Pestizide und ihre Abbauprodukte (Metaboliten), die im Grundwasser nachgewiesen werden, beschäftigen alle Wasserversorgungen in Europa. Strengere Regeln für den Pestizideinsatz, die im Rahmen des Green-Deals der EU aufgegleist wurden, sind unter dem Druck der Agrarlobby mittlerweile sistiert oder so zahnlos geworden, dass sie keine positive Wirkung auf die Grundwasserqualität bezüglich der Verschmutzung mit Pestizidrückständen entfalten können. Innerhalb dieses anspruchsvollen Umfelds müssen die Wasserversorgungen die Trinkwasserqualität sicherstellen und garantieren, dass keine Pestizid-Metaboliten in bedenklichen Konzentrationen im abgegebenen Trinkwasser vorhanden sind.
Welche Konzentrationen als bedenklich gelten, respektive wo der Höchstwert für einen Pestizid-Metabolit liegt, ergibt sich aus der Relevanzeinstufung des Metaboliten. Als relevant eingestuft werden Metaboliten aufgrund ihrer erhöhten Gentoxizität, der biologischen Aktivität oder der toxikologischen Gefahr, die von ihnen ausgeht. Für relevante Metaboliten gilt ein Höchstwert von 0,1 µg/l. Ist die Datenlage nicht ausreichend, so wird nach dem Vorsorgeprinzip, z.B. anhand der Eigenschaften der Muttersubstanz, entschieden. Die Einstufung erfolgt in allen Ländern unabhängig, aber anhand des gleichen Leitfadens der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA). Auch die Schweiz verwendet diesen Leitfaden.
Der direkte Ländervergleich zeigt, dass Metaboliten in den verschiedenen Ländern unterschiedlich eingestuft wurden, da der Leitfaden einen gewissen Handlungsspielraum aufweist. Dies bedeutet, dass ein gleich belastetes Wasser in einem Land als genussfähig gilt und in einem anderen Land nicht. Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten wäre eine Harmonisierung innerhalb Europas wünschenswert, denn es ist nur schwer nachvollziehbar, dass sich die Gefahr, die von einem Pestizidrückstand im Trinkwasser ausgeht, an der Landesgrenze ändert.
Einerseits wünschen sich die EurEau-Mitglieder eine Harmonisierung innerhalb Europas. Andererseits gibt es jedoch auch kritische Stimmen, die befürchten, dass bei einer Vereinheitlichung nur nach dem strengsten geltenden Wert harmonisiert würde. Somit würden europaweit viel mehr Metaboliten als relevant eingestuft, was zur Folge hätte, dass die tieferen Höchstwerte häufiger nicht mehr eingehalten werden könnten. Dies würde die Wasserversorger zu einer vermehrten Aufbereitung des Trinkwassers zwingen, was aus energetischer Sicht und aus Klimaschutzgründen nicht sinnvoll ist. Da die Höchstwerte aufgrund des Vorsorgeprinzips sehr tief festgelegt werden, besteht auch beim Überschreiten dieser keine akute Gefahr für die Konsumentinnen und Konsumenten.
In der Vergangenheit ist es in der EU und auch in der Schweiz immer wieder zu der Situation gekommen, dass bei der Umsetzung des Ressourcenschutzes, der Schutz der Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten nicht ausreichend berücksichtigt wurde. So kommt es immer wieder vor, dass Pestizidrückstände im Grund- und Trinkwasser in bedenklichen Konzentrationen nachgewiesen werden, weil der vorsorgliche Ressourcenschutz in diesem Fall versagt hatte. Als Reaktion darauf wird dem verantwortlichen Produkt die Zulassung entzogen.
Dieses reaktive Vorgehen ist jedoch ungeeignet, um die Trinkwasserversorgung nachhaltig zu sichern. Zukünftig sollte vielmehr beim Ausgangsprodukt angesetzt werden: Ein Pestizid, das zu Metaboliten in Konzentrationen über 0,1 μg/l im Grundwasser führt, dürfte gar nicht erst zugelassen werden. Unabhängig davon, ob die Metaboliten zum Zeitpunkt der Zulassung als relevant oder nicht relevant eingestuft sind. Nur so lässt sich sicherstellen, dass es bei veränderter Datenlage, die zu einer Neubeurteilung von Metaboliten führt, nicht nachträglich zu flächendeckenden Problemen in der Wasserversorgung kommt. Das Vorsorgeprinzip sollte also einen Schritt früher, bei der Beurteilung von Pestiziden, und nicht erst zur Beurteilung der Metaboliten im Trinkwasser angewendet werden.
Was die jetzt schon im Grundwasser nachweisbaren Metaboliten betrifft, setzt sich EurEau für eine risikobasierte und harmonisierte Beurteilung ein, die auf toxikologischen Studien basiert und damit den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten sicherstellt. Da wo Wissenslücken für die risikobasierte Beurteilung der Metaboliten bestehen, sollen diese so schnell als möglich geschlossen und die betroffenen Metaboliten neu beurteilt werden. Damit kann verhindert werden, dass es zu einer vermehrten ressourcenintensiven Trinkwasseraufbereitung ohne zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen der Konsumentinnen und Konsumenten kommt.
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)