Das Reservoir Herrenweg in Allschwil ist das zweitgrösste Reservoir der Wasserversorgung Basel, das durch die Industriellen Werke Basel (IWB) als Gegenbehälter betrieben wird (Fig. 1). Mit insgesamt 18'000 m3 Speichervolumen (verteilt auf zwei Kammern mit je 9000 m3 Speichervolumen) wurde das Reservoir 1960 gebaut (Marcus Diener Architektur, A. Meyer-Stehelin Ingenieur) und befindet sich weitgehend im Originalzustand (Fig. 2). Das Reservoir Herrenweg soll in den nächsten Jahren saniert werden. Als Basis für die Optimierung der hydraulischen Verhältnisse und zur Sicherstellung einer homogenen Aufenthaltszeit des Trinkwassers im Reservoir wurden CFD-Simulationen (CFD = Computational Fluid Dynamics = numerische Strömungsmechanik) durchgeführt.
Die Messungen des Zu- und Ablaufs des Reservoirs Herrenweg (Fig. 3) wurden über ein Jahr hinweg ausgewertet. Beurteilt wurde jeweils der maximale 5-Minuten Mittelwert während eines Tages (blau gestrichelte Linie in Fig. 3). Demnach liegt der Minimalwert des Zulauf zum Reservoir bei rund 140 l/s. Dieser Wert wird während des Jahres mindestens einmal täglich überschritten. Hingegen unterschreitet der Zulauf den Wert von 160 l/s während ca. 30 Tagen im Jahr.
Für drei Sanierungsvarianten (Fig. 4) wurden die Strömungsverhältnisse im Reservoir Herrenweg mit Hilfe von CFD-Simulationen untersucht:
Um Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigung zu vermeiden und die Keimvermehrung durch stagnierendes Wasser zu verhindern, wird in der Literatur eine möglichst gleichmässige Erneuerung des Wassers mit Standzeiten von maximal 5 bis 7 Tagen empfohlen. In den 1970er und 1980er Jahren wurden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Diese dokumentieren, dass eine optimale Verdrängungsströmung in der Regel nicht umgesetzt werden kann. Im Rahmen der Untersuchungen zeigte sich jedoch auch, dass sich eine genügende Wassererneuerung mit einfachen Mitteln erreichen lässt. Wichtig ist dabei vor allem ein ausreichend hoher Energieeintrag [1]. Für die Dimensionierung werden in der aktuellen Fachliteratur meist die Ergebnisse der Untersuchungen von Baur und Eisenbart (1988; [2]; Fig. 5) verwendet. Demgemäss sollte ein Einlauf unter Wasser mit Richtstrahl durch eine konusförmige Verengung am Ende des Zulaufrohrs auf eine Eintrittsgeschwindigkeit von grösser 0,6 m/s bis 1,0 m/s bemessen werden.
Um die Aufenthaltszeit des Wassers im Reservoir zu beurteilen, müssen Zulauf und Ablauf über mehrere Tage simuliert werden. Die resultierende Berechnungszeit pro Szenario liegt deshalb für grosse Reservoirs im Bereich von Wochen. Aus diesem Grund wird eine sehr sorgfältige Vordimensionierung empfohlen. Folgende Betriebszustände wurden im Rahmen der Vordimensionierung des Reservoirs Herrenweg beurteilt:
Der Zulauf wurde in den drei Sanierungsvarianten für das Reservoir Herrenweg folgendermassen gestaltet (siehe auch Fig. 4):
Durchfluss | 140 l/s | 160 l/s | 400 l/s (zwei Kammern) |
400 l/s (eine Kammern) |
Strömungsgeschwindigkeit Austritt | 0,1 m/s | 0,2 m/s | 0,4 m/s | 0,8 m/s |
Druckverlust total | 0,005 mWS | 0,007 mWS | 0,04 mWS | 0,15 mWS |
Tab. 1 Strömungsgeschwindigkeit und Druckverlust im Fall von Variante 0 (Ist-Zustand).
Durchfluss | 140 l/s | 160 l/s | 400 l/s (zwei Kammern) |
400 l/s (eine Kammern) |
Strömungsgeschwindigkeit Austritt | 0,7 m/s | 0,8 m/s | 2,1 m/s | 4,2 m/s |
Druckverlust total | 0,05 mWS | 0,06 mWS | 0,39 mWS | 1,55 mWS |
Tab. 2 Strömungsgeschwindigkeit und Druckverlust im Fall von Variante 1 mit Zulaufdüse.
Durchfluss | 140 l/s | 160 l/s | 400 l/s (zwei Kammern) |
400 l/s (eine Kammern) |
Strömungsgeschwindigkeit Austritt | 0,7 m/s | 0,8 m/s | 2,1 m/s | 4,2 m/s |
Druckverlust total | 0,05 mWS | 0,06 mWS | 0,39 mWS | 1,55 mWS |
Tab. 3 Strömungsgeschwindigkeit und Druckverlust im Fall von Variante 2 mit Verteilbalken
Mittels 3D-Simulation von Strömungsvorgängen kann eine Vielzahl hydraulischer Fragestellungen untersucht werden. Durch die Auswertung der Ergebnisse können Sonderbauformen dimensioniert, bestehende Lösungen optimiert und Varianten bewertet werden. Je nach Aufgabenstellung werden Fragen zur Strömungsgeschwindigkeit, dem Wasseralter, Wellenschlag, Transport und Ablagerung von Sedimenten oder zum Effekt von Lufteintrag durch Turbulenzen beantwortet.
Für die vorliegende Fragestellung wird das etablierte Produkt FLOW-3D (https://www.flow3d.com/) eingesetzt. Die Software erlaubt eine realistische Simulation von Strömungen mit freier Oberfläche und ist damit für die Untersuchung von Fragestellungen in Wasserbau, Trinkwasser- und Abwasserhydraulik gut geeignet.
Für die Simulation wurden zwei Tage ausgewählt, an denen die Maximalwerte des Zulaufs zwischen 140 und 160 l/s lagen. Exemplarisch war dies am 17. und 18. November 2021 der Fall. Diese Werte wurden zweimal in Folge berücksichtigt, so dass eine Simulationsdauer von total 96 Stunden erreicht wurde. Der zeitliche Verlauf des Zu- und Ablaufs (Werte für eine Reservoirkammer) ist in Figur 6 dargestellt.
Ausgewertet wurde das Alter des Wassers im Reservoir für alle drei Varianten zu folgenden Zeitpunkten (siehe Fig. 6):
Die über CFD-Simulation ermittelten Aufenhaltszeiten der einzelnen Wasserpakete im Reservoir sind für die drei Sanierungsvarianten in den Figuren 7 bis 9 gezeigt. In den Darstellungen der Simulationsergebnisse nimmt die ermittelte Aufenthaltszeit von blau über grün, gelb bis hin zu rot zu.
Zur genaueren quantitativen Auswertung der Simulationsergebnisse wurden verschiedene Kontrollpunkte gesetzt und für die drei Varianten in Bezug auf die Strömungsgeschwindigkeit ausgewertet. Die Kontrollpunkte befinden sich jeweils auf einer Höhe von 2 m über dem Reservoirboden. Aus Figur 10 lässt sich erkennen, dass während der Zuleitung von frischem Wasser in das Reservoir die Strömungsgeschwindigkeit im Fall der Variante 0 (Ist-Zustand) bei 0,0025 bis 0,01 m/s liegt. Bei Variante 1 (Düse) ist sie etwa doppelt so hoch und liegt zwischen 0,005 und 0,015 m/s.
In vielen Reservoirs wird eine Verdrängungsströmung angestrebt. Deshalb werden diverse Einbauten wie Trennmauern, Verteilleitungen und Seiher geplant. Auf Basis der Strömungssimulation konnte gezeigt werden, dass diese Investitionen nicht notwendig sind. Mit einer gut dimensionierten Durchmischungsströmung können sowohl die Bau- als auch die Unterhaltskosten reduziert werden. Mit der Lösung wird eine homogene Verteilung der Aufenthaltszeit garantiert und der Druckverlust minimiert. Die vorhandenen Literaturwerte sind als Basis für die Dimensionierung auch für grosse Reservoirkammern bis zu einem Volumen von rund 9000 m3 geeignet.
Fig. 7 Variante 0 (Ist-Zustand): Verteilung Aufenthaltszeit und Strömung zu den Zeitpunkten 1, 2 und 3. Die tiefe Strömungsgeschwindigkeit führt zu einer ungleichmässigen Verteilung der Aufenthaltszeit.
Fig. 8 Variante 1 (Düse DN350): Verteilung Aufenthaltszeit und Strömung zu den Zeitpunkten 1, 2 und 3. Die höhere Strömungsgeschwindigkeit führt zu einer Zirkulation des Wassers über die ganze Kammer und in der Folge zu einer homogenen Verteilung der Aufenthaltszeit.
Fig. 9 Variante 2 (Verteilbalken): Verteilung Aufenthaltszeit und Strömung zu den Zeitpunkten 1, 2 und 3. Die nicht vollständig ausgebildete Verdrängungsströmung führt zu einer ungleichmässigen Verteilung der Aufenthaltszeit.
Bibliographie
[1] Baur, A. et al. (2019): Mutschmann/ Stimmelmayr Taschenbuch der Wasserversorgung, 17. Auflage
[2] Baur, A.; Eisenbart, K. (1988): Einfluss der Standzeit in Wasserbehältern auf die Wasserqualität. GWF Wasser/Abwasser 129(2): 109–115
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