Plattform für Wasser, Gas und Wärme
News
30. April 2024

Blog

Ein wenig beachteter Nutzungskonflikt

Geothermie ist eine Schlüsseltechnologie, um die Energiewende voranzutreiben und Netto-Null Treibhausgasemissionen zu erreichen. Trotz der vielen Vorteile können geothermische Anlagen auch zu Nutzungskonflikten mit der Trinkwasserversorgung führen, wenn sie in der Nähe einer Trinkwasserfassung liegen. Den Gefahren, die von solchen Anlagen ausgehen, wird heute noch zu wenig Rechnung getragen.

Geothermische Energie ist eine erneuerbare Energiequelle, die keine Treibhausgasemissionen verursacht, wenn sie richtig genutzt wird. Insbesondere in der Gebäudewärme hat die Geothermie das Potential, den Anteil fossiler Brennstoffe zu reduzieren und so den Klimawandel zu bekämpfen. Die Dekarbonisierung des Energiesektors ist wichtig und richtig, um die Folgen der Klimaveränderung zu mindern. Gleichzeitig sollten damit keine neuen Probleme geschaffen werden. Geothermische Anlagen können dazu beitragen, den CO2-Ausstoss in der Schweiz zu senken, sie bergen aber auch Gefahren für das Grundwasser und können die Qualität unserer wichtigsten Trinkwasserressource beeinflussen. Grundwasserbrunnen-Anlagen sind für die Trinkwasserversorgung dann problematisch, wenn Sie im Zuströmbereich einer Fassung betrieben werden, da sie chemische, physikalische oder gar mikrobiologische Veränderungen des Grundwassers verursachen können. So kann es beispielsweise während der Bohrung zu Einträgen von Meteorwasser, Schmiermitteln und Treibstoffen kommen.

Untergrund als Wärmespeicher

Die Veränderung der Grundwassertemperatur hat allerdings den grössten Einfluss. In der Schweiz darf das Grundwasser in einem Umkreis von 100 Metern zwar nicht mehr als 3 °C verändert werden. Diese sogenannte «Drei-Grad-Regel» soll nun aber aufgeweicht werden, sodass grössere Temperaturveränderungen möglich sind. Das Problem dabei: Das Grundwasser bietet verschiedenen Mikroorganismen und kleinen Tieren einen Lebensraum. Diese Tiere – die sogenannte Stygofauna – sind kälteliebend und überleben nur geringe Abweichungen von ihrer Idealtemperatur. Über diese Lebensgemeinschaft ist bis heute wenig bekannt, ausser dass sie für die Reinigung des Grundwassers verantwortlich ist. Stirbt die Stygofauna ab, muss davon ausgegangen werden, dass die Filterwirkung verloren geht und das Grundwasser seine hohe Qualität verliert. Gleichzeitig steigt die Effizienz einer Wärmepumpe, wenn der Temperaturhub möglichst gering ist. Es ist daher attraktiv, den Untergrund als Wärmespeicher zu verwenden. Im Sommer wird der Untergrund aufgewärmt, indem die Anlage zur Kühlung eingesetzt wird. Die so gespeicherte Wärme kann dann im Winter zurückgewonnen werden. Eine solche Wärmespeicherung ist besonders wirksam, wenn Sie im Grundwasser erfolgt, was aber grosse Auswirkungen auf die Stygofauna hat, wenn die Temperatur unter 6 °C fällt oder über 16 °C steigt. Damit tut sich ein neuer Nutzungskonflikt mit der Trinkwassergewinnung auf, dem bis heute noch zu wenig Rechnung getragen wird.

Risikominderung

Um Konflikte zu minimieren, ist eine sorgfältige Planung und Bewertung der geothermischen Projekte erforderlich, um potenzielle Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung zu identifizieren und geeignete Massnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Innerhalb des Zuströmbereiches ist die aktuell gültige «Drei-Grad-Regel» zum Schutz der Stygofauna weiterhin sinnvoll. Ausserhalb des Zuströmbereiches kann unter gewissen Bedingungen die Speicherfähigkeit zwischen 6 °C und 16 °C genutzt werden, ohne dass grosse Risiken für die Trinkwasserversorgung in Kauf genommen werden müssen. Neben der engen Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Parteien, einschliesslich der geothermischen Industrie, Regulierungsbehörden und Vertretern der Trinkwasserwirtschaft, ist auch die Politik gefordert, den regulatorischen Rahmen so zu setzen, dass die Gefahren minimiert werden. Ausserdem ist eine engmaschige Kontrolle durch den Vollzug notwendig, um frühzeitig auf Leckagen, Einträge oder zu hohe Temperaturschwankungen reagieren zu können. Es wäre fahrlässig, die Qualität des Grundwassers dem Ausbau der Geothermie zu opfern und damit die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser zu gefährden.

Kommentar erfassen

Kommentare (0)

e-Paper

«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.

Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.

Die «gazette» gibt es auch als E-Paper. Sämtliche bisher erschienen Ausgaben sind frei zugänglich.