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Fachartikel
08. Oktober 2024

Modellstudien

Blau-grüne Infrastrukturen reduzieren Gewässerbelastung

Indem blau-grüne Infrastrukturen die Mischwasserentlastungen reduzieren, werden auch die Einträge von Mikroverunreinigungen verkleinert. Besonders Versickerungsflächen senken die eingeleiteten Volumina und Frachten in Oberflächengewässer. Klimawandelprognosen lassen eine Zunahme von Entlastungen erwarten. Blau-grüne Infrastrukturen können daher einen wichtigen Beitrag leisten, um unerwünschte Effekte zu vermeiden oder zu reduzieren.

Die Urbanisierung und Klimaanpassung von Städten erhöhen den Bedarf an blau-grünen Infrastrukturen (BGI) für ein nachhaltiges Regenwassermanagement [1]. Blau-grüne Infrastrukturen umfassen ein Netzwerk naturnaher und semi-natürlicher Landschaftselemente, wie Versickerungsflächen (VF), sickerfähige Beläge (SB), Gründächer (GD) und Rückhalteteiche (RT) [2]. Diese Systeme können den Oberflächenabfluss von urbanen Flächen durch Speicherung und Versickerung von Regenwasser verringern oder verzögern [3]. Somit reduzieren BGI im Regenfall die Überlastung der Kanalisation, die zur Entlastung von unbehandeltem Oberflächenabfluss (Trennsystem) und Mischabwasser (Mischsystem) in Oberflächengewässer führt [4]. Diese Entlastungen enthalten verschiedene Schadstoffe, wie beispielsweise Mikroverunreinigungen (MV), die bereits in tiefen Konzentrationen ökotoxikologische Effekte verursachen können [5]. Beispiele dafür sind Arzneimittel, Biozide und Reifenabrieb.

Allerdings gibt es keine etablierte Methode, um systematisch mehrere BGI-Typen in umfassende Einzugsgebietsanalysen einzubeziehen und deren Auswirkungen auf die Reduktion von Regenwassereinleitungen (RWE) und Mischwasserentlastungen (MWE) zu quantifizieren.

Für eine umfassende Betrachtung sollte  zusätzlich zur entlasteten Volumina auch die Schadstofffracht berücksichtigen werden. Es ist unklar, ob durch BGI im Einzugsgebiet die entlastete MV-Fracht und entsprechend die MV-Konzentration im Oberflächengewässer wesentlich reduziert werden kann. Darüber hinaus stellt der durch den Klimawandel prognostizierte Anstieg extremer Niederschläge ein Risiko für Entwässerungssysteme dar, da dieser Anstieg die Häufigkeit und Volumina von MWE erhöhen könnte[6, 7].

Ziel dieser Studie ist, die Auswirkungen von BGI auf die entlasteten Volumina sowie MV-Fracht und -Konzentration zu quantifizieren. Zudem werden der Einfluss des Klimawandels auf MWE und das Minderungspotenzial von BGI untersucht.

METHODEN

Studiengebiet und Modellierung

Als Untersuchungsgebiet wurde das «urbanhydrologische Feldlabor» in Fehr-altorf (2020: 6578 Einwohner, 155 ha, Fig. 1) [8] in der Nähe von Zürich gewählt. Von der Gesamtfläche werden 61% im Mischsystem und 39% im Trennsystem (TS) entwässert. Das Entwässerungssystem umfasst sechs MWE und 14 RWE.

Das «urbanhydrologische Feldlabor», eine Initiative der Eawag und der ETH Zürich, umfasst ein Netzwerk von über 100 Sensoren in der Kanalisation sowie ein detailliertes Modell der Kanalisation in dem Stormwater Management Model (SWMM) [8–10]. SWMM ist ein hydrodynamisches Modell [11], welches das städtische Entwässerungs- und Abwassersystem simuliert und so die Menge und Qualität des Abflusses abschätzen kann. Das SWMM-Basismodell wurde anhand von Abflussdaten im Zufluss der Kläranlage kalibriert und zeigt eine gute Übereinstimmung mit den gemessenen Daten [10]. In den letzten Jahren wurde dieses SWMM-Basismodell von Joshi et al. [9] und Rodriguez et al. [10] weiterentwickelt und verbessert. Da keine Messungen der Entlastungsvolumina verfügbar sind [8], wurde die Validierung des Kläranlagenzuflusses als Indikator für die Qualität der MWE-Vorhersagen verwendet.

Das SWMM-Modell wurde verwendet und erweitert (s. Kap. «Blau-grüne Infrastrukturen» sowie «Mikroverunreinigen»), um verschiedene Szenarien zu testen, wie den Einfluss von BGI auf die entlasteten MWE-Volumina und die Fracht eingeleiteter MV sowie die Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die bestehende Entwässerungsinfrastruktur. Die SWMM-Modellstudien wurden für Niederschlagsdaten von 1990 bis 2019 durchgeführt, während die Klimaanalyse den Zeitraum von 2070 bis 2099 umfasst (s. Kap. «Klimawandel»). Die Berechnungen für die MV-Entlastungen wurden für das Jahr 2019 durchgeführt.

Blau-grĂĽne Infrastrukturen

Für die Berechnungen wurde das SWMM-Basismodell mit Kombinationen von BGI erweitert. Dabei wurden die folgenden BGI-Typen berücksichtigt: Versickerungsflächen, sickerfähige Beläge, Gründächer und Rückhalteteiche (Fig. 2).Diese BGI-Typen sind stellvertretend für eine Reihe von Systemen, die auf verschiedenen urbanen Flächen (z. B. Grünflächen, Parkplätze, Strassen, Gebäude) eingesetzt werden können [13].

Es wurden 15 BGI-Kombinationen analysiert, die sich aus allen möglichen Kombinationen dieser vier BGI-Typen ergeben. Die Standortwahl und Flächengrösse für die BGI basieren auf der Landnutzung des Einzugsgebiets, gemäss kommunalem Kataster [8]. Es wurde angenommen, dass VF und RT auf durchlässigen Flächen (z. B. Grünflächen wie Gärten, Verkehrsinseln) installiert werden, SB auf undurchlässigen Flächen (z. B. Parkplätzen, Gehwegen) und GD auf Flachdächern. Bei gleichzeitiger Verwendung von RT und VF wurde die Fläche gleichmässig zwischen beiden aufgeteilt. In den präsentierten Ergebnissen wird davon ausgegangen, dass BGI auf 50% der geeigneten Flächen im Einzugsgebiet gebaut werden. Eine detaillierte Beschreibung der BGI-Szenarien findet sich in Cavadini et al. [12]. VF behandelt den Abfluss von angeschlossenen undurchlässigen Flächen, während RT am Ende des Einzugsgebiets den Abfluss des Teileinzugsgebiets behandeln. SB und GD behandeln nur den direkten Niederschlag. Wenn die BGI an der Kapazitätsgrenze sind, wurde angenommen, dass der Abfluss in das Kanalsystem eingeleitet wird. Die gewählten BGI-Parameter sind in Cavadini et al. [12] ersichtlich, wobei typische Richtwerte basierend auf BGI-Studien aus der Literatur gewählt wurden. Es wird angenommen, dass diese Parameter konstant bleiben und keine Verschlechterung der Leistung über die Zeit stattfindet.

Mikroverunreinigungen

Um den Einfluss von BGI auf Einleitungen von MV aus Mischsystem und Trennsystem auf Oberflächengewässer zu beurteilen, wurde das SWMM-Basismodell mit dem Trennsystem ergänzt und weiterentwickelt [14]. Somit können MV-Stoffeinträge aus Mischwasserentlastungen und Regenwassereinleitungen (RWE) abgeschätzt und quantifiziert werden. Fünf gelöste, organische MV wurden basierend auf potenziell kritischen Konzentrationen für Oberflächengewässer für die Modellierung ausgewählt: Substanzen aus dem Reifenabrieb (N-(1,3-Dimethylbutyl)-N’-phenyl–1,4--1,4-benzoldiamin-Chinon: 6PPD-q, 1,3-Diphenylguanidin: DPG und Hexa­methoxymethylmelamin: HMMM) und aus Anstrichen von Fassaden (Diuron). Zusätzlich wurde das Schmerzmittel Diclofenac als Indikator für kommunales Abwasser berücksichtigt.

Die mittleren MV-Konzentrationen im Oberflächenabfluss von Strassen beziehungsweise Fassaden wurden aufgrund von Messungen im Mischsystem während Regenereignissen berechnet. Diuron wurde an drei Standorten gemessen, während die anderen MV an einem Standort gemessen wurden [15–17] (Fig. 1).

Die berechneten Einleitungen von MV wurden für den Status quo mit der Implementation verschiedener BGI-Typen auf 50% der verfügbaren Flächen verglichen. Es wurden dieselben BGI-Typen wie für die Analyse der Entlastungsvolumina berücksichtigt (Fig. 2), wobei mittlere Parameterwerte für die BGI-Typen aus Literaturstudien gewählt wurden [14]. Dazu wurden drei Szenarien analysiert:

  • BGI nur im Mischsystem (MS)
  • BGI nur im Trennsystem (TS)
  • BGI im ganzen Studiengebiet (MS+TS)

Zur Beurteilung der Relevanz der Einleitungen auf die aquatische Umwelt wurde der Risikoquotient (RQ) berechnet. Der RQ leitet sich aus den kumulierten Konzentrationen im Oberflächengewässer aus den MV-Einleitungen im Vergleich zu akuten Umweltqualitätskriterien ab. Dabei wurde zur Berechnung der MV-Konzentration im Oberflächengewässer, die Verdünnung durch den Abfluss im Gewässer berücksichtigt und davon ausgegangen, dass die Hintergrundkonzentration null beträgt. Die detaillierten Berechnungen und gewählten Umweltqualitätskriterien sind in Poggioli et al.  [14] ersichtlich.

Klimawandel

Um die Auswirkungen des Klimawandels abzuschätzen, wurde das SWMM-Modell mit zukünftigen Niederschlagsprognosen simuliert. Dabei wurden vier Klimamodelle verwendet: drei aus EURO-CORDEX [18] und eines vom «Center for Climate System Modelling» (C2SM, ETH Zürich) [19].

Die vier Modelle basieren auf einem Representative Concentration Pathway von 8,5. Dieser geht von einem Anstieg der Treibhausgasemissionen aus (Business-as-usual-Szenario) und prognostiziert erhebliche Ă„nderungen der Niederschlagsmuster [20].

Da die Klimadaten nur in grober Auflösung vorliegen (12,5 km für EUROCORDEX und 2,2 km für das konvektionsauflösende Modell), wird eine Bias-Korrektur angewendet, um sicherzustellen, dass die Gitterdaten den Niederschlag auf Standortebene realistisch abbilden können [21, 22]. Diese Studie berücksichtigt nur Veränderungen des Klimas, während Landnutzung, Bevölkerung und Infrastruktur als konstant angenommen werden. Daher sind die Ergebnisse keine Vorhersagen, sondern eine isolierte Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf die bestehende Infrastruktur und das Potenzial von BGI, diese abzumildern. Weitere Details zu den Niederschlagszeitreihen und der Datenverarbeitung sind in Cavadini et al. [21] zu finden.

RESULTATE UND DISKUSSION

Reduktion von Mischwasserentlastungen Durch BGI

Figur 3 zeigt, dass alle BGI-Kombinationen die MWE-Volumina reduzieren, jedoch variiert die mittlere jährliche Reduktion von 8% (GD) bis 88% (VF+SB+RT). Die Auswahl und Kombination der BGI-Typen sind daher entscheidend, um eine maximale Reduktion von MWE zu erzielen. Kombinationen mit Versickerungsflächen (VF), wie VF+SB+RT oder VF+SB+GD+RT, erzielen die höchsten Volumenreduktion aufgrund der Versickerung des Regens, anstelle der Ableitung. Einzelne BGI-Typen, ausser VF, schneiden schlechter ab.  VF kann auf einer grösseren Fläche umgesetzt werden und erzielt eine hohe Versickerung und Rückhaltekapazität. GD haben die geringste Volumina-Reduktion, da GD zumeist nur eine kleine Speicherschicht besitzen.

Nicht alle BGI-Szenarien verringern jedoch die Häufigkeit der MWE. Die Reduktion der Häufigkeit variiert stark je nach BGI-Kombination: von einer Reduktion um 85% (VF und VF+SB) bis zu einem Anstieg um 35% (RT und GD+RT). Einzelne BGI-Typen wie SB und GD haben kaum Einfluss auf die Häufigkeit, während RT die Anzahl der MWE-Tage erhöht, indem der Zufluss in das Mischkanalsystem verlängert wird. Dies führt zu mehr Tagen mit Mischwasserentlastungen, aber volumenmässig kleineren MWE-Ereignissen. Dieses Resultat basiert auf den gewählten BGI-Parametern für RT [9–11, 23]. Eine Anpassung des RT-Designs durch Erhöhung der Rückhaltevolumina könnte zu einer grösseren MWE-Reduktion führen.

Die effektivsten Lösungen zur Reduktion von sowohl Volumina als auch Häufigkeit von MWE sind VF, VF+SB, VF+RT und VF+SB+RT. Diese BGI-Szenarien führen zu unterschiedlichen Kosten (s. Box).

Die Resultate sind eine Abschätzung des BGI-Potenzials. Es wurde nicht im Detail untersucht, ob und in welchem Mass diese BGI auch in der Realität umsetzbar sind.

Mikroverunreinigungen

Für das Biozid Diuron konnte in den Messungen eine räumliche Variabilität nachgewiesen werden. Der Messstandort im Wohngebiet weist die höchste Mediankonzentration von Diuron auf (0,05 µg l–1), gefolgt vom Stadtzentrum (0,013 µg l–1) und Industriegebiet (0,005 µg l–1). Diese räumlichen Unterschiede wurden im Modell berücksichtigt, indem den Landnutzungen je Einzugsgebiet unterschiedliche Diuron-Frachten zugeordnet wurden.

Die Konzentrationen im Strassenabwasser und im kommunalen Abwasser wurden mittels der gemessenen Konzentrationen im Mischabwasser zurückgerechnet. Diese betrugen für 6PPD-q und HMMM aus dem Reifenabrieb 0,14 μg l–1 und1,7 μg l–1 im Oberflächenabfluss von Strassen und sind mit Angaben aus der Literatur vergleichbar [24, 25]. Die berechnete Konzentration von DPG im Strassenabfluss von 5,6 μg l–1 ist höher als in der Literatur angegeben [26], was darauf hindeutet, dass DPG weitere urbane Quellen im beprobten Einzugsgebiet haben könnte. Die Fracht im Abwasser für Diclofenac liegen mit 0,54 mg E–1 d–1 im Bereich der erwarteten Konzentrationen [27].

Die Resultate der Modellierung zeigen deutlich, dass für die betrachteten Substanzen, die von urbanen Flächen abgewaschen werden, die Regenwassereinleitungen (RWE) verhältnismässig mehr zur entlasteten Gesamtfracht ins Oberflächengewässer beitragen. Für das Untersuchungsgebiet ist dies für die Substanz 6PPD-q aus Reifenabrieb in Figur 4 ersichtlich. Im Status quo ist der Anteil der Fracht, die via RWE in Oberflächengewässer gelangt um 20% höher als die entlastete Fracht via MWE. Dies, obwohl der Anteil der Flächen im Trennsystem nur 39% beträgt. Entsprechend zeigen die Resultate, dass für MV aus dem Oberflächenabfluss BGI im Trennsystem effektiver sind als BGI im Mischsystem. Dies ist beispielhaft in Figur 4 für 6PPD-q zu erkennen (Frachtreduktionen im Kasten TS ganz rechts sind grösser als im zweitletzten Kasten MS). Im Gegensatz dazu sind für Substanzen, die ausschliesslich über das Schmutzwasser abgeleitet werden, nur Massnahmen im Mischsystem relevant (Bsp. Diclofenac in Fig. 4).

Die jährlich in die Oberflächengewässer eingeleitete MV-Fracht wird durch die Wahl des BGI-Typs beeinflusst. Während Gründächer mit maximal 8% Reduktion eine minimale Auswirkung auf alle eingeleiteten MV-Frachten haben, sind Versickerungsflächen (VF) am wirksamsten mit über 80% Reduktion der eingeleiteten MV-Fracht. Sickerfähige Beläge (SB) und Rückhalteteiche (RT) haben eine ähnliche Reduktion der MV-Fracht zur Folge mit einer Reduktion von 18% für SB und 15% für RT implementiert im Mischsystem.

Die Unterschiede zwischen den BGI-Typen ergeben sich auch aus den unterschiedlichen hydraulischen Parametern, die für die Systeme gewählt wurden. BGI mit Versickerung haben eine grössere Reduktion der Fracht zur Folge aufgrund der Reduktion des Abflusses. Noch offen ist in diesem Zusammenhang, was mit den MV in der Versickerung passiert. Dazu sind weitere Untersuchungen nötig.

Unter Berücksichtigung der Verdünnung im Oberflächengewässer überschreiten im Status quo die berechneten MV-Konzentrationen die akuten Umweltqualitätskriterien für die Substanzen 6PPD-q,DPG, Diuron und Diclofenac (RQ > 1).Wobei für 6PPD-q, HMMM und DPG aktuell keine akuten Umweltgrenzwerte vorliegen und Abschätzungen aufgrund von Literaturangaben gemacht wurden. Daher ist die berechnete Überschreitung zu überprüfen, wenn verlässliche Umweltqualitätskriterien vorliegen.

Im Vergleich zum Status Quo reduzieren BGI den berechneten RQ im Oberflächengewässer. VF verringern den RQ für alle MV am stärksten mit einer Reduktion von 47% bis 93% der Stunden mit einem RQ  > 1.Bei den MV im Oberflächenabfluss wird der RQ am stärksten reduziert, wenn BGI im ganzen Einzugsgebiet (TS + MS) angewendet werden, gefolgt von der Anwendung nur bei Flächen im Trennsystem. Der RQ von Diclofenac wird hingegen nur durch BGI im Mischsystem verbessert.

Einfluss des Klimawandels

Figur 5 zeigt die Reduktion der MWE-Volumina und der Häufigkeit unter zukünftigen Klimabedingungen für einzelne BGI-Typen. Der Klimawandel wird voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf MWE haben, da eine Zunahme der MWE-Volumina (erstes Panel, Fig. 5) aufgrund der höheren Niederschlagsintensität und dem Anstieg der jährlichen Niederschlagsmenge zu erwarten ist. Das jährliche mittlere MWE-Volumen könnte je nach Klimaszenario um 32% bis 92% ansteigen. Die jährliche mittlere Häufigkeit von MWE könnte sich um –22% bis +52% verändern.

Nur VF können für alle Klimamodelle sowohl die MWE-Volumina als auch die Häufigkeit reduzieren (in Fig. 5 liegen alle Datenpunkte im unteren linken Quadranten). Diese Resultate bestätigten die Wirksamkeit von VF auch unter zukünftigen klimatischen Bedingungen. Die Wirksamkeit der verschiedenen BGI-Typen variiert stark zwischen den Klimamodellen. RT sind wirksam bei kurzzeitigen, intensiven Regenereignissen, jedoch nimmt ihre Effizienz bei längeren Regenereignissen ab, da das gespeicherte Regenwasser über einen längeren Zeitraum ins Mischsystem geleitet wird. Im Gegensatz dazu schneiden VF in allen Klimaszenarien gut ab und können den Einfluss des Klimawandels mildern. Die Resultate zeigen also auf, dass BGI auch in einem zukünftigen Klima erheblich zur Reduktion von MWE beitragen können.

FAZIT

Zusammenfassend können BGI eine substanzielle Reduktion der eingeleiteten Volumina und MV-Fracht sowie der Risikoquotienten im Oberflächengewässer erzielen. Die Wirksamkeit ist dabei abhängig von den gewählten BGI-Typen. Bei den untersuchten Varianten bewirken vor allem Versickerungsflächen (VF) eine substanzielle Reduktion der Oberflächengewässerbelastung. Gründächer hingegen haben wenig Einfluss auf Einleitungen.

Generell zeigt sich, dass alle BGI-Massnahmen zu einer Reduktion der MWE-Volumina führen. Allerdings könnten einige BGI-Typen die Dauer der Entlastungen erhöhen. Kombinationen, die Versickerungsflächen beinhalten, sind besonders effektiv, da sie sowohl die Volumina als auch die Häufigkeit von MWE reduzieren. Dies ist auf die grosse verfügbare Fläche, Speicherkapazität und Versickerung ins Grundwasser (bei VF und SB) zurückzuführen, was zu erheblichen Reduzierungen von Entlastungen führt. Hier braucht es auf jeden Fall weitere Untersuchungen, um die Einträge von Schmutzstoffen in alle Gewässer inklusive des Eintrags ins Grundwasser zu minimieren.

Der Klimawandel wird voraussichtlich starke Auswirkungen auf bestehende städtische Entwässerungssysteme haben. Die untersuchten Klimamodelle zeigen einen klaren Trend zu intensiveren Regenereignissen, welche die MWE-Volumina erhöhen werden. Die Resultate zeigen, dass die Entsiegelung und Versickerung eine attraktive Alternative zum Ausbau von Regenbecken und anderer grauer Infrastruktur darstellt.

Die präsentierten Ergebnisse basieren auf Modellstudien für ein ausgewähltes Studiengebiet. Zur Menge und Qualität aller MWE liegen keine Messungen vor. Daher geben die Resultate Hinweise und Trends hinsichtlich des Potenzials von BGI, um die Einleitung von Stoffen ins Oberflächengewässer zu reduzieren. Die Ergebnisse basieren auf der urbanen Typologie und dem Klima von Fehraltorf. Eine einfache Verallgemeinerung ist nicht möglich. Um die lokalen Klimawandel-Auswirkungen besser zu erfassen, sollten weitere Fallstudien an verschiedenen Standorten durchgeführt werden.

 

BIBLIOGRAPHIE

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Verwendete AbkĂĽrzungen

BGI - blau-grĂĽne Infrastruktur

GD - GrĂĽndach

MS - Mischsystem

MV - Mikroverunreinigung

MWE - Mischwasserentlastung

RQ - Risikoquotient

RT - RĂĽckhalteteich

RWE - Regenwassereinleitung

SB - sickerfähiger Belag

SWMM - Stormwater Management Model

TS - Trennsystem

VF - Versickerungsfläche

Kosten von BGI

Bei der Planung von BGI ist es wichtig zu berücksichtigen, welche Kosten verschiedene BGI-Typen verursachen im Vergleich zur erzielten Reduktion von MWE. In Figur 6 sind die Kosten für die Vermeidung von 1 m³ MWE über die Lebensdauer der Infrastruktur dargestellt [21]. Zum Vergleich sind auch die Kosten für ein MWE-Becken aufgeführt. Einige BGI-Typen werden in Zukunft kosteneffizienter als MWE-Becken sein, da sie bei gleichen Investitionskosten mehr MWE-Volumina reduzieren können. Dies liegt an der Zunahme des Gesamtregens infolge des Klimawandels. Nur wenige BGI-Kombinationen sind in zukünftigen Szenarien kosteneffizienter als ein MWE-Becken, was darauf hinweist, dass BGI-Kombinationen sorgfältig ausgewählt werden müssen. SB und VF sind die kosteneffizientesten BGI-Typen. Dies präsentierten Ergebnisse basieren auf einer Implementierungsrate von 50%, wobei die Kosten je nach Implementierungsrate variieren können. Die Bewertung betrachtet nur die Reduktion der MWE-Volumina. Berücksichtigt man jedoch die multifunktionalen Vorteile von BGI, wie Hochwasserschutz, Hitzeminderung, Förderung der Biodiversität und Verbesserung des Wohlbefindens, könnten sich die Ergebnisse zugunsten von BGI-Typen ändern, die umfassendere multifunktonale Vorteile bieten.

Dank

Wir danken der gesamten Abteilung Siedlungswasserwirtschaft der Eawag, insbesondere dem Team vom urbanhydrologischen Feldlabor (UWO), welches das Sensornetzwerk aufgebaut und gewartet hat, sowie allen Forschern, die das SWMM-Modell weiterentwickelt haben. Besonderer Dank gilt Max Maurer, Andri Bryner und Christoph Ort für das wertvolle Feedback zum Artikel. Wir danken Viviane Furrer für die Bereitstellung ihrer Messdaten zu Mikroverunreinigungen. Wir möchten auch der Forschungsgruppe für Klimamodellierung an der ETH für die Bereitstellung der Klimaprojektionen danken sowie Patrick Stettler und Trang Nguyen für ihre Unterstützung bei der Aufbereitung der Klimadaten.

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