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Fachartikel
10. Oktober 2024

Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung

Dachbegrünung mit optimierter Verdunstungsrate

Ein Gebäude mit 100% dezentraler Regenwasserbewirtschaftung und einer Wasserhaushaltsbilanz mit angestrebten 50% Verdunstungsanteil wie im natürlichen Gelände vor der Bebauung – ist dies möglich? Ein Neubau im süddeutschen Donaueschingen zeigt, wie das funktionieren kann – und zwar mit einer wettergesteuerten Gründach-Bewässerung mit Regenwasser aus der Zisterne.

Die Europäische Klimaanpassungsplattform Climate-Adapt ist eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Kommission und der Europäischen Umweltagentur. Auf ihrer Website präsentiert Climat-Adapt unter anderem Beispiele gelungener Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel in Städten und Regionen.Basel zum Beispiel ist dort seit 2020 mit seiner Gründachstrategie prominent vertreten. «Diese wird voraussichtlich Anpassungsvorteile in Form von niedrigeren Temperaturen und reduziertem Oberflächenabfluss bringen», ist zu lesen. «Mit 5,71 m² pro Einwohner im Jahr 2019 verfügt die Stadt Basel in der Schweiz über die grösste Fläche an Gründächern pro Kopf der Welt.»

Eines der ehrgeizigen Ziele der Schweizer Siedlungswasserwirtschaft ist, in Siedlungsgebieten nach der Bebauung natürliche Verhältnisse von Verdunstung, Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluss herzustellen. Auch Österreich und Deutschland peilen dieses Ziel an. Ein Pilotprojekt, bei dem das zu gelingen scheint, ist der 2023 fertiggestellte Vereinsheim-Neubau des Schellenberg-Sportclubs Donaueschingen (SSC) auf der östlichen Seite des Schwarzwalds (Fig. 2). 

Rückbesinnung auf natürliche Verhältnisse

Die Lage des Objekts im Sportzentrum Im Haberfeld könnte für ein anspruchsvolles wasserwirtschaftliches Vorhaben nicht passender sein. Denn was hier im kleinen Massstab praktiziert wird, geschieht jenseits der Grundstücksgrenze im grossen Stil: Rückbesinnung auf natürliche Verhältnisse. Es geht um den Zusammenfluss von Brigach und Breg, deren Wasser aus dem Schwarzwald stammt. Ab dort trägt der so gebildete und aus 22 weiteren Quellen gespeiste Fluss den Namen Donau. Dieser Ort des «Ursprungs» wurde unter gewässerökologischen Aspekten renaturiert. Seit seiner Fertigstellung 2022 ist an dieser Stelle wieder eine dynamische Flusslandschaft erlebbar, mit verbesserter Biodiversität und einem naturgemässen Ausgleich zwischen Hoch- und Niedrigwasser (Fig. 1).

Dazu passt das SSC-Vereinsheim, dessen Regenwasserbewirtschaftung folgende Wirkungen zeigt (Fig. 3):

  • Niederschläge werden nicht unmittelbar von Gebäude und Grundstück abgeleitet. Stattdessen wird Regen in Speichern auf dem Dach, flächig unter der Substratschicht, und im Untergrund, in einer Zisterne aus Betonfertigteilen mit Filtertechnik, zurückgehalten.
  • Kein Tropfen Regenwasser gelangt ungenutzt in den «Vorfluter» Donau. Stattdessen wird ein Teil des gespeicherten Wassers für die WC-Spülungen verwendet. Dadurch wird ganzjährig Trinkwasser gespart.
  • Ein Teil des gespeicherten Wassers wird zur Bewässerung des Gründachs genutzt. Dies steigert die Verdunstung enorm.
  • Mithilfe von Wetterdaten wird die automatische Steuerung zur Dachbewässerung bei bevorstehenden Regenereignissen nicht aktiv. Dies hilft beim Energiesparen.
  • Abfluss und Überlauf des unterirdischen Regenspeichers münden in eine Versickerungsrigole aus Porenbeton. Dort ist ausreichend Hohlraum, sodass selbst Starkregenüberläufe ausreichend Platz finden, bevor sie allmählich in das Grundwasser sickern.

Mischwasserentlastung und Stadtklima

Ein Kanalanschluss für das Ableiten des Regenwassers vom Vereinsgelände besteht nicht. Das entlastet die kommunale Entwässerung und hilft, die Gefahr von Überflutung zu reduzieren. Auch vermindert sich damit bei Starkregen die Wahrscheinlichkeit von ungereinigten Mischwasserüberläufen in die Donau. Insofern hat das Regenwasser-Bewirtschaftungskonzept des SSC-Vereinsheims einen kleinen Anteil am quantitativen und qualitativen Gewässerschutz. Es ist, anders ausgedrückt, ein privater Beitrag zum Gemeinwohl. Doch damit nicht genug: Einen weiterer Beitrag für ein besseres Stadtklima wird durch den hohen Verdunstungsanteil geleistet. Durch die Bewässerung kann das begrünte Dach deutlich mehr verdunsten. Dabei wird enorm viel Umgebungswärme gebunden. So entstünde im Sommer, wenn im Stadtgebiet alle verfügbaren Dächer derart «funktionieren» würden, ein spürbarer Kühleffekt.

Inspiration Aqua Urbanica

Die länderübergreifende Konferenz Aqua Urbanica, die sich vollumfänglich der Niederschlags- und Mischwasserbewirtschaftung widmet, findet nach einem rotierenden Prinzip jährlich im deutschsprachigen D-A-CH-Raum statt. 2022 wurde die Konferenz vom Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute VSA in der Schweiz ausgerichtetet. Der Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen (BSLA) schrieb dazu in seiner Ankündigung: «Schwammstadt, Grüne Infrastruktur, WSUD, LID etc. – es existieren viele Begriffe für dasselbe Konzept: Den Wasserhaushalt in der Stadt naturnaher zu gestalten. Aber auch um urbane Hitzeinseln zu reduzieren, sind diese Konzepte wichtig. Allerdings wissen wir oft nicht, wie wir sie am besten in bestehende Planungen integrieren können.»

Ein Jahr später fand die Konferenz in Garching bei München statt. Dort wurde das oben beschriebene deutsche Pilotprojekt wie eine Antwort auf diese Bemerkung vorgestellt. Max Maurer und Jörg Rieckermann von der Eawag sassen im Scientific Board, ebenso wie Michael Burkhardt und Christian Graf von der OST Rapperswil. Denkbar also, dass die wettergesteuerte Gründach-Bewässerung mit gesammeltem Regenwasser in Donaueschingen bald auch zur Optimierung der Klimaanpassung in Basel und anderen Schweizer Städten empfohlen wird.

Gründächer mit Bewässerung – Gut für Klima und Umwelt

  • Kühlung und Luftbefeuchtung durch Regenwasserverdunstung
  • CO₂-Bindung, Sauerstoffproduktion
  • Entwicklung der Bepflanzung
  • Staubbindung, Geräuschdämpfung
  • Retention bei Starkregenereignissen
  • Entlastung der Kanalisation durch Regenrückhaltung
  • Biotopvernetzung für Flora und Fauna, speziell für Insekten und Vögel
  • Biodiversitätsentwicklung durch Licht- und Feuchtigkeitsunterschiede

Weitere Information und Kontakt

www.mall.ch

Klaus W. König (E-Mail)

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