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Fachartikel
05. Juli 2023

Trinkwasser

Effiziente Wasserversorgung dank Digitalisierung

Trockenere Sommer, heftigere Niederschläge, schneearme Winter und schmelzende Gletscher: Die Wasserversorgungssicherheit wird auch im Wasserschloss Schweiz strapaziert. Es drohen Nutzungskonflikte und Verbrauchsbeschränkungen. Dies stellt Versorgungsbetriebe vor neue Herausforderungen in Bezug auf das Wassermanagement. Die Digitalisierung bietet auch Versorgern neue Möglichkeiten, aus Daten Informationen zu generieren und somit mehr Transparenz zu schaffen – ein intelligenter Datenservice steht dabei im Zentrum.
Marc Länzlinger 

Nach dem Trockensommer 2022 stellte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) heuer bereits im Februar eine auffallende Trockenheit aufgrund von fehlenden Niederschlägen fest. Seither vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserversorgung aufmerksam gemacht wird.

Wasserversorger sind gefordert

Die Folgen sind auch für die Wasserversorger greifbar und es stellen sich viele Fragen: Reichen meine Wasserressourcen aus? Wie entwickelt sich mein Verbrauch und der Austausch mit den Nachbarversorgern? Welche Möglichkeiten habe ich, den Wasser- und Energieverbrauch zu optimieren? Und: Wie erkenne ich frühzeitig Ausnahmesituationen und leite daraus die richtigen Massnahmen ab? Um diese Fragen zu beantworten, sind primär zuverlässige Daten notwendig.

Fehlende Datengrundlage

Es werden bereits heute relevante Daten vom Versorger im Leitsystem gesammelt, ein überregionaler Überblick fehlt jedoch meist. Der Datenaustausch mit den kantonalen Behörden erfolgt bisher mittels einer jährlichen Statistik, über die manuelle Eingabe von Informationen. Diese heutige Praxis ist nicht nur zeitintensiv und langsam, sondern kann auch fehleranfällig sein. Zudem fehlten bis heute Möglichkeiten, die Daten systematisch auszutauschen und zu aggregieren. Insbesondere auf nationaler Ebene gibt es kaum Informationen über den Wasserbedarf und das Wasserdargebot.

Bis vor wenigen Jahren fiel dieser historisch gewachsene Flickenteppich in Bezug auf die Datenerfassung in der Wasserversorgung nicht ins Gewicht, weil immer genügend Wasserressourcen vorhanden waren. Müssen aber heute und in Zukunft potenzielle Nutzungskonflikte identifiziert, Risikoabschätzungen gemacht und entsprechende Massnahmen getroffen werden, reichen weder Qualität noch Quantität der bisherigen Daten aus: Eine gesamtheitliche und integrierte Datenbasis ist hierfür unerlässlich. Eine moderne und offene Datenplattform würde es ermöglichen, alle relevanten Daten in einheitlichem Format zu erheben, zentral zu sammeln und so aufzubereiten, damit die Wasserversorger und weitere verantwortliche Stellen über nützliche Informationen und eine solide Entscheidungsbasis verfügen.

Schritt 1: Verbesserung der Informationsgrundlage

Für ein kantonales bzw. regionales Wassermanagement und letztlich auch ein nationales Wasserbedarfsmonitoring ist es daher wichtig, dass die Informationsgrundlage der Wasserdaten verbessert wird: Es wird eine gesamtheitliche, standardisierte und strukturierte Datenbasis benötigt, die eine Systemunabhängigkeit bietet. Hierbei sollen die Informationen möglichst automatisiert und regelmässig erhoben werden, damit auch kurzfristige, saisonale Schwankungen erkennbar sind. Zudem ist es sinnvoll, die Daten in einem einheitlichen Format zu erheben, damit sie effizienter und ohne Interpretationshilfe ausgetauscht werden können.

Schritt 2: Automatischer Datenaustausch

In Zeiten einer drohenden Ressourcenverknappung ist die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stellen besonders wichtig. Heute findet der Datenaustausch zwischen den Wasserversorgern und weiteren Akteuren mehrheitlich punktuell statt, wobei die Daten nicht immer mit den bestehenden Systemen kompatibel oder die nötigen Schnittstellen vorhanden sind. Eine effiziente Nutzung und aussagekräftige Interpretation der Daten sind dadurch kaum möglich.

Die Zukunft des Wassermanagements ist digital

Die Möglichkeiten der Digitalisierung bieten auch im Bereich des Wassermanagements zahlreiche Opportunitäten: Die Firma Rittmeyer AG stellt eine Datenplattform zur Verfügung, die es Versorgern, Kantonen und Bund ermöglicht, Daten über Wassernutzung und Wasserversorgung sicher einzusehen und auszutauschen. Dieser vereinfachte Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen und Quellen verbessert die Informationslage zur Wasserversorgung für alle Beteiligten signifikant und senkt die Fehlerquellen. Zudem können Daten aggregiert und besser interpretiert werden, sodass zuverlässige Prognosen und ein gezieltes Wassermanagement möglich sind. Die Datenplattform wird in Zusammenarbeit mit den Versorgern weiterentwickelt und laufend ausgebaut.

Daten aus einem Leitsystem oder anderen Systemen können dank eines Dashboards einheitlich aufbereitet und verständlich dargestellt werden sowie mit den relevanten Partnern, bspw. Behörden oder Nachbarversorgern, in nahezu Echtzeit und automatisch geteilt werden. Dank der Möglichkeit, Daten aus unterschiedlichen Quellen zu aggregieren, können neue Informationen und Erkenntnisse gewonnen und akkurate Prognosen erstellt werden. Figur 1 zeigt die Idee einer zentralen Datenplattform.

Für ein Datenmanagementsystem ist folgende Auswahl an Daten von Interesse:

  • Wasserdargebot (Quellwasser, Grundwasser, Uferinfiltrat, Seewasser)
  • Nutzungs- und Bedarfsdaten (idealerweise unterteilt in unterschiedliche Bezüger)
  • Wasserqualitätsdaten
  • Entnahmemengen aus Gewässern für Landwirtschaft
  • Wassermengen in Gewässern
  • Gewässer- und Grundwassertemperatur
  • Wetterdaten (Niederschlagsmengen in Form von Regen und Schnee)

Aktives Datenmanagement

Jede Wasserversorgung ist einzigartig und hat folglich auch unterschiedliche Bedürfnisse. Bei einer Einführung eines Datenmanagementsystems muss ein Versorger zuerst für sich definieren, welche Daten für ihn relevant sind und welche nicht. Für diese Definition bietet sich an, die W1014 «Empfehlung für die Datenerfassung und -auswertung bei Wasserversorgern» des SVGW als Grundlage zu nutzen. Zudem sollte bei der Definition auch dem überregionalen Aspekt Beachtung geschenkt werden, also welche Informationen könnten für die Nachbarversorger oder kantonale Behörden von Interesse sein. Sind die Daten definiert, gilt es diese zu normalisieren, was es erheblich einfacher macht, diese mit Daten aus anderen Quellen in einem Datenmanagementsystem zu vergleichen und in Relation zu setzen. Sobald diese Daten in der entsprechend standardisierten Form und in einer geeigneten Periode erhoben werden, können sie zielgerichtet von allen Anspruchsgruppen genutzt werden. Dem Versorger stehen beispielsweise folgende nutzenstiftende Anwendungen zur Verfügung:

1. Prognosen und Zukunftsszenarien

Die systematisch erhobenen Daten ermöglichen die Erstellung von Zeitreihen und darauf basierend in die Zukunft gerichtete Modelle und Prognosen. Damit kann ein wesentlicher Beitrag geleistet werden für Frühwarnsysteme und eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage für die strategische Ausrichtung des eigenen sowie überregionalen Wassermanagements. In der Praxis stehen hierzu unterschiedliche Darstellungsformen zur Verfügung wie Diagramme oder Tabellen. Dabei ist es wichtig, je nach Art der Daten und der daraus zu gewinnenden Information, eine geeignete Darstellungsform zu wählen, so dass die gewünschten Informationen schnell und intuitiv interpretierbar sind. Nur so kann für den Anwender ein gewinnbringender Nutzen generiert werden. Figur 2 gibt einen Überblick über mögliche Darstellungsformen.

2. Automatisierter Datenaustausch

Sobald die Daten in einem standardisierten Format zur Verfügung stehen, kann ein automatischer, periodischer Austausch mit den Akteuren (z.B. Behörden und Institutionen) über eine API-Schnittstelle realisiert werden. Dadurch kann die Informationsgrundlage in qualitativer Hinsicht und das Verständnis der überregionalen Zusammenhänge aller Akteure in der Wasserwirtschaft nicht nur für Behörden und Institutionen, sondern auch für den Versorger verbessert werden. Im Weiteren kann die Effizienz auf allen Stufen gesteigert sowie die Fehlerquote minimiert werden.

In der Vergangenheit wurde in der Regel einmal jährlich eine Datenerhebung bei den Versorgern durch die kantonalen Behörden vorgenommen. Die erhobenen Daten sind jedoch lediglich Durchschnittsdaten über das ganze Jahr. Zusammenhänge von Wasserbedarf und -verbrauch mit klimatischen Bedingungen sind dabei kaum erkennbar. Mit der Verfügbarkeit von Tageswerten für Grundwasserdaten (z.B. Bezugsmenge, Grundwasserstand, Temperatur), die von jedem Versorger regelmässig an eine zentrale Datenplattform übermittelt und mit Wetterdaten wie Temperatur und Niederschlagsmenge aggregiert werden, können kantonale Behörden gezielt Massnahmen planen. Davon profitiert letztlich nicht nur der Versorger, sondern auch die zu versorgenden Anspruchsgruppen.

3. Berichte

Die so erhobenen Daten finden vielfältige Verwendung, so auch für Berichte, die automatisch aus den verfügbaren Daten generiert werden können. Zudem besteht die Möglichkeit, bedarfsgerechte Dashboards auf jeder Stufe zu erstellen: Der Akteur erhält genau jene Daten, die er benötigt, sei es der Brunnenmeister, der eine schnelle Zusammenfassung über die für ihn wichtigen, aktuellen Anlagendaten haben möchte, oder sein Vorgesetzter, der statistische Auswertungen benötigt. Mit den bestehenden Daten können also neue und bedarfsgerechte Informationen verfügbar gemacht werden.

Die Vereinfachung liegt auf der Hand: Für monatliche oder jährliche Berichte müssen Kennzahlen teilweise händisch aus unterschiedlichen Systemen zusammengesucht und -gerechnet werden, oftmals in einfachen Excel-Tabellen. Diese Aufgabe kann fortan automatisiert erledigt werden, was Zeit spart und die Fehleranfälligkeit verringert.

4. Datenaustausch mit Umsystemen

Auch durch eine gezielte Online-Entkopplung des Leitsystems einer kritischen Infrastruktur können Daten daraus auf sichere Art und Weise über die Datenplattform mit verschiedenen Umsystemen ausgetauscht werden. Umsysteme werden so über gängige Schnittstellen angebunden, ohne direkten Zugriff auf das Leitsystem zu haben (Fig. 3). Dies bietet einem Versorger Sicherheit, zusätzliche Automatisierungsmöglichkeiten und somit mehr Effizienz. Durch die voranschreitende Digitalisierung bieten sich einem Versorger stets neue Möglichkeiten, sein System noch effizienter zu überwachen. Mit der angestrebten Datenplattform können beispielsweise batteriebetriebene Durchflussmessgeräte, die ihre Daten mit IoT-Technologien an ein Umsystem übertragen, ganz einfach über eine bestehende Schnittstelle angebunden und mit dem Leitsystem ausgetauscht werden.

5. Datensicherheit

Das Thema Datensicherheit ist dabei von grosser Bedeutung. Die W1018 «Minimalstandard für die Sicherheit der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Wasserversorgung» ist für einen sicheren Datenaustausch zwingend einzuhalten und bei der angestrebten Datenplattform ein absolutes Muss: Denn ein sicherer Datenaustausch zwischen dem Leitsystem und den Akteuren ist eine zwingende Voraussetzung für das Funktionieren und das Vertrauen in die Datenintegrität bzw. -qualität.

In der Praxis wird in einer DMZ (Demilitarisierte Zone) ein speziell sicherheitsgehärteter Gateway platziert. Dieser stellt sicher, dass jegliche Kommunikation aus und mit dem Leitsystem mit zweifach Authentifizierung stattfindet, kontrolliert und protokolliert wird. Damit ist zusätzlich zur Firewall sichergestellt, dass entsprechende Daten nur mit definierten Empfängern ausgetauscht werden können.

Zusammenarbeit mit Versorgern als wichtige Basis

Um das beschriebene, überregionale Potenzial zu erschliessen, ist die Bereitschaft der Beteiligten zum Teilen von Daten resp. zum Datenaustausch eine Grundvoraussetzung. Denn das Datenmanagementsystem ist immer nur so gut, wie die Qualität der Daten, mit der das System gefüttert wird. Insofern sind die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und der politische Wille, neben der technischen Umsetzung der Datenplattform, zentrale Faktoren, für das Gelingen eines integrierten Wassermanagementsystems.

Fazit

Mit einem Datenmanagementsystem können die Herausforderungen einer klimatisch bedingten drohenden Wasserknappheit nicht gelöst werden. Eine integrierte Datenplattform kann Wasserversorgern jedoch helfen, die Ressource Wasser und seine Infrastruktur gezielter und effizienter zu nutzen, indem vorhandene Daten aus unterschiedlichen Quellen zentral gesammelt und daraus neue Informationen generiert werden, wie beispielsweise die Entwicklung des Quellertrags oder des Wasserbedarfes in Abhängigkeit zum Niederschlag und Temperatur. Zudem können Daten mit Umsystemen und Partnern sicher geteilt werden. Bisherig manuelle Prozesse und Arbeitsschritte können automatisiert und vereinfacht werden.

Durch die qualitative Verbesserung der Daten können zudem fundiertere Prognosen über drohende Wasserknappheit oder Versorgungsengässe gemacht werden. Das Erschliessen der erwähnten Vorteile bedingt eine gute Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten und insbesondere den Willen, Daten weiterzugeben und zu teilen.

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