Spätestens mit der verabschiedeten Wasserstoffstrategie des Bundes kurz vor Weihnachten endete die «Sensibilisierungsphase» des Energieträgers Wasserstoff (H₂) in der Schweiz. Auch wenn die Signale aus Europa stärker leuchten mögen, z. B. das von der deutschen Bundesnetzagentur genehmigte Wasserstoff-Kernnetz, so setzt die hiesige Gasbranche alles dran, technisch parat zu sein, sobald der leitungsgebunde H₂-Import möglich ist, resp. die inländische H₂-Produktion Fahrt aufnimmt.
Wie konkret das Ziel der Branche ist, belegte eindrücklich der ausgebuchte neue SVGW-Kurs «Planung, Auslegung und Bau von Kunststoff-Rohrleitungssystemen für den Transport von H₂» am 3. Dezember in Oberentfelden, und zwar in den Räumlichkeiten der Arthur Weber AG. Also dort, wo sonst der Verband Kunststoff-Rohre und -Rohrleitungsteile, kurz VKR, seine Schweisskurse durchführt.
Die Nähe zum VKR in Sachen Wasserstoff kommt nicht von ungefähr, eignen sich doch Rohrsysteme aus Polyethylen (PE) und Polyamid (PA) vortrefflich für den Transport des besagten Energieträgers. Allerdings taugt nicht jede PE-Generation. So ist es ratsam, Rohrleitungen älter als vierzig Jahre zu prüfen, wie es mit der Restlebensdauer aussieht. PE-Leitungen älter als sechzig Jahre sollten für den H₂-Einsatz grundsätzlich ersetzt werden. Mirko Possamai, Haka-Gerodur AG, stellte zusammen mit VKR-Geschäftsführer Michael Gressmann, detailliert die Thermoplaste-Eigenschaften wie Durchmesser-Wanddicke-Verhältnis, Klassifikation, zulässiger Betriebsdruck etc. sowie die Einsatzkriterien der verschiedenen Rohrsysteme – auch von solchen aus Stahl – vor. Auf Stahl wurde im Kurs weniger eingegangen, nicht nur wegen seiner bekannten H₂-Versprödung, sondern auch weil die anwesenden Kursteilnehmenden nicht mit so hohen Betriebsdrücken arbeiten, die den Einsatz von Stahl zwingend machen.
Und wie steht es mit der Verbindungstechnik? Schliesslich wollen H₂-taugliche Rohrsysteme auch H₂-tauglich verbunden werden. Das Fazit zuerst: PE-Produkte, Verbindungstechniken, Gerätetechnik und Personal sind «ready» für Wasserstoff. Ablesen lässt sich dies an den H2-Ready-Prüfbescheinigungen des DBI, der unabhängigen Unternehmensgruppe des DVGW.
Verbindungstechniken von PE-Leitungen gibt es einige, und die Auswahl an Fittings ist gross. Schweissen oder mechanisch verbinden? Und wenn Ersteres, dann Stumpf- oder Elektroschweissen? Und welches ist das passende Gerät dafür? Carmine Bencivenga, Georg Fischer AG, und Urs Niederer, Aliaxis Utilities & Industry AG, gaben dazu einen fundierten Einblick in die Welt von Schweissen, Kupplung, Armaturen, Hauseinführungen sowie Prüfungen und Abnahme.
And last but not least bei der Verbindungstechnik, wie auch Matthias Hafner bei verschiedenen Gelegenheiten mantraartig betonte: das Dokumentieren. Mit Elektroschweissgeräten erfolgt dies automatisch auf der Baustelle. Dieses Feature sollte genutzt werden, spart es doch Zeit und Kosten und dies bei gleichzeitiger Sicherung von Qualität und Daten.
Bart van Dijk präsentierte mit dem RTP (Reinforced Thermoplastic Pipe) ein weiteres wasserstoffkompatibles Leitungssystem. Es besteht aus mehreren Schichten (von innen): thermoplastische Kunststoffmaterialien, eine Anti-Permationsschicht, Schichten aus verstärkten Materialien wie Aramid-, Polyester-, Glasfaser oder Stahldraht und eine abschliessende UV-resistente Schutzschicht. RTP-Systeme zeichnen sich aus durch ihre Korrosions- und hohe Betriebsdruckbeständigkeit (bis 52 bar) bei gleichzeitiger Beibehaltung von Flexibilität. Deswegen können die Leitung aufgerollt angeliefert und entsprechend schnell verlegt werden, da die die Schweissarbeiten entfallen.
Auch in der Schweiz findet dieses System bereits Anwendung, nämlich im Jura, wie Patrice Lauber von der INRAG AG ausführte. Dort wurde für eine geplante 1200 m lange Leitung bereits eine drei Tonnen schwere Trommel per LKW aus den Niederlanden angeliefert. Sie ist die erste von drei Rollen und umfasst 400 m Leitung. Fertiggestellt wird es die erste H₂-PE-Rohrleitung in der Schweiz sein, aber erst müssen die Holz-Pyrolyse-Anlage zur H₂-Produktion gebaut und zwei weitere Leitungstrommeln aus den Niederlanden angeliefert werden.
Kein SVGW-Kurs ohne SVGW-Referentinnen oder -Referenten – so auch in diesem Kurs: Matthias Hafner führte zusammen mit Bettina Bordenet, beide SVGW, durch die Tagung. Zum Kursauftakt machten sie eine Tour d'Horizon durch Eigenschaften, Normen, SVGW-Regelwerk und gesetzliche Grundlagen für H₂. Sie sehen die H₂-Readyness der Schweizer Gasnetzinfrastruktur klar als no-regrets opportunity und belegen dies einerseits mit Zahlen und Fakten aus den EU-Ländern und andererseits mit dem Engagement der hiesigen Forschung und Branche, z. B. Transitgas mit der möglichen Parallelleitungen für H₂ oder die NeG-Initiative, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Auch zum Abschluss des Kurses kam ein SVGW-Referent zum Zuge: TISG-Inspektor Edwin Burger. Er berichtete über die Druck- und Dichtheitsprüfung von H₂-Leitungen und über die erweiterten Anforderungen bei PE-Leitungen über 5 bar.
Der Kurs stiess auf sichtlich breite Zustimmung. Rege über Wasserstoff, seine Tücken und Möglichkeiten wurde in den Pausen und während der Gruppenarbeit diskutiert, als es um die Dimensionierung/Auslegung von Kunststoffrohrsystemen für den H₂-Transport ging. (Ank)
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