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Fachartikel
28. Februar 2024

Eine Kampagne des VKCS

Trinkwasserqualität bezüglich der PFAS-Rückstände

Das Trinkwasser in der Schweiz wird von den Kantonalen Laboratorien regelmässig amtlich untersucht. Um einen Überblick über die schweizweite Belastungssituation zu erhalten und gegebenenfalls noch vor der Einführung strengerer Höchstwerte proaktiv Massnahmen ergreifen zu können, führte der Verband der Kantonschemikerinnen und Kantonschemiker der Schweiz (VKCS) im Jahr 2023 eine umfassende schweizweite Untersuchung von Trinkwasser zum Vorkommen von PFAS im Trinkwasser durch.
Simon Meier, Peter Brodmann, Stefanie Weber, Christoph Moschet, Daniel Kull, Tim Gelmi, William Lacour, Jessica Steinmann, 

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind schwer abbaubare Chemikalien, die industriell hergestellt werden und sich in der Umwelt sowie im menschlichen und tierischen Gewebe anreichern können. Sie sind biologisch, chemisch und thermisch Àusserst stabil und werden daher als langlebige organische Schadstoffe eingestuft. Einige PFAS stehen ausserdem im Verdacht, krebserregend zu sein, teilweise existieren Verwendungsverbote.

Da die PFAS aufgrund ihrer besonderen chemischen Struktur sowohl wasser- als auch fettabweisend sind, werden sie seit Jahrzehnten in vielfĂ€ltigen industriellen Prozessen und Produkten eingesetzt, beispielsweise in der Textilindustrie (atmungs­aktive Outdoor- und Sportbekleidung), Elektronik, Papierindustrie, Farben, FeuerlöschschĂ€umen, Lebensmittelverpackungen, Teflonpfannen und Skiwachs. Wegen der hohen Anwendungs­breite gelangen PFAS in die Umwelt. Der Mensch nimmt PFAS unter anderem ĂŒber die Nahrung und das Trinkwasser auf [1].

TrifluoressigsĂ€ure (TFA) wird als Grundchemikalie fĂŒr die Produktion von fluorierten Stoffen verwendet. Gleichzeitig ist es ein Abbauprodukt zahlreicher Fluorchemikalien (z. B. PFAS). Der Haupteintrag in die Umwelt findet durch Regen (atmosphĂ€rischer Abbau von PFAS-haltigen KĂ€ltemitteln), durch das Austragen von Pflanzenschutzmitteln und durch die industrielle Einleitung ĂŒber die ARA statt. TFA kann nicht weiter abgebaut werden, ist gut wasserlöslich und dadurch sehr mobil [2].

Gesetzliche Grundlagen
PFAS

In der Schweiz gilt fĂŒr PerfluoroctansulfonsĂ€ure (PFOS) und PerfluorhexansulfonsĂ€ure (PFHxS) je ein Höchstwert von 0,3 ”g/l in Trinkwasser. FĂŒr Perfluor­octansĂ€ure (PFOA) sind maximal 0,5 ”g/l im Trinkwasser erlaubt [3].

Am 16.12.2020 wurden in der EU neue Höchstwerte fĂŒr PFAS im Trinkwasser definiert. Diese Höchstwerte sind in allen EU-Staaten seit Anfang 2023 gĂŒltig. Bis Anfang 2026 gilt eine Übergangsfrist zum Ergreifen der fĂŒr die GewĂ€hrleistung der Höchstwerteinhaltung erforderlichen Massnahmen [4]. FĂŒr die Summe von 20 perfluorierten Carbon- und SulfonsĂ€uren (C₄-C₁₃) gilt kĂŒnftig ein Höchstwert von 0,1 ”g/l und fĂŒr die Summe aller PFAS ein Höchstwert von 0,5 ”g/l.

Bereits im Juni 2020 hat die EuropĂ€ische Behörde fĂŒr Lebensmittelsicherheit (EFSA) die gesundheitlichen Risiken durch das Vorkommen von PFAS in Lebensmitteln neu bewertet. Als besonders kritisch werden die Substanzen PFOS, PFOA, PFHxS und PerfluornonansĂ€ure (PFNA) eingestuft. GemĂ€ss Bundesamt fĂŒr Lebensmittelsicherheit und VeterinĂ€rwesen (BLV) ergibt sich basierend auf dem TWI (Tolerable Weekly Intake) von 4,4 ng/kg Körpergewicht/Woche, einem angenommenen Körpergewicht von 70 kg, einer tĂ€glichen Aufnahmemenge von zwei Litern Trinkwasser und einem Beitrag von 20% des Trinkwassers zur tĂ€glichen PFAS-Aufnahme ein möglicher Höchstwert fĂŒr die vier PFAS von 4,4 ng/l Trinkwasser [5].

DĂ€nemark hat bereits beschlossen, fĂŒr die Summe von PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA in Trinkwasser einen strengeren Höchstwert von 0,002 ”g/l einzufĂŒhren [6]. In Deutschland wird ab 2028 ein Grenzwert fĂŒr die Summe der vier Stoffe von 0,02 ”g/l gelten [7].

Das BLV ĂŒberprĂŒft derzeit, ob die gesetzlichen Höchstwerte fĂŒr PFAS in Trinkwasser in der Schweiz angepasst werden mĂŒssen. Es ist frĂŒhestens 2026 mit der Aufnahme von neuen Höchstwerten ins Lebensmittelgesetz zu rechnen. Es ist davon auszugehen, dass der EU-Höchstwert von 0,1 ”g/l fĂŒr die «Summe der PFAS» in der Schweiz ĂŒbernommen wird.

TFA

TFA wird vom BLV als toxikologisch nichtrelevanter Metabolit von Pflanzenschutzmitteln eingestuft [8]. Die erlaubte Tagesdosis (ADI, Acceptable Daily In­take) betrĂ€gt gemĂ€ss EFSA fĂŒr eine 60 kg schwere Person 3 mg TFA pro Tag [9]. In Deutschland gilt fĂŒr TFA ein Trinkwasser-Leitwert von 60 ”g/l. Das heisst, eine gesundheitliche BeeintrĂ€chtigung ist bis 60 Όg/l nach derzeitiger Kenntnis nicht zu befĂŒrchten [2]. In DĂ€nemark gilt ein TFA-Höchstwert von 9 ”g/l im Trink­wasser [10].

Übersicht

Die Höchstwerte der verschiedenen LÀnder sind in Tabelle 1 zusammengestellt:

Parameter Trinkwasser-Höchstwert (”g/l) Land, GĂŒltigkeit
PFHxS 0,3 CH, aktuell
PFOS 0,3 CH, aktuell
PFOA 0,5 CH, aktuell
Summe der PFAS 0,10 EU, ab 2026
PFAS gesamt 0,50 EU, gilt erst, wenn Methode verfĂŒgbar ist
Summe PFOS, PFOA, PFHxS, PFNA 0,002 DK, aktuell
Summe PFOS, PFOA, PFHxS, PFNA 0,0044 Berechnung BLV, basierend auf dem TWI der EFSA
Summe PFOS, PFOA, PFHxS, PFNA 0,02 DE, ab 2028
TFA 9 DK, aktuell
TFA 60 DE, aktuell (Leitwert)

Tab. 1 Zusammenstellung verschiedener Höchstwerte.

Motivation
PFAS

Bis vor dieser Kampagne wurde das Schweizer Trinkwasser nur vereinzelt auf PFAS untersucht. Die bisher durchgefĂŒhrten Untersuchungen zeigen, dass es selten zu HöchstwertĂŒberschreitungen von PFAS in Trinkwasser kommt. Sollten die Höchstwerte der EU-Richtlinie 2020/2184 oder sogar tiefere Höchstwerte fĂŒr die vier von der EFSA beurteilten PFAS fĂŒr Trinkwasser ĂŒbernommen werden, ist davon auszugehen, dass gerade im Siedlungsgebiet weitere Wasserversorgungen betroffen sein könnten [11].

Der VKCS war deshalb der Ansicht, dass mit der DurchfĂŒhrung einer schweizweiten Kampagne PFAS-belastete Trinkwasserversorgungen erkannt werden können und allenfalls betroffene Wasserversorgungen die Umsetzung von Massnahmen schon vor der Inkraftsetzung strengerer Höchstwerte umsetzen können.

TFA

Über das Vorkommen von TFA im Schweizer Trinkwasser ist ebenfalls wenig bekannt. Aufgrund bisher publizierter Messungen ist davon auszugehen, dass die TFA-Konzentrationen im Trinkwasser meistens im tiefen einstelligen ”g/l-Bereich liegen [12]. Die breit angelegte Probenahme der PFAS-Kampagne sollte dafĂŒr genutzt werden, um auch ĂŒber die TFA-Konzentrationen im Schweizer Trinkwasser eine umfassende Grund­lage zu schaffen.

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VORGEHEN

Probenahme

Die vorgesehenen ca. 600 Proben wurden gemĂ€ss der Bevölkerungsgrösse auf die Kantone und das FĂŒrstentum Liechtenstein aufgeteilt, wobei jedem Kanton mindestens vier Proben zugeteilt wurden. Wenn das Trinkwasser eines Kantons nur von einem oder wenigen Wasserversorgern produziert wird (z. B. Stadtkantone wie BS oder GE), wurde die Anzahl Proben durch den Probenehmerkanton auf eine sinnvolle Anzahl reduziert. Es wurden ausschliesslich Trinkwasserproben erhoben. Die Probenahmestellen wurden von den zustĂ€ndigen Kantonen so ausgewĂ€hlt, dass die Proben die Anzahl Einwohner des Kantons möglichst gut reprĂ€sentieren.

Zu jeder Probe wurden folgende Metadaten nach bestem Wissen erfasst:

  • Ursprung des Wassers (Hauptanteil)
  • mögliche Beeinflussung des Wassers
  • ungefĂ€hre Anzahl reprĂ€sentierter Konsumenten
Analytik
Substanzen

Mindestens die in Tabelle 2 aufgelisteten Substanzen wurden mit den geforderten Bestimmungsgrenzen (LOQ) analysiert.

Parameter LOQ (”g/l)
PFBA 0,005
PFPeA 0,005
PFHxA 0,005
PFHpA 0,005
PFOA* 0,001
PFNA* 0,001
PFDA 0,005
PFUnDA 0,005
PFDoDA 0,005
PFTrDA 0,005
PFBS 0,005
PFPeS 0,005
PFHxS* 0,001
PFHpS 0,005
PFOS* 0,001
PFNS 0,005
PFDS 0,005
PFUnDS 0,005
PFDoDS 0,005
PFTrDS 0,005
TFA 0,2

Tab. 2 Substanzen und geforderte LOQ (*von der EFSA toxikologisch beurteilte Substanzen).

Labore und Methoden

Die Analysen der Proben wurden an fĂŒnf Kantonalen Laboratorien (BE, BL, SG, SH, VD) durchgefĂŒhrt. PFAS und TFA wurden vorwiegend mittels FlĂŒssigchromatographie gekoppelt an die Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) analysiert. FĂŒr die Detektion von TFA wurden vereinzelt auch hochauflösende Massenspektrometer verwendet. Wenn die Proben nicht ohne Aufarbeitung analysiert wurden, erfolgte die Probenvorbereitung entweder mittels SPE (Solid Phase Extraction) oder durch Einengen der Wasserprobe.

Um die Vergleichbarkeit der Methoden zu gewÀhrleisten, haben die Analysenlabore nebst dem regelmÀssigen Erfahrungsaustausch auch an mehreren internationalen Proficiency-Tests (PT) teilgenommen. Ausserdem wurden auch reale Proben ausgetauscht und die Resultate verglichen. Die Ergebnisse der PT und Vergleichsmessungen waren sowohl zwischen den Analysenlaboren als auch im Vergleich mit den internationalen Teilnehmenden sehr zufriedenstellend.

FĂŒr die Quantifizierung der linearen und verzweigten PFAS (Isomere, Branched Form) wurde gemĂ€ss dem Leitfaden des EuropĂ€ischen Referenzlabors (EURL) fĂŒr halogenierte persistente organische Schadstoffe (POP) in Lebens- und Futtermitteln vorgegangen [13].

RESULTATE

Beschreibung der Proben

Im FrĂŒhling 2023 wurden 564 Trinkwasserproben in der gesamten Schweiz und dem FĂŒrstentum Liechtenstein amtlich erhoben. Trinkwasser mit Ursprung Grundwasser machte mit 213 Wasserproben (38%) den Hauptanteil aus. Bei 176 Proben (31%) wurde Quellwasser als Hauptanteil angegeben. 146 Trinkwasserproben (26%) waren Mischungen aus Wasser verschiedenen Ursprungs. Nur bei 29 Proben (5%) machte OberflĂ€chenwasser den Hauptanteil aus. Damit widerspiegeln die Proben dieser VKCS-Kampagne mehr oder weniger die vom SVGW publizierte Verteilung der Trinkwassergewinnung nach Wassertyp in der Schweiz [14]. Zu jeder Probe wurde angegeben, wie viele Konsumentinnen und Konsumenten mit dem von der Probe reprĂ€sentierten Trinkwasser versorgt werden. Bei den meisten Kantonen bewegt sich der Anteil reprĂ€sentierter Konsumierende zwischen 55 und 85%. Auf die gesamte Schweiz bezogen wird das beprobte Trinkwasser von ca. 71% der Schweizer Bevölkerung konsumiert. Die Kampagne reprĂ€sentiert somit einen guten Teil des in der Schweiz konsumierten Trinkwassers.

Detektierte Substanzen
20 PFAS – Einzelsubstanzen

In 306 von 564 Trinkwasserproben (54%) wurden keine der 20 PFAS ĂŒber der Bestimmungsgrenze (LOQ) detektiert. Die langkettigen PFAS mit einer KohlenstoffkettenlĂ€nge ≄C₉ (PFUnDA, PFDoDA, PFTrDA, PFNS, PFDS, PFUnS, PFDoS, PFTrS) wurden in keiner der erhobenen Proben nachgewiesen. Dieser Befund ist plausibel. Selbst wenn langkettige PFAS in der Umwelt vorkommen, ist davon auszugehen, dass diese an Böden und Sedimenten adsorbieren, sodass sie im Trinkwasser nicht mehr nachweisbar sind.

Die kĂŒrzerkettigen und gut wasserlös­lichen PFAS hingegen wurden hĂ€ufig im Trinkwasser detektiert. In 258 Proben (46%) konnten 1 oder mehrere der 20 PFAS ĂŒber der Bestimmungsgrenze nachgewiesen werden. Folgende Substanzen wurden in absteigender HĂ€ufigkeit nachgewiesen: PFOS, PFHxA, PFOA, PFBA, PFHxS, PFBS, PFPeA, PFHpA, PFPeS, PFHpS, PFNA, PFDA (Fig. 1). Drei davon (PFOS, PFOA und PFHxS) gehören zu den vier PFAS, die von der EFSA toxikologisch bewertet wurden. PFNA und PFDA wurden nur in fĂŒnf resp. einer Probe bis maximal 0,001 ”g/l nachgewiesen (Fig. 1).

TFA

TFA wurde in 560 von 564 analysierten Trinkwasserproben (99%) nachgewiesen (Fig. 1). Dies wurde aufgrund der bisherigen Daten sowie der Substanzeigenschaften (sehr gut wasserlöslich, Àusserst stabil) erwartet.

DISKUSSION

Beurteilung der Werte nach aktuellem Recht

In keiner der 564 erhobenen Trinkwasserproben werden die aktuell in der Schweiz gĂŒltigen Höchstwerte gemĂ€ss TBDV ĂŒberschritten.

Einordnung der Messwerte anhand von Regelungen (EU oder andere)
Summe 20 PFAS

Bei den Proben mit Positivbefunden wurde die «Summe der PFAS» gemĂ€ss der EU-Richtlinie 2020/2184 aus den Konzentrationen der 20 analysierten PFAS berechnet. Von den 258 Proben (46%), in denen PFAS nachgewiesen werden konnten, liegt die Summe 20 PFAS bei den meisten Proben (245 Proben) zwischen dem LOQ und 0,05 ”g/l. Lediglich bei acht Proben (1,4%) liegt die Summe 20 PFAS zwischen 0,05 und 0,1 ”g/l (Bereich zwischen dem halben Höchstwert und dem Höchstwert). Der kĂŒnftig in der EU gĂŒltige Höchstwert von 0,1 ”g/l wurde nur bei 5 von 564 analysierten Proben (0,9%) ĂŒberschritten (höchster Wert 0,436 ”g/l, vgl. Fig. 2). Es fĂ€llt auf, dass in diesen Proben mehrere PFAS detektiert wurden und jeweils eine oder zwei Substanzen (PFOS, PFHxA, PFBA oder PFPeA) deutlich höher konzentriert waren als die anderen. Davon gehört nur eine Substanz (PFOS) zu den vier von der EFSA toxikologisch beurteilten Substanzen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die hoch konzen­trierten PFAS eher auf Punktquellen (z. B. BrandschutzĂŒbungsplatz) als auf einen diffusen Eintrag zurĂŒckzufĂŒhren sind.

Summe 4 PFAS

Wenn mindestens eine der von der EFSA toxikologisch bewerteten vier PFAS (PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA) nachgewiesen wurde, dann wurde die Summe 4 PFAS berechnet. Als Abgrenzungskriterium fĂŒr die Konzentrationsbereiche wurden die in DĂ€nemark bzw. Deutschland festgelegten Höchstwerte der Summe 4 PFAS von 0,002 resp. 0,02 ”g/l sowie der auf dem TWI der EFSA basierende Höchstwert von 0,0044 ”g/l gewĂ€hlt. Die Anzahl Proben fĂŒr die Summe 4 PFAS sind in Figur 3 fĂŒr die verschiedenen Konzentrationsbereiche dargestellt. Von den 211 Proben (37%), in denen mindestens eine der vier PFAS (PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA) nachgewiesen wurde, liegt die Summe 4 PFAS bei 63 Proben (11%) zwischen dem LOQ und dem dĂ€nischen Höchstwert. 148 (26%) der 564 erho­benen Proben liegen ĂŒber dem dĂ€nischen Höchstwert. Der auf dem TWI der EFSA basierende Höchstwert wird von 94 Proben (17%) ĂŒberschritten. Hingegen ĂŒberschreiten nur 16 Proben (3%) den deutschen Höchstwert (höchster Wert 0,152 ”g/l). Im Gegensatz zur Summe 20 PFAS war bei der Summe 4 PFAS nicht immer eine Substanz deutlich höher konzentriert als die anderen. Es fĂ€llt zudem auf, dass nicht die gleichen Proben bei der Summe 20 PFAS und bei der Summe 4 PFAS auffĂ€llig sind. Daraus lĂ€sst sich schliessen, dass die vier von der EFSA toxikologisch beurteilten Substanzen nicht zwingend dieje­nigen Substanzen sind, die am höchsten konzentriert vorliegen. WĂ€hrend in den 16 Proben, die den deutschen Höchstwert ĂŒberschreiten, PFOS, PFOA und PFHxS in allen Proben nachgewiesen wurden, wurde PFNA nur in 2 der 16 Proben mit jeweils 0,001 ”g/l detektiert.

TFA

In keiner der Proben wurde der in Deutschland gĂŒltige Trinkwasser-Leitwert von 60 ”g/l ĂŒberschritten. Auch die erlaubte Tagesdosis (ADI) fĂŒr TFA wird in keiner Probe ĂŒberschritten. Zwei Proben ĂŒberschreiten mit 20 ”g/l resp. 11 ”g/l jedoch den in DĂ€nemark gĂŒltigen Höchstwert von 9 ”g/l im Trinkwasser. Bei beiden Wasserversorgungen stammt das Trinkwasser aus Grundwasser, das durch Siedlung und Industrie beeinflusst ist.

Die Konzentrationsbereiche in Figur 4 wurden so gewĂ€hlt, dass die Verteilung der Konzentrationen möglichst anschaulich gezeigt werden kann. Bei 75 Proben (13%) wurden TFA-Konzentrationen zwischen 1,0 und 9,0 ”g/l bestimmt. Rund die HĂ€lfte der Proben (311 Proben, 55%) befinden sich im Konzentrationsbereich zwischen 0,50 und 1,0 ”g/l. 172 Proben (31%) liegen im Konzentrationsbereich zwischen dem LOQ und 0,50 ”g/l. Lediglich bei vier Proben (1%) konnte kein TFA ĂŒber der Bestimmungsgrenze nachgewiesen werden. Ein Ă€hnliches Bild zeigte sich auch bei Untersuchungen in Deutschland: TFA wurde flĂ€chendeckend im Grund­wasser nachgewiesen [15].

Einfluss des Wassertyps auf den PFAS-Nachweis

PFAS wurden vor allem in Trinkwasser nachgewiesen, das aus Grund- und OberflĂ€chenwasser produziert wird. Deutlich weniger oft findet man PFAS in den Proben mit dem Wassertyp Quellwasser. Eine mögliche ErklĂ€rung ist, dass Quellwasser weniger von Siedlung und Industrie beeinflusst ist. Hingegen sind bei den Proben mit den höchsten PFAS-Konzentrationen alle Wassertypen vertreten. Dies lĂ€sst vermuten, dass hohe PFAS-Konzentrationen im Trinkwasser meist auf Punktquellen zurĂŒckzufĂŒhren sind. BezĂŒglich TFA hat der Wassertyp keinen Einfluss darauf, ob TFA nachgewiesen wird oder nicht.

SCHLUSSFOLGERUNG

Mit dieser Kampagne wurde fĂŒr die Schweiz und das FĂŒrstentum Liechtenstein eine aussagekrĂ€ftige Datengrundlage zum Vorkommen von ausgewĂ€hlten PFAS im Trinkwasser generiert. Die Resultate zeigen, dass die PFAS-Belastung des Schweizer Trinkwassers weniger hoch ist als erwartet. Nach den heutigen gesetzlichen Vorgaben sind keine Massnahmen durch die Wasserversorgungen notwendig. Sollte der EU-Höchstwert «Summe der PFAS» in das Schweizer Lebensmittelrecht ĂŒbernommen werden, sind nur einzelne Wasserversorgungen betroffen und mĂŒssten Massnahmen treffen. Die PFAS-Belastungen dĂŒrften in den meisten FĂ€llen auf Punktquellen zurĂŒckzufĂŒhren sein.

Die Wasserversorgungen wurden von den zustĂ€ndigen Kantonalen Laboratorien ĂŒber die Resultate informiert. Den fĂŒnf betroffenen Wasserversorgungen, deren PFAS-Konzentrationen ĂŒber dem zukĂŒnftigen Summenhöchstwert fĂŒr PFAS von 0,1 ”g/l liegen, wurde empfohlen, WasserbezĂŒgerinnen und -bezĂŒger ĂŒber diesen Sachverhalt zu informieren. Im Hinblick auf die zu erwartende VerschĂ€rfung der aktuellen Höchstwerte durch die kĂŒnftige Übernahme der EU-Höchstwerte durch den Bund werden die Wasserversorgungen in der Pflicht sein zu klĂ€ren, mit welchen Massnahmen der zukĂŒnftige Summenhöchstwert eingehalten werden kann.

Die Kampagne zeigt zwar ein erfreuliches Bild der RĂŒckstandssituation im Schweizer Trinkwasser. Gleichwohl ist der VKCS der Meinung, dass schlecht abbaubare Stoffe nicht in die Umwelt und insbesondere nicht ins Trinkwasser gelangen sollten. Nur wenn die Trinkwasserressourcen gewissenhaft geschĂŒtzt werden, können aufwendige und teure Wasseraufbereitungsverfahren vermieden werden. Um die Konzentrationen von PFAS und TFA im Trinkwasser nachhaltig zu senken, sind Massnahmen an der Quelle gefordert. Die EU prĂŒft derzeit ein Verbot der gesamten Chemikaliengruppe der PFAS [16]. FrĂŒhestens im Jahr 2025 kann mit einer Entscheidung der EuropĂ€ischen Kommission ĂŒber diesen Vorschlag gerechnet werden. Die Übernahme der EU-Regelungen wird auch in der Schweiz geprĂŒft. Weil die Substanzen in der Umwelt extrem stabil sind, wird es auch nach einem Verbot noch Jahrzehnte dauern, bis PFAS ganz aus dem Trinkwasser verschwinden.

Von tausenden bekannten PFAS wurde im Rahmen dieser Kampagne nur ein kleiner Bruchteil an Substanzen betrachtet. Zurzeit sind noch keine analytischen Methoden verfĂŒgbar, mit denen eine viel breitere Substanzpalette an PFAS aussagekrĂ€ftig und empfindlich genug analysiert werden könnte. Die Trinkwasserversorger und die Kantonalen Laboratorien werden die Entwicklung der PFAS-Gehalte im Trinkwasser weiterhin regelmĂ€ssig ĂŒberwachen.

Bibliographie

[1] Bruch, M. (2022): Langlebige Chemikalien. Die versteckten Kosten. Nachrichten aus der Chemie. Heft 70: 42–43
[2] Adlunger, K. et al. (2021): Chemikalieneintrag in GewĂ€sser vermindern – Trifluoracetat (TFA) als persistente und mobile Substanz mit vielen Quellen. Hintergrundpapier Umweltbundesamt. Dessau-Rosslau
[3] Eidgenössisches Departement des Innern (2016): Verordnung des EDI ĂŒber Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugĂ€nglichen BĂ€dern und Duschanlagen TBDV, Stand am 1. August 2021. Bern
[4] EuropĂ€isches Parlament (2020): Richtlinie vom 16. Dezember 2020 ĂŒber die QualitĂ€t von Wasser fĂŒr den menschlichen Gebrauch. 2020/2184
[5] Schrenk, D. et al. (2020): Risk to human health related to the presence of perfluoroalkyl substances in food. EFSA Journal. 18(9): 6223
[6] EurEau (2022): PFAS in the urban water cycle. Position paper. Brussels
[7] Bundesministerium der Justiz (2023): Zweite Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023. Bundesgesetzblatt. Teil I, Nr. 159
[8] Stellungnahme des Bundesrates auf die Interpellation 21.3873 (Schneider-SchĂŒttel Ursula, 17.06.2021) vom 01.09.2021
[9] European Food Safety Authority (2014): Reasoned opinion on the setting of MRLs for saflufenacil in various crops, considering the risk related to the metabolite trifluoroacetic acid (TFA). EFSA Journal.12(2):3585, 58 pp.
[10] Königlicher Erlass (2022): Verordnung ĂŒber die WasserqualitĂ€t und die Überwachung von Wasserversorgungsanlagen vom 03.10.2022, Nr. 1383, DĂ€nemark
[11] Weber, S. (2022): Trinkwasser. Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), Studienbericht Amt fĂŒr Lebensmittelsicherheit und VeterinĂ€rwesen Basel-Landschaft vom 12.09.2022
[12] Meier, S. (2022): Trinkwasser. Ultrakurzkettige PFAS, Studienbericht Amt fĂŒr Lebensmittelsicherheit und VeterinĂ€rwesen Basel-Landschaft vom 07.12.2022
[13] European Union Reference Laboratory (EURL) for halogenated POPs in Feed an Food (2022): Guidance Document on Analytical Parameters for the Determination of Per- and Polyfluoroalkyl Substances (PFAS) in Food and Feed. Version 1.2, 11.05.2022
[14] Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW (2022): W15001 – Statistische Erhebungen der Wasserversorgungen in der Schweiz im Betriebsjahr 2021. Tabelle 2.2, Hochrechnung
[15] Sturm et al. (2023): Trifluoracetat (TFA): Grundlagen fĂŒr eine effektive Minimierung schaffen – RĂ€umliche Analyse der Eintragspfade in den Wasserkreislauf. Umweltbundesamt, Texte 102/2023
[16] ECHA/NR/23/04 (07.02.2023): PFAS restriction proposal on ECHA website echa.europa.eu

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