Seeufer sind wertvolle Lebensräume. Viele Arten sind auf dieses Vernetzungselement zwischen Land und Wasser angewiesen. Seeufer sind seit jeher auch wichtige Naherholungsräume für die Bevölkerung. Sie stehen aus diesem Grund häufig unter einem starken Nutzungsdruck. Die natürliche Funktion der Seeufer ist dadurch an vielen Orten beeinträchtigt. Die Kantone sind verpflichtet, für die Revitalisierung von Gewässern zu sorgen und dabei den Nutzen für Natur und Landschaft sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen (Art. 38a GSchG). Analog den Fliessgewässern muss auch bei der Revitalisierung der Seeufer eine strategische Planung erstellt werden. Seit 2023 dient im Kanton Bern die strategische Planung der Seeufer als Grundlage für alle Planungen und Projekte im Bereich der Seeufer. Darin enthalten sind die drei grossen Seen (Brienzer-, Thuner- und Bielersee) und 30 Kleinseen. Die Ökomorphologie der Ufer des Thunerund des Brienzersees ist zu mehr als 75% beeinträchtigt bis künstlich. Dafür sind primär die meist hart verbaute Uferlinie und der stark genutzte Uferstreifen verantwortlich. Der Bielersee weist dank der weitgehend naturnahen Ufer des Heidenweges und am Südufer eine bessere Gesamtbilanz auf. Aber auch hier ist über die Hälfte der Uferlinie naturfremd oder künstlich. Informationen zu den Planungen zur Revitalisierung der Gewässer im Kanton Bern sind hier zu finden: www.bvd.be.ch/de/start/themen/wasser/gewaesserentwicklung
Die Revitalisierung beeinträchtigter Seeufer soll primär einen naturnahen Lebensraum wiederherstellen, in dem sich eine resiliente, standorttypische Biodiversität entwickeln kann. Neben den ökologischen Zielen ist auch die Erholungsnutzung ein wichtiger Faktor. Sie dient nachweislich einer besseren Akzeptanz von Renaturierungen in der Bevölkerung. In den drei grossen Berner Seen konnten bereits kleine Projekte mit Pilotcharakter umgesetzt werden. Zu erwähnen sind hier innovative Gemeinden oder Privatpersonen, die für die Massnahmen gewonnen werden konnten. Der Renaturierungsfonds hat jeweils einen Teil der Kosten getragen und/oder fachlich die Umsetzung begleitet. In der Schweiz gibt es bis heute nur wenige Seeuferrevitalisierungen. Entsprechend sind ökologische wie auch ingenieurbiologische Erkenntnisse für zukünftige Projekte wertvoll.
Das Seeufer im Bereich «Im Brunnen» (Gemeinde Brienz) am östlichen Ende des Brienzersees wies gemäss der strategischen Revitalisierungsplanung einen ökomorphologisch naturfremden Zustand mit hohem Nutzen und hohem Aufwertungspotenzial auf. Im Jahr 2022 realisierte die Zentralbahn als Ersatzmassnahme hier ein Holzriff. Dieses beruhigt den Wellenschlag und führt zu einer ruhigeren Flachwasserzone, in der Unterwasserpflanzen wie auch Schilf eine bessere Lebensgrundlage finden. Zudem bilden die Holzstrukturen wertvolle Unterstände, die von den Fischen sehr gut angenommen wurden. Auch Eisvögel und Wasserschlangen konnten in diesem Riff bereits gesichtet werden. Auf Initiative des Fischereiinspektorates realisierte die Zentralbahn im Winter 2023 eine weitere Etappe.
In Faulensee (Gemeinde Spiez) im Bereich des kantonalen Fischereistützpunkts war das Seeufer in einem ökomorphologisch künstlichen Zustand. Mit dem im Winter 2019/20 umgesetzten Projekt konnte das künstliche Ufer teilweise entfernt werden. Das Ufer wurde abgeflacht und in zwei Bereiche eingeteilt. Die linke Seite steht ausschliesslich der Natur zu Verfügung. Wurzelstämme und weitere Totholzelemente wie Faschinenbesen, ganze (Totholz-)Bäume und Blocksteine sowie eine standortgerechte Bestockung dienen verschiedenen Arten als Lebensraum. Das flache Kiesbett dient den Felchen als Laichsubstrat. In den Holz- und Steinstrukturelementen finden Hechte, Eglis, Weissfischarten, Trüschen und Groppen einen Unterschlupf. Die Raubfischarten können sich aber auch auf die Jagd nach Beute machen. Die rechte Seite steht der Bevölkerung für die Naherholung zur Verfügung. Im Sommer nutzen viele Menschen das flache Ufer zum Baden.
Das Seeufer vor dem Seewasserwerk Ipsach war bis vor Kurzem mit Blocksteinen hart verbaut. Der Konzessionär erklärte sich auf freiwilliger Basis bereit, für die Eingriffe durch die Erneuerung des Werks ökologische Ausgleichsmassnahmen am Ufer und in der Flachwasserzone zu leisten. Es bot sich somit die Gelegenheit, den Uferverbau vollständig rückzubauen und durch eine naturnahe Uferbucht mit einer Flachwasserzone zu ersetzen, die seitlich von zwei Buhnen vor Wellenschlag geschützt wird. Die Kiesschüttung steht der Bevölkerung als Seezugang zur Verfügung. Auch hier wurde ein Holzriff mit Totholzelementen gebaut, um eine wellenberuhigte Zone zu schaffen, die ausschliesslich der aquatischen Lebensgemeinschaft vorbehalten ist. Mit diesem Gestaltungskonzept gelang eine massgebliche Wiederherstellung eines naturnäheren Seeuferabschnittes zugunsten von Fauna und Flora, doch unter Einbezug der Nahherholungsfunktion. Das Vorhaben stellt eine sinnvolle Weiterführung der östlich anschliessenden Uferrevitalisierung im Erlenwäldli in Ipsach dar.
In den 30er-Jahren wurde das Ufer von der Grenze zu Erlach bis zur Zihlkanalmündung mit einer Ufermauer hart verbaut. Dieses künstliche Element trennte den landseitigen Auenwald vom See und verhinderte eine natürliche Dynamik in der Übergangszone zwischen Land und Wasser. 2003 wurde ein erster Abschnitt renaturiert, indem die Ufermauer rückgebaut und die Mauersteine als vorgelagerte Wellenbrecher in der Flachwasserzone wiederverwendet wurden. Die Wirkung der Massnahme war beeindruckend: Zwischen Wellenbrecher und Seeufer kam es zu einer deutlichen Sedimentation und einer Verdreifachung der Schilffläche. Zusammen mit dem vielen Totholz hat sich ein ausserordentlich schöner Lebensraum für Tiere und Pflanzen entwickelt. Die positiven Erfahrungen waren Anlass für eine weitere Umsetzungsetappe: Ein Bahnprojekt der SBB erforderte ökologische Ersatzmassnahmen in der Region, die 2023 am Seeufer in Gals geleistet wurden. Bei diesem Projekt wurde abermals die bestehende Uferverbauung rückgebaut und die Blöcke als neue vorgelagerte Wellenbrecher wiederverwendet. Lahnungen aus Holz auf rund 80 m dienen als weitere Wellenbrecher bei Bisenlagen und Strukturierungselemente. Durch den Rückbau der Uferbefestigung soll sich eine natürliche morphologische Dynamik einstellen und das neue Ufer durch den Wellengang buchtartig verformen. Der Uferquerschnitt an der Uferlinie soll abflachen. Zwischen Ufer und Wellenbrecher wird sich Schilfröhricht ansiedeln und die Ufererosion stoppen.
Am 23. November 1997 sprach sich das Berner Stimmvolk für die Schaffung eines kantonalen Renaturierungsfonds aus. Seit nun 25 Jahren unterstützt und entlastet der Fonds Gemeinden und die Öffentlichkeit bei der Umsetzung von Gewässerrevitalisierungsprojekten, indem er eine Restfinanzierung übernehmen und die Projekte fachlich begleiten kann. Er initiiert Projekte durch Abklärungen, Machbarkeitsstudien, Einzugsgebietsstudien und ermöglicht Landerwerb. Seit 1998 konnten bereits über 1400 Projekte mit mehr als 77,5 Millionen Franken unterstützt werden. Der Kanton Bern ist schweizweit führend im Thema Renaturierung, was zu einem grossen Teil dem Renaturierungsfonds zu verdanken ist.
Info: www.be.ch/renf
Durch eine Revitalisierung können Bäche, Flüsse und Seen ihre ökologischen Funktionen wieder wahrnehmen. Davon profitieren die Artenvielfalt der Schweiz, die Naherholung und der Schutz vor Hochwasser. Über einen Zeitraum von 80 Jahren soll ein Viertel der rund 16'000 km verbauten Gewässer auf diese Weise aufgewertet werden. In einer lockeren Aqua & Gas-Serie stellt die Wasser-Agenda 21 bereits abgeschlossene Revitalisierungsprojekte vor.
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)