Eingetiefte Gewässer treten nur bei seltenen Ereignissen über die Ufer. Dadurch können sie ihre natürlichen ökologischen und hydrologischen Funktionen aber nur sehr eingeschränkt wahrnehmen. Es fehlen überstaute Uferbereiche, wechselfeuchte Übergangszonen und ein flurnaher Grundwasserstand – wichtige Voraussetzungen funktionaler Gewässerlebensräume mit ihrem Artenreichtum (Fig. 1). Zudem senken eingetiefte Gewässer den Grundwasserspiegel, verringern die Grundwasserneubildung und können dadurch Grundwasserreserven gefährden.
Da es auf den ersten Blick vorteilhaft erscheint, dass eingetiefte Gerinne selten über die Ufer treten, wurden bisher kaum Massnahmen zur Wiederherstellung naturnaher Sohlenlagen umgesetzt. Demgegenüber stellt das Gewässerschutzgesetz, GschG, jedoch klar, dass der gesamte Gewässerraum – nicht nur das Gerinne – dem Schutz vor Hochwasser und der Gewährleistung der ökologischen Funktionen dient. Diese Dienste können eingetiefte Gewässer aber kaum erfüllen, eben weil sie nur selten über die Ufer treten.
Biberdämme würden natürliche Abhilfe schaffen (Fig. 2): Die Dammreviere heben die Gewässersohlen an, wirken sich positiv auf Hydrologie und Temperaturregime aus und bieten äusserst wertvolle dynamische Lebensräume für eine Vielfalt an Pflanzen, Insekten, Amphibien, Fischen, Vögeln und Kleinsäugetieren (u. a. Fledermäuse) [1–7]. Doch Biber werden längst nicht alle eingetieften Gewässer wiederbesiedeln können. Denn fragmentierte Gewässer erreichen sie nur schlecht, stark verbauten Gewässern fehlt es an Raum, und in solchen ohne Gehölz sind Nahrung und Baumaterial knapp. Es liegt also an uns Menschen, dem Naturbeispiel zu folgen und weitere Gewässer mit analogen künstlichen Biberdämmen, sogenannten «Beaver Dam Analogs» (BDA) aufzuwerten und krisentauglich zu machen (Fig. 2).
Gemäss Bundesamt für Umwelt BAFU wird das gesteckte Ziel von 50 km Revitalisierungen pro Jahr mit den derzeitigen Instrumenten nicht erreicht. Deshalb sind nun kostengünstigere Methoden und eigendynamische Gewässer gefragt [8]. Genau hier können naturnahe, biberdammartige Initialstrukturen ansetzen.
Eingetiefte Gewässer sind ein weltweites, v. a. von Menschen verursachtes Problem [9–11]. Insbesondere im Flachland sind viele Schweizer Fliessgewässer davon betroffen (Fig. 1). Folgende Ursachen beschleunigten um 1900 das Problem:
Neben der Zerstörung gewässersäumender Lebensräume durch die Kultivierung (Verlust von 90% der Feuchtgebiete [16]) verschärfen eingetiefte Sohlen das Problem. Diese führen zur morphologischen Verarmung der Gerinne, Abkopplung noch vorhandener Auenrelikte und zum Verlust grosser Teile der aquatischen, terrestrischen und amphibischen Biodiversität [9, 17].
Das Erbe eingetiefter Gerinne ist auch in Bezug auf den Klimawandel [18] problematisch: Einerseits verursachen tiefe bzw. erodierende Sohlenlagen eine Absenkung der Grundwasserspiegel, und fehlende Überflutungen verringern die Grundwasserneubildung. Dies stellt angesichts der zunehmenden Häufigkeit extremer Hitze- und Trockenphasen eine massive zusätzliche Gefährdung unserer Trinkwasserversorgung dar. Andererseits konzentrieren eingetiefte Gerinne den Wasserabfluss, wodurch in Phasen mit Starkniederschlägen gegenüber flächigen Überflutungen wesentlich mehr Zerstörungspotenzial für Unterlieger entsteht. Auch werden deutlich grössere Mengen des im Kulturland erodierten Bodens weggespült (Verlust regionaler Bodenfruchtbarkeit und Eutrophierung nachfolgender Gewässer bzw. des Meeres), während sich das Wasserrückhaltevermögen der Böden weiter verringert [19]. Das Zusammenwirken von Erwärmung und Wassermangel wiederum führt zu dramatischen Veränderungen in den Ökosystemen. Dies gefährdet nicht nur die Vielfalt der Fische und Krebse [20], sondern die gesamte einheimische Biodiversität im und am Wasser.
Biber haben unsere Gewässer mit ihren Fäll-, Grab- und Stauaktivitäten über mehrere Millionen Jahre gestaltet – besonders die rege Dammbauaktivität mit rund zehn Dämmen pro Fliessgewässerkilometer der einst häufigen Nagetiere hat sich nachweislich in Geologie und Landschaft niedergeschlagen [21]. Gewässertypische Artengemeinschaften sind an diesen Gestaltungstrieb angepasst, so auch die heimischen Fischarten. Mit dem Eintrag von Totholz, der Entstehung von Umgehungsgerinnen und der Anlage von langsam fliessenden Staubereichen bieten sich in Dammrevieren vielfältige dynamische Fischlebensräume (Fig. 3a und b). Davon profitieren sowohl Jungfische (in Form von Verstecken und strömungsberuhigten Bereichen im Biberteich, bei Ausstiegen und beim Wintervorrat) wie auch adulte Fische (durch Deckungsangebot, Rückzugsgebiete/Temperaturrefugien in Biberteichen sowie Kolken und Furten unterhalb der Dämme) [1, 22]. In Studien aus den USA wurde zudem nachgewiesen, dass Fische Biberdämme überwinden können [1, 23]. Ein Dammrevier bleibt dabei stets dynamisch: Wenn einzelne Dämme versagen, werden sie vom Biber wieder hergestellt oder anderswo neu errichtet. Gewässermorphologie, Wasserhaushalt und Biodiversität profitieren entsprechend stark von einer Wiederbesiedlung des Bibers [7, 10, 21, 24-28]. Zudem helfen Biberdammreviere nachweislich, Hochwasserspitzen zu dämpfen [29], sogar in Bergbächen [30]. Die positiven Effekte der Biberaktivität werden aktuell in einem grossen Forschungsprojekt des BAFU und der Eawag/WSL untersucht [6].
Natürliche Fliessgewässer bergen auch ohne Biber grosse Mengen an Totholz (Fig. 4). Beispiele aus Nordamerika zeigen, dass ein natürliches Totholzregime Gewässermorphologie und Ökologie entscheidend prägt [14]. Zentral sind die bei uns längst fehlenden, grossen «Schlüsselhölzer», die auch vom Hochwasser nicht mobilisiert werden können. An ihnen verfängt sich laufend weiteres Schwemmholz, wodurch grosse, lagestabile Totholzansammlungen entstehen. In Flüssen bilden sich so riesige Totholzinseln, stabile Nebenarme und bewaldete Inseln [14, 31]. In Bächen bilden sich v. a. Verklausungen aus, die Biberdämmen nicht unähnlich sind. Der grosse ökomorphologische Nutzen lagestabiler Totholzstrukturen ist gut dokumentiert und findet in Revitalisierungen zunehmend Beachtung [32–34].
In Natura wirken Biberdämme und Totholzstrukturen somit recht ähnlich. Sie verlangsamen Abfluss und Geschiebetransport deutlich, halten Nährstoffe und Sedimente zurück und fördern relativ hohe Sohlenlagen. Durch Einstau und Überstauung kolmationsfreier Bereiche verstärken sie ausserdem das Einsickern ins Grundwasser und die Wasserreinigung wesentlich [26, 29, 31, 35–39] (Fig. 5a und b). Sie ermöglichen einen starken hyporheischen Austausch (Grund- und Oberflächenwasser) und schaffen eine hohe Konnektivität zwischen Fliessgewässer und Umgebung, wodurch Wasserdargebot und -temperatur gepuffert werden bei gleichzeitig hoher Verfügbarkeit und Diversität von Lebensräumen [24]. Biber- und Totholzeffekte dürften sich nicht nur addieren, sondern multiplizieren. Denn einerseits erhöht der Biber den Eintrag an Schlüsselhölzern, indem er grosse Bäume fällt oder diese im Einstaubereich neuer Dämme absterben. Andererseits teilen grosse Totholzstrukturen breite Talflüsse vermehrt in kleinere Nebenarme auf, welche wiederum schmal genug sind, um vom Biber gestaut zu werden. Natürlicherweise würden Bäche und Flüsse daher kaum ein einzelnes Hauptgerinne ausbilden, sondern wären eine vielschichtig und multidirektional durchflossene Gewässerlandschaft, die eine enorme Habitat- und Artenvielfalt aufweist [40]. Sie sind gegen natürliche Extreme wie Trockenheit, Hochwasser und auch Waldbrände widerstandsfähiger [39].
Um eingetiefte Gewässer zu revitalisieren und wichtige Ökosystemleistungen zurückzuholen, muss die Sohle wieder angehoben und der Gewässerraum häufiger überschwemmt werden können. So können die eingetieften Gewässer klimatauglich gemacht werden. Dafür sollten die Effekte von Biberdämmen und Totholz genutzt und analoge Strukturen als Biomimikry verwendet werden (Fig. 6). An Gewässern mit Sohlenbreiten > 10 m können sog. Engineered Log Jams (ELJ) eingesetzt werden, welche die Totholzprozesse natürlicher Flüsse wieder in Gang bringen [35]. In der Schweiz werden ELJ bereits erfolgreich eingesetzt. Eine Planungshilfe wurde hierzu vom Kanton Bern veröffentlicht [34].
Doch es gilt, vor allem kleinere Gewässer aus der Versenkung zu holen, denn diese machen mehr als 70% der Schweizer Fliessstrecken aus [41]. Dafür eignen sich Initialstrukturen wie Beaver Dam Analogs (BDA). Diese künstlichen Biberdämme sind in Nordamerika schon gut untersucht und relativ weit verbreitet [1, 10, 42], in Europa derzeit aber noch kaum bekannt. Sie sind kostengünstig und einfach zu erstellen – entscheidende Faktoren für die Umsetzung. BDA bestehen i. d. R. aus relativ niedrigen, seriell eingebauten Pfahlreihen, die mit Weidenflechtwerk, Schlamm und Steinen abgedichtet werden [10, 42, 43].
Durch dynamische Prozesse (Fig. 7a und b) und den Rückhalt von Wasser und Feststoffen stellt sich eine Sohlenauflandung ein, die mit der Zeit eine Entwicklung des eingetieften Gewässers zurück zur auentypischen Morphologie ermöglicht. Sind Biber in der Nachbarschaft bereits aktiv, können sie diese Initialbauten übernehmen und ausbauen, was die ökologischen Effekte vervielfältigt und die Lebensdauer der Strukturen erhöht [42].
Wie Studien zeigen, erhöhen BDA mit oder ohne Biber die Konnektivität von Gerinne und umgebendem Terrain (Fig. 8), indem die Sohle angehoben wird. Weiter erhöhen sie Abfluss- und Grundwasserspiegel und puffern den Wasserhaushalt im Jahresgang [44, 45]. Von BDA können aquatische und semiaquatische Arten in hohem Masse profitieren, z. B. bedrohte Amphibienarten sowie Salmoniden [1, 2]. BDA schwächen Hitzespitzen ab, schaffen überlebenswichtige Kaltwasserpools [22] und können so Hilfe für den Erhalt von stark unter Druck geratenen Fischarten leisten. Als kostengünstiges, planbares Instrument können BDA helfen, die Biodiversitäts- und Revitalisierungsziele von Bund und Kantonen effektiv zu erreichen.
In der dicht besiedelten Schweiz sind mögliche Anwendungen von BDA stets standortspezifisch zu analysieren und deren Machbarkeit zu prüfen. Potenzielle Standorte liegen v. a. ausserhalb der Bauzonen: in Naturschutzgebieten, extensiv genutztem Landwirtschaftsgebiet und im Wald. Obwohl die Strukturen mit lokalem Material und ohne grosse Maschinen erstellt werden können, sind sie stets fachgerecht zu planen, zu bewilligen, umzusetzen und ggf. zu unterhalten:
Nach Einschätzung der Autorenschaft ist das Potenzial für BDA in fast allen biogeografischen Regionen der Schweiz sehr gross. Mögliche Anwendungsgebiete sind:
Entlang der Bäche (70% der Fliessstrecke des schweizerischen Flussnetzwerks) sind BDA zur Schaffung wertvoller auenähnlicher Lebensräume einsetzbar, sowohl über lange Strecken wie auch als häufige Trittsteine. Dadurch würde die Vernetzung von Artenpools gefördert und die ökologische Infrastruktur gestärkt. Je nach Standortbedingungen bietet der bestehende Gewässerraum hierfür das nötige Aktionsfeld. Im Wald kann eine fallspezifische Interessenabwägung nötig sein.
Zwei Drittel der insgesamt 326 Auengebiete von nationaler Bedeutung sind in einem ungenügenden Zustand [49]. BDA in Giessenläufen und Auenbächen regenerieren degradierte Auenrelikte, sie erhalten und fördern deren Artenvielfalt.
Viele Hochmoore befinden sich in einem entwässerten Zustand und setzen kontinuierlich CO2 frei [50]. BDA sind zur Wiedervernässung von Mooren einsetzbar und fördern damit den Klima-, Arten- und Moorschutz.
BDA können auch verwendet werden, um Biber gezielt «anzulocken», damit sie die Gewässer anschliessend dynamisch formen. Das Potenzial für Klimaschutz und Klimaanpassung ist in allen genannten Anwendungen gegeben, wo möglichst viele BDA über eine längere Strecke als Gesamtsystem wirken. Dadurch werden auentypische Ökosystemleistungen wie Grundwasserbildung, Wasserreinigung, Nährstoffrückhalt, Rückhalt von Treibhausgasen und Hochwasserretention [51, 52] aktiviert. Ein lokal gut gepufferter Wasserhaushalt kann in künftigen Trockenextremen darüber entscheiden, ob wir lokale Fischpopulationen oder auch Ernten halten oder verlieren.
In der Schweiz wurden bisher BDA-Pilotprojekte in einem Gewässer im Kanton Thurgau (Fig. 6, 9a und b) und in einem im Kanton Bern umgesetzt. An einem weiteren Bach im Kanton Bern steht die Realisierung kurz bevor. Weitere Projekte sind aktuell schweizweit in Planung.
Die Reintegration von Biber und Totholz bzw. deren Biomimikry (BDA, ELJ) in unsere Gewässer bietet grosse Chancen für Auenlebensräume und gewässertypische Biozönosen. Sowohl Biber- als auch Nachahmungsbauten sind nach Auffassung der Autorenschaft ein Schlüssel zur Erreichung der Klimaanpassung unserer Gewässer und der Qualitätsziele für die ökologische Infrastruktur.
Bestehende Biberdammreviere führen vor Augen, welche enormen Effekte damit zu erreichen sind. Um die gesteckten Revitalisierungsziele zu erreichen und die Folgen der Klima- und Biodiversitätskrise abzuschwächen, sollte nun bei weiteren eingetieften Gewässern selbst Hand angelegt werden. Mit BDA stehen dafür vielversprechende und kostengünstige Massnahmen zur Verfügung. Für deren Umsetzung braucht es fallspezifische Planungen, um potenzielle Risiken zu berücksichtigen und Schäden zu vermeiden.
Um hierzulande Erfahrungen zu sammeln und die Akzeptanz dieser Massnahmen zu erhöhen, bieten sich v. a. Auenprojekte und räumlich grosszügige Revitalisierungen an. Im Landwirtschaftsgebiet werden hingegen flankierende Massnahmen nötig sein, um eine Vernässung wertvollen Kulturlands zu verhindern – zumindest so lange Drainagen aus Sicht Landwirtschaft noch zielführend sind – was sich mit dem Klimawandel mittelfristig ändern dürfte.
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Eibach Tecknau-Gelterkinden/Ergolz