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Fachartikel
27. Mai 2021

Langzeitmonitoring von Pflanzenschutzmitteln

Das Gewässermonitoring des Berner Pflanzenschutzprojekts

Zur Wirkungskontrolle des Berner Pflanzenschutzprojekts werden mittels geeigneten Monitorings zwei kleine Fliessgewässer während insgesamt acht Jahren überwacht. Nach vier Jahren zeigte sich, dass die Pflanzenschutzmitteleinträge aufgrund von Einflussfaktoren wie Applikationszeitpunkt oder Niederschlag grossen Schwankungen unterliegen. Auch die Gegebenheiten im Einzugsgebiet spielen eine entscheidende Rolle. Um verlässliche Aussagen zu machen, inwieweit sich die getroffenen Massnahmen zur Pflanzenschutzmittelreduktion langfristig auf die Wasserqualität auswirken, sind weitere Messjahre nötig.
Claudia Minkowski, Matthias Ruff, Vinzenz Maurer, Rico Ryser, 

Pflanzenschutzmittel (PSM) werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um die Kulturen vor Krankheiten, Schädlingen oder Unkräutern zu schützen. Jedoch können PSM auch bei sachgemässer und korrekter Anwendung in die Umwelt gelangen und dort unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. In Oberflächengewässern können PSM die Wasserqualität beinträchtigen und die Gewässerorganismen schädigen. Besonders stark betroffen sind kleine Fliessgewässer oder Kleinseen im landwirtschaftlich intensiv genutzten Mittelland. Hier werden die gesetzlichen Anforderungen zum Teil deutlich und auch während längerer Zeit überschritten [3-5].

PSM-Monitoring

Die Problematik der PSM in der Umwelt und speziell in den Gewässern wurde sowohl auf nationaler wie auch kantonaler Ebene erkannt. So hat der Bundesrat am 6. September 2017 den Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (AP PSM) [6] verabschiedet. Seitdem wurden bereits verschiedene Massnahmen umgesetzt. Des Weiteren wurden mehrere Ressourcenprogramme initiiert, die zum Ziel haben, die Risiken durch PSM in den Gewässern zu reduzieren. Eines davon ist das bereits am 1. Januar 2017 gestartete Berner Pflanzenschutzprojekt (BPP) ([1]; siehe untenstehende Box).

Das Gewässer- und Bodenschutzlabor (GBL) des Amts für Wasser und Abfall (AWA) hat den Auftrag, die Ziele des BPP zur Reduktion des Eintrags von PSM in die Gewässer mittels geeigneten Monitorings zu überprüfen. Im Sinn der Wirkungskontrolle soll das Monitoring in erster Linie aufzeigen, ob die von den Landwirtinnen und Landwirten umgesetzten Massnahmen in der Praxis greifen und inwiefern die Ziele des Projekts erreicht werden. Dabei steht die Wirkung bezüglich einer Verbesserung der Wasserqualität im Fokus [2].

Aufgrund des erheblichen Aufwands ist ein solches Monitoring nicht kantonsweit zu realisieren. Deshalb erfolgt die Überprüfung mittels intensiver Messungen in zwei kleinen, überschaubaren Testgebieten während insgesamt acht Jahren. Die lange Dauer dieser Untersuchungen ist nötig, um verlässliche Aussagen zur Entwicklung der Wasserqualität machen zu können. Eine repräsentative Auswahl der durch das Monitoring des GBL gewonnenen Daten und bisherigen Erkenntnisse für den Zeitraum 2017 bis 2020 werden im vorliegenden Artikel dargestellt.

Die Wirkung des BPP im ganzen Kanton wird schlussendlich anhand der in den verschiedenen Regionen umgesetzten Massnahmen hochgerechnet. Zudem werden die Messdaten des Monitorings den Bewirtschaftungsdaten aus den Testgebieten gegenübergestellt, welche die Landwirtinnen und Landwirte der Projektleitung jeweils Ende Jahr freiwillig aushändigen. Dadurch werden weitere wichtige Erkenntnisse zur Anwendung und zu den Eintragswegen der PSM gewonnen, die anschliessend mittels aktiven Austauschs im ganzen Kantonsgebiet in die Praxis einfliessen und diese verbessern können. Die Gegenüberstellung der Bewirtschaftungsdaten wie auch die Auswertung der umgesetzten Massnahmen sind nicht Teil dieser Publikation und werden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des BPP ausgewertet.

CHARAKTERISIERUNG DER Testgebiete

Um allfällige Veränderungen der Wasserqualität im Rahmen des BPP bestmöglich abzubilden, wurden Einzugsgebiete gewählt, bei denen im Gewässer hohe Konzentrationen an PSM durch diffuse Einträge erwartet werden. Aufgrund des schlechten Verdünnungsverhältnisses ist dies insbesondere bei kleineren Gewässern in Gebieten, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, zu erwarten. Für die engmaschige Gewässerüberwachung wurden daher folgende zwei Testgebiete ausgewählt: der Ballmoosbach bei Zuzwil und der Chrümmlisbach bei Bätterkinden. Die Einzugsgebiete beider Gewässer weisen unterschiedliche, aber dennoch gut vergleichbare Charakteristika auf (Fig. 1 und Tab. 1).

Untersuchte Parameter

Im Rahmen des Monitorings werden in beiden Testgebieten jeweils während der Vegetationsperiode chemische und biologische Messungen durchgeführt sowie allgemeine Gewässerparameter erhoben. Das Monitoring dauert von 2017 bis 2024 und erstreckt sich damit zwei Jahre über die offizielle Projektdauer des BPP hinaus, um die Nachhaltigkeit des Projekts abschätzen zu können.

Im vorliegenden Artikel werden schwerpunktmässig die Ergebnisse der chemischen Messungen dargestellt. Der Fokus liegt dabei auf den PSM-Wirkstoffen und deren Abbauprodukten (Transformationsprodukte, TP). Hierfür werden seit 2017 kontinuierlich 2-Wochen-Sammelproben von März bis Oktober entnommen und die PSM- und TP-Konzentrationen ermittelt. Dadurch lässt sich die chronische Belastung in einem Gewässer beschreiben. Zudem wurde eine automatisierte Niederschlags- und Durchflussmessung installiert, um aus den gemessenen Konzentrationen die Frachten (transportierte Substanzmenge pro Zeiteinheit) zu berechnen.

Im 2017 wurden 81 Substanzen analysiert, 60 Wirkstoffe und 21 TP. Unter den Wirkstoffen befinden sich 13 Fungizide, 36 Herbizide, zehn Insektizide sowie ein Wachstumsregulator. Vier der Wirkstoffe sind aktuell nur als Biozid zugelassen. Die Wahl der Substanzen richtete sich nach den Erfahrungen aus dem Beurteilungskonzept für organische Spurenstoffe aus diffusen Quellen der Eawag [9]. Aufgrund der Rückmeldungen der Landwirtinnen und Landwirte Ende 2017 wurde das Substanzspektrum ab 2018 um 18 Fungizide, 15 Herbizide, 19 Insektizide (davon 13 Pyrethroide), ein Molluskizid, einen Wachstumsregulator sowie zwei TP ergänzt. Dadurch konnte der Anteil der von den Landwirtinnen und Landwirten angewendeten Wirkstoffe, die im Gewässermonitoring erfasst werden, im Ballmoosbach um 30% und im Chrümmlisbach gar um 40% erhöht werden. Bei beiden Gewässern lag dieser Anteil im 2018 bei rund 70%. Die neu 114 Wirkstoffe und 23 TP sollen bis Ende 2024 konstant gemessen und beibehalten werden.

Seit 2019 werden ergänzend zu den 2-Wochen-Sammelproben in der Hauptapplikationszeit von April bis Juni zusätzlich 3,5-Tages-Sammelproben auf das gleiche Substanzspektrum analysiert. Dadurch lässt sich die akute Belastung im Gewässer beschreiben und zudem können die Konzentrationsspitzen in diesem Zeitraum besser abgebildet werden.

Resultate

In beiden Gewässern ist in jedem Jahr ein typischer saisonaler Verlauf der PSM-Konzentrationssummen (Summe aus den individuell gemessenen Konzentrationen aller PSM des Substanzspektrums) zu erkennen (Fig. 2), der mit der Applikationszeit der PSM korreliert. Die Konzentrationssummen sind anfangs Jahr tief und steigen während der Hauptapplikationszeit von ca. April bis Juni maximal an. Nach einem daran anschliessenden leichten Rückgang erfolgt ein erneuter, kurzer Anstieg im Herbst, bevor die PSM-Konzentrationssummen zum Ende vom Jahr hin wieder abfallen. Diese Konzentrationsspitzen können zeitlich leicht variieren und hängen stark von der Niederschlagssituation sowie der Bewirtschaftung (Aussaat für Sommer- und Winterpflanzen) innerhalb des Jahres ab.

Die PSM-Konzentrationssummen lagen über alle vier Jahre hinweg im Ballmoosbach grösstenteils unter 1 μg/l, mit einzelnen Überschreitungen und einem Maximalwert von ca. 4 μg/l. Im Chrümmlisbach hingegen lagen die Konzentrationssummen über den gesamten Zeitraum bei der überwiegenden Anzahl der Messungen oberhalb 1 μg/l, und es wurden maximale Konzentrationen von zum Teil deutlich mehr als 8 μg/l, bis hin zu ca. 20 μg/l, erreicht. Die Konzentrationssummen waren im Ballmoosbach folglich generell tiefer als im Chrümmlisbach (Fig. 2) und auch die daraus berechneten Frachten waren durchwegs kleiner. Das Einzugsgebiet des Ballmoosbachs ist halb so gross wie jenes des Chrümmlisbachs (Fig. 1 und Tab. 1) und der Ballmoosbach hat halb so viel Durchfluss wie der Chrümmlisbach (Ballmoosbach bei Trockenwetter ca. 5 l/s, Chrümmlisbach ca. 10 l/s). In beiden Gebieten wird intensiv Ackerbau betrieben und der Gewässeranschluss (Wahrscheinlichkeit, dass Stoffeinträge in die Gewässer erfolgen können) zeigt ein vergleichbares Bild (Fig. 1 und Tab. 1). Theoretisch wären somit ähnliche Konzentrationen zu erwarten gewesen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Konzentrationssummen kann die steilere Hanglage des Chrümmlisbach-Einzugsgebiets sein, wodurch die PSM-Einträge bei Regen durch oberflächliche Abschwemmung von den Feldern begünstigt werden. Zudem weist dieses Einzugsgebiet zahlreiche Entwässerungsschächte in den Feldern sowie entlang der Wegränder auf, über die bei Regen grössere Mengen PSM rasch über sogenannte hydraulische Kurzschlüsse ins Gewässer eingetragen werden können (indirekter Gewässeranschluss; Fig. 1 und Tab.1) [10]. Im Einzugsgebiet des Ballmoosbachs kommen solche Schächte nur vereinzelt vor und die Flächen grenzen grösstenteils direkt an das Gewässer (direkter Gewässeranschluss; Fig. 1 und Tab.1).

Vergleicht man die Jahre (2017 bis 2020) miteinander, so fällt auf, dass die PSM-Konzentrationssummen in beiden Gewässern jeweils unterschiedlich hoch sind (Fig. 2). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Werte von 2017 nicht direkt mit den Folgejahren verglichen werden können, da im 2017 weniger Substanzen analysiert wurden. Nichtsdestotrotz scheinen die Konzentrationssummen im Ballmoosbach in den letzten beiden Jahren leicht rückläufig zu sein. Sie sind insbesondere während der Hauptapplikationszeit verhältnismässig tief. Im Chrümmlisbach bleiben sie unverändert oder steigen zeitweise sogar leicht an.

Die Niederschlagsdaten zeigen, dass im Einzugsgebiet des Chrümmlisbachs tendenziell mehr Regen fällt, der die Abschwemmung der PSM zusammen mit der steileren Hanglage sowie den vorhandenen hydraulischen Kurzschlüssen begünstigt. Weiter lässt sich erkennen, dass die Jahre 2017 und 2018, unter Berücksichtigung des verspäteten Starts im 2017, in beiden Gebieten ähnlich waren, auch wenn die Regentage nicht zur gleichen Zeit auftraten (Fig. 2). Im Ballmoosbach wurde für diese Jahre kumuliert 300 mm und 320 mm (in Fig. 2 nicht dargestellt) von März bis Oktober gemessen. Im Chrümmlisbach lagen die kumulierten Werte von Januar bis Oktober im 2017 und 2018 bei 420 mm und 480 mm. In den Jahren 2019 und 2020 fiel in beiden Gebieten mehr Regen, besonders in der zweiten Hälfte des Beobachtungszeitraums (kumulierter Wert Ende Oktober 2019 und 2020: Ballmoosbach - 570 mm und 580 mm; Chrümmlisbach - 670 mm und 660 mm). So wurden beispielsweise im Herbst 2020 im Ballmoosbach erhöhte PSM-Konzentrationen beobachtet.

Der Verlauf des Durchflusses (geführte Wassermenge) verdeutlicht die immense Dynamik in den beiden Kleingewässern Ballmoosbach und Chrümmlisbach. Bei Niederschlag kann der Durchfluss in kurzer Zeit sehr stark ansteigen und wieder absinken. Diese Dynamik widerspiegelt sich auch in den Schwankungen der Konzentrationen der 3,5-Tages-Sammelproben im 2019 und 2020 (April bis Juni; Fig. 2).  In diesem Kontext bleibt jedoch zu beachten, dass Sammelproben die gemittelten Konzentrationen über einen gewissen Zeitraum (hier 3,5 Tage) abbilden. Da der starke Anstieg des Durchflusses aber zum Teil deutlich weniger lang andauert als 3,5 Tage, lässt dies vermuten, dass die effektiven Konzentrationen im Gewässer punktuell noch um ein Vielfaches höher sind.

Generell ist ersichtlich, dass die PSM-Konzentrationen häufig dann hoch sind, wenn während der Applikationszeit der Durchfluss im Gewässer erhöht ist. Aber auch in Trockenphasen waren während der Applikationszeit erhöhte Konzentrationen messbar, wie dies im Jahr 2020 im Chrümmlisbach von Ende Mai beobachtet wurde. Durch Drift können PSM auch ohne Niederschlag ins Gewässer eingetragen werden. Eine andere Möglichkeit sind Punkteinträge, beispielsweise beim Reinigen der Feldspritzen auf Hofplätzen, welche das Abwasser direkt in die Gewässer einleiten.

Die Konzentrationssummen der TP (in Fig. 2 nicht dargestellt) wurden durch die Abbauprodukte des Fungizids Chlorothalonil (nur R417888 gemessen) und der Herbizide Chloridazon, Metolachlor und Metazachlor dominiert. Deren Konzentrationen waren im Verhältnis zu jenen der Wirkstoffe in allen Proben relativ konstant, jedoch war dieses Verhältnis unterschiedlich in beiden Gewässern. Im Ballmoosbach wurde mit einer durchschnittlichen Konzentration von 1,3 μg/l tendenziell ein höherer, relativer Anteil an TP gemessen als im Chrümmlisbach mit durchschnittlich 1,9 μg/l.

Auswertung der Resultate

Ökotoxikologische Beurteilung der Gewässer

Die einzelnen PSM unterscheiden sich zum Teil stark in ihrer Toxizität sowie in ihrer Wirkung auf die Gewässerorganismen. Aus diesem Grund hat das Oekotoxzentrum für alle untersuchten Wirkstoffe ökotoxikologisch hergeleitete Grenzwerte, die ökotoxikologischen Qualitätskriterien (QK) [11], ermittelt. Anhand dieser lässt sich aus den gemessenen Konzentrationen der Risikoquotient (RQ) berechnen, der das Risiko für die Gewässerorganismen beschreibt. Der RQ bildet das Verhältnis der gemessenen Konzentration im Gewässer zum QK ab. Dabei wird zwischen chronischen und akuten QK unterschieden. Für die Berechnung der chronischen und akuten RQ (CRQ und ARQ) wurden die chronischen QK mit den Konzentrationen der 2-Wochen-Sammelproben ins Verhältnis gesetzt respektive die akuten QK mit den Konzentrationen in den 3,5-Tages-Sammelproben (nur für 2019 und 2020). Ist das Verhältnis, also der RQ > 1, kann ein Risiko für die Gewässerorganismen nicht mehr ausgeschlossen werden. Zudem wird berücksichtigt, auf welche Organismengruppen die Substanz eine negative Wirkung hat. Als relevante Organismengruppen gelten dabei Pflanzen (Primärproduzenten, P), Wirbellose (Invertebraten, I) und Fische (Vertebraten, V). Die Mischungstoxizität RQmix der einzelnen Organismengruppen ergibt sich dabei durch Addition der entsprechenden RQ [12].

Bewertet und eingeteilt wird das Risiko basierend auf dem RQ in Anlehnung an der im Beurteilungskonzept für organische Spurenstoffe aus diffusen Quellen der Eawag [9] vorgeschlagenen Zustandsklassen (Fig. 3).

Chronische Belastungssituation

Die chronische Belastungssituation berechnet sich aus der Addition der chronischen Risikoquotienten der Mischungen (CRQmix). Sie zeigte im Ballmoosbach (Fig. 4a) im 2017 einige mässige bis deutliche Überschreitungen der chronischen Qualitätskriterien (CQK), vor allem für Pflanzen (P), vereinzelt auch für Wirbellose (I). Die Überschreitungen dauerten hier maximal vier Wochen an (= zwei 2-Wochen-Sammelproben). Zu berücksichtigen ist, dass das Jahr 2017 nicht direkt mit den folgenden Jahren verglichen werden darf, da das Substanzspektrum ab 2018 erweitert wurde. Im 2018 zeigte sich ein starkes Risiko (rote Beurteilung) für Pflanzen (P) während vier Wochen im Juni. Im Allgemeinen dauerten die Überschreitungen im 2018 länger an und auch die Fische (V) waren kurzzeitig betroffen. Im 2019 waren vor allem die Wirbellosen (I) gefährdet, hier zeigte sich eine langanhaltende, deutliche Überschreitung von April bis Juni. Im 2020 ging insgesamt die Zahl der Überschreitungen deutlich zurück; ein Risiko für Wirbellose (I) bestand lediglich noch während vier Wochen Ende April bis Mitte Mai.

Der Chrümmlisbach (Fig. 4b) wies über alle vier Jahre eine grössere chronische Belastung für die Gewässerorganismen auf als der Ballmoosbach, was mit den höheren gemessenen PSM-Konzentrationen korreliert. Über den ganzen Beobachtungszeitraum traten im Chrümmlisbach jeweils vor allem bei den Pflanzen (P) wie auch bei den Wirbellosen (I) deutliche bis sogar starke Überschreitungen über lange Zeiträume auf. In den Jahren 2017, 2018 und 2020 konnten zudem mögliche negative Auswirkungen auf den Fischbestand nicht ausgeschlossen werden.

Akute Belastungssituation

Ab 2019 wurden ergänzend zu den 2-Wochen-Sammelproben von April bis Juni (während insgesamt 14 Wochen) 3,5-Tages-Sammelproben analysiert. Damit lassen sich die akuten Risikoquotienten der Mischungen (ARQmix) berechnen, welche die akuten Belastungen in den Gewässern beschreiben (Fig. 5). Im Ballmoosbach (Fig. 5a) wurden die akuten Grenzwerte (AQK) im 2019 einmal leicht durch einen Wirkstoff überschritten, im 2020 wurden die Grenzwerte nicht überschritten. Im Chrümmlisbach (Fig. 5b) wurden im 2019 wie auch im 2020 stärkere und länger andauernde Überschreitungen beobachtet; im 2019 haben fünf Wirkstoffe die AQK überschritten, im 2020 gar zehn.

Anzahl Überschreitungen und Risikoquotienten der Mischungen

Um das Ausmass des Risikos für die Gewässerorganismen zu quantifizieren, wurden die Anzahl Überschreitungen der chronischen und ab 2019 anhand der 3,5-Tages-Sammelproben auch der akuten Qualitätskriterien (Ü-CQK und Ü-AQK) ermittelt. Ergänzend dazu wurden über die ganze Messperiode die CRQmix und ab 2019 von April bis Juni auch die ARQmix aufaddiert, um die Intensität der Überschreitungen differenzierter abzubilden (Fig. 6). Auch hier ist zu beachten, dass im Jahr 2017 weniger Substanzen gemessen wurden und deshalb diese Zahlen nicht direkt mit den Folgejahren verglichen werden dürfen.

Sowohl die Anzahl der Überschreitungen wie auch die RQmix zeigen - für das chronisch und akute Szenario - in beiden Gebieten über die Jahre hinweg starke Schwankungen. So gab es beispielsweise im Ballmoosbach im Jahr 2018 mit 13 Ü-CQK deutlich mehr chronische Überschreitungen und einen deutlich höheren CRQmix von 120 als in den anderen Jahren. Seither gehen die chronischen und ab 2019 auch die akuten Werte zurück. Im Chrümmlisbach gab es mit 49 Ü-CQK im Jahr 2019 die meisten Überschreitungen, der CRQmix lag mit einem Wert von beinahe 500 im Jahr 2018 am höchsten. Die chronischen Werte gingen im 2020 zurück, die akuten hingegen stiegen von 2019 auf 2020 leicht an. Ein Trend lässt sich hier anhand der Daten noch nicht ableiten, dazu braucht es weitere Messjahre.

Kritische Stoffe, die regelmässig zur chronischen Belastung beitragen 

Bei der Auswertung der aufaddierten CRQmix fällt auf, dass in beiden Einzugsgebieten in allen Jahren immer wieder die gleichen Stoffe auftraten, die zu einem erheblichen Risiko für die Gewässerorganismen führen. In Figur 7 sind die Auswertungen für die kritischsten Wirkstoffe, die als Einzelstoffe ihre QK regelmässig überschritten, zusammengefasst: im Ballmoosbach für vier solche Wirkstoffe (Fig. 7a) und im Chrümmlisbach für acht (Fig. 7b).

Generell handelt es sich bei den Substanzen um solche, die bereits in tiefen Konzentrationen ein erhebliches Risiko für die Gewässerorganismen darstellen. Das Herbizid Nicosulfuron sticht insbesondere im Ballmoosbach heraus, machte es im 2018 doch einen hohen Anteil am CRQmix aus mit einem CRQ von 49. Es handelt sich dabei um jenen Wirkstoff, der kurzzeitig angewendet zu einer 4-wöchigen, starken Belastung für Pflanzen (P) führte (Fig. 4). Obschon in dieser Zeitspanne die Nicosulfuron-Konzentrationen den 2-Wochen-Sammelproben lediglich 0,09 µg/l resp. 0,24 µg/l betrugen, ergab dies einen CRQ von 10,7 resp. 27,3. Noch deutlicher wird die Problematik beim Insektizid Chlorpyrifos oder bei den Pyrethroiden Cyhalothrin und Permethrin im Chrümmlisbach. Im 2018 betrug hier der über den ganzen Beobachtungszeitraum aufaddierte CRQ von Cyhalothrin 273 und jener von Permethrin 66, im 2019 für Cyhalothrin 25 und für Permethrin 186. Die gemessenen Konzentrationen waren wiederum sehr gering und machten im Falle von Cyhalothrin jeweils nur wenige ng/l aus. Die Konzentrationen von Permethrin waren leicht höher, betrugen aber im Maximum lediglich 50 ng/l. Die Konzentrationen der beiden Pyrethroide gingen im 2020 zurück und waren hauptverantwortlich für den Rückgang der Ü-CQK und CRQmix im Chrümmlisbach (Fig. 6). Bei der Betrachtung der einzelnen Konzentrationsverläufe fällt auf, dass die Stoffe oftmals nur kurze Zeit und nicht über den ganzen Beobachtungszeitraum auftauchten. Dies deutet auf einzelne, wenige PSM-Einsätze hin, die die Wasserqualität jedoch erheblich beeinträchtigen können.

Anzahl Überschreitungen der gesetzlichen Anforderungen

Trotz allem dürfen Stoffe, die zwar nach aktuellem Wissensstand kein grosses Risiko für Gewässerorgansimen darstellen, aber in erhöhten Konzentrationen auftauchen, bei der Gewässerbeurteilung nicht vernachlässigt werden. Gemäss Anhang 2 der Gewässerschutzverordnung (GSchV) gilt für organische Pestizide (Biozide und PSM) – soweit nicht abweichend geregelt – der Grenzwert von 0,1 µg/l im Sinne eines vorsorglichen Gewässerschutzes. Das heisst, die Anzahl der Überschreitungen gemäss GSchV (Ü-GSchV) setzen sich zusammen aus der Summe der Überschreitungen für folgenden zwei Stoffkategorien:

  1. abweichend geregelte Stoffe: aktuell sind dies gemäss der Verordnung des UVEK vom 13. Febr. 2020 19 organische Pestizide mit substanzspezifischen Grenzwerten [13];
  2. alle übrigen organischen Pestizide: für diese gilt der allgemeine Grenzwert der GSchV von 0,1 µg/l (Fig. 6).

In allen untersuchten Jahren und bei beiden Gewässern wurden jeweils Stoffe detektiert, die zwar nach aktuellem Wissensstand kein ökotoxikologisches Risiko darstellen (also nicht gesondert geregelt sind gemäss 1.), jedoch in Konzentrationen über 0,1 µg/l gemessen wurden. In den Jahren 2017 und 2018 war dieser Anteil für den Ballmoosbach besonders hoch im Vergleich zu 2019 und 2020. Diese Beobachtung korreliert mit den leicht rückläufigen PSM-Konzentrationssummen ab einschliesslich 2019. Im Chrümmlisbach war die Anzahl an Ü-GSchV im 2018 und 2019 am höchsten und ist im 2020 leicht zurückgegangen. Zu berücksichtigen ist wieder die Tatsache, dass im Jahr 2017 weniger Substanzen gemessen wurden.

Fazit

In beiden Gewässern und in allen Jahren (2017 bis 2020) wurden regelmässig erhöhte Konzentrationen an PSM gemessen, welche die Wasserqualität beeinträchtigen. Die Einträge der PSM in die Gewässer werden von unterschiedlichen Einflussfaktoren getrieben und unterliegen starken Schwankungen. Diese Schwankungen korrelierten zum einen innerhalb eines Beobachtungszeitraums mit der Applikationszeit, weil PSM vorwiegend dann in Gewässer eingetragen werden, wenn sie angewendet werden. Zum anderen zeigten sich auch starke Schwankungen von Jahr zu Jahr. Dabei spielt die Niederschlagssituation eine entscheidende Rolle oder weitere Faktoren wie eine unterschiedliche Bodenbearbeitung und wechselnde Kulturen, die andere PSM-Anwendungen erfordern. Die Gegebenheiten im Einzugsgebiet wie Hangneigung, Gewässeranschluss der Parzellen oder hydraulische Kurzschlüsse wirken sich ebenfalls stark auf die PSM-Einträge aus. Diese führen insbesondere im Chrümmlisbach zu zeitweise sehr hohen PSM-Konzentrationen, obschon in beiden Gebieten die gleichen Anstrengungen bei der Umsetzung der Massnahmen getroffen werden. Demzufolge liegt hier auch über längere Zeiträume hinweg ein erhebliches Risiko für die Gewässerorganismen vor. Ebenso werden die gesetzlichen Anforderungen häufiger überschritten.

Bei der ökotoxikologischen Beurteilung der Wasserproben fällt auf, dass in beiden Einzugsgebieten ein erheblicher Anteil des Risikos häufig von den gleichen PSM verursacht wurden. Oftmals kamen diese PSM nur in tiefen Konzentrationen vor, sind aber aufgrund ihrer Toxizität dennoch problematisch. Auch wurden die PSM-Konzentrationen nicht über den ganzen Beobachtungszeitraum, sondern vielmehr nur als kurzzeitige Konzentrationsspitzen gemessen, was auf einzelne, wenige Einsätze hindeutet. Da jedoch abwechselnd verschiedene Wirkstoffe im Gewässer nachgewiesen wurden, kann dies zu einem langandauernden Risiko für die Gewässerorganismen führen.

Um verlässliche Aussagen zur Entwicklung der Wasserqualität aufgrund der von den Landwirtinnen und Landwirten umgesetzten Massnahmen des BPP zu machen, sind engmaschige Untersuchungen nötig, die sich über einen längeren Zeitraum als die hier dargestellten vier Jahre erstrecken. Die durch das Monitoring gewonnenen Erkenntnisse werden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des BPP aufgenommen und in Zusammenarbeit mit den Landwirtinnen und Landwirten aus den Testgebieten in die Praxis umgesetzt. Dadurch wird ein nachhaltiger und schonender Umgang mit PSM gefördert, der zu einer positiven Entwicklung der Wasserqualität und zu verbesserten Bedingungen für die Gewässerorganismen führt.

Das Berner Pflanzenschutzprojekt 

Mit dem 2017 lancierten Berner Pflanzenschutzprojekt (BPP; [1]) will der Kanton die Risiken durch Pflanzenschutzmittel (PSM) in den Gewässern reduzieren, ohne dabei die Erträge der Landwirtschaft massgeblich zu beeinträchtigen. Das kantonale Amt für Landwirtschaft und Natur (LANAT) sowie der Berner Bauern Verband (BEBV) haben dieses Vorhaben anfangs 2017 gemeinsam mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) lanciert. Geplant ist eine Projektdauer von sechs Jahren bis Ende 2022. Den beteiligten Landwirtinnen und Landwirten stehen dabei rund zehn Massnahmen zur Verfügung, die sie auf freiwilliger Basis umsetzen und so ihre Eigenverantwortung wahrnehmen können. Das Massnahmenpaket soll sowohl punktuelle Einträge als auch diffuse Belastungen durch oberflächliche Abschwemmung von PSM in Bäche und Flüsse vermindern. Für den zusätzlichen Aufwand bei der Umsetzung der Massnahmen und für die damit eingegangenen Risiken erhalten sie finanzielle Entschädigungen. Dafür ist ein Budget von 62,7 Millionen Franken vorgesehen. Da es sich um ein Ressourcenprogramm nach Artikel 77a und b des eidgenössischen Landwirtschaftsgesetzes handelt, trägt das BLW 80% der Kosten. Die restlichen 20% finanziert der Kanton Bern [2].

Bibliographie

[1]  LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern (2015): Ressourcenprogramm Pflanzenschutz; Berner Pflanzenschutzprojekt. Weiterführende Informationen verfügbar unter: www.be.ch/bpp

[2]  AWA Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern (2019): Zustand der Gewässer 2017 und 2018; Schwerpunkt Aaretal. awa fakten

[3]  Wittmer, I. et al. (2014): Über 100 Pestizide in Fliessgewässern. Aqua & Gas 3/2014: 32-43

[4]  Ochsenbein, U. et al. (2015): Mikroverunreinigungen in Bernischen Gewässern. Aqua & Gas 2/2015: 56-66

[5]  Doppler, T. et al. (2017): Hohe Pflanzenschutzmittelbelastung in Schweizer Bächen. Aqua & Gas 4/2017: 46-56

[6]  Bundesamt für Landwirtschaft (2017): Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Verfügbar unter: https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/pflanzenschutz/aktionsplan.html

[7]  Bundesamt für Umwelt (2019): Gewässerabschnittsbasierte Einzugsgebietsgliederung der Schweiz

[8]  Bundesamt für Landwirtschaft (2012): Gewässeranschlusskarte

[9]  Wittmer, I. et al. (2014): Mikroverunreinigungen - Beurteilungskonzept für organische Spurenstoffe aus diffusen Quellen. Studie im Auftrag des BAFU. Eawag, Dübendorf

[10] Schönenberger, U. et al. (2020): Hydraulische Kurzschlüsse - Hohe Bedeutung für die Belastung der Gewässer mit Pflanzenschutzmitteln. Aqua & Gas 11/2020: 65-71

[11] Junghans, M. (2020): Qualitätskriterienvorschläge Oekotoxzentrum 2020. Verfügbar unter: https://www.oekotoxzentrum.ch/expertenservice/qualitaetskriterien/qualitaetskriterienvorschlaege-oekotoxzentrum/

[12] Junghans, M. et al. (2013): Toxizität von Mischungen – Aktuelle praxisorientierte Ansätze für die Beurteilung von Gewässerproben. Aqua & Gas 5/2013: 54-61

[13] Bundesamt für Umwelt (2020): Verordnung des UVEK vom 13. Febr. 2020 (AS 2020 515), verfügbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/official-compilation/2020/515.pdf

Danksagung

Ein grosses Dankeschön geht an Elmar Scheiwiller (AWA) für die Errichtung der Messstationen sowie das Datenmanaging und die Auswertung der Messresultate, Nora Möri, Fabian Hofmann, Lea Schweri, Elvira Rudin und Benjamin Warren (alles ehemalige Praktikantinnen und Praktikanten des AWA) für die Probenahmen und die Betreuung der Messstationen sowie Christine Gauch, Daniel Schlüssel (beide AWA) und Renate Söser (ehemals AWA) für die aufwendigen Analysen der Wasserproben. Weiter bedanken wir uns herzlich bei Heinz Singer und Juliane Hollender (beide Eawag) für die wertvolle Unterstützung bei der Entwicklung analytischer Methoden und für die kurzfristige Bereitstellung von Referenzsubstanzen sowie bei Tobias Doppler (VSA-Plattform «Wasserqualität»), Ueli Ochsenbein (Aqua Viva, ehemals AWA) und Kristina Rehberger (AWA) für die hilfreichen Kommentare und Diskussionen beim Lesen des Manuskripts. Und schliesslich bedanken wir uns bestens bei Michel Gygax, Sandra Ott, Regula Schwarz und Thomas Steiner (alle LANAT), Andreas Wyss (ehemals BEBV) und Anna Stalder (BEVB), Ivo Strahm und Katja Knauer (beide BLW) sowie allen weiteren Beteiligten des Berner Pflanzenschutzprojekts für die gute Zusammenarbeit bei diesem herausfordernden aber stets spannenden und wegweisenden Projekt.

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