Gemeinsam mit dem Kanton Schaffhausen bezeichnen Sie in einem Pilotprojekt den Zuströmbereich einer Trinkwasserfassung. Warum braucht es dazu zwei Kantone?
Die Trinkwasserfassung Pfütziacker, zu der wir aktuell den Zuströmbereich bestimmen, liegt in der Thurgauer Gemeinde Wagenhausen. Das Grundstück und die Fassung selbst gehören aber der Schaffhauser Stadt Stein am Rhein. Beide Kantone haben ein Interesse daran, dass die Wasserqualität in der Fassung wieder den gesetzlichen Vorgaben entspricht, denn aktuell sind die Nitratwerte zu hoch und das Wasser aus dem Pfütziacker muss deshalb mit Wasser aus anderen Fassungen gemischt werden, damit es als Trinkwasser abgegeben werden kann. In solchen Fällen sind die Kantone verpflichtet, Zuströmbereiche zu bezeichnen. Gemeinsam mit dem Interkantonalen Labor Schaffhausen haben wir vom Amt für Umwelt Thurgau deshalb ein Pilotprojekt gestartet, um den Zuströmbereich der Fassung zu bestimmen.
Warum braucht es dazu ein Pilotprojekt?
Im Kanton Thurgau ist das der erste Zuströmbereich, der bezeichnet wird. Wir wollen das Projekt nutzen, um die Wirkung allfälliger Massnahmen möglichst genau zu messen und daraus für zukünftige Projekte zu lernen. Für die Bestimmung des Zuströmbereichs haben wir fünf Bohrungen durchgeführt, die wir als Grundwassermessstelle nutzen. Zum einen, um Grundwasserstand und Fliessrichtung zu ermitteln, zum andern, um die Wasserqualität zu prüfen – insbesondere hinsichtlich Nitrat. Das erlaubt uns nicht nur, den Zuströmbereich möglichst genau zu bestimmen, sondern wir können so später auch genauere Aussagen dazu machen, welche Massnahmen in der Landwirtschaft zu einer Reduktion der Belastung im Grundwasser führen. Zukünftig sollen zudem Nitratsonden installiert werden, die kontinuierlich messen. So kann man schauen, wie sich die Nitratkonzentrationen in Abhängigkeit von Niederschlag, Trockenphasen, Düngeperiode, Menge des Düngers etc. verhalten.
Ist es ein Vorteil, wenn der Zuströmbereich genau bestimmt ist?
Der Zuströmbereich ist das Gebiet, aus dem rund 90 Prozent des Wassers stammen, das in die Fassung gelangt. In diesem Areal sieht die Gewässerschutzverordnung Schutzmassnahmen vor. Das können Verwendungseinschränkungen fĂĽr MineraldĂĽnger, Anpassungen beim Ausbringen von HofdĂĽnger oder auch Anpassungen der Produktionsweise sein. Gerade in dicht besiedelten und intensiv genutzten Gebieten ist es wichtig, keine unnötigen Einschränkungen zu machen. Gleichzeitig erlaubt eine genaue Bestimmung den Wasserversorgern, allfällige Gefahren besser abzuschätzen, die bspw. von Deponien oder Industriestandorten ausgehen können. Wenn niemand betroffen ist und keine Gefahren vorhanden sind, lohnen sich genaue hyÂdrogeologische Untersuchungen kaum. Dann kann als Zuströmbereich auch das Fassungseinzugsgebiet genommen werden, das in der Regel ein viel grösseres Areal umfasst.
Gibt es keinen Widerstand gegen die Bezeichnung des Zuströmbereichs?
Wir haben von Anfang an viele Gespräche mit dem Verband Thurgauer Landwirtschaft geführt und auch mit den betroffenen Grundeigentümern und Bewirtschaftern. Und natürlich gab es Ängste. Es sind, so hat man mir gesagt, sehr gute Böden für Gemüse. Teilweise wurde erst kürzlich in Bewässerungssysteme investiert. Wir mussten dann klarmachen, dass nicht das Ziel ist, dass kein Gemüse mehr angebaut werden darf oder keine intensive Landwirtschaft mehr möglich sein soll. Letztlich sind wir ja darauf angewiesen, dass die Massnahmen mitgetragen und auch umgesetzt werden. Dazu braucht es eine Sensibilisierung. Wir haben z. B. die Drainagesysteme angeschaut und konnten auf Kontrollschächte ohne Boden aufmerksam machen. Gemeinsam mit den Landwirten hat die Stadt Stein am Rhein unter der Ägide des Landwirtschaftsamts begonnen, Bodenbeprobungen hinsichtlich Nitrat durchzuführen. Für weitergehende Einschränkungen prüft der Arenenberg ein Nitratprojekt nach GschG 62a, über welches Ertragseinbussen abgegolten werden können.
Was erhoffen Sie sich vom Zuströmbereich in Bezug auf den Schutz des Grundwassers?
Ich persönlich verspreche mir einiges. Aber wir werden jetzt im Pilot sehen, was der Zuströmbereich bringt. Und die Resultate sollten relativ rasch vorliegen. Die Fassung Pfütziacker eignet sich auch deshalb für ein Pilotprojekt, weil die Durchflusszeiten relativ gering sind. Es dauert also nicht Jahrzehnte, bis das Grundwasser aus dem Zuströmbereich in der Fassung ankommt. So können wir in einigen Jahren bereits erste Schlüsse ziehen und daraus Lehren für nachfolgende Projekte ziehen, insbesondere was die Wirksamkeit der Massnahmen betrifft.
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