Die parlamentarische Initiative «Modernen Pflanzenschutz ermöglichen» mit den vorgeschlagenen Anpassungen im Landwirtschaftsgesetz folgt der Vernehmlassung zur Anpassung der Pflanzenschutzmittelverordnung, welche am 29. März 2024 endete. Im Grundsatz verfolgen die beiden Geschäfte die gleichen Ziele – nämlich die vereinfachte Übernahme von EU-Zulassungsentscheiden von Pflanzenschutzwirkstoffen und Pflanzenschutzprodukten. Die parlamentarische Initiative würde zusätzliche Vereinfachungen bei der Übernahme von EU-Zulassungsentscheiden von Pflanzenschutzmitteln vorsehen und wie die im Frühjahr vorgeschlagene und vernehmlasste Anpassung der Pflanzenschutzmittelverordnung zu einer stark reduzierten Überprüfung durch Schweizer Behörden führen. Bei dieser vereinfachten Übernahme von Zulassungsentscheiden von Pflanzenschutzmitteln würden nur noch Risiken in besonders geschützten Bereichen - wie dem Trinkwasser – überprüft. Auswirkungen beispielsweise auf die an der Reinigungsleistung des Untergrunds beteiligte Mikrobiologie und Stygofauna würden dabei nicht genügend berücksichtigt, was wiederum sehr negative Konsequenzen auf die Grundwasserqualität haben könnte.
Eine vereinfachte Zulassung birgt das Risiko, dass Pflanzenschutzmittel in Gebieten der Schweiz eingesetzt werden, ohne dass vorgängig die gebietsspezifischen Risiken und Konsequenzen für die betroffenen Gebiete adäquat abgeklärt würden. Das von der Vorlage vorgeschlagene Vorgehen bei der Übernahme von EU-Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln erscheint insbesondere für das Mittelland der Schweiz mit erheblichen Risiken verbunden. Das Mittelland wäre durch die vereinfachte Zulassung gleich doppelt gefährdet: Einerseits, weil dort (wie auch im grossen Rest der Schweiz) noch keine Zuströmbereiche bezeichnet sind und damit der vorsorgliche Ressourcenschutz bei Trinkwasserfassungen noch ungenügend ist.
Andererseits wird dieses Gebiet landwirtschaftlich intensiv genutzt, es ist dicht besiedelt und der Untergrund wird zudem praktisch flächendeckend für die Versorgung mit Trink-, Brauch- und Löschwasser genutzt. Es ist zu erwarten, dass das Risiko - berechnet als Produkt aus Eintretenswahrscheinlichkeit multipliziert mit dem Schadensausmass - einer künftigen Grundwasserverschmutzung mit Pflanzenschutzmitteln sehr hoch ist. Die vereinfachte oder praktisch ungeprüfte Übernahme von Genehmigungen für Pflanzenschutzmittel wird daher der spezifischen Risikosituation in der Schweiz in keiner Weise gerecht.
Dass der vorsorgliche Schutz der Grundwasserressourcen tatsächlich noch immer ungenügend ist und die Risiken durch Pflanzenschutzmittel für die Trinkwasserversorgung nicht ernst genommen werden, zeigt die NAQUA-Untersuchung vom 18. November 2024 zur Belastungssituation durch Trifluoracetat, das mehrheitlich über Pflanzenschutzmittel in den Boden gelangt. Gerade auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen zeigten sich dabei signifikant höhere Verschmutzungen, die die Höchstwerte von 0.1 Mikrogramm pro Liter deutlich überschreiten. Diese Resultate machen klar, dass es rasch einen besseren Schutz der Trinkwasserressourcen braucht.
Der SVGW begrüsst zwar die direkte Übernahme von Genehmigungen von Wirkstoffen aus der EU, verlangt aber, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auch künftig ausnahmslos durch nationale Behörden seriös geprüft wird und damit den Risiken und den spezifischen Rahmenbedingungen in der Schweiz Rechnung getragen werden kann. Die Vorlage muss somit insgesamt abgelehnt werden. Eine Lockerung dieser Praxis darf erst nach Bezeichnung der Zuströmbereiche und der Umsetzung der Motion Zanetti 20.3625 ins Auge gefasst werden.
Die Bezeichnung der Zuströmbereiche kann der Landwirtschaft wie auch den Wasserversorgern Vorteile bieten und entspricht dem Vorsorgeprinzip, wie ihn das GSchG in den Artikeln 9 und 27 vorsieht. Zuströmbereiche erlauben einerseits den Wasserversorgern, die Herkunft des Wassers zu kennen und in diesem Gebiet ein Risikomanagement gemäss Lebensmittelgesetz sowie den vorsorglichen Ressourcenschutz gemäss GSchG umzusetzen, ohne dass substanzielle Einschränkungen für die Landwirtschaft resultieren. Überall dort, wo keine Zuströmbereiche wegen Trinkwassernutzungen notwendig sind, können andererseits die Interessen der Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen höher gewichtet werden. Denkbar wäre, dass in solchen Gebieten auch Pflanzenschutzmittel mit EU-Zulassung ohne weitere Prüfung durch Schweizer Behörden eingesetzt werden könnten.
Die Vernehmlassung zur Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes läuft bis am 9. Dezember 2024. Der Bereich Wasser der SVGW-Geschäftsstelle hat in enger Abstimmung mit der Branche bereits seine Stellungnahme abgeben und damit die berechtigten Interessen der Versorger wahrgenommen.
Kontakt: Rolf Meier, r.meier@svgw.ch oder 044 288 3367.
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)