Um eine hohe Wertschöpfung zu erzielen, wird Holz entlang einer Kaskade zuerst als Rohstoff genutzt, bei der Energieholz als Nebenprodukt anfällt. Energieholz umfasst Stückholz, Waldhackschnitzel, Restholz, Holzpellets und Altholz und kommt heute vor allem für Gebäudewärme zum Einsatz. Daneben besteht ein Bedarf an Prozesswärme, Wärme-Kraft-Kopplung, Treibstoffen und Pflanzenkohle. Der Gesamtbedarf wird die begrenzt nachwachsende Holzmenge künftig um ein Mehrfaches übersteigen. Deshalb gilt für die Zukunft, Energieholz so zu nutzen, dass es einen maximalen Beitrag zur Energieversorgung leistet. Der im Auftrag des Bundesamts für Umwelt und mit Begleitung des Bundesamts für Energie erarbeitete Beitrag [1] vergleicht dazu die Ressourceneffizienz verschiedener Verwertungspfade.
Der Zubau der Holzenergie erfolgte seit 1990 hauptsächlich über automatische Holzheizungen für einzelne Verbraucher und thermische Netze. Im Jahr 2021 wurden von den 1068 thermischen Netzen in der Schweiz 773 mit Energieholz versorgt [2]. Der aktuelle Energieholzverbrauch beträgt rund 5,8 Mio. m3/a [3–6], was bei einem Heizwert von 2,74 MWh/m3 rund 16 TWh/a an Endenergie entspricht [1]. Der Verbrauch verteilt sich auf 2,6 TWh/a Prozesswärme, 11,8 TWh/a reine Gebäudewärme und 2,4 TWh/a Wärme-Kraft-Kopplung, wovon 0,8 TWh/a der Gebäudewärme angerechnet werden.
Das sicher nutzbare Energieholzpotenzial wird auf 7,3 Mio. m3/a oder 20 TWh/a geschätzt, was einer Zunahme um 25% entspricht. Das theoretische Potenzial an Waldholz wird auf 10,7 Mio. m3/a geschätzt, was rund dem Doppelten der Holzernte und einer theoretischen Zunahme von Energieholz um 70% entspricht [7]. Vorliegend wird als Basisfall von einem Potenzial von 20 TWh/a ausgegangen. Szenarien für 25 TWh/a und 29 TWh/a sind in [1] beschrieben.
Der Endenergieverbrauch der Schweiz beträgt 210 TWh/a. Rund 123 TWh/a oder 59% werden mit Erdöl und Erdgas gedeckt [6]; zur Substitution werden sie wie folgt unterteilt:
Zu den Anwendungsbereichen, die einfach und ökonomisch mit Solar-, Wind- und Wasserkraft substituierbar sind, gehören:
Zu den Anwendungen, die durch Solar- und Windstrom nur bedingt substituiert werden können, gehören:
Zur Evaluation wird der Energieverbrauch wie folgt unterteilt [1]:
Tabelle 1 beschreibt die Verwertungspfade für Energieholz. Zur Bewertung wird die Energieform analog zur Energieförderungsverordnung (EnFV) berücksichtigt, die Elektrizität von WKK-Anlagen mit dem 1,75-Fachen der Nutzwärme gewichtet [12]. Vorliegend wird für Elektrizität ein Gewichtungsfaktor von 2 angenommen. Da Treibstoffe wie Elektrizität praktisch 100% Exergie entsprechen, Prozesswärme über 100 °C mit Elektrizität oder Brennstoffen erzeugt wird und für Spitzenlast-Gebäudewärme ein lagerfähiger Brennstoff notwendig ist, werden auch diese Energieformen mit dem Faktor 2 gewichtet.
Für Pflanzenkohle erfolgt ein Vergleich über die Annahme der Sequestrierung mit einer im Gegenzug möglichen Nutzung fossiler Flugtreibstoffe. Nach [9] kann für Pflanzenkohle eine Senkenleistung von rund 2,47 kg CO2 pro kg Trockensubstanz abgeleitet werden. Mit Berücksichtigung eines Heizwerts von 31 MJ/kg [8] entspricht dies einem CO2-Emissionsfaktor für sequestrierte Pflanzenkohle von –74 t/TJ [1]. Dies entspricht mengenmässig ungefähr dem CO2-Emissionsfaktor für Kerosin von 72,8 t/TJ [13]. Die Sequestrierung von 1 MJ an Pflanzenkohle erlaubt damit die Nutzung von 1 MJ an fossilem Kerosin mit Netto-Null-CO2-Emissionen, weshalb auch für Pflanzenkohle aus Holz ein Gewichtungsfaktor von 2 angenommen wird.
Nutzung | Zweck |
Prozesswärme a) indirekt durch Holzvergasung b) direkte Verbrennung von Holz |
Substitution fossiler Brennstoffe für Prozesswärme ab 100 °C a) z. B. Ersatz von Erdgas durch Holzgas in der Glasproduktion b) z. B. Dampferzeugung oder Ersatz von Kohle in Zementöfen |
Gebäudewärme mit Holz als Hauptenergie | Substitution fossiler Brennstoffe |
Gebäudewärme Spitzenlast in Kombination mit Wärmepumpen, die mit Solarstrom betrieben werden |
– Substitution fossiler Brennstoffe – Substitution von anderem erneuerbarem Winterstrom – Saisonspeicherung von Wärme oder Elektrizität (z. B. anstelle von Power-to-Gas) |
Wärme und Strom (WKK) |  |
Treibstoff aus Holz | Â |
Pflanzenkohle (PK) aus Holz a) fĂĽr Grillkohle b) zur Sequestrierung |
 |
Tab. 1 Verwertungspfade von Energieholz.
Â
Die Priorisierung der Verwertungspfade erfolgt nach Figur 1 anhand folgender Kriterien:
Vorab wird der Gesamtwirkungsgrad E* bestimmt und daraus ein relativer Wert E = E*/E*max abgeleitet, wobei E*max dem höchsten Wert von E* entspricht. Damit resultiert eine Rangfolge 0 ≤ E ≤ 1 zur Priorisierung z. B. mit E > 0,9 für Prio 1.
Die Energieformen werden gewichtet mit G* = 1 für Gebäudewärme und G* = 2 für Elektrizität, Treibstoff, Pflanzenkohle und Spitzenlast-Gebäudewärme. Mit E* und G* wird das Produkt G* E* gebildet und der relative Wert 0 ≤ GE ≤ 1 bestimmt.
Dieser wird mit S* gewichtet. Ein hoher Wert bedeutet, dass eine Substitution aufwendig ist. Für Prozesswärme, Treibstoff und Pflanzenkohle gilt S* = 100%. Für Gebäudewärme gilt S* = 20%. Für Elektrizität wird S* = 80% eingesetzt, da diese durch Solar- und Windenergie erzeugt werden kann. Durch Multiplikation von S* mit E* wird ein Total gebildet und daraus ein Wert 0 ≤ S ≤ 1 bestimmt.
Aus GE und S wird das Produkt (GES)* und daraus der relative Wert GES bestimmt.
Mit T wird die technologische Reife berücksichtigt mit T = 1 für direkte Prozesswärme, Gebäudewärme und Spitzenlast-Gebäudewärme. Da die Vergasung für neue Anwendungen unsicher ist, gilt für indirekte Prozesswärme T = 0,75. Treibstoff aus Holz und Pflanzenkohle weisen hohe Unsicherheiten auf und werden mit T = 0,5 bewertet.
Mit dem Produkt (GEST)* werden alle Kriterien abgedeckt und die relative Gesamtbewertung GEST abgeleitet.
Für die Umwandlungswirkungsgrade werden Erwartungswerte eingesetzt und für WKK, Treibstoff und Pflanzenkohle drei Niveaus ausgewiesen. Die Werte beruhen auf Literaturdaten und Schätzungen [1]. Figur 2 zeigt die Bewertung nach den Kriterien 1 bis 6. Figur 3 illustriert die Gesamtbewertung mit folgenden Trends:
Das Kriterium 1 der Energie E zeigt den hohen Gesamtwirkungsgrad von Gebäudewärme und WKK. Diese Bewertung ist einfach verständlich, aber ungeeignet zur Beurteilung des Beitrags des begrenzt verfügbaren Energieholzes zur Energieversorgung.
Die Gesamtbewertung 6 nach GEST zeigt, dass Prozesswärme und Spitzenlast-ÂGebäudewärme hohe Priorität aufweisen, wobei die direkte Prozesswärme vor der indirekten zu favorisieren ist. Gebäudewärme als Hauptenergie erreicht eine sehr niedrige Priorität; WKK und Treibstoff aus Holz und Pflanzenkohle liegen dazwischen – dank etabliertem Stand der Technik erzielt WKK eine höhere Priorität als Treibstoffe und Pflanzenkohle.
Die Verwertungspfade werden wie folgt fĂĽr die in Figur 4 beschriebenen Szenarien berĂĽcksichtigt:
Als weitere Annahmen dienen für das Jahr 2020 ein Gebäudewärmebedarf von 79 TWh/a und ein Endenergieverbrauch von 210 TWh/a, wovon 123 TWh/a fossil und potenziell durch Energieholz zu ersetzen sind. Für 2050 wird von 39 TWh/a Gebäudewärme ausgegangen, sodass der Endverbrauch auf 170 TWh/a sinkt und noch 83 TWh/a fossile Energien zu substituieren sind. Figur 5 und 6 zeigen damit folgende Trends [1]:
Der Bedarf an Energieholz in zur Substitution fossiler Energien geeigneten Anwendungen übersteigt das Potenzial um mehr als den Faktor 5. Aus diesem Grund sind Anwendungen zu bevorzugen, die den höchsten Beitrag zur Energieversorgung erzielen.
Erste Priorität hat die Erzeugung von Prozesswärme und von Spitzenlast-ÂGebäudewärme. Im Fall der Gebäude ist die Wärmeversorgung auf eine Kombination von Wärmepumpen und Energieholz zu transformieren, bei der erneuerbare Elektrizität fĂĽr Wärmepumpen den Hauptteil von rund 74% der Wärme erzeugt und Energieholz den winterlichen Spitzenbedarf deckt. Die Umsetzung kann dezentral und mit Ausbau thermischer Netze erfolgen. Energieholz ĂĽbernimmt dabei die Funktion der Saisonspeicherung und reduziert den Bedarf an ineffizienteren Technologien wie Power-to-Gas.
Die Umwandlung von Holz zu Treibstoff durch Biomass-to-Liquids ist mit einem Wirkungsgrad von rund 50% verbunden, wodurch die Substitutionswirkung halbiert wird. Treibstoffe aus Holz sind deshalb erst dann interessant, wenn Prozess- und ÂGebäudewärme 100% erneuerbar gedeckt werden. Wenn der Bodenverkehr bis 2050 elektrisch erfolgt, verbleibt ein Bedarf an Flugtreibstoffen, fĂĽr den theoretisch auch Energieholz eingesetzt werden kann. Da aber bereits die Anwendungen mit höherer Substitutionswirkung das Potenzial deutlich ĂĽbersteigen, steht fĂĽr Flugtreibstoffe kein Energieholz mehr zur VerfĂĽgung.
Daneben besteht ein Interesse an Pflanzenkohle aus Holz für die Landwirtschaft und als Kohlenstoffsenke. Wenn für Netto-Null im Gegenzug fossiles Kerosin verwendet wird, kommt Pflanzenkohle auf eine ähnliche Substitutionswirkung wie Treibstoff aus Holz, sodass auch dafür kein Energieholz mehr zur Verfügung steht. Demgegenüber bietet Pflanzenkohle Möglichkeiten zur Nutzung schwer verwertbarer biogener Reststoffe. Vor einer Verwendung im Boden sollte sie allerdings zur Substitution importierter Grillkohle eingesetzt werden, da diese Umweltschäden in anderen Weltregionen verursacht [11]. Daneben besteht für Pflanzenkohle im Boden noch Klärungsbedarf, da das Bundesamt für Umwelt, das Bundesamt für Landwirtschaft und die kantonalen Bodenschutzfachstellen einen grossflächigen Eintrag in Schweizer Böden ablehnen [14].
Zusammenfassend heisst dies: Um den grössten Beitrag zur Energieversorgung zu erzielen, sollte Energieholz prioritär für Prozesswärme und für Spitzenlast-Gebäudewärme genutzt werden. Da aber das Energieholzpotenzial nicht ausreichen wird, diese zwei Anwendungen zu decken, sollte Energieholz in Zukunft nicht mehr als Hauptenergieträger für Gebäudewärme genutzt werden. Weil auch Treibstoffe und Pflanzenkohle aus Holz den Beitrag von Energieholz zur Energieversorgung verringern, sind diese Anwendungen nicht zu unterstützen. Daneben kann Energieholz in WKK-Anlagen eine hohe Substitutionswirkung erreichen und mit Winterstrom den Zubau von Solarstromanlagen unterstützen.
[1] Nussbaumer, T. (2023): Verwertungspfade Holzenergie, BAFU, Bern, www.aramis.admin.ch
[2] Hangartner, D.; Hurni, A. (2022): Liste Thermische Netze, BfE, Bern
[3] Thees, O. et al. (2017): WSL Berichte Heft 57, Birmensdorf
[4] Stettler, Y. (2020): Schweiz. Holzenergiestatistik, BfE, Bern
[5] Hammer, S. et al. (2021): Analyse von Hemmnissen, BfE, Bern
[6] BfE (2023): Schweiz. Gesamtenergiestatistik 2022, Bern
[7] Keel, A. (2023): Pflanzenkohle-Fachtagung, 16.6.2023, https://charnet.ch/
[8] Wikipedia: Holzkohle. de.wikipedia.org/wiki/Holzkohle, 16.8.2023
[9] Das Europäische Pflanzenkohle Zertifikat: www.european-biochar.org/de, 16.8.2023
[10] Nussbaumer, T. (2023): HK Gebäudetechnik 1-23, 48–53
[11] WWF (2018): Marktanalyse Holzkohle 2018, ZĂĽrich
[12] Energieförderungsverordnung (EnFV) vom 1. November 2017, Bern 2023
[13] BAFU (2023): Faktenblatt CO2-Emissionsfaktoren, Bern
[14] Schwilch, G. (2023): Pflanzenkohle-Fachtagung, 16.6.2023, https://charnet.ch/
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