Plattform für Wasser, Gas und Wärme
News
27. Dezember 2024

Grundwasserschutz

Die Wasserversorgung ist kein Reparaturbetrieb

In den 80er-Jahren wurden Wasserversorger in der Schweiz das erste Mal mit chemischen Verunreinigungen in ihren Trinkwasserressourcen konfrontiert. Das Nitrat, das damals nachgewiesen wurde, beschäftigt uns noch heute. Weitere Stoffe sind dazugekommen. Der Umgang damit ist anspruchsvoll.
Christos Bräunle 

Bis Anfang der 60er-Jahre kam es in der Schweiz noch gelegentlich zur Verbreitung von Krankheitserregern wie Typhus oder Cholera über das Trinkwasser. Mit einer UV-Desinfektion und notfalls mit dem Einsatz von Chlor kann die mikrobiologische Qualität des Trinkwassers heute zwar jederzeit gewährleistet werden. Dafür sind die Versorgungen seit den späten 80er-Jahren mit chemischen Verunreinigungen in ihren Trinkwasserressourcen konfrontiert. Diese Stoffe lassen sich im Gegensatz zu mikrobiologischen Verunreinigungen nicht einfach unschädlich machen und können nur mit aufwendigen Aufbereitungsverfahren aus dem Rohwasser entfernen werden. Versorger, die ihr Trinkwasser aus Grund- bzw. Quellwasser gewinnen, sind daher auf unbelastete Ressourcen angewiesen. Dazu ist ein vorsorglicher Schutz notwendig.

Grundwasserqualität im Fokus

Die Wasserversorgung ist auf qualitativ und quantitativ intakte Trinkwasserressourcen angewiesen. 80 Prozent des Trinkwassers werden in der Schweiz aus Grund- bzw. Quellwasser gewonnen. Über die Hälfte davon kann ohne oder nach lediglich einfacher Aufbereitung als naturnahes Trinkwasser an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden. Diese Praxis ist zunehmend in Gefahr, da immer mehr chemische Verunreinigungen das Grundwasser belasten. Zwar sind die Konzentrationen noch gering und die Höchstwerte vorsorglich tief angesetzt. Doch es besteht die Gefahr, dass immer mehr Ressourcen nicht mehr für die Trinkwassergewinnung genutzt werden können. Und in der dicht besiedelten Schweiz ist es nicht ohne Weiteres möglich, neue, unbelastete Grund- oder Quellwasserfassungen zu erschliessen. Kommt hinzu, dass die Belastungen das gesamte landwirtschaftlich intensiv genutzte Mittelland betreffen. Es erstaunt daher nicht, dass der Grossteil der Einträge von der Landwirtschaft verursacht wird, insbesondere was die Verunreinigungen mit Nitrat und den Abbauprodukten der Pflanzenschutzmittel betrifft. Der Umgang mit chemischen Stoffen im Grundwasser ist anspruchsvoll. Versorger haben nur drei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Sie können belastete Fassungen verwerfen, belastetes mit unbelastetem Wasser mischen oder das Rohwasser mehrstufig aufbereiten. Alle diese drei Möglichkeiten können kurzfristig dazu beitragen, dass wieder konformes Trinkwasser abgegeben werden kann, sie sind aber mittel- bis langfristig keine nachhaltige Lösung.

Technische Möglichkeiten

Das Gewässerschutzgesetz trägt der grossen Bedeutung des Grundwassers als Ressource für die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser Rechnung. So ist es zum einen grundsätzlich verboten, Gewässer direkt oder indirekt zu verunreinigen. Zum anderen legt es explizit fest, dass das Grundwasser von einer Qualität sein muss, die es Versorgern erlaubt, dieses nach lediglich einfacher Aufbereitung als Trinkwasser abzugeben. Wenn im Grundwasser aber chemische Verunreinigungen wie Ni­trat oder die Abbauprodukte von Pestiziden in zu hohen Konzentrationen vorhanden sind, können diese nicht mit einfachen Methoden entfernt werden. Dazu ist die Behandlung mit Aktivkohle oder sogar der Einsatz von Anlagen zur Nanofiltration oder Umkehrosmose notwendig. Diese Anlagen sind energieintensiv, teuer, nicht nachhaltig und verhindern die Einträge an der Quelle nicht. Das Gewässerschutzgesetz wird also seit über 40 Jahren bewusst missachtet und den Versorgern und Konsumenten die Lösung der dadurch verursachten Probleme für die Trinkwasserqualität aufgebürdet. Die Wasserversorgung ist aber ein Lebensmittelbetrieb und keine Reparaturwerkstatt. Es ist nicht die Aufgabe der Versorger, die Schäden zu reparieren, die an der Ressource angerichtet werden. Die einzige Möglichkeit, diese Verunreinigungen nachhaltig in den Griff zu bekommen, ist die Einhaltung des Gewässerschutzgesetzes und damit die Vermeidung der Einträge an der Quelle. Nur wenn wir dafür sorgen, dass unser Grundwasser gar nicht erst verunreinigt wird, können auch nachfolgende Generationen von dieser Ressource profitieren.

Vorsorglicher Schutz

Es gibt drei Stufen für den vorsorglichen Schutz: Schutzzonen, Zuströmbereich und Vermeidung an der Quelle (bspw. bei PFAS). Die planerischen Instrumente für den vorsorglichen Schutz des Grundwassers sind in der Gesetzgebung vorhanden. Die Schutzzonen gewährleisten dabei hauptsächlich den Schutz der Fassung vor mikrobiologischen Verunreinigungen. Vor Spurenstoffen können sie die Fassung aber nicht schützen. Dazu ist die Bezeichnung des Zuströmbereiches notwendig. Der Zuströmbereich umfasst dabei das Areal, aus dem rund 90 Prozent des Rohwassers stammen, das zur Trinkwassergewinnung genutzt wird. Im Zuströmbereich einer Trinkwasserfassung dürfen keine Stoffe eingesetzt werden, die zu Konzentrationen über 0,1 Mikrogramm pro Liter in der Fassung führen. Damit können die Trinkwasserressourcen effektiv vor den Verunreinigungen durch Pestizide geschützt werden. Dazu müssen die Zuströmbereiche aber bestimmt und bezeichnet sein. Dieser Prozess ist anspruchsvoll, aufwendig und verlangt neben den hydrogeologischen Analysen vor allem einen intensiven Dialog mit der Bevölkerung und den betroffenen Interessengruppen.

Was tut der SVGW?

Die SVGW-Geschäftsstelle setzt sich auf politischer Ebene dafür ein, dass der Bund die Kantone bei der Bestimmung der Zuströmbereiche finanziell unterstützt und gleichzeitig eine Frist für die Bezeichnung setzt. Ausserdem macht sich die Geschäftsstelle dafür stark, dass eine mehrstufige Aufbereitung erst dann zum Einsatz kommt, wenn alle Möglichkeiten des vorsorglichen Ressourcenschutzes umgesetzt wurden. Mit der «W2 Richtlinie für die Qualitätssicherung in Grundwasserschutzzonen» existiert bereits ein SVGW-Regelwerk, das Versorger bei der Bezeichnung der Schutzzonen und deren Überwachung unterstützt. In der aktuellen Überarbeitung dieser Richtline ist vorgesehen, auch den Umgang mit Zuströmbereichen zu integrieren.

Dossier Grundwasserschutz im Wasserspiegel Nr. 2024 

Die Wasserversorgung ist kein Reparaturbetrieb: ĂĽber den anspruchsvollen Umgang mit chemischen Verunreinigungen

«Ich verspreche mir einiges vom Zuströmbereich»: Interview mit Lawrence Och vom  Amt für Umwelt im Kanton Thurgau

Wasseranalysen lohnen sich: Regelmässige Beprobungen sind für die Bezeichnung des Zuströmbereichs erforderlich (Veröffentlichung am Donnerstag 02.01.2025)

Link zur vollständigen Ausgabe des Wasserspiegels

Kommentar erfassen

Kommentare (0)

e-Paper

«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.

Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.

Die «gazette» gibt es auch als E-Paper. Sämtliche bisher erschienen Ausgaben sind frei zugänglich.