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Fachartikel
04. November 2019

Umweltverschmutzung

Aktivkohle-Filteranlage zur PFC-Elimination

Nach einer grossflächigen Verschmutzung mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) in Süddeutschland mussten die lokalen Wasserversorger umgehend handeln, um die Trinkwassersicherheit zu garantieren. Die Lösung sollte schnell sowie technisch und wirtschaftlich praktikabel sein. So haben die Stadtwerke Rastatt das historische Wasserwerk Rauental ertüchtigt und mit einer modernen Filteranlage für die PFC-Entfernung erweitert. Vier Edelstahlfilter mit Korn-Aktivkohle (GAK) sorgen zukünftig dafür, dass PFC aus dem Rohwasser sicher entfernt wird.
Ulrich Kornhaas 

Rund um den Grossraum Rastatt, Baden-Baden und mittlerweile auch bis Mannheim wurde vermutlich durch das Austragen und «Unterbringen» von Kompostschlämmen zwischen 2005 und 2008 eine Gesamtfläche von mittlerweile über 700 Hektar mit der Chemikaliengruppe PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien; s. Box) verschmutzt. Im Grossraum Mittelbaden geht man bis heute von ca. 1000 Hektar mit PFC-belasteten Flächen aus. Spuren dieser menschengemachten Umweltverschmutzung – eine der grössten in der Geschichte Baden-Württembergs – gelangen so in die Roh- und Grundwasserressourcen der regionalen Trinkwasseraufbereiter.
Um eine kurz- und mittelfristige Trinkwasserversorgungssicherheit auch weiterhin zu gewährleisten, war es für die lokalen Wasserversorgungsunternehmen dringend notwendig, eine schnelle sowie technisch und wirtschaftlich praktikable Lösung zu finden. Ein Abwarten zur Abklärung der Kostenübernahme für mögliche Sanierungsmassnahmen und Ausbauen der Wissensbasis für die technische Aufbereitung war für den gebotenen Handlungszeitraum keine Option.

Stadtwerke Rastatt handeln

Für die Sicherstellung ihrer Wasserversorgung unterhält die Stadt Rastatt drei Wasserwerke (WW): das Wasserwerk Ottersdorf, das Wasserwerk Rauental und das Wasserwerk Niederbühl, das nur noch als «Notwasserwerk» betrieben wird.
Bereits im Jahr 2012 wurden im Rahmen einer routinemässigen Untersuchung im Rohwasser das Wasserwerk Rauental (zusammen mit dem Notwasserwerk in Niederbühl) nicht mehr als vollumfängliche Redundanz für die Trinkwasserversorgung der Stadt Rastatt herangezogen. Die Stadtwerke Rastatt, unter Federführung des Stadtwerkleiters Olaf Kaspryk (damals noch StarEnergie Rastatt), waren gezwungen, zeitnah eine Alternative zur bisherigen Bestandsituation ihrer Wasserversorgung zu entwickeln. Die Aufrechterhaltung einer maximalen Versorgungssicherheit stand hierbei an oberster Stelle: «Als Wasserversorger sind wir in der Pflicht, für einwandfreies Trinkwasser zu sorgen. Wir müssen in Vorleistung gehen und können nicht warten, bis Sachverhalte juristisch oder politisch entschieden sind», begründete Kaspryk sein Vorgehen.
Man begann daher zügig in enger Zusammenarbeit mit dem Technologiezentrum Wasser (TZW) in Karlsruhe und dem Ingenieurbüro Eppler (IBE) aus Dornstetten an einer wirtschaftlich und technisch tragbaren Lösung für die Wasserversorgung der Stadt Rastatt und Umgebung zu arbeiten. Da die PFC-Belastungen nicht nur auf die eigenen Wasserschutzgebiete begrenzt waren, musste man dringendst über ein grossflächigeres und langfristiges Notversorgungskonzept nachdenken. Die Basis einer solchen Konzeption bildete folgende Massnahmen:
– Abschalten der beiden mit PFC belasteten Wasserwerke (Rauental und Niederbühl)
– Technische Sanierung des Wasserwerks Rauental sowie Nachrüstung einer PFC-Elimination
– Bau einer Versorgungsleitung durch den Nachbarn Gaggenau (SW Gaggenau) für eine «Notversorgung» (mindestens für die Zeit des Umbaus)
– Verbesserung der Netzversorgung durch Ausbau einer zweiten Transportleitung nach Rastatt.

Mit der Inbetriebnahme des sanierten und ausgebauten Wasserwerks Rauental und der neu geschaffenen Notwassereinspeisung seitens der SW Gaggenau sollte zukünftig wieder eine «Trinkwasser-Vollversorgung» für Rastatt auch ohne das Hauptwasserwerk Ottersdorf gewährleistet werden können, um damit wieder eine volle Redundanz beider Wasserwerke herzustellen.

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Situation der PFC-Ausbreitung

Die genaue Lage und Ausbreitung der PFC-Belastung des Grundwassers im Bereich des Wasserwerks Rauental wird seit 2013 genauestens untersucht und messtechnisch eingegrenzt. Mit bestehenden Messpegeln und zahlreichen neuen Grundwasserpegeln ist man mittlerweile in der Lage, ein immer detaillierteres Grundwassermodell darzustellen. Unterirdische Fliessgeschwindigkeiten und -richtungen können so mit wachsender Genauigkeit vorhergesagt werden. Mit dieser engmaschigen Vernetzung zahlreicher Grundwassermesspegel war und ist man in der Lage, die Fliessrichtung und auch die Fliessgeschwindigkeit der «PFC-Fahne» zu prognostizieren. Schnell wurde klar, dass innerhalb weniger Jahre auch weitere Brunnen im Versorgungsgebiet betroffen sein könnten.

Voruntersuchungen und Pilotierungen

Im stillgelegten WW Niederbühl wurden Versuche zur Entfernung der dort vorliegenden PFC-Belastung durch das Technologiezentrum Wasser (TZW) durchgeführt. Im kleintechnischen Testbetrieb konnten technisch und auch wirtschaftlich geeignete Adsorbermaterialien auf Aktivkohlebasis gefunden werden. Anschliessend daran fanden halbtechnische Versuche mit wenigen ausgewählten Kornaktivkohlen für eine mögliche grosstechnische Realisierung statt.

Sanierungsmassnahmen und Neu- bzw. Umbau im Wasserwerk Rauental

Unmittelbar nach Durchführung der Ausbauarbeiten im Versorgungsnetz wurde im WW Rauental damit begonnen, die veraltete Kalkmilchanlagentechnik durch eine vollautomatisierte Anlage zur Teilstromaufhärtung zu ersetzen. Wie bisher musste das weiche Rohwasser aus dem «Schwarzwald-Vorlandbereich» aufgehärtet werden, sodass die Mischbarkeit mit dem enthärteten «Stadtwasser» aus der Rheinebene und ggf. aus dem Zuspeisewasser aus Gaggenau gewährleistet werden kann. Dazu wurde die alte «Kalkwasser-Sättiger-Anlage» komplett rückgebaut und durch eine moderne 2-stufige Filterentsäuerungsanlage ersetzt. Zusammen mit einer neuen Schaltanlage und komplett erneuerter E-MSR-Technik fand diese neue Technologie ihren Platz im historischen Wasserwerk aus dem Jahr 1901. Übergeordnetes Ziel war eine automatische Betriebsführung mit einer dem Rastatter Standard entsprechenden Wasserhärte (ca. 10 °dH) durch Mischung der Wässer sowie der Minimierung der Spurenstoffe (PFC) auf ein zulässiges Mass. Durch den Leitungsverbund u. a. mit dem WW Muggensturm wurde die Leistungsfähigkeit der Wasserversorgung aus dem WW Rauental soweit erhöht, dass die Stadt Rastatt mengenmässig vollständig versorgt werden kann. Um die Trinkwasserversorgung mit dem ausreichenden Druck für alle Versorgungsbereiche der Stadt Rastatt mit diesem Konzept sicherzustellen, ist neben der bestehenden Leitung durch Rauental auch eine zusätzliche Netzeinspeisung (Baulandstrasse) gebaut worden.
Das zentrale Element der Aufbereitung bildet die neue 4-stufige Aktivkohlefilterstation, untergebracht in einem ca. 340 m² grossen Hallenneubau, direkt angebaut an das historische Wasserwerk. Diese Aufbereitungsstufe ist der umgebauten Aufhärtungs- und Entsäuerungsanlage vorgeschaltet und gewährleistet in einem 4-stufigen Parallelbetrieb eine sichere und zuverlässige PFC-Adsorption. Gleichzeitig erlaubt die moderne Steuerungs- und Regeltechnik die automatische Anpassung an den Netzbetrieb der Stadt Rastatt. Die Edelstahlfilter wurden eigens für diese Betriebsweise entwickelt und erfüllen die Ansprüche einer modernen Befüll- und Entladelogistik für die Aktivkohle.
Zusätzlich zu dem vorhandenen 500 m³ Trinkwasserspeicher wurde eine zweite Speicherkammer (ca. 450 m³) angebaut, um die hydraulische Flexibilität für die neu definierte Versorgungsstruktur zu verbessern. Ebenfalls erweitert werden musste die Aufbereitung durch den Anbau eines 2-stufigen Spülwasserabsetzbeckens für die neue Filteranlage.
Da die Wasserversorgung von Rastatt während der Umbaumassnahmen nur durch das WW Ottersdorf erfolgte, musste dieses Projekt in möglichst kurzer Zeit betriebsbereit umgesetzt werden. Die erste Stufe der Inbetriebnahme erfolgte dann zu Beginn des Jahres 2018 mit vorerst zwei der vier A-Kohlefilter bei einer max. Durchsatzleistung von ca. 125 m³/h (entspricht ca. 50% des Gesamtdurchsatzes). Seit dem Jahreswechsel 2018/2019 können alle vier A-Kohlefilter mit einer gesamten Leistung von bis zu 250 m³/h betrieben werden.
Im Rahmen eines PFC-/Spurenstoff-Monitorings wird regelmässig das aufbereitete Wasser im Ablauf der Aktivkohlefilter auf PFC und weitere Parameter untersucht. Damit ist man auch in der Lage, im laufenden Anlagenbetrieb weitere Erkenntnisse über die unterschiedlichen Aktivkohlen zu erhalten. Beurteilt wird so vor allem die Adsorptionskapazität unterschiedlicher Kohlen, die getestet werden.

Mit Online-Monitoring sicher in die Zukunft

Um die Trinkwasserversorgung qualitativ langfristig sicherzustellen, sind die Stadtwerke Rastatt noch einen Schritt weiter gegangen. Zur Installation und den stetig weiteren Ausbau eines Grundwassermodells kann die Bewegung und «Entwicklung» der PFC-Fahne genau verfolgt werden. Man erkennt so frühzeitig, wann z. B. ein bisher noch «sauberer» Brunnen von PFC betroffen sein könnte. Wegweisend ist jedoch eine neuartige automatische Online-Messtechnik, mit der die Wassergüte quasi in Echtzeit direkt im Rohwasser, aber auch parallel nach der Aufbereitung ermittelt werden kann. Erste Ergebnisse aus dem laufenden Anlagenbetrieb nach über einjährigem Probebetrieb geben Anlass, optimistisch in die Zukunft zu schauen!

PFC

Unter dem Begriff PFC werden perfluorierte und polyfluorierte Chemikalien zusammengefasst. PFC sind von Menschen gemachte und in der Natur nicht vorkommende organische Schadstoffe. Die Stoffgruppe der PFC umfasst mehr als 3000 Stoffe. Diese können nur schwer in der Natur abgebaut werden. Bislang gibt es weder biotische Prozesse (Bakterien) noch abiotische Prozesse (Wasser, Luft, Licht), die zum Abbau von PFC beitragen. Somit können PFC auch nicht in Kläranlagen abgebaut werden.
Aufgrund ihrer Langlebigkeit und der wasserabweisenden Eigenschaft werden diese Chemikalien in Hunderten von Produkten wie Outdoorjacken, beschichteten Pfannen, Putzmitteln oder Imprägniersprays verwendet.
Problematisch für den menschlichen Organismus können sein z. B. PFOA (Perfluoroctanoat) und PFOS (Perfluoroctansulfonat), sobald sie aufgenommen werden. Die Aufnahme geschieht vor allem über die Nahrung und Luft, in Einzelfällen auch über das Trinkwasser. Die Bioakumulation (Anreicherung im Körper) und Toxizität nehmen mit der Moleküllänge (Kettenlänge zwischen 2 und 10 C-Atome) zu. Das heisst, langkettige PFC zeichnen sich durch eine hohe Bioakumulation und Toxizität aus, sie lassen sich jedoch besser adsorbieren.
Obwohl diese beiden Substanzen mittlerweile gut untersucht sind, existiert bislang kein gesetzlicher Grenzwert für Trinkwasser und daher spricht man von Leitwerten. In Deutschland legt das Umweltbundesamt (UBA) Leitwerte für Trinkwasser fest. Die Empfehlungen (Stand 2017) für die langkettigen und potenziell besonders schädlichen Verbindungen PFOA und PFOS liegen laut der amtlichen Mitteilung bei jeweils 0,1 Mikrogramm pro Liter. Das bedeutet, bis zu dieser Konzentration können alle Bevölkerungsgruppen das Trinkwasser nach Einschätzung des UBA bedenkenlos lebenslang trinken. Nach Informationen der Energiewerke Rastatt lag der Wert der PFC-Gesamtsumme im Wasser des zuerst betroffenen Brunnens 2013 bei rund 0,3 Mikrogramm pro Liter, davon entfiel nur ein Hundertstel auf die Summe aus PFOA und PFOS.

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