetsite «Grundwasser als Trinkwasser»).
Doch wie gut wird dieses Schutzzonenkonzept tatsächlich umgesetzt? Das Bundesamt für Umwelt BAFU verfügt dank einer Umfrage bei den kantonalen Gewässerschutzfachstellen erstmals über gesamtschweizerische Informationen, die eine Beantwortung dieser Frage erlauben. Der Bericht zu den gesamten Umfrageergebnissen ist auf der BAFU-Website publiziert [1]. Die Angaben zum Stand des Vollzugs beim planerischen Grundwasserschutz beruhen auf einer Eigendeklaration der Kantone mit sehr unterschiedlicher Datengrundlage. Daher lassen sich die Zahlen nur bedingt miteinander vergleichen. Dennoch geben die Erhebungen wesentliche Anhaltspunkte zur Situation in der Schweiz.
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass rund 20% der Schweizer Bevölkerung durch Seewasserfassungen versorgt werden, die keine Grundwasserschutzzonen benötigen (Fig. 1). 62% der Bevölkerung beziehen ihr Trinkwasser aus Fassungen, deren Schutzzonen bundesrechtskonform dimensioniert und rechtskräftig ausgeschieden sind, weitere 6% aus Fassungen, deren Schutzzonen sich aktuell im Ausscheidungsverfahren befinden.
Die übrigen 12% der Bevölkerung werden durch Trinkwasserfassungen versorgt, deren Schutzzonen unzulänglich sind. So stammt bei etwa 7% der Bevölkerung das Trinkwasser aus Fassungen mit nicht bundesrechtskonform dimensionierten Schutzzonen. Solche Schutzzonen sind beispielsweise zu klein oder wurden ohne die notwendigen Abklärungen festgelegt. Rund 4% der Bevölkerung beziehen ihr Trinkwasser aus Fassungen mit lediglich provisorisch festgelegten Schutzzonen. Der Schutz der betroffenen Fassungen ist teilweise stark eingeschränkt. Schliesslich werden etwa 1% der Bevölkerung mit Trinkwasser aus Grundwasserfassungen ohne Schutzzonen versorgt. Dieses stammt zum Grossteil aus Fassungen in abgelegenen Gebieten, welche jeweils nur wenige Personen versorgen. Viele dieser Fassungen sind in Privatbesitz und beliefern beispielsweise einen abgelegenen Weiler oder ein Berggasthaus, bei denen ein Anschluss an die öffentliche Versorgung nicht möglich ist. Den wenigen Nutzern erscheint der finanzielle Aufwand für die notwendigen Untersuchungen des Einzugsgebiets oft unverhältnismässig hoch, und der Widerstand gegen Nutzungseinschränkungen ist häufig gross.
Figur 2 zeigt auf, dass die Unterschiede zwischen den Kantonen beträchtlich sind, was die Ausscheidung von Schutzzonen betrifft. Diese Differenzen lassen sich zu einem grossen Teil durch unterschiedliche Voraussetzungen bezüglich Fläche, Bevölkerungsdichte oder geologischen Verhältnissen erklären. So stellen sich einem Stadtkanton völlig andere Herausforderungen als einem Gebirgskanton mit vielen abgelegenen Gebieten. Die Gesamtzahl von Grundwasserfassungen im öffentlichen Interesse beispielsweise variiert zwischen elf im Kanton Genf und rund 2400 im Kanton Waadt. Zudem hängt von der Geologie ab, wie aufwändig die notwendigen Untersuchungen für die Schutzzonenausscheidung jeweils sind.
Die Umfrageergebnisse belegen aber auch, dass zusätzliche Faktoren eine Rolle spielen. So variieren beispielsweise die Definitionen für «Grundwasserfassungen im öffentlichen Interesse» oder die politische Gewichtung des Grundwasserschutzes ist unterschiedlich, was sich auch in den personellen und finanziellen Ressourcen der zuständigen Fachstellen niederschlägt.
Weshalb aber gibt es so viele Grundwasserfassungen, deren Schutzzonen nicht korrekt ausgeschieden sind? Der wichtigste Grund dafür, darin stimmen die befragten kantonalen Fachstellen überein, sind Nutzungskonflikte – vor allem der sich ausbreitenden Siedlungen und der Landwirtschaft wegen. Es fehlen die nötigen unverbauten Flächen, oder Einsprachen gegen Nutzungseinschränkungen blockieren die Verfahren. In der Folge können provisorische Schutzzonen nicht rechtskräftig ausgeschieden werden, oder die Grösse einer Schutzzone kann den gesetzlichen Anforderungen nicht angepasst werden.
Auch in den korrekt ausgeschiedenen Schutzzonen sehen die Fachstellen im zunehmenden Nutzungsdruck ein grosses Problem. Fast alle kantonalen Fachstellen geben an, dass schwere Nutzungskonflikte in ihren Schutzzonen vorkommen. Genaue Angaben zur Anzahl der betroffenen Schutzzonen und dazu, was dies fĂĽr die Versorgungssicherheit bedeutet, fehlen jedoch fĂĽr die meisten Kantone. Aktuell fĂĽhrt der SVGW bei den Wasserversorgungen eine Umfrage zu diesem Thema durch. Die Ergebnisse werden im FrĂĽhling 2019 vorliegen.
Die Qualität des gefassten Wassers kann trotz schwerer Nutzungskonflikte in den Grundwasserschutzzonen einwandfrei sein. Doch der vorsorgliche Schutz ist eingeschränkt, und mit jedem zusätzlichen Bau und jeder unzulässigen Tätigkeit steigt die Gefahr, dass das Grundwasser verschmutzt wird. Diese weitverbreitete Problematik, die sich in Zukunft weiter verschärfen dürfte, stellt ein Risiko für die Schweizer Trinkwasserversorgung dar. Bloss: Der Bevölkerung – aber auch der Politik – ist das bislang kaum bewusst.
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In Weinfelden musste eine Grundwasserfassung ersetzt werden. Das ursprüngliche Grundwasserpumpwerk Sangen wurde 1904 ausserhalb des Dorfes Weinfelden erstellt. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Grundwasserschutzzonen um die Fassung; die Pflicht zur Schutzzonenausscheidung geht erst auf das Gewässerschutzgesetz von 1971 zurück. Wie in den historischen Karten in den Figuren 3A bis 3D zu sehen ist, dehnte sich die Siedlung im Verlaufe der Jahre stetig aus. Diese Entwicklung ist beispielhaft für die gesamte Schweiz. Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass sich die Siedlungsfläche in der Schweiz zwischen 1952 bis 1972 verdoppelt hat. Heute nehmen Siedlungen sogar die vierfache Fläche von 1952 ein. Die Schutzzonen des Grundwasserpumpwerks Sangen waren in den 1990er-Jahren so stark überbaut, dass der Weiterbetrieb der Fassung in Frage gestellt war. An eine Ausdehnung der Schutzzonen, um den Vorgaben der Gewässerschutzverordnung von 1998 zu genügen, war gar nicht zu denken.
Aus diesem Grund begann die Gemeinde mit der Suche nach einem neuen Standort – und setzte dabei von Anfang an auf eine offene Information der möglicherweise betroffenen Grundeigentümer. Zwar gab es kritische Stimmen zur Ausscheidung der Grundwasserschutzzonen für den neuen Horizontalfilterbrunnen Schachen. In den diversen Informationsveranstaltungen liessen sich aber nicht zuletzt die Bedenken entkräften, eine landwirtschaftliche Nutzung sei nicht nur in der Zone S1 vollständig verboten, sondern auch in den grösseren Zonen S2 und S3.
Dank der vorausschauenden Informationspolitik hielt sich der Widerstand gegen das Projekt in engen Grenzen, und im Jahr 2000 konnte ein Grundwasserschutzareal ausgeschieden werden. Die definitive Ausscheidung der Schutzzonen erfolgte 2012. Die Gemeinde besitzt heute praktisch den ganzen, in der Zone S2 gelegenen, Boden. Rund die Hälfte davon ist Landwirtschaftsland, das an den früheren Eigentümer verpachtet wird, der es als ökologische Ausgleichsfläche nutzt. Die Landeigentümer in der Zone S2 werden von der Gemeinde finanziell dafür entschädigt, dass sie ihr Land nicht mehr uneingeschränkt bewirtschaften können. Sie nutzen die Flächen als Weideland. Im Jahr 2012 hat das neue Pumpwerk, in Figur 4 zu sehen, seinen Betrieb aufgenommen und versorgt heute als Teil der Regionalwasserversorgung Mittelthurgau-Nord rund 70'000 Einwohner.
Doch gerade im dicht besiedelten Schweizer Mittelland ist es häufig nicht einfach, einen geeigneten Ersatzstandort zu finden. Pfäffikon wird beim Gewässerschutz vor Probleme gestellt, die in der Schweiz wohl einzigartig sind: Die Schutzzone S1 der wichtigsten Grundwasserfassung Hurden wird sowohl von einer Bahnstrecke wie einer viel befahrenen Kantonsstrasse durchquert – die Fassung befindet sich auf dem Seedamm zwischen Pfäffikon und Rapperswil. Entsprechend hoch ist das Gefährdungspotenzial für die Fassung, deren Schutz in keiner Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Grundwasserschutzzonen konnten daher auch gar nie rechtskräftig ausgeschieden werden, sie sind lediglich provisorisch festgelegt (Fig. 5).
Spätestens 2030, wenn die Konzession ausläuft, wird der Kanton verfügen, die Wasserfassung Hurden aufzuheben. Deshalb muss die von der Gemeinde mit der Wasserversorgung beauftragte Korporation Pfäffikon dringend nach einem Ersatz suchen. Doch im dichtbebauten Pfäffikon ist kaum Platz für neue Schutzzonen. Nun werden verschiedene Möglichkeiten geprüft: die Fassung zu verlegen, Trinkwasser aus der regionalen Nachbarschaft oder Wasser aus einem Seewasserwerk zu beziehen. Noch steht aber nicht fest, wie sich die künftige Trinkwasserversorgung von Pfäffikon sichern lässt.
Falls eine sichere Trinkwasserversorgung wegen Nutzungskonflikten nicht mehr gewährleistet werden kann, gilt es eine Interessenabwägung vorzunehmen. Ein wichtiges Hilfsinstrument dafür ist eine regionale Wasserversorgungsplanung. Als Erstes gilt es dabei, den aktuellen und künftigen Bedarf zu ermitteln und zu klären, welche Wasserfassungen und -ressourcen es braucht, um ihn abzudecken. Aufgrund der Wasserversorgungsplanung lässt sich schliesslich beurteilen, wie wichtig ein Grundwasservorkommen oder eine einzelne Trinkwasserfassung für die Versorgung der Bevölkerung ist, und ob man sie im Falle eines Nutzungskonfliktes allenfalls ersetzen könnte. Falls es sich zeigt, dass dies nicht der Fall ist, ist ein konsequenter Schutz der betroffenen Fassung angezeigt. Verschiedene Kantone haben eine solche Planung bereits durchgeführt und Massnahmen getroffen.
Im Idealfall werden Nutzungskonflikte frühzeitig auf planerischer Ebene ausgetragen. Die kantonalen Gewässerschutzfachstellen, so zeigt die Umfrage, machen häufig die Erfahrung, dass der Grundwasserschutz allzu spät in die Raumplanung einfliesst. Dies kann zu kostspieligen Projektanpassungen führen. In der Praxis entsteht immer wieder ein grosser Druck auf die kantonalen Fachstellen, wichtige Projekte zu bewilligen, auch wenn eine Gefährdung für die Trinkwassernutzung nicht ausgeschlossen werden kann. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Spezialisten im Bereich der Raumplanung und weitere an Planungsprozessen Beteiligte für den Grundwasserschutz sensibilisiert werden. Das BAFU setzt sich aktiv dafür ein, dass der Grundwasserschutz in den raumplanerischen Prozessen mehr Gewicht erhält. Die Problematik der Nutzungskonflikte muss die nötige Beachtung finden und wird zum Beispiel in den Vollzugshilfen zum Grundwasserschutz stärker berücksichtigt werden. Die künftigen Entwicklungen in diesem Bereich werden durch das BAFU weiterverfolgt und die entsprechenden Ergebnisse kommuniziert werden.
In den meisten Regionen der Schweiz sind glücklicherweise genügend Wasserreserven im Untergrund vorhanden, um den Trinkwasserbedarf auch in Zukunft zu decken. Allerdings wird der Raum an der Oberfläche knapp für Grundwasserschutzzonen, die für eine sichere Trinkwasserversorgung notwendig sind. Hier stehen wir vor grossen Herausforderungen, die in den nächsten Jahren in Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und den Wasserversorgungen angegangen werden müssen. Nur so können wir den zunehmenden Gefährdungen, die von Nutzungskonflikten oder auch Extremwetterperioden ausgehen, besser begegnen. Das Freihalten der notwendigen Flächen mag aufwändig und kostspielig sein. Und es ist nicht einfach, dem Druck standzuhalten, dem die Behörden bei der Umsetzung des Grundwasserschutzes von unterschiedlichster Seite ausgesetzt sind. Doch diese Anstrengungen sind letztlich Investitionen in die Zukunft unseres
Landes.
Die Grundwasserschutzzonen dienen dazu, Grundwasservorkommen, die für die Trinkwasserversorgung genutzt werden, vor Verschmutzung zu schützen. Zudem sollen sie sicherstellen, dass der Grundwasserzufluss nicht vermindert wird. Schutzzonen müssen um alle Grundwasserfassungen herum ausgeschieden werden, die im öffentlichen Interesse liegen (Fig. 6).
Die Zone S1 umfasst die unmittelbare Umgebung einer Grundwasserfassung.
Bei «stark heterogenen Karst- und Kluft-Grundwasserleitern» fliesst das Grundwasser in Spalten oder in teilweise komplexen Höhlensystemen. Hier umfasst die Zone S1 ausserdem Schluckstellen. Von solchen Schluckstellen kann Wasser von der Oberfläche trotz grösserer Entfernung in kürzester Zeit zur Quelle gelangen.
Die Zone S2 soll sicherstellen, dass das Grundwasser durch Grabungen und weitere Arbeiten nahe von Grundwasserfassungen und -anreicherungsanlagen nicht verunreinigt wird. Zudem soll sie verhindern, dass der Zufluss zur Grundwasserfassung durch unterirdische Bauten behindert wird.
Die Zone S2 soll in den meisten Fällen (mit Ausnahme der «stark heterogenen Karst- und Kluft-Grundwasserleitern») gewährleisten, dass keine Krankheitserreger in das Trinkwasser gelangen. Es ist deshalb verboten, in dieser Zone Gülle auszubringen. Die Versickerung von Abwasser sowie das Erstellen von Bauten und Anlagen sind ebenfalls nicht zulässig.
Die Zone S3 soll sicherstellen, dass bei einem Unfall genügend Zeit und Raum zur Verfügung stehen, um eine Gefahr für das gefasste Trinkwasser abzuwehren. Daher dürfen sich Betriebe, die eine Gefahr für das Grundwasser darstellen – beispielsweise Tankstellen –, nicht in der Zone S3 befinden.
Anstelle der Zone S3 werden die «stark heterogenen Karst- und Kluft-Grundwasserleiter» zusätzlich zu den Zonen S1 und S2 durch die Zonen Sh und Sm geschützt (Fig. 7). Der grösste Teil des Einzugsgebiets der Fassung wird durch die Zone Sh geschützt, wenn die Empfindlichkeit (Vulnerabilität) des Grundwasserleiters hoch ist (h = hoch), beziehungswiese durch die Zone Sm bei mittlerer Empfindlichkeit (m = mittel).
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