Luzern, 28. April 2022. Frau Bertschy, Sie sind heute als Nationalrätin zu Gast beim Fachverband VSA - ganz herzlich willkommen. Als Wasserfachleute interessiert uns natürlich, welchen Bezug Sie persönlich zum «Wasser» bzw. zu «sauberes Wasser» haben?
Ich bin am Thunersee aufgewachsen und durfte mit dem See, mit den Gewässern das natürliche Wasser in meiner Kindheit erleben. Unbeschwertes Baden oder Trinkwasser ab Hahn trinken, eine Ressource im Überfluss, ein Privileg. Dieses Privileg ist auch bei uns nicht mehr überall und jederzeit selbstverständlich. Mit Wasser kann ich die Natur eindrücklich erfahren, wir finden Spuren unseres Tuns drin und der Klimawandel verändert das Dargebot und hat Einfluss auf die Qualität. Für mich ist es eine der schützenswerten Ressourcen in der Schweiz und gleichzeitig auch ein Spiegel, wie wir mit unserem Planeten, unserer Umwelt umgehen. Der konsequente Schutz der Lebensgrundlagen und eine wirksame Klimapolitik ist ein Kernanliegen von mir.
Die Trinkwasserinitiative hat das Thema «sauberes Wasser» ins Parlament gespült und die Gemüter bewegt. Vor einem Jahr wurde sie abgelehnt – ist das Thema «Wasser» nach wie vor auf der politischen Agenda in Bern?
Mit und nach der Trinkwasserinitiative haben wir im Parlament zahlreiche Vorstösse zur Wasserthematik behandelt, unter anderem die Parlamentarische Initiative für sauberes Wasser mit der gesetzlichen Verankerung des Risikoreduktionsplans für Pestizide, deren Umsetzung nun in der Vernehmlassung ist. Auch die Motionen zur Reduktion der Mikroverunreinigungen und Ausbau der Stickstoffentfernung in den Abwasserreinigungsanlagen wurden verabschiedet sowie einige Vorstösse zur Grundwasserverschmutzung durch Chlorothalonil-Abbauprodukte sind in Diskussion.
Ich rechne damit, dass wir ab zirka Herbst 2022 mit Wiederaufnahme der Agrarpolitik das Wasser wieder prominent auf der politischen Agenda haben. Gerade die Nährstoffproblematik braucht dringend Lösungen und neue Ansätze.
In vielen Brachen, so auch in der Wasserbranche, ist ein Fachkräftemangel zu spüren. Welche Ansätze sehen Sie zur Gewinnung neuer Fachkräfte? Gerade Kläranlagen sind als solche wohl für viele nicht sehr «sexy».
Ich bin überzeugt, wenn eine Branche optimale Arbeitsbedingungen und eine konstruktive Kultur schafft, wird es gelingen, Nachwuchskräfte zu gewinnen. Wasser ist ja per se ein sehr sympathisches, anziehendes und emotionales Element. Veraltete Berufsbilder kann man verändern, gegebenenfalls auch treffendere Namen finden. Es scheint mir wichtig, dass die Wasserbranche sich auch hier aktiv in den Wettbewerb der besten Talente einbringt und künftige Berufsleute umwirbt. Zudem ist ein entscheidender Faktor, wie frauenfreundlich sich eine Branche gibt, wir haben heute zahlreiche Studentinnen. Hier muss man entsprechende Kulturen fördern und die Vereinbarkeit von Familie und Job ermöglichen. Auch hier gilt es wieder gute Beispiele sichtbar zu machen. In meiner Politikerfahrung sehe ich, dass gemischte Gremien bessere Entscheide fällen, ich denke, das wird auch in den Unternehmen so sein.
Haben Sie als Parlamentarierin bestimmte Erwartungen an Wasserfachverbände wie der VSA?
Für uns Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist es von grosser Wichtigkeit, dass wir direkt von den Fachleuten aus der Wasserbranche mit Fakten und Argumenten zu den laufenden Geschäften versorgt werden. Wir Milizpolitikerinnen und -politiker sind keine Wasserexperten und sind auf verlässliche, verständliche Fakten, Argumentationen und Studien angewiesen. Dabei ist auch hilfreich, wenn Fachverbände mit den Themen an die Medien gehen und die Probleme artikulieren und konkret sichtbar machen. In dem Sinne rufe ich Sie dazu auf, sich und Ihre Expertise einzubringen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
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