Plattform für Wasser, Gas und Wärme
E-Paper
Fachartikel
05. März 2020

Netze & Leitungen

Investieren wir richtig in die Infrastrukturen?

Ein Infrastrukturbericht gilt als wichtiges Führungsinstrument für die operative und politisch-strategische Führungsebene öffentlicher Verwaltungen und Betriebe, legt er doch Investitionsbedarf sowie Risiken verschiedenartiger Infrastrukturen auf vergleichbare Weise offen. Politik und Verwaltung werden damit gleichermassen befähigt, über zukünftige Strategien zum Erhalt und der Weiterentwicklung der Infrastrukturen verantwortungsvoll zu entscheiden. Der Infrastrukturbericht basiert auf einfachen Kennzahlen und kann nach gründlicher Implementierung in der Organisation einfach nachgeführt werden.
Anja Herlyn, Christoph  Egger, 

Öffentliche Verwaltungen und Betriebe bewirtschaften grosse Mengen an unterschiedlichen historisch gewachsenen Infrastrukturen, die sich stetig weiterentwickeln. Häufig besteht Unklarheit über den Investitionsbedarf sowie über die mit dem Zustand und Ausbaustand der Infrastrukturen verbundenen Risiken. Folglich fehlt der Politik und Verwaltung die Grundlage, um über zukünftige Strategien zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Infrastrukturen verantwortungsvolle Beschlüsse zu fassen. Grund für diesen Mangel sind neben Datenlücken die unzureichende Aufarbeitung und Kommunikation vorhandener Informationen. Der Infrastrukturbericht vermag diese Lücke zu schliessen, indem er die relevanten Informationen zielgruppengerecht und auf verständliche Weise bereitstellt. Dazu gehören ein je nach Entscheidungsebene angemessener Detaillierungsgrad der Informationen sowie eine über verschiedenartige Infrastrukturen einheitliche und vergleichbare Darstellung der relevanten Kennzahlen.
Der vorliegende Artikel erläutert das Konzept eines Infrastrukturberichts als politisch-strategisches Führungsinstrument und zeigt den Initialisierungsprozess am Beispiel des Versorgungsunternehmens ewb (Energie Wasser Bern) auf. Basierend auf den dabei gemachten Erfahrungen sollen Nutzen und Wirkung eines Infrastrukturberichts und des mit ihm verbundenen Initialisierungsprozesses aufgezeigt werden. Darüber hinaus wird auf Faktoren hingewiesen, welche die Erarbeitung eines Infrastrukturberichts begünstigen.

EINFÜHRUNG

Aufgaben von Politik und Verwaltung 

Öffentliche Verwaltungen, Versorgungsunternehmen, Eisenbahngesellschaften etc. betreiben und bewirtschaften grosse Mengen an diversen Infrastrukturen wie Strassen, Wassernetze, Kunstbauten, Hochbauten etc. In ihrer Funktion als Werkeigentümer, Bauherr und Betreiber sind sie verantwortlich, ein an den politisch-strategischen Zielen ausgerichtetes Versorgungsangebot sicherzustellen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Anlagen auf lange Sicht sowohl funktionstüchtig als auch leistungsfähig sind, entsprechend erhalten und ausgebaut werden. Die Politik ihrerseits ist verantwortlich, den Versorgungsauftrag zu definieren und die Gelder dafür bereitzustellen. Um sicherzustellen, dass die Ziele dauerhaft erreicht werden, müssen die Verwaltungen und Unternehmen den Grad der Zielerfüllung periodisch messen, den zukünftigen Finanzbedarf aufzeigen und an die politisch-strategische Führungsebene kommunizieren. Bei Abweichungen oder geänderten Rahmenbedingungen muss diese wiederum entsprechende Anpassungen an den Zielen und/oder Budgets vornehmen und gemeinsam mit der operativen Führung Änderungen an den Strategien festlegen. Diese Strategien sollten möglichst objektive, messbare Vorgaben für den weiteren Erhalt und die Entwicklung der Infrastrukturen beinhalten.

Infrastrukturbericht als Führungsinstrument 

Zur Erfüllung der beschriebenen Aufgaben benötigen die politisch-strategische und die operative Führungsebene ein Führungs- und Reporting-Instrument, mit dem Erhalt und Weiterentwicklung der Infrastrukturen im Sinne der strategischen Ziele gesteuert werden kann. Bei den Eisenbahngesellschaften (SBB, Rhätische Bahn etc.) beispielsweise haben sich sogenannte Netzzustandsberichte mit Fokus auf den Erhalt der Infrastrukturen etabliert [1–3]. Um neben dem Erhalt auch die Weiterentwicklung bzw. den Ausbau von Infrastrukturen als Management-Prozess miteinzubeziehen, wird der Fokus ausgeweitet. So wird das hier vorgestellte Führungs- und Reporting-Instrument denn auch als «Infrastrukturbericht» (IB) bezeichnet.
Für die Ausgestaltung eines IB gibt es bislang keinen allgemeingültigen Standard. Als effektives Steuerungsinstrument muss der IB aus Sicht der Autoren folgende wesentlichen Eigenschaften aufweisen:

Übersicht statt Detailsicht

Auf strategischer Ebene müssen die wichtigsten Risiken und Handlungsschwerpunkte erkannt werden, anhand derer entsprechende Strategien entwickelt oder bereits vorhandene weiterentwickelt werden. Dazu werden nicht Detailinformationen, etwa zu einzelnen Bauprojekten, sondern wenige, aber dafür aussagekräftige Informationen zu Menge, Wert, Zustand/Leistung und Kosten bezogen auf die einzelnen Gesamtnetze sowie auf wenige (< 10) Teilinventare pro Gesamtnetz benötigt.

Einheitliche Struktur

Um die Entscheidungsfindung zu begünstigen, braucht es eine gute Übersicht über die verschiedenartigen Netze und Teilnetze, damit die Grundlage einer vergleichbaren Bewertung gegeben ist. Hierfür werden für den IB einheitliche Kennzahlen genauso wie eine einheitliche Abschnitts- bzw. Themengliederung benötigt.

Aggregier- und Disaggregierbarkeit der Kennzahlen

Der Fokus des IB liegt auf der politisch-strategischen sowie auf der oberen operativen Entscheidungsebene. Auf diesen Ebenen sind Kennzahlen relevant, die sich auf die Gesamtsysteme sowie auf wenige Teilaspekte beziehen. Um diese Kennzahlen bereitstellen zu können, müssen Informationen aus den einzelnen Teilnetzen bzw. Verantwortungsbereichen der Organisation zusammengetragen und entsprechend aggregiert werden. Umgekehrt müssen strategische Vorgaben, ausgedrückt als Zielwerte entsprechender Kennzahlen, verfeinert werden, um auf operativer Ebene bzw. bei der Massnahmenplanung umgesetzt werden zu können.
Die dargelegten Prinzipien zu Aufbau und Struktur eines IB sowie deren Erarbeitung werden am Beispiel des im Folgenden beschriebenen Projekts zur Initialisierung eines IB bei ewb diskutiert.

INITIALISIERUNG INFRASTRUKTUR­BERICHT

Ausgangslage

Der Bereich Netze von ewb ist verantwortlich für Ausbau, Erhalt und Weiterentwicklung der Netze, inklusive Sonderbauwerke, zur Versorgung mit Wasser, Elektrizität, Gas, Fernwärme, öffentliche Beleuchtung und Telekommunikation. Für ein systematisches an den Unternehmenszielen orientiertes Erhaltungsmanagement und die Weiterentwicklung der Netze fehlt dem Bereichsleiter Netze (operative Führung) und dem Verwaltungsrat (strategische Führung) eine Übersicht, inwieweit entsprechende Ziele erfüllt werden, sowie über den sich daraus ableitenden Investitionsbedarf. So gibt es folgende offene Fragen:
– Welche Mengen und Werte haben die jeweiligen Infrastrukturen?
– Wie ist der Zustand der Infrastrukturen? Wie gut ist die Verfügbarkeit?
– Wie sicher sind die Infrastrukturen? Welche Risiken bestehen?
– Was kostet eine generationengerechte Werterhaltung?
– Werden die finanziellen Mittel (aus der Investitions- und Erfolgsrechnung) am richtigen Ort eingesetzt?
– Wo sind (grosse) Synergiepotenziale zwischen Werterhaltungsmassnahmen und Netzausbauten (Bündelung)?
– Wie gut gelingt die Nutzung von Synergien durch koordiniertes Bauen im öffentlichen Grund mit unseren Infrastrukturpartnern (Strasse, Abwasser, Stadtentwicklung, …)?
– Ist die Finanzierung dazu heute und morgen sichergestellt?

Zur Klärung dieser offenen Fragen hat die Geschäftsleitung des Bereichs Netze die Erarbeitung eines IB veranlasst.

Vorgehen 

Für die Etablierung des IB bei ewb sind folgende drei Phasen vorgesehen:

1. Konzepterstellung

Die relevanten Infrastrukturen werden definiert und gegliedert. Ausserdem werden geeignete Kennzahlen festgelegt und die Datenverfügbarkeit geprüft. Je nach Datenverfügbarkeit werden entsprechende Massnahmen festgelegt und eingeleitet.

2. Pilotprojekt

Ein erster IB wird erarbeitet. Dabei wird die Herleitung sämtlicher Kennzahlen aus den verschiedenen Datenquellen in einem Handbuch dokumentiert, um die Nachführung des IB sicherzustellen.

3. Umsetzung

Der IB und die zur Nachführung benötigten Prozesse werden in der Organisation integriert.

Der vorliegende Artikel behandelt die Erarbeitung des Konzepts und des Pilotprojekts (Phase 1, 2) und gibt einen Ausblick für die weitere Umsetzung in der Organisation (Phase 3). Die Erarbeitung fand unter enger Einbeziehung der für die einzelnen Versorgungsnetze und Teilbereiche Verantwortlichen in einem erweiterten Projektteam statt.

KONZEPT INFRASTRUKTURBERICHT

Gliederung der Infrastrukturen 

Um eine zielgerichtete Steuerung des Erhalts und der Weiterentwicklung der Netze zu ermöglichen, müssen diese in verschiedene Teilinventare gegliedert werden. Diese umfassen jeweils Teilkomponenten der Netze mit gleichen oder ähnlichen baulichen und/oder funktionalen Eigenschaften. Ausserdem weisen sie Ähnlichkeiten bei der Erhaltungspraxis auf, indem sie nach ähnlichen Kriterien bewirtschaftet werden. Ein Teilinventar wird jeweils mit einem Wert pro Kennzahl (s. nachfolgender Abschnitt) beschrieben. Pro Kennzahl und Teilinventar gilt ausserdem maximal ein Ziel- oder Sollwert, z. B. für den Zustand. Bei der Bildung eines Teilinventars ist deshalb darauf zu achten, dass für alle Komponenten gleiche oder ähnliche Anforderungen an deren Zustand bzw. Leistung gelten. Teilinventare bilden somit Einheiten, die strategisch relevant sind und als Gesamtheit nach bestimmten strategischen Vorgaben erhalten und weiterentwickelt werden sollen. Eine zweckmässige Gliederung der Infrastrukturen ist wichtig für eine differenzierte Steuerung. Zu fein untergliederte Teilinventare sind für strategische Überlegungen hingegen nicht relevant. Die Bezeichnung der Teilinventare sollte so abgestimmt sein, dass diese in der Organisation eindeutig verstanden werden.
Figur 1 zeigt die entwickelte Gliederung am Beispiel des Wasser- und Elektrizitätsnetzes sowie der Sonderbauwerke. Folgende Beispiele sollen verdeutlichen, dass ganz verschiedene Überlegungen bei der Gliederung der Infrastrukturen eine Rolle spielen können:
– Im Sinne einer zweckmässigen Gliederung wurden die Netzanschlussleitungen und die Verteilkabinen des Elektrizitätsnetzes zu einem Teilinventar zusammengefasst. Diese beiden Komponenten sind in ihrer Funktion eng verknüpft und werden in der Regel gemeinsam erneuert.
– Die Kabeltrassen werden von mehreren Netzen (Elektrizitäts- und Telekommunikationsnetz sowie öffentliche Beleuchtung) gemeinsam genutzt und finanziert, gehören organisatorisch jedoch zum Elektrizitätsnetz und stellen deshalb ein Teilinventar des Elektrizitätsnetzes dar.
– Auch das bisher aus einem Teilinventar (begehbare Stollen) bestehende Netz der Sonderbauwerke wird von verschiedenen Versorgungsnetzen genutzt. Um der oftmals unterschätzten Bedeutung der Sonderbauwerke mehr Gewicht zu verleihen, werden sie als eigenständiges Netz betrachtet.

Insgesamt umfasst das zu bewirtschaftende Portfolio sieben Netze, untergliedert in insgesamt 34 Teilinventare.

Kennzahlen

Ziel des IB ist es aufzuzeigen, inwieweit die Zielvorgaben zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Netze erreicht werden und welche Massnahmen zur weiteren Umsetzung der Zielvorgaben erforderlich sind. Dazu werden Kennzahlen benötigt, die (i) die Mengen und Werte, (ii) den Zustand und/oder die Leistung, (iii) die Kosten sowie (iv) den Stand zur Weiterentwicklung der Infrastrukturen aufzeigen.
Kennzahlen zu den Mengen und Werten haben informativen Charakter. Sie stellen Bezugsgrössen etwa für die Kosten des Werterhalts dar und geben damit Orientierung bei der Einordnung von Zahlenwerten. Die von den Infrastrukturen aktuell erbrachte Leistung gegenüber einem (von der Politik) vorgegebenen Zielwert ist ein Indikator für den Investitionsbedarf. Auf Leistungsindikatoren wurde jedoch verzichtet, da die Leistung der einzelnen Teilinventare nicht oder nicht genau genug beschrieben werden kann. Demgegenüber stellen Zustandskennzahlen geeignete Ersatzindikatoren dar, indem sie aufgrund des baulichen Zustands, des Alters, des technischen Stands oder der untersuchten Zuverlässigkeit einer Anlage indirekt die langfristige Leistungsfähigkeit wiedergeben und damit den Erhaltungsbedarf aufzeigen. Die Steuerung des Werterhalts orientiert sich am «Grundmodell Werterhalt» [4] und erfolgt anhand der Abweichung zwischen Sollzustand und dem tatsächlichen Zustand. Je nach Abweichung müssen die Entscheidungsträger die zur Verfügung stehenden Geldmittel und/oder die Zielvorgaben entsprechend anpassen. Sollwerte für den Zustand werden zukünftig erarbeitet und sind demnach noch nicht Bestandteil des aktuellen Pilot-IB. Dasselbe trifft für die Festlegung einer Kennzahl und entsprechender Zielvorgaben zu, die den aktuellen Stand der Weiterentwicklung der Netze abbilden.
Bei den Kosten wird auf Ebene der Gesamtnetze zwischen Kosten für den reinen Erhalt der Anlagen (Kosten werterhaltender Investitionen) und denjenigen für den Ausbau (Kosten wertvermehrender Investitionen) unterschieden. Auf der Ebene der Teilinventare ist eine solche Differenzierung derzeit noch nicht möglich. Zur Plausibilisierung der Ausgaben für den Werterhalt dienen teilinventarspezifische Erfahrungswerte für den langfristigen durchschnittlichen Mittelbedarf (sogenannte Wertverluste, s. [4]).
Den Zustand der Netze und Teilinventare wird einheitlich anhand von drei Zustandsklassen («grün», «gelb» und «rot») beschrieben, um eine Vergleichbarkeit der Bewertungen der verschiedenen Infrastrukturen zu schaffen. Die Zustandsklassifizierung der einzelnen Anlagen wird dabei, je nach Art der Anlagen, aus unterschiedlichen Bewertungsgrundlagen abgeleitet, wie z. B. dem Anlagenalter, baulichem Zustand, Stand der Technik und Zuverlässigkeitsbeurteilungen [5]. Neben einem Abgleich zwischen aktuellem Ist- und Sollzustand geben Rückblicke über Kosten und Zustand zusätzliche Hinweise für den Einsatz und Bedarf der Geldmittel. Mit wachsender dokumentierter Historie werden dabei Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen den eingesetzten Geldmitteln und der Zustandsentwicklung gewonnen. Dadurch kann der Investitionsbedarf mit den Jahren immer genauer abgeschätzt und der Werterhalt effektiver gesteuert werden. Im Pilot-IB sind auf Ebene der Gesamtnetze Rückblicke über die werterhaltenden und -vermehrenden Kosten enthalten. In zukünftigen IB werden diese der Zustandsentwicklung gegenübergestellt und bis auf die Ebene der Teilinventare verfeinert. Entsprechende Prognosen sind ebenfalls vorgesehen.

Datenverfügbarkeit und Massnahmen 

Für jedes Teilinventar wurde die Verfügbarkeit an Daten geprüft, aus denen sich die Kennzahlen direkt oder indirekt ableiten lassen. Dabei konnten viele bereits heute vorhandene Grundlagen, etwa aus der Anlagenbuchhaltung, dem Geoinformationssystem, Risiko- oder Zuverlässigkeitsbeurteilungen und Werkzeugen zur Kostenplanung von ewb zusammengetragen werden. Aus diesen liess sich im Rahmen des Pilotprojekts der Grossteil der Kennzahlen direkt oder durch geeignete Modelle ableiten. Bei fehlenden Daten wurden entsprechende Massnahmen beschrieben und eingeleitet, um die Kennzahlen zukünftig beschreiben zu können. Bei manchen Teilinventaren wurde hingegen etwa auf die Quantifizierung des Zustands verzichtet.

Anmelden

PILOTPROJEKT

Im Rahmen des Pilotprojekts wurde der Infrastrukturbericht erstmalig erstellt. Die Hauptarbeit bestand darin, sämtliche Kennzahlen für alle Teilinventare, wie in der Konzeptphase festgelegt, herzuleiten. Sämtliche Herleitungen wurden mit Referenzen zu den Datenquellen sowie ausführlichen Beschrieben der Berechnungsmodelle in einem «Handbuch» für zukünftige Nachführungen des IB dokumentiert. Diese Arbeit fand in enger Zusammenarbeit mit den Fachverantwortlichen statt. Neu aufgedeckte Datenlücken wurden wiederum dokumentiert und entsprechende Massnahmen lanciert, damit diese in zukünftigen IB geschlossen werden.

Ergebnisse

In Figur 2 ist die Gliederung des IB illustriert. Nach einführenden Kapiteln wird in Kapitel 5 eine Übersicht über alle Netze zu verschiedenen Aspekten (Mengen und Werte, Zustand, Kosten etc.) gegeben. Die dort verwendete Struktur wird in den nachfolgenden Kapiteln beibehalten, die jeweils einem Netz gewidmet sind. In den beiden folgenden Abschnitten zeigen Illustrationen aus dem Pilot-IB Mengen, Werte und Zustand in einer Gesamtübersicht über alle Netze (Fig. 3 und 4) sowie am Beispiel des Wasserversorgungsnetzes (Fig. 5 und 6). Figur 7 illustriert zudem die relevanten Kosten des Wasserversorgungsnetzes. Risiken und Massnahmen (Fig. 2) werden im Pilot-IB in Textform beschrieben. Der Bereich Netze hat mehrere Risiken festgestellt und entsprechende Massnahmen dazu definiert. Die Feststellung der Risiken erfolgte überwiegend auf Basis von Zustandsdaten, fehlenden oder veralteten Zustandsinformationen oder anhand des technischen Stands einzelner Anlagen. Zukünftig werden Risiken auch durch die Gegenüberstellung von Ist-Zuständen und entsprechender Sollwerte angezeigt.

Gesamtübersicht Versorgungsnetze

Figur 3 gibt eine Übersicht über die insgesamt sieben Versorgungsnetze des Bereichs Netze mit ihren Gesamtwiederbeschaffungswerten und jährlichen Wertverlusten (Die Wertverluste entsprechen den im langfristigen Mittel erwarteten jährlichen Investitionsbedarf für den reinen Werterhalt.). Die als Säulendiagramme dargestellten Wiederbeschaffungswerte (WBW) geben einen raschen Überblick über die Grössenordnungen der Netze und lassen einen einfachen Vergleich von Netz zu Netz zu. So beträgt der WBW des Elektrizitätsnetzes ein Vielfaches etwa gegenüber den Netzen zur Versorgung mit Fernwärme, öffentlicher Beleuchtung und Telekommunikation. Der noch fehlende WBW der Sonderbauwerke wie auch deren noch fehlende Zustandsbeurteilung (Fig. 3 und 4) stellen Lücken dar, die absehbar geschlossen werden.
Figur 4 stellt entsprechend zu Figur 3 den Zustand der Netze in Form von Säulendiagrammen dar. Diese geben die Anteile des jeweiligen WBW der Netze wieder, die sich nach aktuellem Stand in den Zustandsklassen «grün», «gelb» und «rot» befinden. Zusätzlich wird jeweils der über den WBW und die Zustandsklassen gemittelte Zustandsindex angegeben (graufarbige Rauten mit schwarzer Umrandung). Zukünftig werden auch entsprechende Sollwerte für den Zustand in den Zustandsspiegeln angezeigt. Somit lassen sich entsprechende Übereinstimmungen und Abweichungen vom tatsächlichen Zustand einfach ablesen und entsprechende Massnahmen auf objektiver Basis ableiten. Dazu zeigt Figur 8 ein zu Figur 4 und 6 entsprechendes fiktives Beispiel mit zwei Netzen bzw. zwei Teilinventaren A und B, für die Sollbereiche für den mittleren Zustandsindex dargestellt sind. Die Abweichung des mittleren Zustandsindex bei Teilinventar A vom Sollbereich zeigt an, dass der Gesamtzustand dieses Teilinventars schlechter ist als durch den Sollbereich angegeben. Der Zustand dieses Teilinventars muss somit verbessert werden. Dagegen liegt der Gesamtzustand von Teilinventar B wie auch des Gesamtnetzes im Soll.
Die kleineren Säulen oberhalb der Zustandsspiegel in Figur 4 entsprechen den Säulen in Figur 3 und stellen die absoluten WBW der Netze dar. Sie geben ausserdem den Anteil des WBW des jeweiligen Teilinventars an, für den eine Zustandsbewertung vorliegt. Somit kann abgelesen werden, in welchem Masse die Zustandsspiegel den Zustand des Teilinventars repräsentieren. Ferner lassen sich durch die kombinierte Darstellung von Zustandsspiegel und absoluten WBW einerseits die Zustände verschiedener und verschieden umfangreicher Teilinventare vergleichen. Andererseits lässt sich die Bedeutung der Teilinventare gemessen an ihrem Wert ablesen. Weicht etwa der Zustand eines Teilinventars mit grossem WBW (und entsprechend grossem Wertverlust) von seinem Sollbereich ab, so hat dies eine grössere Bedeutung für zukünftige Investitionen als wenn dies bei einem Teilinventar mit einem relativ kleinen WBW der Fall wäre.

Wassernetz 

Analog zu den Figuren 3 und 4 stellen die Figuren 51 und 6 Mengen, Werte, Wertverluste und Zustand auf der Ebene eines Netzes am Beispiel des Wasserversorgungsnetzes dar. Zusätzlich illustriert Figur 7 die definierten Kostenkennzahlen.

FAZIT UND AUSBLICK

Der Infrastrukturbericht stellt ein wertvolles Steuerungs- und Kommunikationsmittel für die politisch-strategische Führungsebene dar. Durch die Erarbeitung eines IB wird die Verwaltung ihrer Verantwortung gerecht, Risiken und Kosten der Infrastrukturen gegenüber der Politik transparent zu machen. Die Politik erhält mit dem IB ihrerseits eine geeignete Grundlage, um ihrer Verantwortung als Entscheidungsträgerin gerecht zu werden.
Der im Rahmen des Initialisierungsprojekts im Bereich Netze von ewb erarbeitete Pilot-IB enthält bereits fast alle Ist-Werte der vorgesehenen Kennzahlen und weist diesbezüglich nur noch wenige Lücken auf. Durch das Fehlen der für seine Funktion als Steuerungsinstrument obligaten Sollwerte hat der derzeitige Pilot-IB vor allem informativen Charakter, indem er Methodik, Inhalt und Struktur des IB sowie den aktuellen Stand über die derzeit vorhandenen Ist-Werte aufzeigt.
Die Ist-Werte konnten ohne aufwendige Datenerhebungen und somit auf Basis ohnehin vorhandener Daten ermittelt werden. Diese Erfahrung stimmt uns positiv und zeigt, dass sich ein IB mit vertretbarem Aufwand in einer Organisation etablieren lässt. Dazu war es notwendig, eine Vielzahl von Mitarbeitenden im Bereich Netze anzusprechen und einzubeziehen, um die relevanten Datenquellen aufzufinden, zusammenzutragen und zudem geeignete Begrifflichkeiten festlegen zu können. Zudem muss die Bereitschaft vorhanden sein, Lücken anfänglich zuzulassen und diese durch Initiierung entsprechender Projekte mittelfristig zu schliessen. So zeigen auch Erfahrungen aus anderen Organisationen (Rhätische Bahn [6], ASTRA [7]), dass Umfang, Qualität und damit auch die Aussagekraft der IB bzw. der Netzzustandsberichte mit den Jahren immer mehr ansteigen. Zugleich sinkt dabei der Arbeitsaufwand, indem entsprechende Erfahrungen und Prozesse in der Organisation aufgebaut werden, die die Herleitung der Kennzahlen immer mehr automatisieren. Die Etablierung des IB bei ewb wird fortgeführt, indem Prozesse für eine effiziente Nachführung des IB in der Organisation verankert werden. Ausserdem finden derzeit Projekte statt zur Zustandsbeurteilung einzelner Teilinventare sowie zur Herleitung von Sollwerten. Es ist geplant, den IB jährlich nachzuführen und Ergebnisse davon in den Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht von ewb zu integrieren.

1 Die in Figur 5 aufgeführten Nutzungsdauern entsprechen ihrem Wert nach dem jeweiligen Quotienten aus WBW und Wertverlust. Bei manchen Teilinventaren entspricht die Nutzungsdauer der Lebensdauer, d. h. der Zeitdauer zwischen Neuerstellung und Ersatz bzw. zwei Ersatzmassnahmen. Dies trifft z. B. auf die Zähler zu. Bei Teilinventaren, deren Lebensdauer durch Sanierung und Reparaturen verlängert werden, stellt die Nutzungsdauer damit eine rechnerische Grösse dar.

Bibliographie

[1] VöV (2015): Netzzustandsbericht. Minimalanforderungen. Regelwerk Technik Eisenbahn (RTE) 29900. Verband öffentlicher Verkehr
[2] SBB Infrastruktur (2017): Zusammenfassender Jahresbericht 2016
[3] Rhätische Bahn Infrastruktur (2018): Netzzustandsbericht 2017
[4] Staubli, R.; Dreyer, J.; Hubrig, M. (2017): Werterhalt von Strassen. Ein Leitfaden für Gemeinden und Städte. Herausgeber: Organisation Kommunale Infrastruktur (OKI), Schweizerischer Gemeindeverband (SGV) und Schweizerischer Städteverband (SSV)
[5] Balzer, G.; Schorn, C (2010): Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser. Springer Verlag Berlin, Heidelberg
[6] Florin, C. (2019) Netzzustandsbericht auf Knopfdruck – was braucht es dazu? Präsentation Informationsveranstaltung «Netzzustandsbericht Infrastruktur», 8.11.2019
[7] Cuche, A. (2019): Erfahrungen und Nutzen des Netzzustandsberichts beim ASTRA. Präsentation Informationsveranstaltung «Netzzustandsbericht Infrastruktur», 8.11.2019

Kommentar erfassen

Kommentare (0)

e-Paper

«AQUA & GAS» gibt es auch als E-Paper. Abonnenten, SVGW- und/oder VSA-Mitglieder haben Zugang zu allen Ausgaben von A&G.

Den «Wasserspiegel» gibt es auch als E-Paper. Im SVGW-Shop sind sämtliche bisher erschienenen Ausgaben frei zugänglich.

Die «gazette» gibt es auch als E-Paper. Sämtliche bisher erschienen Ausgaben sind frei zugänglich.