Bereits vor 170 Jahren wurde die erste Wasseruhr entwickelt und damit die verbrauchsabhängige Verrechnung eingeführt. Während sich unsere Welt seit dieser Zeit komplett verändert hat, werden die Zählerstände zum Teil heute immer noch manuell abgelesen.
Für das Ablesen der Zählerstände vor Ort durch Mitarbeitende des Versorgungsunternehmens gibt es nach wie vor zahlreiche gute Gründe, vor allem dass dabei Installationsmängel aufgedeckt und die Eigentümer für mögliche Wasserverluste sensibilisiert werden können. Durch den Besuch vor Ort kann der Endverbraucher innert kürzester Zeit auf wichtige Punkte aufmerksam gemacht werden, wie:
Nicht zuletzt ist auch die Gefahr kleiner, dass ein Endverbraucher betrügt, wenn jährlich eine Auslesung stattfindet.
Doch es wird zunehmend schwieriger, die Zähler vor Ort abzulesen, weil in immer mehr Haushalten tagsüber niemand mehr angetroffen wird. Deshalb gab es in den letzten 20 Jahren viele Neuentwicklungen, um den Ableseprozess zu automatisieren und zu vereinfachen (Fig. 1). Bewährt hat sich, die Verbrauchsdaten der Wasserzähler mittels Funk und eines M-Bus-Protokolls1 zu versenden. Dieses Protokoll ist ausreichend verschlüsselt und wird im Vorbeifahren (z. B. aus dem Auto oder vom Fahrrad aus) von einem Empfangsgerät abgespeichert. Die Daten werden anschliessend in das Verrechnungssystem des Versorgungsunternehmens exportiert, um die Rechnungen zu versenden. Das Funksignal kann auch von einer fixen Installation – beispielsweise einem Smart Meter – empfangen werden. Zudem besteht die Möglichkeit, diese Verbindung per Kabel zu erstellen, wodurch auf einen funkenden Wasserzähler verzichtet werden kann.
Neue Technologien wie LoRaWAN2 und NB-IoT3 bieten die Möglichkeit, eine Grosszahl von Zählern über zentrale Antennen auszulesen. Die grösste Herausforderung ist dabei die Durchdringung der Funksignale. Wenn beispielsweise der Wasserzähler im Keller hinter dem Waschturm versteckt ist, kann das Signal abgeschwächt werden. Dieses Problem lässt sich mithilfe von zusätzlichen Antennen beheben. Wie oft die Zählerdaten übermittelt werden, kann fast beliebig gewählt werden, das Intervall hat aber einen direkten Einfluss auf die Batterielebensdauer der Sendemodule. Verschiedene technische Lösungen werden im Fachbericht «Mehrwert durch Multi Utility im Smart Metering» im Aqua & Gas 11/2019 detailliert vorgestellt.
1 Der M-Bus, kurz für Meter-Bus, ist eine technische Norm, durch deren Anwendung Verbrauchswerte als Messdaten übertragen werden können.
2 LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) ist eine Low Power Wide Area Network- (LPWAN- oder Niedrigenergieweitverkehrnetzwerk-)Spezifikation fĂĽr drahtlose, batteriebetriebene Systeme in einem regionalen, nationalen oder auch globalen Netzwerk. LoRaWAN zielt dabei auf die wichtigsten Anforderungen des IoT (Internet of things).
3 NB-IoT (Narrow Band Internet of Things) ist eine auf etablierten Standards basierende Funktechnologie, die zur Familie der Low Power Wide Area Networks (LPWAN) gehört.
In der Vergangenheit wurden die Zählerdaten fast ausschliesslich genutzt, um die jährlichen Wasserrechnungen zu erstellen. Dies wird auch in Zukunft der Hauptnutzen sein, doch die neue Generation von Wasserzählern bieten darüber hinaus zusätzliche Chancen für die Wasserversorger. Mit der Messung der Wassertemperatur oder auch der Leckage-Erkennung kann der Betreiber den Endkunden neue Dienstleistungen anbieten. Um solche Geschäftsmodelle zu entwickeln, muss die Übermittlungshäufigkeit der Warnungen – die Leckage-Warnung wird beispielsweise aktiviert, wenn während eines bestimmten Zeitraums der gemessene Durchfluss nie unter einen definierten Schwellwert fällt – erhöht werden. Da auf diese Weise deutlich genauere Verbrauchsinformationen übermittelt werden, darf der Datenschutz nicht vernachlässigt werden.
In der Bundesverfassung, Artikel 13 «Schutz der Privatsphäre», Absatz 2, heisst es: «Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten.» Dieses Grundrecht besagt, dass jede Person selbst bestimmten kann, welche Informationen von ihr bearbeitet werden dürfen. Damit dies in der Realität umgesetzt wird, muss das Versorgungsunternehmen gegenüber dem Endkunden klar kommunizieren, welche Daten wie genutzt werden. Dies ist mit einem Detailhändler vergleichbar, bei welchem die Kundenkarte für zusätzliche Zwecke verwendet wird.
Wenn an einem Wasserzähler mehrere Haushalte angeschlossen sind, kann aus den erfassten Daten nicht auf das Verhalten eines einzelnen Verbrauchers geschlossen werden. Dadurch ist in diesem Fall der Schutz der Privatsphäre gewährleistet.
Anders sieht es aus, wenn der Wasserzähler nur die Daten eines Haushaltes aufzeichnet. Je kürzer das Aufzeichnungsintervall, desto grösser sind die Möglichkeiten für Schlussfolgerungen.
Aus diesen lässt sich erkennen, an welchen Tagen am meisten Wasser benötigt wird. Vergleichsweise hohe Werte weisen auf einen Pool, regelmässige Rasenbewässerung oder häufiges und langes Duschen hin. Wenn die Werte über mehrere Tage hinweg tief bleiben, kann dies auf eine Ferienabwesenheit hindeuten.
Wie in Figur 2 dargestellt, kann aus den Stundendaten bereits deutlich mehr interpretiert werden: Im gezeigten Fall wurde der interne Datenlogger des Wasserzählers ausgelesen, nachdem der Kunde die Genauigkeit des Zählers angezweifelt hatte. Die Auswertung ergab, dass der Durchfluss während rund 36 Stunden konstant bei 1,5 m3/h lag. Dem Endverbraucher konnte so belegt werden, in welchem Zeitrahmen sein Wasserhahn geöffnet war. Aus der Übersicht der Spitzenverbrauchswerte im Verlauf eines Tages können Verhaltensmuster ausgemacht werden. Daraus kann beispielsweise geschlossen werden, wann der letzte Toilettengang war.
Werden die erfassten Werte über Funk übertragen, sind so kurze Intervalle nicht sinnvoll, da die Batterielebensdauer zu sehr belastet wird. Erfolgt die Datenübertragung via Kabel oder werden die Daten durch einen Datenlogger oder im Leitsystem aufgezeichnet, stellt die minütliche Erfassung kein Problem dar. Mithilfe von Minutenwerten können die Duschdauer, der Waschmaschinenverbrauch, die Anzahl WC-Spülungen usw. grob gemessen werden. Eine Auswertung muss in diesem Fall aber automatisiert erfolgen, da die Datenmengen zu gross sind.
Werden die Minutenwerte des Wasserzählers mit denjenigen des Stromzählers kombiniert, wird buchstäblich das Tagebuch der Bewohner eines Haushalts geöffnet. Mittels künstlicher Intelligenz können diese Werte durch Lernen, Schlussfolgern und Selbstkorrektur analysiert werden. Dieses Szenario ist noch nicht Realität und es wird auch eine Weile dauern, bis es technisch umgesetzt werden kann. Es lässt jedoch erahnen, in welche Richtung sich die Digitalisierung von Wasserzählern (und anderen Zählern) bewegt.
Die Gasversorgungsunternehmen gehen heute bereits einen Schritt weiter als die Wasserversorger. In der Vergangenheit wurden Balgengaszähler wie Wasserzähler abgelesen. Doch mit dem Entscheid der Wettbewerbskommis-
sion (WEKO) vom 4. Juni 2020, den Gasmarkt in der Zentralschweiz vollständig zu öffnen, wie auch mit der Erarbeitung des Gasversorgungsgesetzes hat sich die Ausgangslage verändert. Jeder GasbezĂĽger, egal wie gross, bekommt die Möglichkeit, das Gas beim Gasversorgungsunternehmen (GVU) seiner Wahl einzukaufen. Als Grundlgage fĂĽr die Abrechnung ist mehr als ein Zählerstand pro Jahr erforderlich. Verschiedene Netzgebiete orientieren sich dabei an der SVGW-Empfehlung G1003 «DatenĂĽbermittlung mittels CSV». Gemäss Entscheid der Gas-Hauptkommission vom 26. August 2014 wird in der G1003 das ebIX-Format, ein vom «European forum for energy Business Information eXchange»4 herausgegebenes Dateiformat, als Standard fĂĽr den Datenaustausch festgelegt. Wichtigster Punkt im Vergleich zur Wasserversorgung ist, dass als Standard punkto Periodizität Stundenwerte definiert sind. Die Versorger sind gefordert, die Erfassung der Stundenwerte kostengĂĽnstig zu realisieren, da die InÂfrastruktur bei vielen Kunden dafĂĽr noch nicht vorhanden ist. LoRaWAN hat sich als eine gute Lösung bewährt.
Eine Marktöffnung wie beim Gasmarkt ist beim Wasser nicht zu erwarten und wäre kaum realisierbar. In der Schweiz unterliegt die Wasserversorgung dem Kostendeckungsprinzip. Der Ertrag darf die Kosten grundsätzlich nicht oder nur geringfügig übersteigen. Somit ist eine Notwendigkeit aus Kostengründen nicht gegeben.
4 Das «European forum for energy Business InforÂmation eXchange» ist eine gemeinnĂĽtzige Organisation, die bezweckt, den DatenÂausÂtausch im Umfeld der EnergieÂwirtÂschaft voranÂÂzutreiben und zu entwiÂckeln.
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Es zeigt sich, dass die Digitalisierung viele Vorteile bringt:
DemgegenĂĽber stehen aber auch einige Nachteile:
Ein wesentliches Merkmal der Digitalisierung ist der Anfall von immer grösseren Datenmengen, aus denen verschiedene Informationen herausgelesen werden können. Aus DatenschutzgrĂĽnden ist es im Falle von Smart Metering jedoch erforderlich, dass nicht nur der Wasserversorger, sondern auch der Endkunde von den erhobenen Daten und deren Auswertung profitieren kann. Deswegen ist eine GrundvoÂraussetzung, dass klar geregelt ist, welche Daten zu welchem Zweck erhoben werden.
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Urs Imholz ist Geschäftsführer der GWF MessSysteme AG und Mitglied der Taskforce «Smart Metering», die der SVGW-Arbeitsgruppe S-AG 8 «Wirtschaft und Recht» unterstellt ist. Im folgenden Interview geht er auf einige Aspekte einer digitalisierten und vernetzten Wasserversorgung ein und legt deren Chancen und Herausforderungen dar.
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Was macht GWF in Bezug auf die Digitalisierung der Wassernetze?
Mitte der 1990er-Jahre brachte GWF die GWFCoder®-Datenschnittstelle auf den Markt und stellt seither den Kunden eine Datenschnittstelle für Gas- und Wasserzähler zur Verfügung, die dadurch automatisiert ausgelesen werden können. Seit über 15 Jahren lesen viele Wasserversorger ihre Zähler mit einer mobilen Funklösung aus. Damit haben sie den Verrechnungsprozess digitalisiert. Künftig werden die Wasserzähler vermehrt über Ecosysteme wie LoRaWAN ausgelesen oder an einen smarten Stromzähler angebunden. GWF entwickelt seit ein paar Jahren zudem eigene Softwarelösungen. Künftig können Wasserversorger damit die Wasserbilanz ihrer Netze monitoren und erhalten auf diese Weise netzdienliche Informationen zur vorbeugenden Instandhaltung. Weiter wird damit die Transparenz für den Wasserverlust im Netz geschaffen.
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Was mĂĽssen die Wasserversorger beachten?
Der Einsatz von digitalen Lösungen generiert viele nützliche Daten. Es ist wichtig, dass die Nutzung der Daten korrekt ausgewiesen wird, damit keine Verletzung der Grundrechte für die Endkunden passiert. In Einzelfällen müssen die Werkvorschriften angepasst werden. Weiter müssen die Wasserversorger entscheiden, ob sie digitale Prozesse selbst bewirtschaften oder hierfür Dienstleister beauftragen. Auf jeden Fall müssen die Kompetenzen in Informations- und Kommunikationstechnologien aufgebaut werden.
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Wie hoch ist der Digitalisierungsgrad der Schweizer Wasserversorger heute? Wie wird es wohl in 10 Jahren aussehen?
In Bezug auf die automatisierte Auslesung der Verbrauchsdaten haben heute bereits eine Vielzahl der Wasserversorger digitale Lösungen im Betrieb. Als nächsten Schritt werden vermehrt digitale Lösungen für den Betrieb der Netze eingesetzt. Hierfür besteht ein grosses Potenzial. Mit den klimatischen Veränderungen wird die nachhaltige Nutzung von wertvollen Ressourcen immer wichtiger. Digitalisierung in der Wasserwirtschaft hilft, die Herausforderungen der Zukunft besser in den Griff zu bekommen. Dabei werden Lösungen im Umfeld von Big Data helfen, die Transparenz in den Netzen zu erhöhen.
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Welchen Nutzen wird der Endverbraucher von der Digitalisierung haben?
Der Endverbraucher erhält eine bessere Transparenz bezüglich seines Wasserverbrauchs. Künftig können auch weitere Informationen wie Wasserqualität und Temperatur an den Endkunden vermittelt werden. Im Bereich der «Gamification» gibt es zudem ein grosses Potenzial, auf spielerische Weise den Endkunden den Verbrauch von Wasser näherzubringen.
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