Wasserstoff spielt im europäischen und schweizerischen Energiesystem eine zunehmend grössere Rolle, denn er ist eine der willkommenen Antworten auf die drängende Frage der Dekarbonisierung der Energieversorgung. Deshalb haben die Europäische Union (EU) und die meisten europäischen Staaten in den letzten Jahren Visionen und Strategien rund um das Thema Wasserstoff entwickelt. Auch in der Schweiz wird die Bedeutung des Wasserstoffs von verschiedenen Akteuren antizipiert, da davon auszugehen ist, dass dieser Energieträger eine zentrale Funktion in einem künftigen dekarbonisierten Energiesystem einnehmen wird. Dafür müssen grössere Mengen an nachhaltig erzeugtem Wasserstoff, zunächst vor allem auch im Inland, zur Verfügung gestellt werden; der Aufbau von Produktionskapazitäten in der Schweiz muss somit vorangetrieben werden.
Landesweit gehen immer mehr Anlagen zur Wasserstoff-Erzeugung in Betrieb, zahlreiche befinden sich in der Planung. Der Verein der H2 Produzenten setzt sich als gesamtschweizerischer Verband für die Interessen der Produzenten von grünem Wasserstoff ein, der auf der Basis erneuerbarer Energien produziert wird.
Die Vereinsmitglieder treiben die Etablierung der grünen Wasserstoffproduktion in der Schweiz voran, um die Energiewende zu unterstützen. Dafür wird der Informations- und Erfahrungsaustausch - zwischen Fachleuten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Forschungsinstitutionen und Firmen (auf dem Gebiet von Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff) sowie mit den Behörden – gefördert. Der Verein setzt sich zudem für die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für die Erstellung und den Betrieb von Anlagen zur Produktion von erneuerbarem Wasserstoff ein.
Der Erfahrungsaustausch zu relevanten Themen findet einerseits intern in Arbeitsgruppen und andererseits mit externen Partnern (VSG, SVGW etc.) statt. Die Mitglieder haben die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Bedürfnisse im Rahmen von drei Arbeitsgruppen zu den Themen Technik, Regulatorien und Markt einzubringen und zu diskutieren.
Die Arbeitsgruppe Technik tauscht sich regelmässig über die laufenden Projekte aus und bespricht mit Lieferanten und Dienstleistungsfirmen verschiedene Wasserstoff-Technologien. Zudem werden Besichtigungen von Wasserstoff-Produktionsanlagen organisiert, sobald diese in Betrieb genommen wurden. So wurden im letzten Jahr die H₂-Produktionsanlagen Kubel in St. Gallen und Schiffenen im Kanton Freiburg von den Mitgliedern gemeinsam angeschaut (Fig. 1).
Die Arbeitsgruppe H₂-Markt wurde erst im Jahr 2023 gegründet. Sie trifft sich zweimal jährlich in Bern, um sich über mögliche Marktanwendungen von Wasserstoff auszutauschen, z. B. in der Industrie oder im Mobilitätsbereich. So stellten im vergangenen Juni die Freiburger Verkehrsbetriebe (TPF) ihr H₂-Projekt im Bereich des öffentlichen Verkehrs vor. Dabei stand der Vergleich von batteriebetriebenen Bussen mit wasserstoffbetriebenen Bussen aus Betriebs- und Kostenperspektive im Zentrum.
Die Arbeitsgruppe H₂-Regulatorien erarbeitet Stellungnahmen zu wasserstoffrelevanten Themen im Rahmen von Vernehmlassungen. Zudem werden in der Arbeitsgruppe spezifische Themen diskutiert, beispielsweise die Themen Bewilligungsverfahren, Rohrleitungsverordnung, Definition von grünem Wasserstoff (Strombezugsoptionen) oder CE-Zertifizierung von H₂-Produktionsanlage.
Bei der Planung und Realisierung verschiedener H₂-Produktionsanlagen in der Schweiz zeigte sich oftmals, dass der Prozess der Genehmigung solcher Anlagen für Investoren wie auch Behörden eine Herausforderung darstellt. Obwohl es in der Schweiz schon einige H₂-Produktionsanlagen gibt, sind die Informationen zu den anwendbaren Verfahren für die Planung, den Bau und den Betrieb solcher Anlagen lückenhaft. Zudem wird das Betriebs- und Baubewilligungsverfahren in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen adressiert.
Beim Erfahrungsaustausch innerhalb der Arbeitsgruppe H₂-Regulatorien wurde festgestellt, dass sowohl das Genehmigungsverfahren an sich als auch die Koordination der Verfahren seitens der Behörden je nach Projekt unterschiedlich abliefen. Um Klarheit über das Vorgehen zu schaffen, machte sich daher die regulatorische Arbeitsgruppe daran, einen Genehmigungsleitfaden zu entwickeln. Dieser soll als Orientierungshilfe für Behörden, Investoren, Betreiber sowie weitere interessierte Kreise dienen.
Der Leitfaden gibt eine Übersicht über die rechtlichen Vorschriften und Verfahren. Ausserdem sind Erkenntnisse aus bisher durchlaufenen Bewilligungsverfahren eingeflossen. Diese wurden bei den folgenden fünf Projekten in der Schweiz gesammelt (siehe auch Fig. 2):
Der Leitfaden wurde mit Unterstützung von TÜV Thüringen Schweiz AG (Expertise in der Zusammenarbeit mit Behörden und Anlagegenehmigung) und Lex Energia GmbH (Fachexpertise Energierecht) erarbeitet. Finanzielle Unterstützung erhielt der Leitfaden vom Bundesamt für Energie (BFE).
Im Jahr 2023 veröffentlichte der Verein neun Thesen zur Energiezukunft mit Wasserstoff, in denen die Rolle, die grüner Wasserstoff in der Schweiz künftig spielen sollte, umschrieben wird:
Mit der ersten These «Grüner Wasserstoff soll in Europa einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten.» möchte der Verein den Kontext hervorheben, dass die EU auf grünen Wasserstoff setzt. Seit der Veröffentlichung der EU-Wasserstoffstrategie im Jahr 2020 spielt Wasserstoff eine wichtige Rolle in Europa bei der Dekarbonisierung, Infrastrukturentwicklung und Energiesicherheit. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bei der Regulierung von Wasserstoff, der Entwicklung neuer Technologien sowie als Produzent und Importeur von Wasserstoff eine weltweit führende Position einzunehmen.
Zu These Nummer 4 (Fig. 3) wird weiter ausgeführt: Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sind die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff noch nicht wirtschaftlich. Insbesondere die Verwendung fossiler Energieträger, bei denen aktuell die Folgekosten der CO₂-Emissionen nicht oder nur teilweise eingepreist sind, ist noch deutlich günstiger. Damit Wasserstoff wirtschaftlich wird, muss die Kostendegressionen bei Wasserstoff-Technologien vorangebracht werden. Ein schneller internationaler Markthochlauf für die Produktion und Nutzung von Wasserstoff ist hierbei zentral, um den technologischen Fortschritt sowie Skaleneffekte voranzutreiben und zeitnah die notwendige kritische Masse an Wasserstoff für die Umstellung erster Anwendungsbereiche zur Verfügung zu haben. Folgende Stellschrauben werden ausgemacht:
Zu These 7 «Die Schweiz muss die Anbindung an den geplanten European Hydrogen Backbone vorantreiben.» heisst es weiter: Die Schweiz kann es sich nicht erlauben, bei Wasserstoff abseits zu stehen, sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Ausserdem kann Wasserstoff die Autonomie, die Versorgungssicherheit und die Stromnetzstabilität erhöhen. Die Schweiz muss sich folglich möglichst rasch und breit für den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft einsetzen. Sie sollte sich beispielsweise umfassend für Standards einsetzen und mit konkreten Anwendungen Erfahrung aufbauen. Überdies muss die Schweiz verstärkt Innovationen fördern, Pilotprojekte aktiv entwickeln und den Übergang zu einer grossflächigen Wasserstoff-Infrastruktur unterstützen.
Zu guter Letzt muss die Schweiz die Anbindung an den geplanten European Hydrogen Backbone, das europäische Wasserstoff-Übertragungsnetz, vorantreiben, auch wenn der Bedarf nach Wasserstoff noch unklar ist, denn Planung und Umrüstung der Transport- und Verteilnetze benötigen eine lange Vorlaufzeit. Bis zum Anschluss an den Backbone wird die Schweiz auf eigene Produktionskapazitäten angewiesen sein, um Erfahrungen in der Anwendung zu machen und um den Markthochlauf auf Anwenderseite loszutreten.
Im Rahmen von Stellungnahmen zu Vernehmlassungen im Bereich Wasserstoff setzt sich der Verein ein für die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen rund um die Produktion von grünem Wasserstoff in der Schweiz. In seiner Stellungnahme zum revidierten CO₂-Gesetz hat sich der Verein beispielsweise dafür eingesetzt, dass die Förderung der Dekarbonisierung technologieneutral erfolgt.
Diverse Autohersteller setzen bei der Elektrifizierung sowohl auf Batterieelektrofahrzeuge wie auch Brennstoffzellenelektrofahrzeuge. Brennstoffzellenfahrzeuge sind Elektrofahrzeuge, in denen Strom aus dem gespeicherten Wasserstoff erzeugt wird, um den Elektromotor anzutreiben. Elektrofahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge haben beide Vor- und Nachteile. Brennstoffzellenfahrzeuge haben in gewissen Anwendungen Vorteile gegenüber Batteriefahrzeugen. Brennstoffzellenfahrzeuge sollen dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist, beispielsweise beim Transport von hohen Nutzlasten im Schwerverkehr, bei Langstrecken oder wenn ein schneller Tankvorgang benötigt wird. Aus Sicht des Stromnetzes hat der Wasserstoff einen Vorteil: Das Gas kann dann erzeugt werden, wenn ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen vorhanden ist. So kann die Wasserstoff-Erzeugung das Netz stabilisieren, während Batteriefahrzeuge das Netz sogar herausfordern, weil die Energie exakt dann bereitgestellt werden muss, wenn die Autofahrer laden wollen. Insbesondere im öffentlichen Bereich (z. B. an Autobahnraststätten, Tankstellen, Bahnhöfen) werden Schnellladestationen mit einer hohen Ladeleistung installiert. Damit die Dekarbonisierung im Verkehrssektor technologieneutral erfolgen kann, sollten nicht nur Ladeinfrastrukturen für reine Elektrofahrzeuge unterstützt werden, sondern auch Wasserstofftankstellen für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge.
Momentan zeigt sich in der Wasserstoffbranche eine hohe Dynamik. Der Verein ist innerhalb von drei Jahren schnell gewachsen und besteht heute aus 18 Mitgliedern aus der Strom- und Gasbranche sowie aus der Forschung. Jedes Mitglied ist dabei, eine Wasserstoff-Produktionsanlage zu planen, zu realisieren oder bereits zu betreiben (Tab. 1). Da sich manche Projekte zurzeit in der Machbarkeitsphase befinden, wurden noch nicht alle öffentlich kommuniziert.
Firma | Standort | Kanton | Produktionstechnologie | Leistung | Projektphase |
Axpo AG | Wildegg-Brugg | Aargau | PEM-Elektrolyseur | bis zu 15 MW, mehrere Etappen vorgesehen | Baubewilligungsverfahren |
Wasserstoff Domat/Ems AG und Axpo AG | Reichenau | Graubünden | PEM-Elektrolyseur | 2.5 MW | Inbetriebnahme |
ebs Energie AG | Seewen SZ | Schwyz | PEM-Elektrolyseur | 5-6 MW | Planung |
H2Uri AG / Axpo AG | Bürglen | Uri | PEM-Elektrolyseur | 2 MW | Realisierung |
Green H2 SA | Hafen Birsfelden | Baselland | PEM-Elektrolyseur | 15 MW | Baubewilligungsverfahren |
Groupe E AG | Wasserkraftwerk Schiffenen | Freiburg | PEM-Elektrolyseur | 2 MW | in Betrieb |
Gruyere H2 Power SA | Bulle | Fribourg | PEM-Elektrolyseur | 2 MW | Realisierung |
Hydrogen Höfe Freienbach | Freienbach | Schwyz | PEM-Elektrolyseur | bis zu 10 MW, zwei Etappen vorgesehen | Planung |
Hydrospider | Gösgen | Solothurn | PEM-Elektrolyseur | 2 MW | in Betrieb |
Linde Gas Schweiz AG - ex PanGas | Dagmarsellen | Luzern | PEM-Elektrolyseur | 10 MW | Machbarkeitsstudie |
Wasserstoffproduktion Ostschweiz AG / SAK | Speicherkraftwerk Kubel | St. Gallen | PEM-Elektrolyseur | 2 MW | in Betrieb |
Satom SA / Alpiq / Cimo SA | Monthey | Wallis | Noch nicht definiert | 5 MW | Planung |
Tab. 1 Übersicht der verschiedenen Projekte der Mitglieder des Vereins der H2 Produzenten, die über die Machbarkeitsphase hinaus gediehen sind.
Mit der Konkretisierung von verschiedenen Projekten wird der Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern und auch mit den externen Partnern bereichernder. Aus den gemachten Erfahrungen leitet der Verein für die Startphase von Grossprojekten folgenden Handlungsbedarf ab:
Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Sie dauern heute oft mehrere Jahre, und das bei einem unsicheren Ausgang. Nur mit mehr Geschwindigkeit können eine zeitnahe Umsetzung und ein positiver Beitrag zur Energiewende gewährleistet werden.
Die Umsetzung der aktuellen Projekte erfolgt nur, wenn auch ein funktionierendes Geschäftsmodell in Aussicht ist. Fördermodelle für Power-to-Gas-Technologien sind nötig, um die Markthochlaufphase zu unterstützen, auch wenn dabei keine Technologien mit einem hohen technischen Risiko erprobt werden. Viele aktuelle Wasserstoff-Projekte werden nicht umgesetzt, weil das wirtschaftliche Risiko im Bereich der Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff zu hoch ist. Solche Pilotprojekte sind jedoch wichtig, um die lokalen Kompetenzen im Bereich der Wasserstoff-Technologien und Dienstleistungen auszubauen.
Der Verein hat festgestellt, dass gewisse Kantone auf individueller Basis konkrete Schritte zur Förderung einer Wasserstoff-Wirtschaft unternehmen, sei es durch die Erwähnung in der kantonalen Energiestrategie oder durch die finanzielle Unterstützung von z. B. Tankstellen. Weil die Kantone, zusammen mit dem Bund, wichtige Pfeiler der Energiepolitik sind, wurde eine Umfrage bei den Kantonen durchgeführt, um eine Übersicht über alle Aktivitäten der Kantone zu erhalten. Dazu wurden die Kantone via EnDK (Konferenz kantonaler Energiedirektoren) zu ihren Aktivitäten im Bereich Wasserstoff angefragt, insbesondere zur Rolle von Wasserstoff sowie zu den laufenden Aktivitäten, Studien, Förderungen und Erwartungen an die Branche.
Erste Auswertungen zeigen, dass einige Kantone Wasserstoff-Projekte finanziell unterstützen, vor allem im Falle von Innovationsprojekten. Allerdings sind die aktuellen finanziellen Anreize für einen Markthochlauf noch weitgehend inexistent oder beziehen sich eher auf technologieorientierte Innovationsprojekte. Deshalb warten einige Mitglieder des Vereins der H2 Produzenten mit der Umsetzung ihrer Projekte auf die Wasserstoff-Strategie des Bundes, die die Anreizsysteme zur Entwicklung einer Wasserstoff-Wirtschaft definieren soll. Die Umfrage wird zurzeit noch weiter ausgewertet und die Ergebnisse sollen im Laufe dieses Jahres veröffentlicht werden.
«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.
Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.
Kommentare (0)