Der Januar 2024 war im weltweiten Mittel der wärmste seit 1979. Auch in der Schweiz war es im ersten Monat im Jahr sehr mild. Lokal war es sogar einer der mildesten Januarmonate seit Messbeginn 1864. Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch hierzulande bereits deutlich spürbar. Die Veränderungen im Klimasystem führen nicht nur zu höheren Temperaturen, sondern vermehrt zu Starkregenereignissen im Winter. Sie verursachen häufigere Hitzewellen, steigende Schneefallgrenzen und eine beschleunigte Schneeschmelze. Diese Faktoren wirken sich wiederum direkt oder indirekt auf die Wasserversorgung in der Schweiz aus. Ausgeprägte Hitzewellen und Trockenheit haben in jüngster Vergangenheit wiederholt lokal zu Versorgungsengpässen geführt.
Durch die Veränderungen in der Saisonalität der Niederschläge steigt aber auch das Risiko von Hochwasser. So wurden zuletzt in der zweiten Junihälfte 2021 wegen Starkregen, heftigen Gewittern und Hagel mehrere Dörfer in der Schweiz überschwemmt, was an manchen Orten grosse Schäden verursachte. Und wir werden in Zukunft voraussichtlich öfter mit solchen Hochwassersituationen konfrontiert als bisher. Wasserversorger sollten daher ihre Gefahrenanalyse entsprechend aktualisieren, denn Hochwasserereignisse stellen gerade für die Trinkwasserversorgung eine erhebliche Bedrohung dar.
Die Auswirkungen von Hochwasser auf die Wasserversorgung können gravierend sein und haben nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Folgen für die betroffenen Gemeinden. Eines der Hauptrisiken von Hochwasser ist die Kontamination der Trinkwasserressourcen. Überflutungen verteilen Schadstoffe, Bakterien und andere Krankheitserreger auf den überschwemmten Flächen. Weil der Untergrund gesättigt ist, kann er seine Filterfunktion nicht im gleichen Masse wahrnehmen, sodass die Schadstoffe bis in den Grundwasserleiter gelangen. Landwirtschaftliche Abfälle, Industriechemikalien und kommunale Abwässer können so in die Trinkwasserressourcen geschwemmt werden, was zu einer erheblichen Verschlechterung der Rohwasserqualität führen kann und daher ein hohes Risiko für die Trinkwasserqualität darstellt.
Hochwasser kann ausserdem zu Schäden an der Infrastruktur der Trinkwasserversorgung führen. Der Eintritt von Flutwasser in das Gebäude eines Grundwasserbrunnens kann Pumpstationen beschädigen oder elektronische Steuerungselemente ausser Betrieb setzen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass Flutwasser in den Brunnenschacht gelangt, was eine aufwendige Reinigung des gesamten Brunnens zur Folge hat. Der durch Dauerregen aufgeweichte Boden ist zudem anfällig für Erosionen oder Murgänge, was Trinkwasserleitungen freilegen und zerstören kann. Die Reparatur dieser Einrichtungen ist nicht nur kostspielig, sondern erfordert auch Zeit, was zu einer vorübergehenden Unterbrechung der Wasserversorgung führen kann. Im Extremfall kann die Infrastrukturschädigung so weitreichend sein, dass ganze Gemeinden tagelang oder sogar für Wochen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bleiben.
Versorgungen, die von wenigen Trinkwasserressourcen abhängig sind, sind besonders durch Hochwasser gefährdet. Ist eine Hauptwasserquelle beeinträchtigt, haben die betroffenen Gemeinden nur begrenzte Alternativen. Generell lohnt es sich für Versorgungen, wenn sie ihre Trinkwasserressourcen diversifizieren und möglichst ein weiteres Standbein aufbauen oder die Vernetzung mit Nachbargemeinden vorantreiben. So kann in Notsituationen auf eine zweite Trinkwasserressource zurückgegriffen oder über Transportleitungen Trinkwasser von benachbarten Wasserversorgungen bezogen werden. Das ist nicht nur im Fall eines Hochwassers hilfreich, sondern stärkt generell die Resilienz der Versorgung gegenüber Naturgefahren, Verunreinigungen oder anderen Beeinträchtigungen der Trinkwasserversorgung. Gerade Grundwasserbrunnen stehen oft in topografisch tieferen Lagen und nicht selten in der Nähe von Oberflächengewässern.
Das sind gleichzeitig diejenigen Landstriche, die bei Hochwasser geflutet werden. Umso wichtiger ist dort der Gebäudeschutz. Gelangt Flutwasser in das Gebäude eines Grundwasserbrunnens, entsteht meist hoher Sachschaden. Wird zudem der Brunnenschacht verunreinigt, muss dieser aufwendig gereinigt und so lange ausgepumpt werden, bis das Rohwasser wieder klar ist. Um den Eintritt von Flutwasser zu verhindern, können spezielle Absperrungen angebracht werden, die das Gebäude bei Hochwasser schützen. Auch für den Brunnenschacht selbst existieren Vorrichtungen, die den Brunnenkopf hermetisch verschliessen und so verhindern, dass Flutwasser in den Schacht gelangen kann.
Neben baulichen Massnahmen ist die Beobachtung und Überwachung der aktuellen Hochwassersituation ein weiteres wichtiges Element. Hier bieten sich einerseits Daten von meteorologischen Diensten wie MeteoSchweiz zu Hochwassergefahren und Niederschlägen an, andererseits können die Messungen des BAFU zu Abfluss und Wasserstand relevanter Gewässer beigezogen werden, um das Risiko eines möglichen Hochwassers laufend zu evaluieren. Solche Daten lassen sich auch in die Leitsysteme der Wasserversorgung integrieren, sodass die Brunnenmeisterin oder der Brunnenmeister jederzeit die relevanten Risikoparameter im Blick hat und frühzeitig Massnahmen ergreifen kann, wenn sich ein mögliches Hochwasser im eigenen Versorgungsgebiet abzeichnet.
Führt eine Hochwassersituation zu Überschwemmungen, Murgängen oder Verunreinigung der Trinkwasserressourcen und ist die normale Versorgung mit Trinkwasser dadurch erheblich gefährdet oder unmöglich, liegt eine Notlage vor. Mit der Empfehlung W1012 bietet der SVGW eine Wegleitung für die Planung und Realisierung der Trinkwasserversorgung in Notlagen (TWN), an der sich Versorger orientieren können, wie sie sich auf die Bewältigung einer Notlage vorbereiten können.
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