Seit 1974 produziert das Seewasserwerk Ipsach Trinkwasser für die Städte Biel und Nidau. Verschiedene für den Betrieb essenzielle Komponenten im Seewasserwerk erreichen in den nächsten Jahren das Ende ihrer technischen Lebensdauer. Da das Werk lediglich teilreduntant konzipiert wurde, gefährdet der Ausfall entsprechender Anlagenteile – im Störfall oder während grösserer Reparaturen – die Wasserversorgung.
Die beste Lösung zur Sicherstellung der Wasserversorgung ist eine Totalerneuerung des Seewasserwerks. Zu diesem Schluss kam eine umfangreiche Prüfung von Alternativen durch den Energie Service Biel/Bienne (ESB). Im Hinblick auf eine Optimierung der Wasseraufbereitung wurde beschlossen, diese vorab zu pilotieren, um eine möglichst ideale Anpassung des Verfahrens an das Bielerseewasser zu erreichen. Dabei ist folgenden Besonderheiten Rechnung zu tragen: Die rechnerische Verweildauer des Seewassers beträgt rund 60 Tage, gut 20% der Niederschläge der Schweiz werden durch den Bielersee entwässert. Die Abwässer der Städte Interlaken, Thun, Bern, Fribourg (via Schiffenensee) und weiterer Gemeinden sowie die intensive Landwirtschaft belasten das zulaufende Wasser.
Oberstes Ziel der Pilotversuche ist, ein resilientes Aufbereitungsverfahren auf dem aktuellen Stand der Technik zu finden, das Trinkwasser in hoher Qualität auch bei stark schwankender Rohwasserqualität liefert, dabei jedoch den Chemieeinsatz und Energieaufwand so weit wie möglich reduziert. Das neue Seewasserwerk soll für eine Betriebsdauer von 50 Jahren ausgelegt werden.
Das bestehende Seewasserwerk bezieht das Rohwasser aus 38 m Tiefe im Bielersee durch eine 750 m lange DN-700-Rohwasserleitung. Das Wasser wird durch ein Multibarrierensystem aufbereitet, das aus folgenden Stufen besteht:
1. Chlordioxidzugabe am Eingang
des Werkes
2. Sandfiltration mit Flockungsmittel-
dosierung
3. Desinfektion durch Ozonierung
4. Aktivkohlefiltration
5. Enddesinfektion mit Chlordioxid
Über die gesamte Betriebszeit wurde mit dem Verfahren stets einwandfreies Trinkwasser produziert, das jederzeit alle gesetzlichen Vorgaben erfüllte. Einige polare Spurenstoffe können jedoch im bestehenden Werk nur unvollständig entfernt werden. Zusätzlich stellt die Zukunft weitere Herausforderungen an die Trinkwasserproduktion am Bielersee:
– Die globale Klimaerwärmung wird eine Umverteilung der saisonalen Niederschläge zur Folge haben: mehr flüssige Niederschlägen im Winter, reduzierte Niederschläge und Schmelzwassermengen im Sommer [1]. Diese, wie auch sekundär durch den Klimawandel beeinflusste Veränderungen der Landnutzung, führen potenziell zu einer höheren Spurenstoffbelastung im Rohwasser [2].
– Gemäss Prognosen des Bundesamtes für Statistik werden im Jahr 2045 mehr als zehn Mio. Menschen in der Schweiz leben [3]. Durch den Bevölkerungsanstieg dürfte der Druck auf die Ökosysteme und Gewässer ansteigen.
– Die analytischen Methoden werden immer besser, somit können mehr Spurenstoffe in immer kleineren Konzen-
trationen nachgewiesen werden [4].
– Eine Verringerung der Einträge sowie ein verbessertes Abwassermanagement müssen dazu beitragen, den erhöhten Druck auf die Ökosysteme und die Gewässer der Schweiz durch Klimaerwärmung und Bevölkerungswachstum abzuschwächen [2].
Um diesen Herausforderungen mit einer effektiven und zuverlässigen Aufbereitung zu begegnen, wird das künftige Verfahren in umfassenden Pilotversuchen getestet und optimiert. Die Pilotanlage wurde neben dem bestehenden Seewasserwerk in einer Leichtbauhalle aufgebaut und wird seit November 2017 betrieben.
Ziele der Pilotversuche und damit der kĂĽnftigen, optimierten Aufbereitungsverfahren im neuen Seewasserwerk:
– Reduktion von Spurenstoffen im Trinkwasser um > 50% gegenüber der heutigen Aufbereitung. Dafür dienen insbesondere polare Stoffe als Zielsubstanzen, die heute nur unzureichend reduziert werden.
– Reduktion der organischen Kohlenstoffverbindungen (TOC) auf < 1 mg/l
– Produktion von biologisch stabilem Reinwasser mit geringem Wiederverkeimungspotenzial
– Minimierung des spezifischen Chemie- und Energiebedarfes
– vollständige und zuverlässige Barriere gegen Larven invasiver Muschelarten (Dreissenidae) zum Schutz der Anlagen und des Verteilnetzes
– Produktwahl Schlüsselkomponenten
– Betriebserfahrungen als Planungsinput zur Erhöhung der Verfügbarkeit und Betriebssicherheit
– Minimierung der Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO)
Die Pilotanlage beinhaltet alle Aufbereitungsstufen, die fĂĽr das geplante Seewasserwerk vorgesehen sind: Vorfiltration, Ultrafiltration, Umkehrosmose, Ozonierung, Aktivkohlefiltration sowie UV-Desinfektion. Im Laufe der Pilotierung wurden verschiedene Versuchsreihen durchgefĂĽhrt:
1. ĂśberprĂĽfung des geplanten Anlagendesigns, das eine Ultrafiltration als erste Aufbereitungsstufe vorsieht
2. Versuche zum Betrieb der Ultrafiltration: Betrieb ohne Flockungsmittel, Erhebung der Ausbeute, Häufigkeit von Spülungen (Chemically Enhanced Backwash, CEB, und Cleaning in Place, CIP), Verhalten bei erhöhten Trübungen (bis 20 NTU), generelle Leistung
3. Vergleich der Auswirkungen von Ozon gegen Advanced Oxidation Process (AOP) mittels O3 und H2O2 auf die Reduktion von Spurenstoffen und die Bildung von Bromat aus Bromid
4. Testen von drei Aktivkohletypen und verschiedenen Kontaktzeiten bezĂĽglich der Elimination von Spurenstoffen
5. Versuche zum Betrieb einer Umkehrosmoseanlage: Betrieb ohne Antiscalant, Optimieren der Ausbeute, DurchfĂĽhrung von Membranautopsien, Einfluss von einer vorgeschalteten UV-Desinfektion
Im Folgenden werden die Versuchsreihen der einzelnen Aufbereitungsstufen beschrieben. Die Versuche sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, präsentiert werden die vorläufigen Ergebnisse.
Zu Beginn der Pilotierung wurde eine Liste von Zielsubstanzen und -parametern ausgewählt, die verschiedene Substanzkategorien abdecken und regelmässig bei allen Probenahmen untersucht wurden. Dazu gehören bspw. Acesulfam (Süssstoff), Iomeprol (Röntgenkontrastmittel), Metformin (Antidiabetikum) oder Benzotriazol (Komplexbildner). Der Fokus wurde auf Spurenstoffe gelegt, die vom bestehenden Werk nicht oder nur unzureichend entfernt werden. Die Wasserproben wurden direkt nach der jeweiligen Aufbereitungsstufe gezogen.
Die in diesem Artikel präsentierten Daten sind ausgewählte Ergebnisse entsprechender Parameter. Probenahmen und -analysen fanden meist im zweiwöchentlichen Rhythmus statt. Aufgrund der oftmals geringen Stichprobengrösse pro untersuchte Bedingung wurden generell keine statistischen Tests durchgeführt und es können keine Aussagen über die statistische Signifikanz der Ergebnisse getroffen werden.
Im Rahmen der Pilotierung werden drei Membrantypen miteinander verglichen: Eine gedrückte In-out-Membran, eine getauchte Out-in-Membran und eine gedrückte Out-in-Membran. Die Membrananlagen werden parallel betrieben, wobei von der gedrückten In-out-Membran 16,0 m2, von der getauchten Membran 153,0 m2 und von der gedrückten Out-in-Membran 11,5 m2 Membranfläche in Betrieb sind. Die gedrückte Out-in-Membrananlage wurde nachträglich in die Leichtbauhalle eingefügt, weswegen das Permeat der Anlage verworfen wird. Für die nachfolgenden Anlagenkomponenten wird ein Gemisch der Permeate der getauchten und der gedrückten In-out-Membran verwendet, mit einem Verhältnis von ca. 1:6,5 (gedrückt zu getaucht). Dies ist bedingt durch die unterschiedlich grossen Membranflächen.
Verschiedene Parameter (Durchflussgeschwindigkeiten über die Membran, Frequenz, Dauer und Intensität von Rückspülungen usw.) wurden getestet, die Daten gesammelt und ausgewertet. Das Permeat der Membranen wurde bakteriologisch verglichen. Der Vergleich der gedrückten Out-in-Membran mit den anderen beiden Membrantypen erwies sich als schwierig, da die gedrückte Membran über ein unabhängiges Steuerungssystem verfügt und bspw. Spülzyklen in Abhängigkeit des Transmembrandruckes nicht möglich sind.
Es zeigt sich, dass alle drei Membranen geeignet sind, ohne die Zugabe von Flockungsmitteln aus dem Rohwasser des Bielersees qualitativ stabiles Permeat herzustellen. Unterschiede gibt es im Betrieb beim Transmembrandruck, im Chemieverbrauch und in der Resilienz gegenüber erhöhten Trübungen im Rohwasser. Über den Energieverbrauch der Ultrafiltrationsanlagen kann auf Basis der Pilotierung keine verlässliche Aussage gemacht werden, da einerseits Möglichkeiten zum Messen des Stromverbrauchs fehlen und andererseits die Skalierung von Pilot- zu Grossanlage nicht möglich ist, da die Pilotanlage nicht auf Energieeffizienz optimiert wurde.
Die Ergebnisse im Vergleich der drei Membrantypen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bezüglich der Qualität, d. h. Totalzellzahl (TZZ), aerobe mesophile Keime (AMK), Silt Density Index (SDI), assimilierbarer organischer Kohlenstoff (AOC), totaler organischer Kohlenstoff (TOC), konnten keine relevanten Unterschiede festgestellt werden.
Im Winter 2017/18 gab es in der Schweiz mehrere starke, aufeinanderfolgende Winterstürme, die im Rohwasser des Bielersees für mehrere Wochen zu Trübungen > 5 NTU führten. In dieser Zeit zeigte sich eine höhere Resilienz der getauchten Out-in-Membran gegenüber der gedrückten In-out-Membran. Getauchte Membranen kommen neben dem Trinkwasserbereich auch in der Schlamm- und Abwasseraufbereitung zum Einsatz [5].
In den Wintern 2018/19 und 2019/20 traten keine entsprechend starken Stürme und damit verbundenen stark erhöhten Trübungen auf, sodass bzgl. der gedrückten Out-in-Membran keine validen Aussagen getroffen werden können.
Der Chemieverbrauch konnte auf der Pilotanlage nur grob abgeschätzt werden und lag für die getauchte Out-in und die gedrückte In-out bei ca. 2 ml 7-prozentiger Javellauge/m3. Der Verbrauch auf der Grossanlage liegt voraussichtlich deutlich darunter, aufgrund der höheren Effizienz der Spülanlagen. Die gedrückte Out-in-Membran kann lediglich von Hand gereinigt werden (CIP-Reinigungen), was die Vergleichbarkeit mit den anderen Membrantypen erschwert. Die Membran konnte mehrere Monate am Stück ohne chemische Spülungen betrieben werden und zeigte dabei nur einen sehr langsamen Anstieg des Transmembrandruckes.
Eine Abschätzung des Energieverbrauchs kann lediglich indirekt über den Transmembrandruck (TMP) der Membranen erfolgen. Hier zeigt sich, dass der TMP der getauchten Membran unter dem der gedrückten In-out-Membran liegt und beide deutlich weniger Druck als die gedrückte Out-in-Membran für den Betrieb benötigen.
Im Sommer 2018 wurden verschiedene Ozonkonzentrationen auf der Pilotanlage getestet. Dabei wurde der Einfluss der Ozondosis auf die Konzentration der untersuchten Spurenstoffe ĂĽberprĂĽft und die Bildung von Bromat aus Bromid ĂĽberwacht. Zusätzlich wurden Versuche mit zugesetztem Wasserstoffperoxid durchgefĂĽhrt, um die Wirkung des AOP im Vergleich zur Oxidation mit Ozon auf die Elimination von Spurenstoffen zu untersuchen. Die Bromidkonzentration im Rohwasser ist dauerhaft tief genug, sodass selbst bei hohen Ozonkonzentrationen die Menge des gebildeten Bromats weit unterhalb des gesetzlich festgelegten Höchstwerts von 0,01 mg/l liegt. Dies bedeutet, dass eine Oxidation nur durch Ozon im neuen Seewasserwerk möglich ist.Â
Es zeigte sich eine verbesserte Reduktion der Spurenstoffe bei einer erhöhten Ozondosis (2,4 mg/l vs. 1,2 mg/l), jedoch kein qualitativer oder quantitativer Unterschied von Ozon vs. AOP. Â
Eine Dosierung von Wasserstoffperoxid im neuen Seewasserwerk wird jedoch als Option vorgesehen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Zukunft Spurenstoffe gefunden werden, die durch die Kombination von Ozon und Wasserstoffperoxid wirkungsvoller eliminiert werden können.
Auf der Pilotanlage werden drei verschiedene Aktivkohlekolonnen betrieben, die mit verschiedenen Kohlesorten befüllt wurden. Die erste Kolonne ist mit Aktivkohle aus Steinkohle aus dem bestehenden Werk befüllt, die zu Beginn der Pilotierung ca. 6 Jahre alt und biologisch stabilisiert war. Die zweite Kolonne ist mit frischer Steinkohle befüllt, um die Effekte von biologischer Aktivität («alte» Kohle) und Adsorption («neue» Kohle) gegenüberzustellen. Eine dritte Kolonne wurde nachträglich im Oktober 2018 in die Pilotierung eingefügt, sie ist mit Aktivkohle befüllt, die aus Kokosnussschalen gewonnen wurde. Alle drei Aktivkohlekolonnen sind direkt hinter die Ozonkontaktkammer angeordnet. Die Schichtdicke in allen drei Kolonnen beträgt 1,5 m, die untersuchten Durchflussgeschwindigkeiten wurden in allen Kolonnen zwischen 6,5 m/h und 1,63 m/h variiert. Neben der Adsorption und Elimination von Spurenstoffen durch die verschiedenen Kohlesorten wurde die Ausbildung eines biologisch stabilen Biofilms auf der Kohle durch die Anzahl AMK und TZZ im Auslaufwasser überwacht.
Ein Aktivkohlefilter wurde als biologisch stabilisiert betrachtet, sobald die Anzahl AMK nach 72 Stunden Bebrütung über mehrere Wochen < 10 betrug. Bei der neuen Steinkohle sowie der Aktivkohle aus Kokos trat dies nach neun Monaten ein.
Bezüglich der Elimination der Spurenstoffe durch die verschiedenen Aktivkohlesorten wurden ebenfalls regelmässig Proben untersucht. Es zeigte sich durchgehend eine bessere Elimination von Spurenstoffen, aber auch anderen Faktoren wie AOC, TOC oder der spektralen Absorption (SAK254) durch die «neue» Kohle im Vergleich zur «alten» Aktivkohle. Um die Aktivkohle aus Kokos mit der «neuen» Kohle vergleichen zu können, wurden jeweils entsprechende Betriebszeitpunkte miteinander verglichen. Die Untersuchungen zur Durchflussgeschwindigkeit von 1,63 m/h sind noch nicht abgeschlossen.
Die Steinkohle zeigt bei allen analysierten Parametern eine bessere Elimination als die Aktivkohle aus Kokos, mit einer Ausnahme: Metformin. Die Versuche bezüglich der verlängerten Kontaktzeit sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Erste Ergebnisse geben Hinweise auf positive Effekte einer höheren Kontaktzeit. Für die Grossanlage ist das Ziel, einen bestmöglichen Kompromiss aus idealer Kontaktzeit und Filtergrösse zu finden. Aus diesem Grund wird eine Schichtdicke von ca. 2,2 m vorgesehen.
Die konventionelle Wasseraufbereitung, die eine Oxidation mit Ozon und eine anschliessende Aktivkohlefiltration beinhaltet, entfernt einige, vornehmlich polare Spurenstoffe nur unzureichend. Da im neuen Seewasserwerk die Spurenstoffkonzentration im Trinkwasser um mindestens 50% im Vergleich zum bestehenden Werk reduziert werden soll, wird im Rahmen der Pilotierung der Betrieb einer Niederdruck-Umkehrosmoseanlage zur Behandlung eines Teilstromes des Wassers untersucht. Ein übergeordnetes Ziel des neuen Seewasserwerks ist die Reduktion des Chemieeinsatzes in der Aufbereitung, weshalb auf der Pilotanlage ein Betrieb ohne Antiscalant getestet wird. Antiscaling-Produkte werden dem Feedwasser der Umkehrosmose in Dosierungen im einstelligen ppm-Bereich zugeführt, um anorganische Ablagerungen (Scaling) auf der Membran zu vermeiden. Die Produkte verbleiben jedoch im Konzentratstrom der Umkehrosmose und gelangen so direkt oder indirekt über das Abwasser in die Umwelt. Ausserdem ist nicht ausgeschlossen, dass die Produkte unter Umständen die Membran passieren und ins Trinkwasser gelangen können [6]. Bei einem chemiefreien Betrieb kann jedoch nur eine deutlich geringere Ausbeute erzielt werden. Die Pilotierung soll in Erfahrung bringen, mit welcher Ausbeute ein stabiler Betrieb garantiert werden kann. Die Ergebnisse lassen darauf schliessen, dass eine Ausbeute von rund 50% ohne den Einsatz von Anti-
scalant möglich ist. Da der Bielersee als genügend grosser Trinkwasserspeicher zur Verfügung steht – nur ca. 1,6% des Wassers werden für die Trinkwasseraufbereitung genutzt –, ist die geringe Ausbeute vertretbar.
Auf der Pilotanlage wird eine Umkehrosmoseanlage mit zwei in Serie geschalteten 4-Zoll-Modulen betrieben. Das Permeat der Umkehrosmose wurde ebenfalls auf Spurenstoffe untersucht. Die Resultate zeigten, dass alle analysierten Stoffe durch die Umkehrosmose bis zur Nachweisgrenze reduziert wurden – mit einer Ausnahme: der Komplexbildner Benzo-
triazol. Diese Substanz wird jedoch in der Ozonierungsstufe vollständig eliminiert. Zusätzlich zeigte sich im Laufe der Pilotierung, dass die Umkehrosmose die einzige Aufbereitungsstufe ist, die den totalen organischen Kohlenstoff zuverlässig reduziert.
Im Laufe der Pilotierung wurden bis dato zweimal Membranmodule ausgetauscht und die ausgebauten Module untersucht. Bei diesen sogenannten Membranautopsien wurden Ablagerungen auf den Membranen auf ihre Bestandteile hin analysiert. Bei der ersten Untersuchung wies die Membran sowohl biologisches als auch anorganisches Fouling auf, Letzteres bestand hauptsächlich aus Calcitablagerungen, wie sie aufgrund der Zusammensetzungen des Bielerseewassers zu erwarten sind. Bei der zweiten Untersuchung wurden auf der Membranfläche Manganablagerungen gefunden. Diese waren unerwartet, da das Rohwasser des Bielersees nur sehr geringe Mangankonzentrationen aufweist. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Mechanismen, die zu Ablagerungen auf der Membran-oberfläche führen, besser verstehen und verhindern zu können. Um die Bildung eines bakteriellen Biofilms auf der Membran zu verhindern, wurde eine vorgeschaltete UV-Desinfektion getestet. Es konnte jedoch kein direkter Effekt festgestellt werden. Bakterielle Kontaminationen sind im Pilotierungsmassstab aufgrund suboptimaler Materialien und Anordnungen leider vergleichsweise schwer zu kontrollieren.
Da die Umkehrosmose auch im Wasser vorhandene Ionen entfernt, ist es nicht zulässig, Umkehrosmosepermeat ohne Weiteres als Trinkwasser abzugeben. Versuche mit Mischwasser von Umkehrosmosepermeat und konventionell aufbereiteten Wasser haben jedoch ergeben, dass ein Mischverhältnis von je 50% ein weiches und damit endkundenfreundliches Trinkwasser produziert, das einen sehr geringen Gehalt an unerwünschten Spurenstoffen aufweist und trotzdem im Leitungsnetz nicht korrosiv wirkt.
Die Pilotierung des Verfahrens für das Seewasserwerk Ipsach liefert wichtige Erkenntnisse für die Auslegung des neuen Werks. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sie sich folgendermassen zusammenfassen:
1. Die Ultrafiltrationsstufe zu Beginn des Verfahrens im Betrieb ohne Flockungsmittel liefert eine stabile und gute Wasserqualität als Grundlage für weitere Aufbereitungsstufen. Die getauchte Membran zeigte dabei gegenüber Trübungsspitzen die höchste Resilienz und wies im Vergleich zu den anderen Membrantypen einen geringeren Energieverbrauch auf.
2. Eine Oxidationsstufe mit Ozon ist im neuen Werk möglich, da auch mit hohen Ozonkonzentrationen die Bromatkonzentration unter dem gesetzlichen Höchstwerk von 0,01 mg/l bleibt. Eine kombinierte Oxidationsstufe mit Ozon und Wasserstoffperoxid lieferte keine verbesserte Elimination der untersuchten Spurenstoffe, wird jedoch trotzdem im neuen Werk als Option vorgesehen.
3. Die «neue» Aktivkohle aus Steinkohle übertraf bezüglich Elimination von Spurenstoffen sowohl die «alte» Steinkohle aus dem bestehenden Werk als auch die Aktivkohle aus Kokosnussschalen, mit Ausnahme des Antidiabetikums Metformin.
4. Der Betrieb der Umkehrosmose stellte sich als notwendig für die Zielerreichung der Reduktion von Spurenstoffen um >50% gegenüber dem bestehenden Seewasserwerk heraus. Ein Betrieb ohne Antiscalant ist hierbei möglich, allerdings mit einer reduzierten Ausbeute von ca. 50%.
5. Im zukünftigen Werk wird ein Mischwasser angestrebt, bei dem ein Teilstrom von 50% des Wassers vor der «konventionellen» Aufbereitung durch Umkehrosmose aufbereitet wird. Dies garantiert ein weiches Trinkwasser höchster Qualität unter minimalem Chemieeinsatz.
[1] Bundesamt für Umwelt (2012): Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer. Synthesebericht zum Projekt «Klimaänderung und Hydrologie in der Schweiz» (CCHydro). Bern: Bundesamt für Umwelt, BAFU
[2] Benateau, S. et al. (2019): Climate change and
freshwater ecosystems: Impacts on water quality and ecological status. Hydro-CH2018 Project. Federal Office for the Environment (FOEN), Bern, Switzerland. 110 pp.
[3] Bundesamt fĂĽr Statistik, BFS (2020): https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/zukuenftige-entwicklung.html (Abrufdatum: 31.03.2020)
[4] Schmidt, T.C. (2018): Recent trends in water analysis triggering future monitoring of organic micropollutants. Analytical and Bioanalytical Chemistry, 410, p. 3933–3941
[5] Melin, T.; Rautenbach, R. (2004): Membranverfahren. Grundlagen der Modul- und Anlagenauslegung. 2. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer
[6] Happel, O. et al. (2018): ReinheitsprĂĽfung phosphonathaltiger Antiscalants. Energie | Wasser-Praxis: 04/18
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