In den letzten Jahren wurde in den Medien vielfach über Spuren von Pestiziden im Grundwasser sowie im Trinkwasser von Wasserversorgungen berichtet. Vermutlich wurden aufgrund dieser Medienberichte zwei eidgenössische Volksinitiativen lanciert:
– «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» [1];
Beide Initiativen haben zum Ziel, die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft ganz beziehungsweise erheblich einzuschränken. Der Nachweis von Pestiziden im Grund- und im Trinkwasser ist nicht weiter verwunderlich, werden doch in der Schweiz allein in der Landwirtschaft jährlich weit über 2000 Tonnen Pflanzenschutzmittel mit Hunderten von verschiedenen Wirkstoffen in die Umwelt ausgebracht.
Gestützt auf Artikel 19 Absatz 1 des Gewässerschutzgesetzes von 1991 (GSchG) [3], wonach der Bundesrat die erforderlichen Vorschriften erlässt, damit die Kantone ihr Gebiet nach der Gefährdung der ober- und unterirdischen Gewässer in Gewässerschutzbereiche einteilen können, hat dieser – bzw. das Bundesamt für Umwelt – in Artikel 29 Absatz 1 der Gewässerschutzverordnung von 1998 (GSchV) [4] die besonders gefährdeten Bereiche definiert.
Danach handelt es sich bei den besonders gefährdeten Bereichen um die Gewässerschutzbereiche AU und AO bzw. die Zuströmbereiche ZU und ZO. Der Zuströmbereich ZU dient gemäss GSchV dem «Schutz der Wasserqualität bei bestehenden und geplanten, im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen, wenn das Wasser durch Stoffe verunreinigt ist, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verunreinigung durch solche Stoffe besteht».
In Anhang 4 der GSchV wird auch die Bemessung von ZU definiert (Ziffer 113) sowie die Massnahmen zum Schutz der Gewässer in den Zuströmbereichen beschrieben (Ziffer 212). Der Zuströmbereich ZU umfasst danach «das Gebiet, aus dem bei niedrigem Wasserstand etwa 90 Prozent des Grundwassers, das bei einer Grundwasserfassung höchstens entnommen werden darf, stammt. Kann dieses Gebiet nur mit unverhältnismässigem Aufwand bestimmt werden, umfasst der Zuströmbereich ZU das gesamte Einzugsgebiet der Grundwasserfassung.»
Als Schutzmassnahmen innerhalb der Zuströmbereiche können die Kantone gemäss Ziffer 212 GSchV beispielsweise Verwendungseinschränkungen für Pflanzenschutzmittel oder Dünger festlegen (a), Einschränkungen der acker- und gemüsebaulichen Produktionsflächen beziehungsweise Einschränkungen bei der Kulturwahl, bei der Fruchtfolge und bei Anbauverfahren verfügen (b und c), Wiesenumbruch im Herbst und Umwandlung von Dauergrünland in Ackerland verbieten (d und e) sowie eine dauernde Bodenbedeckung oder die Verwendung besonders geeigneter technischer Hilfsmittel, Einrichtungen oder Betriebsmethoden fordern (f und g). Die Aufzählung ist nicht abschliessend.
Die Kenntnis des Einzugsgebiets beziehungsweise des Zuströmbereichs einer Grundwasserfassung ist für den Betreiber einer Trinkwasserversorgung von grossem Nutzen, auch wenn darin vorerst noch keine speziellen Auflagen gelten. Die Kenntnis des Einzugsgebiets ist eine Voraussetzung, um ein vollständiges Inventar der potenziellen Gefährdungen des genutzten Grundwassers erstellen zu können. So kann die Bestimmung des Fassungseinzugsgebiets beispielsweise zeigen, dass auf einem grossen Teil der Parzellen Zuckerrüben und andere Kulturen mit einem hohen Bedarf an Pflanzenschutzmitteln angebaut werden. Da aus der Sicht des Wasserversorgers zum Schutz des Trinkwassers innerhalb des Zuströmbereichs möglichst wenig Pflanzenschutzmittel wie Herbizide, Fungizide oder Insektizide verwendet werden sollten, sind diese Kulturen zu ersetzen durch solche, die keine beziehungsweise wenig Pflanzenschutzmittel benötigen. Die landwirtschaftliche Beratungsstelle kann helfen, geeignete Kulturen zu finden. Die Bestimmung des Zuströmbereichs kann auch Unerwartetes ergeben, wie zum Beispiel, dass sich darin Industrieanlagen oder Altlasten befinden. In einem solchen Fall sollte der Betreiber der Grundwasserfassung abklären, welche Stoffe in den Industrieanlagen verwendet beziehungsweise hergestellt werden und welche Stoffe in den Altlasten vorhanden sind, und ein gezieltes Monitoring des Grundwassers im Hinblick auf diese Stoffe einrichten.
Während Grundwasserschutzzonen das Trinkwasser vor Stoffen schützen, welche im Untergrund leicht zurückgehalten oder abgebaut werden (z. B. Heizöl), sind sie gegenüber Nitrat oder vielen Pflanzenschutzmitteln nur beschränkt wirksam. Mit Hilfe des Zuströmbereichs können Trinkwasserfassungen auch gegen schwer abbaubare und mobile Stoffe geschützt werden. So kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, welche in die Trinkwasserfassung gelangen können, verboten oder beschränkt werden. Auch Kulturen, die auf schwer abbaubare oder mobile Pflanzenschutzmittel angewiesen sind, können untersagt werden.
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Die Mineralquelle Henniez liegt heute in einem bewaldeten Gebiet. Deren Einzugsgebiet war jedoch bis in die Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts durch intensive Landwirtschaft geprägt. Entsprechend stieg der Nitratgehalt des Mineralwassers stetig an und erreichte schliesslich 27 Milligramm pro Liter [7]. Um die Nitratwerte im Mineralwasser zu senken, hat die Firma Henniez SA 26 Hektaren des Gebiets rund um ihre Quelle mit Tausenden von Bäumen, vornehmlich Laubbäumen, aufforsten lassen. Die seit 2007 neue Eigentümerin Nestlé Waters Suisse schützt das Einzugsgebiet der Mineralquelle auf einer Fläche von über 100 Hektaren zusätzlich mit dem Programm ECO-Broye. Konkret wird dort keine intensive Landwirtschaft mehr betrieben und die Parzellen werden nach ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftet. Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Innert 20 Jahren ist der Nitratgehalt auf 12 Milligramm pro Liter gesunken [7]. Dieses Resultat war nur dank enger Zusammenarbeit von Nestlé Waters Suisse mit Grundwasser- und Landwirtschaftsspezialisten, Eigentümern und Pächtern der Parzellen im Einzugsgebiet der Fassung sowie kantonalen und Gemeindebehörden erreichbar.
Der Betreiber einer Grundwasserfassung von öffentlichem Interesse sollte das Einzugsgebiet seiner Fassung beziehungsweise deren Zuströmbereich kennen. Das erlaubt ihm, den Gefahrenkataster erstellen zu lassen und allenfalls – in Zusammenarbeit mit dem Kanton – Präventivmassnahmen zu ergreifen.
Spätestens wenn im Trinkwasser einer Grundwasserfassung von öffentlichem Interesse Spuren von Pestiziden festgestellt werden, sollte der Betreiber der Fassung vom Kanton verlangen, dass für die betroffene Fassung ein Zuströmbereich festgelegt und darin die Nutzungsbeschränkungen verfügt werden, die eine weitere Verschmutzung des Trinkwassers mit Pestiziden ausschliessen.
[1] www.future3.ch/de
[2] www.initiative-sauberes-Trinkwasser.ch
[3] Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG)vom 24. Januar 1991
[4] Gewässerschutzverordnung (GSchV) vom 28. Oktober 1998
[5] OFEV (2004): Documents Environnement N° 183 – Protection des eaux: Dimensionnement des aires d’alimentation ZU
[6] BAFU (2005): Vollzug Umwelt – Praxishilfe zur Bemessung des Zuström-
bereichs ZU
[7] Fabio Gilardi (2016): Wald und Holz 3/16
Die Bemessung des Zuströmbereichs ZU für eine Grundwasserfassung ist auch für ausgebildete Hydrogeologen und Hydrogeologinnen in der Regel anspruchsvoll. Aus diesem Grund hat das Bundesamt für Umwelt in einem ersten Schritt Prof. Aurèle Parriaux von der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Lausanne beauftragt, entsprechende wissenschaftliche Grundlagen zu erarbeiten. Diese wurden 2004 publiziert [5].
Aufgrund dieser wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitete Daniele Biaggi vom Geotechnischen Institut Bern die «Praxishilfe zur Bemessung des Zuströmbereichs ZU» [6]. Diese zeigt in vereinfachter Form auf, mit welchen hydrogeologischen Methoden der Zuströmbereich ZU für Grundwasserfassungen bemessen werden kann.
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