Im Februar ist Simon Bitterwolf zur Plattform gestossen. Er beschäftigt sich mit der Elimination von Mikroverunreinigungen (MV) und Stickstoff auf Kläranlagen (ARA). Nach seinem Studium in Umweltschutz in Stuttgart zogen die Berge den begeisterten Kletterer in die Schweiz. Es folgten eine Masterarbeit an der Eawag und eine mehrjährige Planer-Tätigkeit bei einem Schweizer Ingenieurbüro. Simon folgt auf die langjährige Plattform-Mitarbeiterin Aline Brander, die Ende letzten Jahres eine neue berufliche Herausforderung bei der Wasser-Agenda 21 annahm.
ARA-Ausbau mit MV-Stufen: Erkenntnisse aus den ersten Umsetzungsjahren
Anfang dieses Jahres veröffentlichte die Plattform drei Fachartikel, in denen sie Erfahrungen der ersten Umsetzungsjahre analysierte. Daraus folgt, dass sich das Konzept zur Überprüfung des Reinigungseffekts und die 12 Leitsubstanzen im Vollzug bewährten[1]. Die Betriebserfahrungen zeigten im Weiteren, dass ARA anhand der UV-Messungen sowie der dosierten Mengen an Ozon oder Aktivkohle zeitnahe Informationen zur aktuellen Reinigungsleistung erhalten[2]. Das ist sehr wichtig für den täglichen Betrieb.
ARA mit einer MV-Stufe reduzieren die Einträge von MV in die Gewässer deutlich[3]. Das zeigen Auswertungen von Gewässermessungen. Auch zeigen sie, dass dadurch die Einträge von Diclofenac, Azithromycin und Clarithromycin deutlich zurückgehen. Für diese drei Stoffe liegen seit 2020 Gewässergrenzwerte vor. Vor allem Diclofenac überschreitet in den Gewässern häufig seinen Gewässergrenzwert. Gemäss Projektleiterin Rebekka Gulde zeigte die Studie, dass das laufende ARA-Ausbauprogramm die Fliessgewässerstrecke mit solchen Grenzwertüberschreitungen halbiere. Massnahmen an weiteren ARA seien notwendig, um auch die verbleibende Fliessgewässerstrecke zu entlasten. Das für diese Analyse entwickelte Stoffflussmodell ist frei verfügbar[4].
Neues zum Aktivkohleschlupf und den Ozonabklärungen
Die Plattform hat im vergangenen Jahr Aktivkohlemessungen im Ablauf der ARA mit einer solchen Reinigungsstufe zusammengetragen und ausgewertet. Die Erkenntnisse werden zeitnah in einem Faktenblatt veröffentlicht. Auch bei den «Abklärungen Verfahrenseignung Ozonung» kamen neue Erkenntnisse dazu, u.a. zur Repräsentativität der Laborabklärungen und zu den Biotest-Abklärungen (Ames). Gemäss Projektleiter Simon Bitterwolf fliessen die Erkenntnisse daraus in der zweiten Jahreshälfte in die bestehenden VSA-Empfehlungen ein. Wir halten euch auf dem Laufenden.
MV-Elimination auf ARA bewegt die Branche
Der ARA-Ausbau stösst nach wie vor auf ein grosses Interesse. Das hat u.a. die hohe Zahl an Teilnehmer:innen an unserer Fachtagung «Mikroverunreinigungen auf ARA: Erfahrungen und Ausblick» in Luzern und Lausanne gezeigt. Insgesamt nahmen 260 Fachleute aus dem In- und Ausland teil. Das zunehmende Interesse im europäischen Raum ist spürbar. Der Hintergrund ist, dass die überarbeitete EU-Abwasserrichtlinie vorsieht, dass künftig auch ARA in den europäischen Ländern eine MV-Stufe erhalten. Die Schweiz – als Vorreiterin in diesem Bereich – gibt ihre Erfahrungen gerne weiter.
Der Plattform ist es auch ein Anliegen, den Erfahrungsaustausch unter den Schweizer Betreiber:innen von MV-Stufen zu fördern und organisiert daher – gemeinsam mit diesen – ein jährliches ERFA-Treffen. Diese Treffen dienen auch dazu, um die Erfahrungen in die verschiedenen Landesteile weiterzugeben.
Vorfreude auf viel Spannendes in der zweiten Jahreshälfte
Gemäss Simon Bitterwolf werden wir in der zweiten Jahreshälfte die Resultate der ersten Auswertung der Energie- und Kostenkennzahlen von MV-Stufen veröffentlichen. Zudem sei das Projekt zu den Betriebsoptimierungen des Verfahrens GAK im Schwebebett am Beispiel der ARA Delémont im Abschluss. Die Erkenntnisse daraus werden im Rahmen eines Webinars vorgestellt. Ebenfalls könnt ihr euch auf ein Webinar zum Thema «Aktivkohle aus erneuerbaren Rohstoffen» freuen.
Auch im Bereich Stoffe im Industrieabwasser schreiten wir voran
Im Mai führten wir die Fachtagung «Erkenntnisse und Entwicklungen rund um Industrieabwasser» in Luzern und Lausanne durch. Es nahmen insgesamt rund 120 Fachleute teil. Dort wurden u.a. die Erkenntnisse zu den Wirkstoffeinträgen von formulierenden Pharmabetrieben präsentiert[5]. Diese schweizweite Untersuchung mit Plattform-Beteiligung und in enger Zusammenarbeit mit neun Betrieben schliesst wichtige Kenntnislücken bezüglich der Abwasserbelastung von formulierenden Pharmabetrieben und leitete daraus Handlungsmöglichkeiten für Betriebe aus dieser Branche ab. Die Erkenntnisse daraus fliessen ein in den sich aktuell in Arbeit befindenden VSA-Leitfaden zum Stand der Technik im Bereich «Chemisch-pharmazeutische Betriebe».
Auch international laufen verschiedene Projekte in diesem Themenbereich. Die Plattform ist beispielsweise eng involviert in die Situationsanalyse zu Stoffeinträgen aus Industrie und Gewerbe im Rheineinzugsgebiet der «Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins» (IKSR). Die IKSR möchte mit dem Programm «Rhein 2040» die Einträge von MV aus ARA, der Landwirtschaft, aber auch aus Industrie und Gewerbe um mindestens 30% reduzieren. Als Referenz gilt der Zeitraum 2016-2018.
Vom Wissen ĂĽber die Stoffe zu deren Messung
In einem weiteren Fachartikel Anfang Jahr präsentierten wir eine theoretische Stoffbetrachtung für Kühl- und Heizprozesse[6]. Gemäss Fabienne Eugster sind diese Systeme in der Schweiz weit verbreitet und benötigen verschiedene Konditioniermittel, damit sie reibungslos und effizient funktionieren. Um das Stoffwissen auch bei den anderen priorisierten Industriebranchen weiter auszubauen, vertieften wir die Zusammenarbeit mit der Metall-/Galvanikbranche weiter und starteten erste Stoff-Abklärungen im Bereich Lebensmittel und Wäschereien. Fabienne Eugster führt weiter aus, dass es ein Ziel sei, den aktuellen Stand der Technik in diesen Branchen zu erheben und die damit verbundenen schweizweiten Stoffeinträge im Rahmen von Messkampagnen zu untersuchen.
Eine Kiste voller Werkzeuge
Es ist längst nicht allen Betrieben bekannt, dass MV in ihren Abwässern enthalten sind, und schon gar nicht, um welche MV es sich handelt. Hier wollen wir Abhilfe schaffen und haben deshalb verschiedene Werkzeuge entwickelt. So beispielsweise einen qualitativen Abwassercheck für Betriebe, um mögliche Stoffemissionen in die Gewässer abzuschätzen oder ein Konzept, um für das Gewässer problematische Stoffe zu identifizieren. Diese Hilfestellungen werden in der zweiten Jahreshälfte veröffentlicht. In Arbeit befindet sich gegenwärtig ebenfalls eine Zusammenstellung an geeigneten Untersuchungsmethoden, um Betriebsabwässer besser zu charakterisieren.
Kontakt
Haben Sie Fragen zu spezifischen Themen? Besuchen Sie www.micropoll.ch oder kontaktieren Sie die Plattform: pascal.wunderlin@vsa.ch / Tel. 058 765 50 37
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[1] Wunderlin, P., Gulde, R., Bosshard, J. (2024). MV aus dem häuslichen Abwasser entfernen: Erkenntnisse aus sieben Jahren Überprüfung des Reinigungseffekts. Aqua & Gas, Nr. 1, S. 46-53.
[2] Brander, A., Wunderlin, P., Gulde, R., Böhler M.A. (2024). MV-Stufen stabil betreiben: Hilfreiche Betriebsparameter. Aqua & Gas, Nr. 1, S. 54-61.
[3] Gulde, R., Wunderlin, P., Wittmer, I., Doppler, T. (2024). Arzneimittel in Gewässern: Massnahmen an weiteren ARA notwendig. Aqua & Gas, Nr. 3, S. 36-42.
[4] https://github.com/blosloos/SSM/wiki
[5] Bosshard, J., Eugster, F., Gulde, R., Singer, H. (2024). Abwasser aus der Formulierung von Arzneimitteln: Wirkstoffeinträge in Schweizer Gewässer. Aqua & Gas, Nr. 3, S. 50-57.
[6] Eugster, F., Wunderlin, P., Gulde, R. (2024). Mikroverunreinigungen in Abwässern von Kühl- und Heizprozessen: Die gängigsten Systeme und Konditioniermittel. Aqua & Gas, Nr. 3, S. 58-64.
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