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Fachartikel
09. Januar 2024

Pilotversuch auf der ARA Gossau-Grüningen

inDENSE®-Verfahren für granulierten Schlamm

Das inDENSE®-Verfahren wurde auf der ARA Gossau-Grüningen getestet. Nach einem Jahr wurde ein Anteil an granuliertem Schlamm von rund 50% und ein Schlammvolumenindex zwischen 40 und 70 ml/g beobachtet. DNA-Analysen zeigten, dass die bakterielle Gesamtpopulation saisonal konstanter blieb und Nitrit-oxidierende Bakterien im granulierten Schlamm akkumulierten. Durch die verbesserten Absetzeigenschaften können die Kapazität der ARA und die Stickstoffelimination signifikant gesteigert werden.
Alexandra Fumasoli, Martin  Probst, Bernhard  Wett, Nicolas Derlon, Rachel Wenger, Marie  Rérolle, 

Bei der ARA Gossau-Grüngingen ist demnächst eine Kapazitätssteigerung der Biologie von 15'000 auf 20'000 Einwohnerwerten erforderlich. Es wurden verschiedene Ausbauvarianten in Betracht gezogen, wobei ein Ausbau mit aerob granuliertem Schlamm in den bestehenden Biologiebecken aufgrund der geringen Investitions- und Betriebskosten sowie des einfachen Betriebs im Vordergrund stand.

Aerob granulierter Schlamm

Von aerob granuliertem Schlamm spricht man ab einem Durchmesser grösser 200 μm [1]. Dieser wird in kontinuierlich durchflossenen Belebtschlammanlagen typischerweise mit Hydrozyklonen zurückgehalten. Aerob granulierter Schlamm verfügt im Vergleich zu konventionellem Belebtschlamm über deutlich verbesserte Absetzeigenschaften, wodurch die Belebtschlammkonzentration in den Biologiebecken erhöht werden kann. Zudem wurde auch schon eine erhöhte spezifische Nitrifikationsleistung pro Biomasse in aerob granuliertem Schlamm nachgewiesen [2]. In der Schweiz wurde das Hydrozyklon-Verfahren S::Select® bereits auf der ARA Glarnerland und der ARA Blindei umgesetzt [2, 3]. Bei diesem Verfahren wird zur Initiierung der Granulierung das Trägermaterial Mimics® zugegeben. Das inDENSE®-Verfahren ist ein alternatives Hydrozyklon- Verfahren, das in der Schweiz noch nicht eingesetzt wurde. Dabei soll die Granulierung durch geeignete Prozessbedingungen hervorgerufen werden. Es wird aktuell davon ausgegangen, dass ein hoher Substratgradient erforderlich ist, um substratspeichernde Bakterien anzureichern [1]. Dieser wird am besten durch eine vorgeschaltete anaerobe Stufe mit Pfropfenströmung (plug-flow) erreicht. Aufgrund der fehlenden Erfahrungen mit dem inDENSE®-Verfahren in der Schweiz wurde auf der ARA Gossau-Grüningen ein einjähriger Pilotversuch auf einer von zwei Biologiestrassen durchgeführt. Dabei wurden die Schlammeigenschaften und die Prozessbedingungen untersucht, die mögliche Kapazitätssteigerung evaluiert und betriebliche Erfahrungen gesammelt.

Vorgehen

Anlage-Layout ARA Gossau-GrĂĽningen

Die ARA Gossau-Grüningen verfügt über zwei Biologiestrassen im konventionellen Belebtschlammverfahren mit Nachklärbecken und Sandfiltration (Fig. 1). Zur Elimination von Mikroverunreinigungen (EMV) wird Pulveraktivkohle (PAK, pharmA-Clean) vor dem Sandfilter dosiert. Das Schlammwasser der Sandfiltration wird zurück in die Biologie geführt. Der Überschussschlamm wird über die Vorklärung abgezogen. Die Biologie verfügt über ein ganzjähriges unbelüftetes Becken (15%) und eine Bivalentzone (13%), die von Anfang November bis Ende April belüftet wird.

Einbindung des Indense®-Verfahrens

Der Schlammabzug in der Biologie wurde nach der Trockensubstanz-(TS-)Konzentration in der Biologie geregelt. Die Beschickung der Hydrozyklone erfolgte aus dem Rücklaufschlamm (Fig. 1). Der gut absetzbare Schlamm wurde über den Unterlauf des Zyklons zurück in die Biologie gefördert. Der schlecht absetzbare Schlamm wurde als Überschussschlamm über den Überlauf des Zyklons entfernt und mit dem Frischschlamm in der Vorklärung sedimentiert. Um geeignete Prozessbedingungen für die Granulierung zu erreichen (hohe Substratgradienten, anaerobe Bedingungen), wurde die Rücklaufschlammrate auf rund 70% reduziert und die Bivalentzone mehrheitlich unbelüftet betrieben. Um die Stickstoffelimination trotz reduzierter Rücklaufschlammrate hoch zu halten, wurde ein Teil der Pilotstrasse mit einer intermittierenden Belüftung betrieben (Fig. 1). Die intermittierende Belüftung wurde mit einer Ammonium-Sonde geregelt.

Analysen

Der Schlammvolumenindex (SVI) wurde täglich gemessen. Der SVI in der auf 2 g TS/l verdünnten Probe (diluted SVI = dSVI), die Sinkgeschwindigkeit und die Grössenfraktionierung mittels Siebung wurden ca. monatlich in der Referenz- und der Pilotstrasse sowie im Überlauf und im Unterlauf der Pilotstrasse bestimmt. Die Batch-Experimente zur Bestimmung der maximalen Aktivitäten für Ammonium- oxidierende Bakterien (AOB), Nitrit-oxidierende Bakterien (NOB) und Phosphor-akkumulierende Bakterien wurden mit den gesiebten Fraktionen der Referenz- und der Pilotstrasse durchgeführt. Die Experimente fanden unter nicht limitierenden Bedingungen (Substrat, Sauerstoff) und bei Raumtemperatur in einem 1-l-Batch-Reaktor statt. Die Proben für die spätere DNA-Analyse wurden bei –80 °C eingefroren. Die DNA-Extraktion und die -Analyse wurden durch die Upwater AG durchgeführt. Das Vorgehen bei der DNA-Analyse ist in [4] genauer beschrieben. Die Konzentrationen im Ablauf der Vorklärung, im Ablauf der Nachklärung (Mischprobe von Referenz- und Pilotstrasse) und nach der Filtration wurden alle 5 Tage als 24-Stunden-Sammelprobe analysiert. Der Ablauf der Pilotstrasse wurde zudem separat im gleichen Intervall beprobt. Zur Bestimmung der Prozessbedingungen wurden Einzelmessungen in den Biologiebecken durchgeführt.

Abwasserzusammensetzung

Die Konzentrationen im Ablauf der Vorklärung sind in Tabelle 1 aufgelistet. Von Juni bis September 2022 wies das Abwasser ein erhöhtes CSB/N-Verhältnis auf. Das CSB/N-Verhältnis ohne Berücksichtigung interner Rückläufe betrug im Ablauf der Vorklärung von Juni bis September 2022 9,6 ± 2,5 mg CSB/mg Ntot, im Mittel über die gesamte Pilotierung 7,9 ± 2,5 mg CSB/mg Ntot. Höhere CSB-Konzentrationen sind tendenziell für die Granulierung von Vorteil.

 

Tab. 1 Mittlere Konzentrationen samt Standardabweichungen im Ablauf der Vorklärung der ARA Gossau-Grüningen ohne interne Rückläufe.

Resultate

Schlammeigenschaften
Schlammselektion ĂĽber Zyklon

Durch den Zyklon soll der besser sedimentierbare Belebtschlamm selektioniert und wieder in die Biologie zurückgeführt werden. Die physikalische Selektion durch den Zyklon war ab der Inbetriebnahme des Zyklons messbar (Fig. 2). Dies zeigte sich einerseits bei der Siebung, wo die Fraktion mit einem Durchmesser > 250 μm praktisch vollständig zurückgehalten wurde. Andererseits lag auch der dSVI (entspricht dem SVI in der auf 2 g TS/l verdünnten Probe) im Unterlauf mit rund 80 ml/g bereits bei Inbetriebnahme tiefer als im Überlauf mit rund 120 ml/g. Mikroskopisch konnte nach einigen Monaten ein klarer Unterschied zwischen Über- und Unterlauf festgestellt werden (Fig. 3). Mit steigendem Anteil an granuliertem Schlamm ging auch eine kleinere Fraktion an Granulen über den Überlauf in die Schlammbehandlung.

Schlammeigenschaften in der Biologie

Der Anteil granulierten Schlammes begann in der Pilotstrasse, nach rund einem Monat anzusteigen (Fig. 4). Danach erfolgte der Anstieg mehr oder weniger konstant über die Versuchsdauer, obwohl die Prozessbedingungen nicht immer ideal waren (siehe Kapitel zu den Prozessbedingungen). Nach rund 9 Monaten betrug der Anteil an granuliertem Schlamm rund 50%, was im Bereich des Erwartungswerts lag: Auch auf anderen  kontinuierlich durchflossenen Anlagen wurden rund 50% granulierter Schlamm erreicht [5]. Ab Anfang März 2023 wurde die TS-Konzentration stark erhöht, um die Funktionalität der Nachklärung bei hohen TS-Konzentrationen zu testen (siehe Kapitel zur Steigerung der TS-Konzentration). Durch die schnelle Steigerung des TS senkte sich der Anteil an Granulen in der letzten Probe. Die Gesamtmenge an Granulen blieb jedoch stabil. Kleine Granulen mit Durchmessern zwischen 250 μm und 500 μm blieben über die gesamte Zeitdauer vorherrschend. Es bildeten sich kaum grössere Granulen, was ebenfalls auf anderen Anlagen beobachtet wurde [5]. Die kontinuierlichen Verfahren unterscheiden sich diesbezüglich vom diskontinuierlichen Nereda®-Prozess, wo bis zu 50% des Schlamms einen Durchmesser von mehr als 2 mm aufweist [6]. Die geringere Granulengrösse in kontinuierlichen Verfahren kann durch die hohen Scherkräfte im Zyklon und die weniger günstigen Prozessbedingungen in der Biologie erklärt werden. Aufgrund der jahreszeitlichen Dynamik senkte sich der dSVI im Juni 2022 in beiden Strassen zeitgleich ab (Fig. 4). Ein wesentlicher Unterschied des dSVI zwischen Pilot- und Referenzstrasse war erst ab Januar 2023 ersichtlich. Der häufiger gemessene SVI blieb in der Pilotstrasse bis Ende Februar 2023 unter 70 ml/g, wobei er in der Referenzstrasse trotz mehrmaliger Zugabe von Kombi-Produkten mit Eisen und Aluminium auf bis zu 140 ml/g anstieg (siehe Fig. 6). Aufgrund der nachfolgenden TS-Erhöhung in der Pilotstrasse wurden, wegen des tieferen Anteils an granuliertem Schlamm, maximale SVI-Werte von 85 ml/g beobachtet (siehe Fig. 6). Die Sinkgeschwindigkeit erreichte in der Pilotstrasse ab September 2022 Werte über 4 m/h. Mikroskopisch war die Transformation des Schlamms über die Zeit qualitativ gut ersichtlich (Fig. 5). Der erreichbare SVI und die Sinkgeschwindigkeit hängen unter anderem von den Startbedingungen ab. Die ARA Gossau-Grüningen verfügt seit der Inbetriebnahme der EMV-Stufe (PAK-Dosierung auf Sandfiltration mit Rückführung des Schlammwassers in die Biologie) im Juli 2021 über einen verhältnismässig guten SVI und eine gute Sinkgeschwindigkeit. Der im Pilotversuch beobachtete SVI von 40–70 ml/g lag somit plausibel im unteren bis mittleren Bereich im Vergleich mit anderen Studien (ca. 40–80 ml/g; [7]).

Fadenbakterien

Aufgrund des besseren SVI in der Pilotstrasse stellt sich die Frage, ob durch den Hydrozyklon die Fadenbakterien selektiv entfernt werden. Die DNA-Analyse der Bakterien wies zwei bekannte Fadenbakterien unter den häufigsten 30 Bakteriengattungen nach: Ca. Microthrix und Kouleothrix. Von diesen beiden Fadenbakterien weisst vor allem Ca. Microthrix vielfach eine gute Korrelation mit dem SVI auf [8]. Dies zeigte sich auch auf der ARA Gossau-Grüningen: Sowohl im Mai/Juni 2022 (beide Strassen) als auch ab Januar 2023 (Referenzstrasse) trat ein hoher SVI zeitgleich mit hohen relativen Häufigkeiten von Ca. Microthrix auf (Fig. 6). Die relative Häufigkeit von Ca. Microthrix lag trotz der Zugabe von Kombi-Produkten mit Eisen und Aluminium in der Referenzstrasse höher als in der Pilotstrasse. Die Analyse der Pilotstrasse zeigte, dass Ca. Microthrix wohl in den Flocken, jedoch kaum in den Granulen präsent war. Es liegt nahe, dass durch den selektiven Überschussschlammabzug über den Zyklon Fadenbakterien reduziert, aber in den Flocken nicht komplett verhindert werden. Es muss somit ein signifikanter Anteil des Schlamms in granulierter Form vorliegen, damit der SVI ganzjährig tief gehalten werden kann. Der selektive Überschussschlammabzug über den Zyklon alleine ist zur Unterdrückung von Fadenbakterien nicht ausreichend. Ein zu geringer Anteil granulierten Schlammes könnte auch erklären, weshalb sich eine Verbesserung des SVI teilweise erst mit Verzögerung ab dem zweiten Betriebsjahr zeigt [9].

Gesamtpopulation

Aufgrund des hohen Anteils an Granulen stellt sich die Frage, ob sich die bakterielle Gesamtpopulation saisonal weniger verändert. Eine Analyse der Populationszusammensetzung mit einer nichtmetrischen multidimensionalen Skalierung (NMDS) ist in Figur 7 dargestellt. Je weiter bei einer NMDS die Datenpunkte auseinander liegen, desto unterschiedlicher ist die bakterielle Zusammensetzung. Die Analyse der Gesamtpopulation zeigte, dass die beiden  Strassen zu Beginn des Versuchs über eine sehr ähnliche Gesamtpopulation verfügten. Die Referenzstrasse wies danach eine jährliche Saisonalität auf, d. h. nach Ablauf des Pilotjahrs trat wieder eine sehr ähnliche Gesamtpopulation auf wie zu Beginn. In der Pilotstrasse blieb die Gesamtpopulation hingegen ab Januar 2023 deutlich stabiler als in der Referenzstrasse. Die Flocken in der Pilotstrasse zeigten hingegen eine ähnliche Zusammensetzung und Saisonalität wie die Referenzstrasse (Fig. 7).

Prozessbedingungen

Es wird aktuell davon ausgegangen, dass anaerobe Bedingungen für die Granulierung benötigt werden, die zum Wachstum von substratspeichernden, Phosphor- oder Glykogen-akkumulierenden Bakterien führen [1]. Einzelproben zeigten, dass in der ersten unbelüfteten Zone der Pilotstrasse von Juli bis September 2022 bei gutem CSB/N-Zulaufverhältnis (Tab. 1) anaerobe Bedingungen erreicht wurden. Danach lagen gemäss Einzelproben keine anaeroben Bedingungen mehr vor. Batch-Experimente bestätigten zudem eine biologische Phosphorelimination im August 2022, aber nicht von Januar bis März 2023. Die DNA-Analysen zeigten übereinstimmend, dass die relative Häufigkeit der Phosphor- oder Glykogen-akkumulierenden Dechloromonas ab August 2022 stark abnahm und sich danach im Bereich der Detektionsgrenze befand (Fig. 8). Dechloromonas waren vor allem in den Flocken, nicht aber in den Granulen der Pilotstrasse angesiedelt. Im Sommer traten sie auch in der Referenzstrasse auf. Interessant ist, dass die Granulierung trotz ungeeigneter Prozessbedingungen kontinuierlich voranschritt. Somit lässt sich aus den Versuchen nicht ableiten, ob die anaeroben Bedingungen nur zu Beginn benötigt werden. In einer Pilotstrasse auf der ARA Laufäcker trat in parallel laufenden Versuchen trotz anaerober Prozessbedingungen keine Granulierung ein. Es stellt sich die Frage, ob die PAK-Partikel in Gossau-Grüningen als Aufwuchskörper dienten und so die Granulierung begünstigten. Allerdings ist die PAK vermutlich zu klein, um selektiv im Zyklon zurückgehalten zu werden (siehe Kapitel zu den betrieblichen Erfahrungen).

Kapatitätssteigerung
Steigerung der TS-Konzentration

Durch die besseren Absetzeigenschaften kann die TS-Konzentration in der Biologie gesteigert werden: Mit einer konservativen Auslegung auf einen SVI von 80 ml/g kann die TS-Konzentration gemäss einer üblichen Auslegung nach DWA-A 131 [10] von heute 2,5 g/l auf 3,75 g/l erhöht werden (Fig. 9). Dies ergibt eine Kapazitätssteigerung um 50%. Nebst der erforderlichen Kapazitätssteigerung von 15'000 auf 20'000 Einwohnerwerte kann auf der ARA Gossau-Grüningen somit auch noch die Stickstoffelimination gesteigert werden. Ab Anfang März 2023 wurde die Erhöhung der TS-Konzentration in der Pilotstrasse effektiv getestet. Bis Ende Mai stieg sie von 2,7 g/l auf 4,4 g/l an (Fig. 10). Die TS-Erhöhung war unproblematisch: Die Konzentration von ungelösten Stoffen (GUS) im Ablauf der Nachklärung blieb unauffällig und es traten keine betrieblichen Probleme auf.

TS-spezifische Nitrifikationsraten

Um herauszufinden, ob die Nitrifikanten mit den Granulen selektiv in der Biologie zurückgehalten werden und dies zu einer erhöhten Nitrifikationsleistung führt, wurden von Anfang Januar bis Ende Mai 2023 Aktivitätstests durchgeführt (Fig. 11). Die Aktivitätstests zur Bestimmung der maximalen Umsatzraten der AOB und NOB fanden unter nicht limitierenden Bedingungen (Substrat, Sauerstoff) statt. In der Pilotstrasse war der gemessene maximale Ammonium-Umsatz pro TS rund 30–40% höher als in der Referenzstrasse (Fig. 11). Die Granulen zeigen im Vergleich zu den Flocken einen höheren maximalen Ammonium-Umsatz pro TS. Die Resultate widerspiegelten sich nicht in den DNA-Analysen. Demnach lagen die relativen Häufigkeiten des AOB Nitrosomonas in der Referenz- und der Pilotstrasse sowie in den Flocken und den Granulen der Pilotstrasse in einem sehr ähnlichen Bereich (Fig. 12). Die Diskrepanz zwischen den Batch-Experimenten und den DNA-Analysen in Bezug auf die AOB muss weiter untersucht werden. Die beobachteten, in der Pilotstrasse erhöhten AOB-Umsatzraten stimmen mit den Batch-Experimenten auf der ARA Glarnerland überein: Auch im Glarnerland wurde in einer Pilotstrasse eine TS-spezifische Leistungssteigerung der Nitrifikation um ca. 50% gefunden [2]. Es ist somit davon auszugehen, dass durch den Rückhalt der Nitrifikanten eine zusätzliche Kapazitätssteigerung erreicht werden kann. Es bleibt jedoch weiter zu untersuchen, wie stabil und wie umfangreich diese höhere Leistung im effektiven Betrieb abgerufen werden kann. Auf der ARA Gossau-Grüningen wurden keine signifikanten Unterschiede der Reinigungsleistungen der beiden Strassen festgestellt (siehe auch Kapitel zur Reinigungsleistung). In Bezug auf die gemessene maximale NOB-Aktivität konnte eine stark erhöhte Nitrit-Umsatzrate in den Granulen der Pilotstrasse nachgewiesen werden (Fig. 11). Die maximale Nitrit-Umsatzrate pro TS war in der Pilotstrasse rund doppelt so hoch wie in der Referenzstrasse. Im Unterschied zu den AOB bestätigten die DNA-Proben, dass die NOB der Gattung Nitrospira in der Pilotstrasse stark akkumuliert vorlagen (Fig. 12). Insbesondere in den Granulen wurde eine relative Häufigkeit von teilweise über 20% erreicht. Ein ähnlich hoher Anteil NOB wurde auch in einem Hybridwirbelbett detektiert [11]. Vor dem Start der Pilotversuche im Mai 2022 trat auch kurzzeitig die Gattung Nitrotoga auf. Ein ähnlicher Populationswechsel von Nitrospira zu Nitrotoga trat im Frühling 2023 nicht mehr auf. Ein im Frühling auftretender Populations-Shift von Nitrospira zu Nitrotoga wurde bereits auf der ARA Uster beobachtet [12]. Der Populationswechsel korrelierte mit hohen Nitrit- und Lachgasemissionen und starken Veränderungen in der Gesamtpopulation. Die beobachtete Stabilisierung der Gesamtpopulation (Fig. 7) und die angereicherte NOB-Population (Fig. 12) könnten allenfalls zu einer Verringerung der Lachgasemissionen führen.

Betriebliche Erfahrungen
Reinigungsleistung

Die TS-Konzentrationen in der Referenz und der Pilotstrasse lagen bis Ende Februar 2023 in einem ähnlichen Bereich (siehe Fig. 10). Die Ablaufwerte der beiden Strassen waren vergleichbar. Dies gilt auch in Bezug auf die Mikroverunreinigungen (3 Messungen). Die intermittierende Belüftung in der Pilotstrasse hatte praktisch keinen Effekt auf die Stickstoffelimination. Aufgrund der limitierten Steuerungsmöglichkeiten der Biologie war die Optimierung der Stickstoffelimination nicht der Fokus des Versuchs.

Pulveraktivkohle

Grössere Partikel werden im Zyklon besser zurückgehalten. Es stellte sich deshalb die Frage, ob PAK in der Biologie akkumuliert und dadurch die Reinigungsleistung durch aktive Biomasse reduziert wird. Mikroskopisch konnte festgestellt werden, dass sich PAK sowohl im Über- als auch im Unterlauf befindet und somit zumindest ein gewisser Anteil der PAK die Biologie wieder verlässt. Da PAK als Teil des Glühverlusts gemessen wird, wurde der Glühverlust in der Referenz-und der Pilotstrasse verglichen. Es konnte keine signifikante Differenz festgestellt werden. Da die spezifische Nitrifikationsleistung gemäss den Batch-Experimenten gut und die Elimination von Mikroverunreinigungen ähnlich wie in der Referenzstrasse war, wurde auf spezifische PAK-Messungen verzichtet.

Ablagerungen

Im Mai 2023 wurden an verschiedenen Stellen in der Biologie TS-Proben auf unterschiedlichen Höhen genommen, um eine mögliche Stratifizierung des Belebtschlamms im Biologiebecken festzustellen. Es wurde keine Stratifizierung festgestellt.

Wartungsaufwand

Die Zyklone waren sehr robust und wartungsarm: Betriebliche Probleme, wie ein Ausfall oder Verstopfen der Zyklone, traten während der gesamten Versuchsdauer nicht auf.

 

Fazit

Nach einem Betriebsjahr wurden auf der ARA Gossau-Grüningen rund 50% granulierter Schlamm in der Pilotstrasse gemessen. Der SVI unterschied sich erst nach rund acht Monaten signifikant von der Referenzstrasse, lag dann aber mit maximal 70 ml/g deutlich tiefer als die Referenz. Aufgrund der starken Saisonalität des SVI eignet sich die Siebung besser für eine frühe Erfolgskontrolle in der Biologie. Das Fadenbakterium Ca. Microthrix trat auch in den Schlammflocken der Pilotstrasse auf. Um ganzjährig gute Absetzeigenschaften sicherzustellen, muss eine signifikante Granulierung des Schlamms erreicht werden. Gute Zulaufbedingungen (CSB/N-Verhältnis) führten auf der ARA Gossau- Grüningen im Sommer zu anaeroben Bedingungen in der ersten unbelüfteten Zone der Biologie. Obwohl in der Folge keine anaeroben Bedingungen mehr auftraten, schritt die Granulierung weiterhin gut voran. Die für die Granulierung erforderlichen Bedingungen müssen noch genauer untersucht werden. Durch die verbesserten Absetzeigenschaften können die Kapazität der ARA und die Stickstoffelimination signifikant gesteigert werden. Der definitive Einbau des Verfahrens wird deshalb nun auf der ARA Gossau Grüningen geplant. Eine zusätzliche Leistungssteigerung ergibt sich aus der erhöhten TS-spezifischen Nitrifikationsleistung. Wie stabil und wie umfangreich diese genutzt werden kann, muss aber in weiteren Versuchen evaluiert werden. Ob die beobachtete hohe Aktivität der Nitrit-oxidierenden Bakterien wie auch die stabile Gesamtpopulation zu tieferen Lachgasemissionen führen, wird aktuell in einem Folgeprojekt auf der ARA Neugut in Dübendorf unter sucht.

Danksagung

Besonderer Dank gilt dem Betriebspersonal der ARA Gossau-Grüningen. Die Autoren danken Peter Aichinger von der ARAconsult GmbH, Andras Harangozo und Daniel Fässler von Techfina SA und Robert Niederdorfer von der upwater AG für die hilfreichen Diskussionen.

 

Bibliographie

[1] DWA-Arbeitsgruppe KA-6.3 «Biofilmverfahren» (2021): Aerobe Verfahren mit granuliertem Schlamm zur Abwasserbehandlung. Korrespondenz Abwasser Abfall 68(4), 281–288
[2] Meyer, A.; Biermann, K. (2021): Bessere Schlammeigenschaften mit S::Select®, Entwicklung und Betriebserfahrungen des neuen Verfahrens auf der ARA Glarnerland. Aqua & Gas 9/2021: 68–72
[3] Twerenbold, S. et al. (2024): Verfahren mit granuliertem Schlamm – ARA Blindei: Erkenntnisse aus der Projektausführung, Inbetriebnahme und Einfahrphase. Aqua & Gas 1/2024: 40–45
[4] Niederdorfer, R. et al. (2023): MicROcensus: zeitnahe Mikrobiom-Analysen auf ARA. Aqua & Gas 9/2023: 54-59
[5] Roche, C. et al. (2022): Biological process architecture in continuous-flow activated sludge by gravimetry: Controlling densified biomass form and function in a hybrid granule-floc process at Dijon WRRF, France. Water Environment Research 94(1). doi: 10.1002/wer.1664
[6] Britschgi, L.: Doktorarbeit Eawag (noch nicht publiziert)
[7] Daigger, G.T. et al. (2023): Biological and physical selectors for mobile biofilms, aerobic granules, and densified-biological flocs in continuously flowing wastewater treatment processes: A stateof- the-art review. Water Research 242: 120245
[8] Fumasoli, A. et al. (2022): DNA-Analyse im Belebtschlamm, ARA Richterswil: Fallbeispiel Fadenbakterien– Erkenntnisse und Ausblick. Aqua & Gas 1/2022: 32–38
[9] Stanzel, J. (2022): Leistungssteigerung der biologischen Stufe, eine ständige Herausforderung. KA Betriebs-Info 52: 3232–3235
[10] DWA (2016): Arbeitsblatt DWA-A 131, Bemessung von einstufigen Belebungsanlagen, DWA-Regelwerk
[11] Gruber, W. et al. (2024): Nitrit-Akkumulation auf nitrifizierenden Belebtschlammanlagen – Wie kann der NO2--Richtwert eingehalten werden? Aqua & Gas 1/2024: 18–24
[12] Gruber, W. et al. (2021): Linking seasonal N2O emissions and nitrification failures to microbial dynamics in a SBR wastewater treatment plant. Water Research 11: 100098

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