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04. September 2017

Erneuerbares Gas

Direkte Biogas-Methanisierung

Im Jahr 2030 soll der Anteil von erneuerbarem Gas im Wärmemarkt 30% betragen – heute liegt der Anteil bei ca. 1%. Um die bestehenden Rohgasquellen noch besser nutzen zu können, arbeiten Energie 360° und das Paul Scherrer Institut (PSI) zusammen an einer neuen Power-to-Gas-Technologie. Im Dauereinsatz ist mit der Demonstrationsanlage bewiesen worden, dass das Verfahren die Anforderungen für eine unbeschränkte Einspeisung in das Gasnetz erfüllt und die Produktion von erneuerbarem Gas aus Klär- und Vergäranlagen um 60% gesteigert werden kann. Der Beweis ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, das eingangs erwähnte ambitionierte Ziel zu erreichen.
Andreas Kunz, Julia Witte, Serge Biollaz, Tilman Schildhauer, 

Potenzial und Hindernisse

Eine Potenzialabschätzung, die im Umfang des Projekts erstellt wurde (Aqua & Gas N° 7/8 2016), zeigt, dass durch die Direkt-Methanisierung von Biogas in Klär- und Vergärwerken die Einspeisung von erneuerbarem Gas deutlich gesteigert werden kann. Würden sämtliche bestehenden Schweizer Klär- und Vergärwerke, die bereits Biogas produzieren und sich in der Nähe eines Gasnetzes befinden, auf die Power-to-Gas-Technologie umgebaut und das Gas ins Netz einspeisen, könnte die Einspeisung von erneuerbarem Gas in der Schweiz von aktuell 308 Gigawattstunden auf 1400 Gigawattstunden gesteigert werden. Es wäre damit möglich, mehr als 900 Gigawattstunden Strom im Gasnetz zu speichern.

Das bestehende Potenzial an möglichen Power-to-Gas-Anlagen in der Schweiz erstreckt sich auf fast 100 Anlagen, wobei der grösste Anteil (64 Anlagen) im Bereich der Klärwerke liegt (Tab. 1). Die meisten dieser Anlagen verfügen heute noch nicht über eine Einspeisung, sondern erzeugen aus dem gewonnenen Klärgas durch Wärme-Kraft-Kopplung Strom und Wärme, was aus der Perspektive der optimalen ökologischen Energienutzung im Vergleich zu einer Einspeisung unvorteilhafter ist.

 

Potenzialanalyse in Anzahl Anlagen Einspeisung
bestehend
Potenzial
neue Einspeisung
Total Potenzial
Power-to-Gas
Klärwerk (ARA) 15 64 79
Vergärwerke 8 9 17
Total 23 73 96

Tab. 1 Potenzial in Anzahl Anlagen > 3 GWh (Stand 2015) 

Wirtschaftlichkeit

Die Frage, ob die Technologie wirtschaftlich betrieben werden kann, respektive ob das zusätzliche Methan zu gleichen Kosten erzeugt werden kann wie Methan, das durch den konventionellen Biogasprozess erzeugt wird, ist durch eine Modellrechnung beantwortet worden.
Im Vergleich zu Erdgas hat Biogas heute einen ökologischen Mehrwert, aber auch höhere Herstellungskosten. Der daraus resultierende Mehrpreis für Biogas wird vollumfänglich durch die umweltbewusste Kundschaft akzeptiert und getragen. Biogas ist von der Mineralölsteuer sowie der CO2-Abgabe befreit. Unter diesen Bedingungen können heute konventionelle Biogas-Aufbereitungsanlagen ohne staatliche Fördermittel wirtschaftlich betrieben werden. Dieses Grundkonzept soll als Benchmark auch für die Power-to-Gas-Anlagen gelten. In der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird eine Power-to-Gas-Anlage mit einer konventionellen Biogas-Aufbereitungsanlage verglichen. So ist geprüft worden, ob es möglich ist, die Anlage mit vergleichbaren oder sogar tieferen Investitions- und Betriebskosten pro Kilowattstunde erzeugtes Gas zu betreiben. Nur wenn diese Bedingung erfüllt wird, ist die Substitution einer konventionellen Biogas-Aufbereitungsanlage auch wirtschaftlich sinnvoll.
Die Befreiung von der Mineralölsteuer und CO2-Abgabe gilt seit 2016 analog zum Biogas auch für erneuerbares Methan, sofern der Wasserstoff aus erneuerbaren Energieträgern hergestellt wurde und das CO2 nicht aus Prozessen stammt, die explizit CO2 für die Methanisierung produzieren. Basierend auf diesen Rahmenbedingungen wird synthetisches Gas dem heutigen Biogas gleichgesetzt. Es wird folglich angenommen, dass auch der zu erzielende Marktpreis mit den Preisen für Biogas identisch sein wird.
Entsprechend sind 10 bis 12 Rp./kWh für einspeisefähiges Biogas ab Produktionsanlage und vor Verteilung, Handel und Verkauf gewählt worden. Dieser Preis schliesst neben dem Energiepreis des Gases den ökologischen Mehrwert mit ein. Mit tendenziell zunehmendem Wettbewerb am Biogasmarkt ist dies eine eher optimistische Annahme. Es ist zu erwarten, dass dieser Wert in Zukunft abnehmend sein wird.
Für den Vergleich der Power-to-Gas-Anlage mit einer konventionellen Biogas-Aufbereitungsanlage ist eine Anlagegrösse im mittleren Segment mit 200 Nm3 Rohbiogas pro Stunde definiert worden. Dies ist für die Schweiz eine typische Anlagengrösse und entspricht bei kontinuierlicher Produktion ca. 11 GWh pro Jahr. 

Investitionskosten

Durch die Nutzung des CO2 aus dem Rohbiogas mittels Power-to-Gas kann die eingespeiste Biogasmenge auf 160% gesteigert werden. Die Investitionskosten der Power-to-Gas-Anlage einschliesslich aller Aufbereitungsschritte für eine uneingeschränkte Einspeisung in das Gasnetz steigen im Vergleich zur konventionellen Anlage um den Faktor 1,9. Da die Investitionskosten nicht nur durch das zusätzliche Methan, sondern auch durch das bereits im Rohgas enthaltene Methan getragen werden können, sind die spezifischen Investitionskosten pro kWh nur leicht höher als bei einer konventionellen Anlage (Fig. 1). Zukünftig wird weiter erwartet, dass die Investitionskosten, vor allem mit zunehmender Anzahl von Anlagen, noch merklich sinken werden.

Betriebskosten

Die spezifischen Kosten für Betrieb und Wartung sinken durch die um 60% erhöhte Produktionsmenge und kompensieren so die höheren Investitionskosten von Power-to-Gas im Vergleich zu einer konventionellen Aufbereitung. So ergeben sich für Betrieb (ohne Rohbiogas und Strom für Elektrolyse) und Kapital für beide Varianten identische spezifische Kosten pro kWh. Wenn für beide Varianten von identischen Rohgaskosten ausgegangen wird, ist daher die Wirtschaftlichkeit von Power-to-Gas primär von den Stromkosten abhängig. Diese müssen unter 4,5 Rp./kWh liegen, damit das Power-to-Gas-Verfahren mit der konventionellen Biogas-Herstellung durch CO2-Abtrennung Schritt hält. Dies ist zurzeit nur realistisch, wenn Netzgebühren bei den Stromkosten entfallen. Weiter kann die Wirtschaftlichkeit einer Power-to-Gas-Anlage durch Verwertung der anfallenden Abwärme sowie des Sauerstoffs aus der Elektrolyse je nach Projektstandort und Gegebenheiten noch optimiert werden.

Nachweis der technischen Machbarkeit

 Am PSI wurde eine Demonstrationsanlage in einem Container aufgebaut (Cosyma), um neben der wirtschaftlichen auch die technische Machbarkeit der Methanisierung ohne vorherige Abtrennung des CO2 vom Biogas zu demonstrieren (Fig. 2).
Nach der Inbetriebnahme mit Flaschengas auf der Energy-System-Integration-Plattform (ESI) des PSI Ende 2016 wurde die Demonstrationsanlage im Januar 2017 zur Biogas-Aufbereitungsanlage in Zürich-Werdhölzli transportiert. Diese ist eine der grössten Biogas-Aufbereitungsanlagen der Schweiz und erzeugt aus dem Klärgas des Klärwerks Werdhölzli und dem Rohbiogas aus dem Vergärwerk bis zu 800 Nm3 Methan pro Stunde. Das Rohgas aus dem Klär- und dem Vergärwerk besteht aus ca. 60% Methan und 40% CO2 und enthält Verunreinigungen wie etwa Schwefelverbindungen. Das CO2 wird nach einer Gasreinigung durch Aktivkohle mittels einer Aminwäsche abgetrennt, bevor das Biomethan (> 96% CH4) dann getrocknet und eingespeist wird. Für die Demonstrationsanlage des PSI wird ein Teilstrom von 1–2 m3/h des Rohbiogases vor der Aktivkohle abgetrennt und nach der Biogas-Aufbereitungsanlage als methanreiches Biomethan in das Gasnetz eingespeist, siehe Figur 3.
Im Container befindet sich die eigentliche Demonstrationsanlage, die im Wesentlichen aus vier Abschnitten besteht, siehe Figur 4. Die technischen Merkmale sind in Tabelle 2 angegeben. Im ersten Teil des Containers wird das Rohbiogas mithilfe eines Kompressors auf etwa 6 bar Überdruck komprimiert. Danach erfolgt eine Gasreinigung zur Abtrennung von Schwefelverbindungen und Siloxanen, die den Katalysator der Methanisierung vergiften können. Das gereinigte Gas wird aufgeheizt und mit etwas Wasserdampf sowie mit der notwendigen Menge Wasserstoff gemischt. Im dritten Anlagenabschnitt befindet sich der Methanisierungsreaktor, in dem jeweils ein Teil CO2 mit vier Teilen Wasserstoff zu einem Teil Methan und zwei Teilen Wasserdampf sowie Wärme umgesetzt wird. Dieser Reaktor ist als sogenannte «Wirbelschicht» ausgeführt. Dies bedeutet, dass das von unten in den Reaktor einströmende Gas die sandkorn-grossen Katalysatorpartikel anhebt und beim Aufsteigen durchmischt, was unter anderem eine sehr effektive Kühlung des Reaktors und damit eine freie Temperaturwahl in der Reaktion erlaubt. Darüber hinaus hat dieser Reaktortyp in der Vergangenheit gezeigt, dass er deutlich robuster gegen Verkokung des Katalysators ist als andere thermochemische Methanisierungsreaktoren.

 

Leistung ca. 10 kW Wasserstoff-Zufuhr
Produktmenge 20 kW Methan, davon 7–8 kW aus umgesetztem CO2
Druckbereich bis 10 bar
Temperaturbereich 290–400 °C
Eingebaute
Prozessschritte
Gasmischung, Gasreinigung, Wasserdampfzugabe, Methanisierung, Filtration, Kondensation, Armaturen zur Einspeisung ins Gasnetz

Tab. 2 Technische Merkmale der Versuchsanlage «Cosyma»

Nach dem Reaktor folgt eine Filtrierung des Gases, um Partikel abzuscheiden, sowie eine Kondensation des Wasserdampfes. An dieser Stelle besteht das Biomethan bereits aus 85–90% Methan, 1–2% Kohlendioxid und 8–14% Wasserstoff, je nach Betriebsbedingungen. Bei im Vergleich zur im Gasnetz transportierten relativ kleinen Gasmenge kann das erzeugte Biomethan so eingespeist werden, ohne die Gasqualität zu verändern (sog. eingeschränkte Einspeisung). Um die Bedingungen für eine uneingeschränkte Einspeisung ins Erdgasnetz zu erfüllen, ist bei einer industriellen Anlage eine Wasserstoff-Membran vorgesehen. Mit dieser Stufe wird durch Abtrennung des Wasserstoffs die Methankonzentration auf über 96% gehoben und gleichzeitig der Wasserstoffgehalt unter 2% gesenkt. Der Wasserstoff wird wieder zur Methanisierung zurückgeführt, wodurch die Gesamteffizienz der Wasserstoff-Umsetzung gesteigert wird.
Ausgehend von Modellrechnungen ist bekannt, dass man bei den Temperaturen von 250 bis 400 °C, die für die Methanisierung mithilfe von nickelbasierten Katalysatoren notwendig sind, mindestens 95%, wegen der Thermodynamik aber keineswegs alles CO2 umwandeln kann. Gleichzeitig braucht es auch immer einen leichten Wasserstoff-Überschuss im Reaktor, um den Katalysator vor Verkokung und Aktivitätsverlust zu schützen. Beides zusammen führt im Ergebnis zu einem Rest-Wasserstoffgehalt im Biomethan von ungefähr 10%. Wie in Figur 5 zu sehen ist, gelang es während der gesamten Versuchsdauer von 1000 Stunden diese Werte wie auch den hohen Methangehalt (85–90%) konstant zu halten. Dies zeigt die stabile Aktivität des Katalysators und die genügend hohe Wirksamkeit der Gasreinigung.
Vor allem in den ersten einhundert Stunden des Dauerversuchs wurden verschiedene Optimierungsexperimente vorgenommen, um den besten Betriebspunkt zu finden und die vorgängig durchgeführten Modellrechnungen zu bestätigen. Wegen der thermodynamischen Begrenzung dieser Wärme freisetzenden Reaktion sinkt der maximal mögliche Umsatz in einem Methanisierungsreaktor mit steigender Temperatur. Andererseits ist der Katalysator bei tieferen Temperaturen nicht sehr aktiv. Deshalb bildet sich ein Temperatur-Optimum, bei dem die höchsten Methangehalte möglich sind. Wie vom Modell vorhergesagt, liegt das Optimum für diesen Fall bei 340 bis 350 °C.
Eine weitere wichtige Betriebsbedingung ist das Verhältnis von CO2 zum zugesetzten Wasserstoff (H2). Je höher die Wasserstoffzugabe ist, desto mehr CO2 kann zu Methan umgewandelt werden. Allerdings verdünnt dann der nicht umgesetzte Wasserstoff das Biomethan und muss mittels Membran abgetrennt und zurückgeführt werden. Umgekehrt sinkt die Methanausbeute aus CO2 mit sinkendem H2-Gehalt des Reaktors; zusätzlich muss eine Katalysatordeaktivierung vermieden werden. Das Ergebnis kann in Figur 6 betrachtet werden, die den Einfluss des H2/CO2-Verhältnisses am Reaktoreingang auf die Gaszusammensetzung am Reaktorausgang für eine Reaktor-Temperatur von 340 bis 350 °C darstellt. Die Punkte zeigen dabei die experimentellen Ergebnisse, während die durchgezogene Linie dem thermodynamischen Gleichgewicht und die gestrichelte Linie der Modellvorhersage entspricht. Man kann also sagen, dass der Reaktor bis an das thermodynamische Maximum herangeht und dies mit der Modellrechnung übereinstimmt.

Schlussfolgerungen

Im Rahmen des 1000-stündigen Dauerversuchs konnten die optimalen Betriebsbedingungen im Reaktor verifiziert und unter realen Bedingungen bestätigt werden: Bei zu tiefen Temperaturen wird der Katalysator in seiner Kinetik gehemmt, während zu hohe Temperaturen eine thermodynamische Limitierung nach sich ziehen. Hohe Wasserstoffzugaben erlauben eine gute Ausbeute, aber verdünnen das Biomethan durch überschüssigen H2. In Zukunft kann hier allerdings eine Membran eingesetzt werden, um den Wasserstoff zurückzuführen. Um die Membranfläche und damit die Kosten tief zu halten, sollte der Wasserstoffüberschuss aber möglichst klein sein. Zu wenig Wasserstoff senkt die Ausbeute an Methan und führt allenfalls zu Verkokung des Katalysators. Der 1000-Stunden-Versuch in der Wirbelschichtmethanisierung läuft stabil mit optimierten Parametern, wobei eine vergleichsweise geringe Wasserstoffzugabe gewählt wurde und trotzdem relativ hohe Methankonzentrationen erreicht werden konnten.
Damit ist der technische Nachweis erbracht, dass die direkte Methanisierung von Biogas mit erneuerbarem Wasserstoff (Power-to-Gas) in einem Wirbelschichtreaktor 60% mehr erneuerbares Gas aus der gleichen Rohbiogasmenge für die Einspeisung ins Gasnetz bereitstellen kann, als es eine Biogas-Aufbereitung mittels CO2-Abtrennung vermag. Die nächsten technischen Schritte sind Experimente im Pilotmassstab (100–200 kWMethan), für die eine Versuchsanlage am PSI im Bau ist. Diese sollen einige technische Details weiter erhellen (dynamischer Betrieb, Wärmeauskopplung) und Daten für eine Validierung des prediktiven Simulationsmodells liefern. Da mit diesem Reaktortyp bereits Erfahrungen bis in den MW-Bereich vorliegen (s. Aqua & Gas 2012), kann zusammen mit den jetzt vorliegenden Untersuchungsergebnissen bestätigt werden, dass die Wirbelschicht-Technologie für die Umsetzung nunmehr bereitsteht.

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