Die so genannten Treibhausgase sind Spurengase, die in unterschiedlicher StĂ€rke zum Treibhauseffekt beitragen. Sie absorbieren einen Teil der von der ErdoberflĂ€che in Richtung Weltall abgegebenen WĂ€rmestrahlung und werfen diese in Form einer atmosphĂ€rischen Gegenstrahlung zurĂŒck auf die Erde, was zu einer zusĂ€tzlichen ErwĂ€rmung der ErdoberflĂ€che fĂŒhrt. Methan (CHâ) ist nach Kohlenstoffdioxid (COâ) das mengenmĂ€ssig relevanteste anthropogene Treibhausgas und trĂ€gt signifikant zur globalen ErwĂ€rmung bei. In der AtmosphĂ€re ruft es einen deutlich stĂ€rkeren ErwĂ€rmungseffekt hervor als COâ. Das heisst: Ăber einen Zeitraum von 100 Jahren trĂ€gt ein Kilogramm Methan 28-mal stĂ€rker zum Treibhauseffekt bei als ein Kilogramm Kohlenstoffdioxid. Dies macht die Reduktion von Methanemissionen, unabhĂ€ngig der Herkunft, zu einem wichtigen Ziel im Kampf gegen den Klimawandel.
Erd- und auch Biogas bestehen zu ĂŒber 90% aus Methan. In der Schweiz erfolgt die Erdgasversorgung ĂŒber ein ausgedehntes Netz von Leitungen und Anlagen. Leckagen können an verschiedenen Punkten des Systems auftreten, insbesondere an Ă€lteren, bruchanfĂ€lligen Leitungsmaterialien wie Grauguss, der inzwischen fast vollstĂ€ndig durch modernere Materialien wie Polyethylen (PE) ersetzt wurde.
Nebst SchĂ€den, die hĂ€ufig durch Baumaschinen verursacht werden, wird Methan auch geplant freigesetzt. Dies ist z.âB. der Fall, wenn Leitungsabschnitte erneuert oder verlegt werden und vorgĂ€ngig frei von brennbaren Gasen gemacht werden mĂŒssen. Im ungĂŒnstigsten Fall geschieht dies durch Abblasen und SpĂŒlen des in der Leitung enthaltenen Erdgases.
Um ihrer Verpflichtung gemĂ€ss der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) und dem zugehörigen Ăbereinkommen von Paris gerecht zu werden, erfasst die Schweiz jĂ€hrlich die anfallenden Mengen an Treibhausgasemissionen innerhalb der Landesgrenzen. Grundlage ist hierfĂŒr die Modellierung, mit der die Verluste aus dem Transport- und Verteilnetz sowie beim Endverbraucher ermittelt werden. Bereits Anfang der 90er-Jahre begann die Entwicklung dieses Modells, seither wurde es kontinuierlich ĂŒberarbeitet.
Die bisherigen Modelle beruhten auf SchĂ€tzungen oder Daten, die teilweise vor 1980 erhoben wurden. Da diese Annahmen nicht mehr reprĂ€sentativ fĂŒr die heutigen Technologien und Materialien waren, hat der Fachverband fĂŒr Wasser, Gas und WĂ€rme (SVGW) in Zusammenarbeit mit Carbotech AG und dem Bundesamt fĂŒr Umwelt (BAFU) ein Modell zur AbschĂ€tzung der Methanemissionen entwickelt, das auf aktuellen Messungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Mit Hilfe dieses von Grund auf neu entwickelten Modells können heute die Emissionen der Schweizer Gaswirtschaft prĂ€ziser abgebildet und den Quellen besser zugeordnet werden.
Das neue Modell verwendet einen Bottom-up-Ansatz. Nebst direkt gemeldeten Verlusten bilden Emissionsfaktoren und AktivitĂ€tsdaten die Basis fĂŒr die Berechnungen. FĂŒr verschiedenste Komponenten und Ereignisse innerhalb der Gasnetzinfrastruktur wurden Emissionsfaktoren bestimmt. Dies sind beispielsweise die jĂ€hrlichen Gasverluste einer Druckregelanlage oder der durchschnittliche Gasaustritt bei einer BeschĂ€digung einer bestimmten Leitungsklasse durch eine Baumaschine. Die AktivitĂ€tsdaten wiederum können in erster Linie der bei sĂ€mtlichen Netzbetreibern in der Schweiz einmal pro Jahr erhobenen Gasstatistik entnommen werden. In ĂŒber 100 Parametern liefert sie unter anderem Informationen ĂŒber die Anzahl bestimmter Komponenten des Gasnetzes oder Ereignisse wie SchĂ€den und Leckagen.
Durch Summieren sĂ€mtlicher Produkte aus AktivitĂ€tsdaten und den zugehörigen Emissionsfaktoren sowie dem Addieren der gemeldeten Verluste können die Methanemissionen fĂŒr die gesamte Schweiz abgeschĂ€tzt werden:
Gesamtemission = â AktivitĂ€tsdaten x Emissionsfaktoren + gemeldete Verluste
Die fĂŒr die Berechnung sehr wichtigen Emissionsfaktoren basieren nun vermehrt auf aktuellen Messungen und Daten aus der Praxis, insbesondere aus Messkampagnen in der Schweiz und Deutschland. Dadurch konnte die QualitĂ€t der EmissionsabschĂ€tzungen erheblich verbessert werden. Zudem werden die Emissionsfaktoren durch die neue Methodik laufend den tatsĂ€chlichen Gegebenheiten angepasst. WĂ€hrend die bisher genutzte Methodik seit 1990 auf festen Faktoren basierte, werden in der neu entwickelten Methodik beispielsweise die tatsĂ€chlich aufgetretenen Leckagen berĂŒcksichtigt.
Zusammenfassend wurden die folgenden wesentlichen Verbesserungen implementiert:
Wo immer möglich, wurden feste Emissionsfaktoren durch variable, zeitabhĂ€ngige Faktoren ersetzt, die die Entwicklung der Gasinfrastruktur und die EinfĂŒhrung neuer Materialien und Prozesse berĂŒcksichtigen.
Anstelle von SchĂ€tzungen basieren viele Faktoren nun auf realen Messungen von Leckagen und Verlusten, die sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland durchgefĂŒhrt wurden. Diese neuen Daten bieten eine fundierte Basis fĂŒr prĂ€zisere Berechnungen.
Die SVGW-Gasstatistik wurde erweitert und liefert nun detaillierte Informationen zu Leitungsnetzstrukturen, LeckagehÀufigkeiten und anderen relevanten Parametern.
Figur 1 zeigt den berechneten Verlauf der spezifischen, in g COâeq/MWh umgerechneten Methanemissionen der Schweizer Gaswirtschaft ab dem Referenzjahr 1990. Deutlich abzulesen ist, dass die Gesamtemissionen seit Mitte der Neunzigerjahre markant und grösstenteils kontinuierlich abgenommen haben. Da die neue Methodik die Konsistenz der Zeitreihe ĂŒber alle Jahre von 1990 bis heute sicherstellt, können die zeitlichen VerĂ€nderungen der einzelnen Kategorien im Detail betrachtet werden. Um trotz der Zunahme des Gasabsatzes einen Vergleich der beiden Jahre zu ermöglichen, sind die Emissionen in Figur 2 ebenfalls pro Energieeinheit (MWh) dargestellt.
In fast allen Kategorien können teils signifikante Minderungen ausgewiesen werden. Besonders auffĂ€llig ist der RĂŒckgang der spezifischen Emissionen bei den Leckagen. Da sowohl fĂŒr das Jahr 1990 als auch fĂŒr 2020 detaillierte Schadens- und Leitungsstatistiken zur VerfĂŒgung standen, kann bei den Resultaten eine hohe SchĂ€tzqualitĂ€t erwartet werden. Eine weitere, ebenfalls signifikante Minderung der Emissionen ist bei den Hausinstallationen ersichtlich. Die zugrundeliegenden AbschĂ€tzungen der Verluste basieren fĂŒr beide Jahre auf umfangreichen Messkampagnen, somit kann auch hier von verlĂ€sslichen Ergebnissen ausgegangen werden.
Eine detailliertere Aufteilung der verschiedenen Emissionskategorien ist in Figur 3 beispielhaft fĂŒr das Jahr 2020 dargestellt. Dabei wird sichtbar, in welchem Ausmass die verschiedenen Bereiche zu den Gesamtemissionen beitrugen:
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Die Datenbasis und somit auch die VerlĂ€sslichkeit der genutzten Grundlagendaten konnte im Vergleich zur bisherigen Methodik deutlich verbessert werden â nicht nur bezĂŒglich Emissionsfaktoren, sondern auch bezĂŒglich AktivitĂ€tsdaten aufgrund der in den letzten Jahren erweiterten SVGW-Gasstatistik. Das bisher durch das BAFU und die Gasindustrie verwendete, auf festen Emissionsfaktoren basierende Berechnungsmodell kann nun mit der neuen, verstĂ€rkt auf Messungen und variablen Faktoren gestĂŒtzte Methodik verglichen werden.
Dabei konnte gezeigt werden, dass in praktisch allen der ĂŒber 100 im Modell berĂŒcksichtigten Kategorien die Emissionen bisher ĂŒberschĂ€tzt wurden â teilweise bis zu Faktor 25. Wird z.âB. das Jahr 2020 betrachtet, zeigen sich 78% tiefere Emissionen als bisher angenommen, bei den signifikanten Kategorien treten die grössten Differenzen bei industriellen Netzen (â95%) und den Leckagen im Verteilnetz (ebenfalls â95%) auf. Figur 4 zeigt deutlich, wie stark in den einzelnen Kategorien die Emissionen mit der alten Methodik ĂŒberschĂ€tzt wurden.
Das 2022 durch die DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH veröffentlichte Forschungsprojekt ME DSO kommt fĂŒr Deutschland auf vergleichbare Ergebnisse. Einige Resultate, unter anderem die aus den sehr aufwĂ€ndigen Messungen an tatsĂ€chlichen Leckagen im Verteilnetz hervorgegangenen Verlustraten, konnten fĂŒr die EmissionsabschĂ€tzungen der Schweiz genutzt werden.
Die neu entwickelte Methodik zeigt nicht nur, dass die Emissionen bisher stark ĂŒberschĂ€tzt wurden, sondern auch, dass die Schweiz in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte bei der Reduzierung der Methanemissionen gemacht hat. Die EinfĂŒhrung neuer Technologien, Prozesse und Materialien haben dazu beigetragen, die Emissionen zu senken. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Reduzierung von Methanemissionen eine kontinuierliche Herausforderung, die weitere Massnahmen und Investitionen erfordert. Diese mĂŒssen dort angesetzt werden, wo sie mit den zur VerfĂŒgung stehenden Mitteln die grösste Wirkung entfalten, wie z.âB:
Die Verwendung von Technologien zur Druckabsenkung vor Wartungsarbeiten und der Einsatz mobiler Kompressoren können die geplanten Abblasungen weiter reduzieren.
Der kontinuierliche Ersatz alter Materialien und Komponenten bleibt eine der effektivsten Massnahmen zur Verringerung von Leckagen.
Durch weitere Messungen und detaillierte Erhebungen sollen die Methanemissionen besser ĂŒberwacht werden, um gezielt Massnahmen zu ergreifen.
Die internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit LĂ€ndern wie Deutschland und Ăsterreich, die Ă€hnliche Gasnetzstrukturen und Herausforderungen haben, wird dabei zunehmend wichtiger.
Emissionsreports fĂŒr SVGW-Mitglieder Die neue Berechnungsmethodik wurde durch die BundesĂ€mter fĂŒr Umwelt BAFU und Energie BFE geprĂŒft und wird inzwischen fĂŒr die Erstellung des nationalen Treibhausgasinventars gemĂ€ss den Anforderungen der UN/IPCC eingesetzt. Die Methodik bietet erstmals die Möglichkeit, die Emissionen einzelner Verteilnetze individuell abzuschĂ€tzen. Der SVGW bietet seinen Mitgliedern die Erstellung eines mehrseitigen Emissionsreports an, der auch detaillierte Vergleiche zu den Durchschnittswerten aller Netzbetreiber in der Schweiz aufzeigt (s. rechts). Das Angebot richtet sich exklusiv an Verteilnetzbetreiber. Weitere Informationen und Angaben zur Bestellung: svgw.ch > Gas > Methanemissionen; Kontakt: r.huber@svgw.ch |
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Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
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