Kunststoffrasenplätze für Fussball nehmen in der Schweiz seit Jahren kontinuierlich zu, weil sie im Vergleich zu Naturrasenplätzen eine zwei- bis dreimal höhere potenzielle Nutzungszeit über das Jahr aufweisen [1]. Gegenwärtig gewinnt der Kunststoffrasen wegen des Auftretens des Japan-Käfers auf Naturrasenplätzen weiter an Bedeutung. Kunststoffrasen wird hierfür als mögliche Lösung angesehen.
Aufgrund der verwendeten Materialien werden die möglichen Umweltauswirkungen intensiv diskutiert. So wird beispielsweise befürchtet, dass Kunststoffpartikel und -fasern durch die Entwässerung der Plätze, den Unterhalt (Bewässerung, Schneeräumung etc.) oder durch Windverfrachtung in Boden und Gewässer gelangen können [2, 3, 4]. Je kleiner die Kunststoffpartikel sind, desto leichter können sie über Wasser und Luft transportiert und von Organismen aufgenommen werden. Auch die Belastung des Sickerwassers mit gelösten Stoffen, die Effekte auf Organismen sowie die Entsorgung (Lebensdauer) von den Materialien stehen im Fokus [5-8].
Kunststoffrasenplätze bestehen aus einer Tragschicht, einer Elastikschicht und der Rasendecke [9–12]. Bei verfüllten Spielfeldern werden zusätzlich Einstreugranulate (Korngrösse 1–3 mm) aus Kunststoff oder auf organischer Basis (Kork, Kokosfasern etc.) verwendet. Das Einstreugranulat wird verwendet, um naturrasenähnliche Spieleigenschaften (Ballrollverhalten, Dämpfung etc.), insbesondere im Winter, zu erreichen und die Verletzungsgefahr zu minimieren. Unter der Granulatschicht wird häufig Quarzsand als Beschwerung aufgebracht. Bei unverfüllten Systemen sind die Fasern auf dem Kunststoffrasenteppich dichter angeordnet und anders eingearbeitet als bei verfüllten Systemen, um darüber die sportfunktionellen Eigenschaften zu erzielen. Durch Alterung und Abnutzung der Einstreugranulate und des Rasens entsteht Abrieb [6, 13]. Gealtertes Granulat ist rund 10- bis 100-mal kleiner als neues Material.
Mikroplastik sind Kunststoffpartikel mit einer Grösse von weniger als 5 mm, die in der Umwelt vorkommen können. Sie werden entweder direkt als Partikel eingesetzt (primäres Mikroplastik) oder entstehen durch den Abbau grösserer Kunststoffteile (sekundäres Mikroplastik). Makroplastik umfasst grössere Kunststoffteile und ist dadurch deutlich sichtbar in der Umwelt.
Die EU hat inzwischen ein Verbot fĂĽr synthetisches Einstreugranulat beschlossen, das 2031 in Kraft treten soll [14]. NatĂĽrliche FĂĽllstoffe (Kork, Olivenkerne etc.) und biologisch abbaubare polymere FĂĽllstoffe sind von diesem Verbot nicht betroffen.
Im Rahmen einer Studie wurden die Kunststoffrasenplätze für Fussball in der Schweiz erstmals erfasst und das Vorkommen und der Austrag von Mikroplastik eruiert [15]. Insbesondere wurden Informationen zu den eingesetzten Materialien, dem Materialienaustrag sowie dem Unterhaltsaufwand erhoben.
Zunächst wurden mittels Satellitenbildanalyse (Stand 31.12.2021) alle Fussball-Kunststoffrasenplätze in der Schweiz identifiziert. Auf ausgewählten Plätzen wurde dann das Vorkommen von Mikroplastik erfasst und abgeschätzt. Befragt wurden ausserdem die Sportplatzbetreiber (Fussballverbände), der Schweizerische Fussballverband (SFV), das Bundesamt für Sport (BASPO), Hersteller, Planer sowie Städte und Gemeinden. Auf diese Weise konnten Informationen über ca. 60% aller Kunststoffrasenplätze gesammelt werden. Alle Material- und Unterhaltsdaten sind in einem Geographischen Informationssystem (GIS) erfasst.
Die schweizweiten Sportbauten werden vom Bundesamt für Landestopografie im Datensatz TLM-Sportbauten geführt. Basierend auf der Auswertung des TLM-Datensatzes (Stand 2020) gibt es in der Schweiz rund 16 150 Sportplätze, wovon rund 3000 Fussballplätze sind (Fig. 1). Die Plätze lassen sich in Normfelder (67%) und Kleinfelder (33%) unterteilen. Als Normfelder (Grossfelder) gelten Plätze mit einer Fläche von mindestens 6200 m² Grösse. Es gibt rund fünfmal so viele Naturrasen- wie Kunststoffrasenplätze (rund 2400 vs. 500) (Fig. 1). Von den Kunststoffrasenplätzen sind rund 200 Normfelder und 300 Kleinfelder.
Bezogen auf die Gesamtfläche sind rund 85% Natur- und 15% Kunststoffrasen. Alle Kunststoffrasenfelder zusammen (einschliesslich der Randbereiche) nehmen eine Fläche von rund 3,0 km² ein, was etwa 16% der Fläche aller Fussballfelder in der Schweiz entspricht.
Die meisten Spielfelder (90%) wurden nach dem Jahr 2000 gebaut, ungefähr die Hälfte davon in den letzten zehn Jahren. Pro Jahr sind durchschnittlich 16 Plätze hinzugekommen.
Der Anteil verfüllter Kunststoffrasenplätze liegt bei ca. 75% (365 Plätze) und unverfüllter bei ca. 25% (135 Plätze) (Fig. 1). Bei den Verfüllmaterialien dominiert SBR (Styrol-Butadien-Kautschuk) mit 40%, gefolgt von Kork mit 27% und EPDM (Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk) mit 23% sowie anderen Materialien wie TPE (thermoplastische Elastomere) mit 10% (Fig. 2). Organische Verfüllungen sind in der Westschweiz stärker verbreitet als in der Deutschschweiz. Mehr als 90% aller Kunststoffrasenplätze mit organischem Verfüllmaterial befinden sich in der Westschweiz. Vermutlich werden diese Materialien als bevorzugte Lösung gegen Mikroplastik angesehen.
Die Bezeichnung SBR bezieht sich sowohl auf synthetisches Neugranulat als auch auf Material aus recycelten Altreifen (End-of-Life Tyre, ELT) [10]. Unterschieden wird zwischen Post-Industrial- (PIR) und Post-Consumer-Rezyklaten (PCR). In der Schweiz wird vor allem PCR-Granulat für die Elastikschicht verwendet, während als Einstreugranulat eher primäres SBR oder EPDM zum Einsatz kommt.
Die Verfüllung wird häufig mit Sand kombiniert. Der Sand stützt die Fasern und stabilisiert durch sein Gewicht den Kunststoffteppich. In Verbindung mit synthetischen Granulaten kann jedoch der Sand als Reibmaterial dienen und so den Abbau des Einstreugranulats beschleunigen.
In den letzten zehn Jahren hat der Anteil der unverfüllten Systeme gegenüber den verfüllten Systemen deutlich zugenommen und erreichte 2021 rund 36%. Bei den vorher gebauten Plätzen beträgt der Anteil nur ca. 27%. Der Grund für die Zunahme von unverfüllten Plätzen liegt in der Diskussion um den Eintrag von Einstreugranulat in die Umwelt und dem Bedarf an Alternativen. In der Stadt Zürich gelten deshalb unverfüllte Plätze als Standard.
Die Menge der zu entsorgenden Materialien wird in den nächsten Jahren ansteigen, da die Lebensdauer meist 12 bis 15 Jahre beträgt [6]. Durch die zunehmende Verbreitung von den unverfüllten Rasenteppichen wird deren Anteil an der Entsorgung überproportional zunehmen.
Die zusammengetragenen Daten sind sehr gut abgesichert sowie durch Planer, Hersteller, Behörden und Verbände bestätigt worden.
Nach Angaben von Herstellern und Planern werden bei verfüllten Plätzen anfänglich 5 bis 25 kg/m² Kunststoffgranulat (rund 30 bis 155 t je Normplatz) eingebracht (Tab. 1). Bei EPDM und SBR sind es 5 bis 15 kg/m² (30 bis 93 t je Normplatz) und bei TPE 14 bis 25 kg/m² (87 bis 155 t je Normplatz). Typische Füllmengen für Kork sind aufgrund der geringeren Materialdichte deutlich niedriger und liegen zwischen 1,2 und 3,5 kg/m². Hochverfüllte Systeme sind in der Schweiz selten (Tab. 1).
System | SBR | EPDM | TPE | |||
[kg/m²] | [t/Platz] | [kg/m²] | [t/Platz] | [kg/m²] | [t/Platz] | |
verfĂĽllt | 6-9 | 37-56 | 5-8 | 31-50 | 14 | 87 |
hochverfĂĽllt | 15 | 93 | 15 | 93 | 25 | 155 |
Mit eigenen Messungen wurden Füllmengen von rund 8 bis 16 kg/m² bestimmt [16, 17]. Dies entspricht etwa 50 bis 100 t Kunststoffgranulat pro Normplatz. Die Angaben der Hersteller und Planer werden somit durch die Messungen bestätigt. Auch Bertling et al. [6] haben auf 15 Plätzen mit der gleichen Untersuchungsmethodik bis zu 12 kg/m² bestimmt. Die Mengen variieren jedoch auf den Plätzen wegen unterschiedlichem Spielbetrieb und anderen Pflegemassnahmen.
In den Siebfraktionen sind die eingesetzten Materialien und der Abrieb unterschiedlich stark vorhanden. In der Fraktion >1 mm, die rund 43% der Gesamtmenge ausmacht, findet sich erwartungsgemäss fast ausschliesslich das Kunststoffgranulat (Fig. 3). Sand hingegen ist vor allem in der nächstfeineren Fraktion (0,5 bis 1 mm) vorhanden, wobei der Anteil von Sand und Granulat fast gleich hoch ist. In der Fraktion 0,2 bis 0,5 mm ist überwiegend Sand nachweisbar, der Anteil am Gesamtmaterial ist jedoch gering (rund 12%). Die drei feinsten Fraktionen (<0,063 mm, 0,063 bis 0,1 mm, 0,1 bis 0,2 mm) bestehen aus einer Mischung von Sand, Abrieb und zersetzter Biomasse (z. B. Pflanzenresten). Sie machen zusammen nur 1,1% des Füllmaterials aus.
Feiner Abrieb ist insbesondere in den feineren Fraktionen visuell erkennbar. Interessanterweise nimmt der Abrieb in der Fraktion 0,5 bis 1 mm mit zunehmendem Alter der Kunststoffrasenplätze zu. Auch Bertling et al. [6] beobachteten eine Zunahme der Fraktion von 0,1 bis 0,3 mm mit zunehmendem Alter der Plätze.
Für unverfüllte Kunststoffrasenplätze wurde ebenfalls die Menge an sekundärem Mikroplastik, das vor allem durch den Abrieb von Fasern entsteht, abgeschätzt. Auf vier Plätzen wurden 0,001 bis 0,006 kg/m² Abrieb bzw. 6 bis 37 kg pro Normplatz nachgewiesen [16, 17].
Für alle Kunststoffrasenplätze in der Schweiz mit synthetischer Verfüllung (266 Plätze, 1,6 km² Fläche) ergibt sich für die drei wichtigsten Einstreugranulate (SBR, EPDM, TPE) eine Bestandsmenge von 10 000 bis 25 000 t (Fig. 4). Die primären Mikroplastikmengen verteilen sich folgendermassen:
Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass auf allen verfüllten und unverfüllten Rasenteppichen (rund 3,0 km² Fläche) rund 3 bis 17 t sekundäres Mikroplastik vorliegen. Die sekundäre Mikroplastikmenge setzt sich wie folgt zusammen (Fig. 4):
Zudem wurden die Messungen des Rasenabriebs von unverfüllten Plätzen auf verfüllte Plätze übertragen. Die Abschätzung basiert somit auf der Annahme, dass auf synthetisch und organisch verfüllten Plätzen ähnliche Mengen an sekundärem Mikroplastik entstehen wie auf unverfüllten.
Zwischen der Menge an primärem (Kunststoffgranulat) und sekundärem Mikroplastik (Abrieb) besteht ein Faktor von mehr als 1000. Wenn also vermehrt Kunststoffrasenflächen ohne Verfüllung gebaut werden, wird nicht nur primäres Mikroplastik vermieden, sondern auch sekundäres Mikroplastik aus dem Abrieb des Einstreugranulats.
Auch wenn das sekundäre Mikroplastik gewichtsmässig wenig relevant erscheint, werden kleinere Partikel besser transportiert und von Organismen leichter aufgenommen. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Anteil durch Unterhaltsmassnahmen (absaugen etc.) entfernt wird (s. u.).
Aus Sicht des Gewässerschutzes sind die SBR- und EPDM-Verfüllungen, aber auch entsprechende Materialien in der Elastikschicht aufgrund ihres Auswaschverhaltens besonders kritisch zu betrachten [7]. Von untergeordneter Bedeutung sind dagegen die Kunststoffrasenteppiche, die überwiegend aus PE (76%), gefolgt von Materialmischungen (19%) sowie PP (Polypropylen) und PA (Polyamid) bestehen [7, 15].
Verfüllte Kunststoffrasenplätze müssen regelmässig mit Granulat nachgefüllt werden, um die Bespielbarkeit des Platzes zu gewährleisten. Figur 5 zeigt die ermittelte Nachfüllrate von Kunststoffgranulat für 37 Norm- und Kleinfelder. In den meisten Fällen werden 1 bis 2 t Kunststoffgranulat pro Jahr auf einem Normplatz nachgefüllt. Verschoor et al. [18] berichten von 0,6 bis 1,2 t pro Jahr. Die durchschnittliche Nachfüllmenge von rund 0,2 kg/m² entspricht etwa 1,5% der Bestandsmenge an Granulat. Bezogen auf alle synthetisch verfüllten Kunststoffrasenplätze in der Schweiz ergibt sich daraus eine Nachfüllmenge von rund 320 t Granulat pro Jahr.
Häufig wird angenommen, dass der Nachfüllbedarf ausschliesslich auf die Verfrachtung in die Umwelt zurückzuführen sei [18, 19, 20]. Die Granulate würden weit verfrachtet und verfüllte Kunststoffrasenplätze seien daher eine der Hauptquellen für Mikroplastik [21]. Diese verbreitete Annahme ist nicht zutreffend. Herausgefunden wurde, dass die Hauptursache für den Nachfüllbedarf die Verdichtung durch den Spielbetrieb ist und nicht der Eintrag in die Umwelt. Die Messungen bestätigen, dass die Menge an Granulat und Abrieb pro Quadratmeter in etwa der Menge entspricht, die von den Platzwarten inklusive der Nachfüllung mit Granulat angegeben wurden.
Das bedeutet, dass die Menge des Kunststoffgranulats nicht der anfänglichen Menge beim Bau entspricht, sondern dass die Gesamtmenge pro Platz im Laufe der Zeit zunimmt. Folglich bewertet jede Schätzung, die die Unterhaltspraktiken nicht berücksichtigt, die tatsächlich freigesetzte Menge an Mikroplastik zu hoch.
Diese Erkenntnisse stehen in einem gewissen Widerspruch zu den Annahmen von Bertling et al. [6]. Die Autoren konnten experimentell weder eine eindeutige Mengenzunahme, noch einen Zusammenhang mit dem Alter nachweisen.
Aufgrund seines hohen Gewichts, seiner Abriebfestigkeit und seiner tiefen Einbettung im Kunststoffteppich ist der Sandverlust von verfüllten Plätzen gering. Dies zeigt sich daran, dass der Sand auf nur 2% der Fussball-Kunststoffrasenplätze wieder aufgefüllt wird.
Aus der Literatur ist bekannt, dass die jährlichen Verluste an Einstreugranulat in die Umgebung eines verfüllten Platzes zwischen 50 und 600 kg betragen [2, 4, 18, 22]. Unter Berücksichtigung der Bestands- und Austragsmengen ergeben sich jährliche Verlustraten von 0,03% bis 2% (maximale Verlustrate bis zu 600 kg bei einem Bestand von 30 t; minimale Verlustrate von 50 kg bei einem Bestand von 155 t).
Für alle mit Kunststoff verfüllten Plätze in der Schweiz (n=266) ergibt sich daraus einen Austrag von etwa 13 bis 160 t pro Jahr (primäres Mikroplastik, bis zu 60 kg pro Normplatz) (Fig. 4). Aufgrund der hohen Verbreitung von normal verfüllten Plätzen mit SBR und EPDM ist ein Austrag von rund 13 bis 50 t pro Jahr wahrscheinlich. Der Austrag ist nicht mit der Freisetzung in Boden und Grundwasser gleichzusetzen.
Die durch Kunststoffrasenplätze ausgetragenen Mengen liegen um Grössenordnungen tiefer als die Hauptquelle von Mikroplastik in der Schweiz, nämlich dem Reifenabrieb mit jährlich 13 500 t, und befinden sich in einer ähnlichen Grössenordnung wie andere Quellen von Mikroplastik, z. B. aus Haushalten oder der Kunststoffherstellung und -entsorgung [22].
Für die Abschätzung des Austrags von sekundärem Mikroplastik wurde vereinfachend angenommen, dass die Austragsrate von der Bestandsmenge an sekundärem Mikroplastik für alle Plätze gleich hoch ist wie für verfüllte Plätze (0,03 bis 2%). Dies führt zu einer jährlichen Gesamtemission in der Schweiz im Bereich von wenigen bis einigen Dutzend Kilogramm (Fig. 4):
Die geschätzten Mengen weisen eine grosse Bandbreite auf und sind aufgrund der begrenzten Datenbasis mit grossen Unsicherheiten behaftet. Die Genauigkeit der Abschätzungen bedarf ggf. weiterer Untersuchungen. Zudem führen bereits Abweichungen von 0,1% in der Austragsrate zu einer Differenz von bis zu 25 t bezogen auf die gesamte Schweiz. Publizierte Verluste von mehreren Tonnen Kunststoffgranulat pro Jahr und Feld sind jedoch trotz der Unsicherheiten nicht plausibel.
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Wie viel Mikroplastik durch den Spielbetrieb, die Witterung oder den Unterhalt (z. B. Schneeräumung) in den Boden, in Gewässer oder in die Abwasserreinigungsanlage (ARA) gelangt und wie viel davon gesammelt und über den Kehricht entsorgt wird, ist aufgrund fehlender Daten unsicher (Fig. 4) [1, 6].
Die Befragung der Platzbetreiber und die Begehungen haben jedoch ergeben, dass durch die Reinigung der umliegenden Flächen ein erheblicher Teil des vom Platz abgetragenen Mikroplastiks mit dem Kehricht entsorgt wird. Auch andere Untersuchungen bestätigen diese Beobachtung [22]. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass die Nachfüllmenge keinen Hinweis auf die Austragsmenge in die Umwelt gibt.
Eine exakte Erfassung der einzelnen Massenflüsse in die Umwelt dürfte zudem schwierig sein. Viele verschiedene Faktoren wären zu berücksichtigen, z. B. die Nutzungsintensität, der Pflegeaufwand, die Lage, die Umgebungsgestaltung und der Systemaufbau. Dies wäre allenfalls für einzelne Standorte mit einigem Aufwand möglich.
Klar ist, dass der Eintrag von primärem Mikroplastik aus Kunststoffrasen für die Umwelt mengenmässig bedeutsamer ist als aus sekundärem Mikroplastik.
Ob die von Bertling et al. [6] geschätzte Austragsmenge von 16 t pro Jahr (32 kg pro Spielfeld) durch Anhaftungen an der Spielerkleidung zutrifft, konnte nicht überprüft werden. Alle vorliegenden Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass diese Menge eher zu hoch liegt.
Um das Gefährdungspotenzial durch Kunststoffrasenflächen für die Gewässer zu ermitteln, wurde deren Verbreitung in Gewässerschutzbereichen und Grundwasserschutzzonen analysiert. Die Standorte in Grundwasserschutzzonen sind vor allem im Hinblick auf auswaschbare Stoffe kritisch zu betrachten [8, 15].
Die meisten Kunststoffrasenplätze liegen in den Gewässerschutzbereichen Au (54%) und Ao (4%) oder in den übrigen Bereichen üB (35 % (Fig. 6). In Grundwasserschutzzonen liegen ganz oder teilweise 7% der Plätze. Zu beachten ist, dass sich neun Kunststoffrasenplätze gleichzeitig über mehrere Teilzonen (S1, S2, S3) erstrecken (Fig. 6). Somit können 34 Plätze den Grundwasserschutzzonen effektiv zugeordnet werden. Von diesen Plätzen sind rund 60% verfüllt, davon rund 75% mit synthetischen Einstreugranulaten. Rund 70% der Plätze befinden sich in nur vier Kantonen (BL, GE, ZH, AG). In den Zonen Sh und Sm (Karstgebiete) konnten keine Kunststoffrasenplätze festgestellt werden.
Am häufigsten wird das Sickerwasser über Drainagen direkt in oberirdische Gewässer eingeleitet (36%), gefolgt von der Einleitung in ARA (30%) und in Versickerungsanlagen (22%) (Fig. 6). Die Einleitung in ein oberirdisches Gewässer oder in eine ARA kommt in allen Schutzzonen vor, hingegen die Versickerung vor allem in der Zone S3.
Der Anteil der Versickerung ist überraschend gering, wenn man bedenkt, dass die Versickerung von Niederschlagswasser gemäss Gewässerschutzverordnung (GSchV) erste Priorität haben sollte.
Es konnte nicht geklärt werden, ob in den Grundwasserschutzzonen Basisabdichtungen oder Behandlungsanlagen für das Sickerwasser vorhanden sind. Solche Massnahmen werden empfohlen [8].
Um das Risiko einer direkten Verfrachtung von Mikroplastik aus Kunststoffrasenplätzen in Oberflächengewässer abzuschätzen, wurde der kleinstmögliche Abstand zwischen dem Spielfeldrand zum nächstgelegenen Gewässer bestimmt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Grösse und Dichte des Einstreugranulats der Austrag mit zunehmender Entfernung vom Spielfeld abnimmt.
Da ca. 80% aller Plätze mehr als 30 m von Oberflächengewässern entfernt sind, ist in der Schweiz von einem eher geringen Eintragsrisiko von Mikroplastik auszugehen. Für rund 20% der Felder, die
Rund 6% Kunstrasenplätze (n=32) könnten für die Oberflächengewässer von grösserer Bedeutung sein, da sie weniger als 10 m entfernt sind. Um für diese Plätze mögliche Massnahmen zu ergreifen, sollte das Risiko standortspezifisch betrachtet werden.
Wie viel primäres und sekundäres Mikroplastik über die Entwässerung von Kunststoffrasenplätzen in Oberflächengewässer oder die Versickerung eingetragen werden, konnte nicht ermittelt werden. Die Entwässerungspfade sind meist nicht im Detail bekannt.
Aufgrund der Entwässerung über Schlammsammler und der Reinigung der befestigten Platzflächen ist jedoch davon auszugehen, dass nur ein Bruchteil des Austrags über die Entwässerung in die Umwelt gelangt. Auch nach Bertling et al. [6] wird der Eintrag über die Entwässerungssysteme überschätzt. Allenfalls kleinere Partikel (sekundäres Mikroplastik) könnten vor allem bei Starkregenereignissen in die Gewässer transportiert werden.
Um die Qualität und Bespielbarkeit zu erhalten, müssen Kunststoffrasen regelmässig gepflegt werden. Diese Pflege wirkt sich auch auf die mögliche Verbreitung von Mikroplastik aus.
Im verfüllten Kunststoffrasen kommt es zu einer spielbedingten Verteilung des Granulats. Durch das Bürsten des Platzes wird wieder eine gleichmässige Verteilung erreicht. Das Bürsten richtet auch die Fasern wieder auf, die durch die Nutzung zusammengedrückt wurden. Die Umfrage zeigt, dass Fussball-Kunststoffrasen wöchentlich bis zweiwöchentlich gebürstet werden.
Um Verunreinigungen wie beispielsweise organische Reste (Laub, Pollen, Staub) von den Feldern zu entfernen, werden Kehrsaugmaschinen eingesetzt. Diese saugen die Rasenflächen mehrere Zentimeter tief ab, um das Granulat mit Hilfe eines Trommelsiebs zu reinigen (Entfernung von feinen Partikeln) und sofort wieder auf dem Feld einzubringen. Eine solche Tiefenreinigung wird auf rund 80% der Kunststoffrasen ein- bis fünfmal pro Jahr durchgeführt und stellt damit die wesentliche Unterhaltsarbeit dar. Mit dem Absaugen wird auch sekundäres Mikroplastik entnommen und entsorgt. Chemische Reinigungsmittel werden nicht verwendet.
Um im Winter spielen zu können, muss manchmal Schnee geräumt werden. In der Schweiz werden etwa 70% der Plätze geräumt. Wird der Schnee auf befestigten Flächen gelagert, kann eine unkontrollierte Verlagerung in die Umgebung vermieden werden. Die Entfernung von Schnee mit Tausalz wird hingegen nur von wenigen Betreibern (rund 10%) praktiziert.
Die Bewässerung aus sportfunktionellen Gründen erfolgt auf rund 85% aller Kunststoffrasenplätze. Insbesondere im Sommer wird dadurch die Temperatur des Kunststoffteppichs gesenkt, das Gleitverhalten des Feldes verbessert und die Gefahr von Abschürfungen minimiert. Durch die Bewässerung können bei Trockenwetter umweltkritische Stoffe ausgewaschen und in die Umwelt eingetragen werden [7].
Die Menge an primärem Mikroplastik aus Kunststoffrasenplätzen konnte verlässlich abgeschätzt werden. Hinsichtlich des sekundären Mikroplastiks sind hingegen noch Fragen offen, da die vorliegenden Stichprobenmessungen nur eine grobe Orientierung geben.
Nach derzeitigem Kenntnisstand findet die wesentliche Belastung mit Mikroplastik in einem engen Umkreis der Plätze statt. Dort verbleibt das Material am Boden. Auch durch Schneeräumung verlagerte Granulate gelangen zumindest teilweise dorthin. Darüber hinaus wird das auf den befestigten Umgebungsflächen angehäufte Material durch Reinigungsmassnahmen entfernt und der Abfallentsorgung (Kehrichtverbrennung) zugeführt.
Alles deutet auf einen geringen Eintrag von Mikroplastik in die Entwässerungssysteme hin. Unter weiterer Berücksichtigung der Entfernung zu den Oberflächengewässern und der Filterwirkung des Bodens bei der Versickerung ist das Risiko eines Eintrags von Mikroplastik in die Gewässer schweizweit eher gering. Für Standorte mit geringer Distanz zu Oberflächengewässern können jedoch spezifische Abklärungen sinnvoll sein.
Durch gute Planung und Unterhalt lassen sich die Belastungen weiter minimieren [23]. Folgende Massnahmen bieten sich an:
Der Trend zu unverfüllten Plätzen zeichnet sich in Städten und Gemeinden ab.
Um den Eintrag in die Umwelt zu verhindern, können unverfüllte Rasenstreifen («Fangrasen», ca. 2 m breit) und Filterrinnen eingesetzt werden.
Regelmässiges Absaugen der Spielfelder entfernt den Abrieb.
Laubbläser verteilen Kunststoffpartikel in die Umgebung und sollten vermieden werden.
Der weggeräumte Schnee sollte auf befestigten Flächen lagern, wo nach der Schneeschmelze das Granulat entfernt werden kann.
Biologisch abbaubare polymere Einstreugranulate können eine Alternative zu herkömmlichen Kunststoffgranulaten sein. Diese sollten eine lange Lebensdauer unter dem Witterungseinfluss (Kälte, Hitze, UV-Strahlen, Regen) aufweisen. Ob sie trotzdem die Anforderungen an die Abbaubarkeit in der Umwelt erfüllen, ist ebenso nachzuweisen wie die tatsächlichen ökologischen Vorteile gegenüber konventionellen Produkten.
Organische Materialien wie Kork haben eine geringe Dichte, was zu Windverfrachtung führen kann, eine hohe Kompaktionsgefahr und eine geringe Langzeitstabilität. Häufig werden hohe Konzentrationen an gelösten organischen Bestanteile ausgewaschen (gelöster organischer Kohlenstoff, DOC) [7]. Daher sind unverfüllte Systeme vorzuziehen.
Die Bedeutung freigesetzter Faserbruchstücke ist zwar noch unklar, jedoch dürfte es sich primär um ein ästhetisches Problem handeln, da sie visuell deutlich sichtbar sind.
Naturrasenplätze sind nicht unbedingt umweltfreundlicher, da ihre intensive Pflege, wie Düngung und Unkrautbekämpfung, zu Nährstoff- und Schadstoffeinträgen in Gewässer führen kann. Sie brauchen etwa viermal so viel Bewässerung wie Kunststoffrasen.
Beide Bauweisen erfordern daher optimierte Bauweisen und Betriebsstrategien, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren.
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[1] Itten, R.; Glauser, L.; Stucki, M. (2020): Ă–kobilanzierung von Rasensportfeldern: Natur-, Kunststoff- und Hybridrasen der Stadt ZĂĽrich im Vergleich. ZĂĽrcher Hochschule fĂĽr Angewandte Wissenschaften ZHAW
[2] Løkkegaard, H.; Malmgren-Hansen, B.; Nilsson, N.H. (2018): Mass balance of rubber granulate lost from artificial turf fields, focusing on discharge to the aquatic environment. A review of literature. (Revised May 2019), DTI, 25
[3] Li, R. (2019): Tracking Microplastics from Artificial Football Fields to Stormwater Systems. Master’s thesis, Stockholm University
[4] Regnell, F. (2019): Dispersal of microplastic from a modern artificial turf pitch with preventive measures – case study Bergaviks IP, Kalmar, Ecoloop: 27
[5] Postma, J.; van der Oost, R. (2018): Rubbergranulaat op Kunstgrasvelden. Verkenning milieueffecten voor het aquatisch ecosysteem (Stowa), Amersfoort
[6] Bertling, J. et al. (2021): Kunstrasenplätze – Systemanalyse unter Berücksichtigung von Mikroplastik- und Treibhausgasemissionen, Recycling, Standorten und Standards, Kosten sowie Spielermeinungen. Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, Oberhausen
[7] Burkhardt, M.; Englert, A.; Patrick, M. (2024a): Kunststoffrasenflächen für Fussball - Qualität und Bewertung des Sickerwassers. Im Auftrag des Bundesamtes für Sport (BASPO), des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) und des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), Kanton Zürich, S. 47
[8] Burkhardt, M.; Englert, A.; Patrick, M. (2024b): Umgang mit Sicker- und Niederschlagswasser von Kunststoffrasen und -belägen. Im Auftrag des Bundesamtes für Sport (BASPO), des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) und des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), Kanton Zürich, S. 13
[9] BASPO (2006). 111 – Kunststoffrasen - Übersicht. BASPO Bundesamt für Sport, Magglingen
[10] BASPO (2008): 112 – Kunststoff- und Kunststoffrasenflächen – Empfehlung zur Umweltverträglichkeit. BASPO Bundesamt für Sport, Magglingen
[11] DIN 18035-7:2019-12 (2019): Sportplätze – Teil 7: Kunststoffrasensysteme. DIN e. V., Berlin
[12] DIN 18035-6:2021-08 (2021): Sportplätze – Teil 6: Kunststoffflächen. DIN e. V., Berlin
[13] FLL (2022): Fachbericht Kunststoffsportböden – Nachhaltige Kunststoffbelagsauswahl für Sportfreianlagen. FLL Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V., Bonn
[14] EU (2023): Schutz von Umwelt und Gesundheit: Kommission erlässt Maßnahmen zur Beschränkung von bewusst zugesetztem Mikroplastik. Europäische Kommission – Pressemitteilung, Brüssel
[15] Patrick, M., A. Englert, Burkhardt, M. (2024): Kunststoffrasenflächen in der Schweiz und Relevanz von Mikroplastik. Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) und des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich, S. 31.
[16] Beck, C. (2020): Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen. Bachelorarbeit, Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil
[17] Kurz, L. (2021): Messung von Mikroplastik auf
Kunstrasenplätzen für Fussball. Bachelorarbeit, Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil
[18] Verschoor, A.J.; van Gelderen, A.; Hofstra, U. (2021): Fate of recycled tyre granulate used on artificial turf. Environmental Science of Europe, 33:27
[19] ECHA (2020a): Background Document to the Opinion on the Annex XV report proposing restrictions on intentionally added microplastics. Committee for Risk Assessment (RAC) and Committee for Socio-economic Analysis (SEAC). Microplastics_Annex XV_Restriction report (https://echa.europa.eu/documents/10162/b56c6c7e-02fb-68a4-da69-0bcbd504212b)
[20] ECHA (2020b): Annex D to Background Document – Microplastics_Opinion Annex XV_Report_Annexes Committee for Risk Assessment (RAC) and Committee for Socio-economic Analysis (SEAC).https://echa.europa.eu/documents/10162/827ab66d-8f59-9076-e000-064274ba5b5e
[21] Fleming, P. R.; Forrester, S. E.; McLaren, N. J. (2015): Understanding the effects of decompaction maintenance on the infill state and play performance of third-generation artificial grass pitches. Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part P: Journal of Sports Engineering and Technology, 229 (3), 169–182
[22] Weijer, A.; Knol, J.; Hofstra, U. (2017): Verspreiding van infill en indicatieve massabalans. SWECO, SGS Intron, 48
[22] Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU (2022): Kunststoffe in der Umwelt. Bericht des Bundesrates in ErfĂĽllung der Postulate 18.3196 Thorens Goumaz vom 14.03.2018, 18.3496 Munz vom 12.06.2018, 19.3818 Flach vom 21.06.2019, 19.4355 CVP-Fraktion vom 27.09.2019
[23] CEN/TR 17519:2020 (2020): Surfaces for sports areas - Synthetic turf sports facilities - Guidance on how to minimize infill dispersion into the environment. CEN, BrĂĽssel
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Als Mikroplastik im Sinne der Europäischen Chemikalienagentur ECHA gelten frei bewegliche Kunststoffpartikel mit einer Grösse von >1 nm bis 3 nm bis 15 mm bei einem Längen-Durchmesser-Verhältnis >3.
Das Projekt wurde im Auftrag des Bundesamtes fĂĽr Umwelt (BAFU) und des Amtes fĂĽr Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons ZĂĽrich durchgefĂĽhrt. FĂĽr die grossartige UnterstĂĽtzung sei an dieser Stelle herzlich gedankt. An verschiedenen Inhalten haben Patricia Meier, Cengiz Akandil, Livio Kurz und Carina Beck mitgewirkt. Wir danken auch den 25 Mitgliedern der Begleitgruppe fĂĽr ihre Mitarbeit.
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