Die geothermische Wärmeproduktion in der Schweiz stieg zwischen 2004 und 2017 um 177 Prozent. Im Jahr 2017 wurde über 3,8 Millionen Megawattstunden geothermische Energie produziert. Das ist mehr Wärme als alle 30 Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen zusammen in einem Jahr produzieren. Über 80 Prozent der Geothermie-Wärme stammt aus Erdwärmesonden [1]. Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit, dass in der Geothermie unter Berücksichtigung der aktuellen und zukünftigen technischen Entwicklungen sowie der geltenden gesetzlichen Grundlagen nachhaltige Lösungen umgesetzt werden. Dabei ist insbesondere der qualitative und quantitative Schutz der Grundwasservorkommen von zentraler Bedeutung. Bei der Erstellung sowie beim Betrieb von Geothermie-Anlagen, die zum grössten Teil bis ins Grundwasser reichen, kommen je nach Bauverfahren und Technologie verschiedene Produkte an Bohrspülungen, Hinterfüllungen und Wärmeträgerflüssigkeiten mit unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen sowie unterschiedlichen toxischen Eigenschaften zum Einsatz.
Gewisse Mengen dieser Chemikalien können während des Baus, seltener während des Betriebs, in das Grundwasser eingetragen werden. Aus diesem Grund wurden im Rahmen eines BAFU-Projekts die zeitlich limitierten Stoffemissionen während des Baus sowie des Betriebs dieser Anlagen evaluiert und das Risiko einer möglichen Verschmutzung des Grundwassers abgeschätzt. Dazu wurden die in der Schweiz häufig eingesetzten Stoffe in der Geothermie zusammengestellt und mit einer systematischen Methodik auf ihr Gefährdungspotenzial für das Grundwasser überprüft.
Die grundwasserschutzrechtlichen Bewilligungen für die Erdwärmenutzung werden von den kantonalen Fachstellen ausgestellt. Grundlagen dazu bilden das Gewässerschutzgesetz (GSchG, SR 814.20), die Gewässerschutzverordnung (GSchV, SR 814.201) und die dazugehörige Vollzugshilfe [2] sowie kantonale Regelungen. Generell gelten die gewässerschutzrechtlichen Bestimmungen bei der Erdwärmenutzung, etwa Schutzmassnahmen, Sorgfaltspflicht und Verunreinigungsverbot. Aufgrund der kantonalen Unterschiede im Vollzug und der Breite an Bauverfahren sowie Stoffeinsätzen stellt die Beurteilung der Grundwassergefährdung durch Stoffe eine Herausforderung für die kantonalen Gewässerschutzfachstellen dar – ein Hilfsmittel für den Vollzug des Stoffeinsatzes in der Geothermie würde Abhilfe schaffen. Es ist zu beachten, dass im Rahmen des Bewilligungsverfahrens auch weitere mögliche Grundwassergefährdungen zu prüfen sind, die etwa aufgrund von Bohrungen oder Grabungen entstehen können.
Mittels Literaturrecherche und Gesprächen mit Bohrfirmen, kantonalen Fachstellen und Herstellern wurde eine Produktliste mit den auf dem Schweizer Markt am meisten in der Geothermie eingesetzten Produkten erstellt. Die Produktliste kann auf der BAFU-Website aufgerufen werden [3]. Insgesamt ist die Zusammensetzung von 35 Bohrspül-Produkten, 16 Wärmeträgerflüssigkeit-Produkten und 12 Hinterfüll-Produkten aufgeführt (Stand September 2018). Die Produktliste enthält die Produktnamen gruppiert nach der Zusammensetzung der Hauptbestandteile sowie der üblichen Zusatzstoffe. Die Liste ist nicht abschliessend (ohne Gewähr auf Vollständigkeit), zudem enthält sie keine Aussage über die Wirksamkeit oder Umweltfreundlichkeit der Produkte. Weiter ist zu beachten, dass verschiedene Produktnamen für eine Zusammensetzung existieren, oder dass die Zusammensetzung sich mit der Zeit ändern kann.
Die Zusammensetzung der Produkte wurde mithilfe von Sicherheitsdatenblättern (SDB) eruiert. Bei der Abgabe von gefährlichen (und bestimmten weiteren) Stoffen und Zubereitungen besteht eine Pflicht zur Erstellung eines SDB (Art. 19 ChemV). In den SDB muss der Hersteller für die gefährlichen Inhaltsstoffe (und bestimmte weitere Stoffe) Konzentrationsbereiche und Stoffeinstufungen deklarieren. Die angegebenen Gefahrenklassen berücksichtigen Endpunkte der Humantoxizität und des Gewässergefährdungspotenzials (CLP-Verordnung Artikel 11). Es besteht keine Pflicht, alle Inhaltsstoffe eines Produktes im SDB anzugeben. Die SDB sind für viele Produkte online auf den Herstellerwebsites oder auf Anfrage verfügbar.
Die Basisstoffe und Zusatzstoffe der einzelnen Bohrspül-, Hinterfüll- und Wärmeträgerflüssigkeitsprodukte sind in den Figuren 1 bis 3 zusammengefasst.
Die Bohrspülung (Fig. 1) ist in der Regel ein Bentonit-Wasser-Gemisch, das mittels Spezialmischer zu einer Suspension aufbereitet wird. Zur gezielten Steuerung der rheologischen Eigenschaften werden der Suspension auch Hilfsmittel, meist Polymere, zugegeben, falls die Spülung nicht vollständig auf Polymeren (z. B. Carboxymethylcellulose, Polyacrylamid) basiert. Synthetische Polymere enthalten zusätzlich zur Stabilisation Biozide, wie zum Beispiel 1,2-Benzisothiazolin-3-one, die eine schlechte Abbaubarkeit (= hohe Persistenz) und hohe Toxizität aufweisen.
Die Standardmischung für eine Hinterfüllung (Fig. 2) besteht aus 100 kg Bentonit, 200 kg Zement und 900 l Wasser und wird in 17% aller Fälle eingesetzt [4]. Mehrheitlich werden eingekaufte Fertigprodukte angemischt, die Zusatzmittel wie Verflüssiger (enthalten Polycarboxylate, Biozide), Beschleuniger (z. B. Aluminiumsulfat) oder Korrosionsinhibitoren enthalten können.
In der Schweiz wird als Basisstoff von Wärmeträgerflüssigkeiten (Fig. 3) meist Glykol (Ethylen-/Propylenglykol) eingesetzt. Aufgrund seiner korrosiven Eigenschaften werden zusätzlich Korrosionsinhibitoren hinzugegeben. Weitere Zusatzstoffe können Tenside (z. B. Oleylalkohol), Farbstoffe (z. B. Fluorescein-Natrium) oder Duftstoffe (z. B. n-Amylacetat) sein.
Das Gefährdungspotenzial chemischer Verbindungen für das Schutzgut Grundwasser wird durch die Berücksichtigung von Humantoxizität (Sicherstellung der Trinkwassernutzung) sowie der Abbaubarkeit (Persistenz) und Mobilität im Grundwasser beurteilt. Das Gefährdungspotenzial wird ermittelt, indem die Konzentrationen der zu untersuchenden Stoffe im Grundwasser in einem konservativen Expositionsszenario berechnet werden (CGW) und diese mit vorhandenen Qualitätsanforderungen verglichen werden (CQK). Liegen die abgeschätzten Konzentrationen über den Qualitätskriterien, besteht die Möglichkeit einer Gefährdung für das Grundwasser durch den Eintrag der Stoffe (Fig. 4). Ausserdem geht in die Bewertung das Stoffverhalten (Mobilität, Abbaubarkeit) im Grundwasser ein. Ein toxischer, mobiler, schlecht abbaubarer Stoff kann im schlimmsten Fall im Grundwasser vom Eintragsort bis zur Trinkwasserfassung transportiert werden. Für den Vergleich der verschiedenen Produkte wurde nur deren Einfluss auf die Grundwasserqualität bewertet. Keine weiteren Kriterien wie zum Beispiel Anwendungsverfahren, Preise oder physikalische Wirkungsweisen wurden berücksichtigt.
Im Expositionsszenario wurde die maximal mögliche Konzentration des Stoffes im Grundwasser (CGW) abgeschätzt. Dabei wurden der Standort, die Erdwärmetechnologie sowie das Bauverfahren mit den entsprechend eingesetzten Produkten/Stoffen berücksichtigt. Das Szenario basiert auf den bestehenden gesetzlichen Anforderungen und wurde konservativ (worst-case) gewählt, um alle möglichen Risiken abzudecken. Zur Berechnung der Stoffkonzentration im Grundwasser wird zwischen der Exposition während der Erstellung der Bauten im Untergrund, dem Betrieb der Anlage sowie zwischen dem Störfall unterschieden. Alle getroffenen Annahmen zur Modellierung eines Expositionsszenarios sind in Figur 5 zu finden. Dabei ist zu erwähnen, dass die Annahmen und abgeleiteten Emissionsfaktoren in das Grundwasser bei einem relativen Vergleich der Stoffe untereinander eine untergeordnete Rolle spielen.
Der Fokus liegt auf der oberflächennahen Geothermie, deren Anlagen bis in eine Tiefe von maximal 400 m unter Terrain reichen [1]. Es wird zwischen folgenden Nutzungstypen unterschieden:
– oberflächennahe Grundwasserwärmenutzung
– Erdwärmesonden
– Erdregister
– Energiekörbe
– Geostrukturen-Energiepfahlsysteme
Von all den erwähnten Technologien werden Erdwärmesonden am tiefsten in die Erde abgeteuft. In qualitativer Hinsicht sind sie besonders problematisch, da sie oft in direktem Kontakt, ohne eine schützende Bodenschicht, mit dem Grundwasser stehen. Zudem wird beim Bau und der Nutzung dieser Technologie die grösste Menge an Stoffen eingesetzt. Aus diesen Gründen wurde das Expositionsszenario mit Fokus auf Erdwärmesonden berechnet.
Für den Bau von Erdwärmesonden wird in 80% der Fälle das Drehschlagbohren, das sogenannte Imlochhammerbohrverfahren, angewandt. Dieses Verfahren kommt vorwiegend bei Hartgesteinsbohrungen im Felsen zum Zuge. Als Spülmedium wird meist Druckluft eingesetzt, bei speziellen Verfahren wird mit Wasser gespült. Das Spülmedium wird durch Bohrgestänge, Imlochhammer und Bohrkrone gepresst und tritt mit dem gelösten Bohrklein (erbohrtes Untergrundmaterial) durch den Ringraum zwischen Bohrgestänge und Bohrlochwandung am Bohrlochmund wieder aus. Bei instabilem Untergrund kann für maximal 100 m verrohrt und mit dem Imlochhammerbohrverfahren gearbeitet werden. Danach wird das Tonbohrspülverfahren angewandt. Bohrspülungen dienen im Wesentlichen zur Stabilisierung eines Bohrloches, dem Reinigen der Bohrlochsohle und zum Austrag des erbohrten Untergrundmaterials. Da die Bohrspülung so angemischt wird, dass sie das Bohrloch nach aussen abdichtet und stabilisiert, gelangt im Normalfall wenig der Spülung in das Grundwasser.
In das Bohrloch wird ein U-Rohr meist aus Polyethylen bis zum Grund eingebracht. In diesem U-Rohr zirkuliert die Wärmeträgerflüssigkeit. Diese kann im Rahmen des Betriebs bei einer Leckage in der Erdwärmesonde in das Grundwasser gelangen – was allerdings höchst selten geschieht.
Nach Einbringung der Sonde wird der verbliebene Hohlraum mit einer Mischung aus Bentonit und Zement möglichst lĂĽckenlos hinterfĂĽllt, um einen guten thermischen Kontakt zwischen dem U-Rohr und der Bohrwand sicherzustellen. 85 bis 90% der Bohrlöcher lassen sich problemlos hinterfĂĽllen. Es kann jedoch vorkommen, dass wegen einer Sandlinse eine grössere Menge an HinterfĂĽllung, als ursprĂĽnglich berechnet, in das Bohrloch gepumpt werden muss. Zudem kann während des Betriebs ein Teil der HinÂterfĂĽllung durch Frost-Tau-Zyklen sowie durch Korrosion von stark sulfathaltigen Gewässern ins Grundwasser gelangen.
Um die Konzentration eines Stoffes im Grundwasser zu berechnen, wurde zuerst anhand verschiedener Annahmen (Fig. 5) die total eingesetzte Produktmenge (also eine Mischung verschiedener Stoffe) abgeschätzt und der Mengenanteil des Stoffes im Produkt berechnet. Es wurde angenommen, dass das Anmischen und der Einsatz der Produkte sachgemäss verliefen, und dass schlimmstenfalls 50% der eingesetzten Menge ins Grundwasser gelangen würden. Die Konzentration im Grundwasser bei der Trinkwasserfassung wurde ohne Berücksichtigung eines Abbaus der Stoffe mithilfe von festgelegten Parametern (Mächtigkeit und Fliessgeschwindigkeit des Grundwassers, hydraulische Verdünnungsfaktoren, Dichte Untergrund, Gehalt an organischem Kohlenstoff) modelliert. Da keine Geothermie-Bauten im Grundwasser in Gewässerschutzzone (S1–S3) erlaubt sind [2], besteht das grösste Risiko von Geothermie-Bauten im Grundwasser im Gewässerschutzbereich AU. Dort wird nutzbares oder zur Nutzung vorgesehenes Grundwasser direkt tangiert. Es wurde von einem Bau der Erdwärmesonde im Bereich AU direkt an der Grenze zu S3 ausgegangen, also in einer minimalen Entfernung von 200 m zur Trinkwasserfassung. Basierend auf einer vereinfachten Modellierung des Grundwassertransports wird die eingetragene Stoffmenge somit ca. 8-mal verdünnt.
Das Risiko für das Grundwasser wurde durch den Vergleich der berechneten Konzentrationen im Schutzgut basierend auf dem konservativen Expositionsszenario mit Qualitätsanforderungen abgeschätzt. Die Qualitätskriterien wiederum basieren vorwiegend auf gesetzlichen Grundlagen wie der TBDV (Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen, SR 817.022.11), GschV (Gewässerschutzverordnung, SR 814.201 und Wegleitung Grundwasserschutz mit den Indikatorwerten) und den Trinkwassergrenzwerten der WHO (World Health Organization). Des Weiteren wurden humantoxikologische Anforderungen basierend auf wissenschaftlich hergeleiteten DNEL (Derived No Effect Level) hergeleitet (Datenquellen: ECHA, US EPA).
Einige Stoffe, wie zum Beispiel Polycarboxylat-Polymere in Betonverflüssigern, wurden als nicht gefährlich eingestuft. Allerdings sind sie biologisch abbaubar und zehren dadurch Sauerstoff in Gewässern. Die GSchV gibt deshalb Obergrenzen für solche Verbindungen (als Summenwert DOC: Dissolved Organic Carbon) an. Da ein generelles Verunreinigungsverbot des Grundwassers gilt, wurden alle Stoffkonzentrationen neben den substanzspezifischen toxikologischen Daten zusätzlich mit einer Qualitätsanforderung von 0,1 µg/l verglichen (Hinweis: Der SVGW schlägt 0,1 µg/l als Grenzwert für alle künstlichen langlebigen Fremdstoffe im Grundwasser vor. Die aktuelle GSchV definiert für organische Pestizide eine Anforderung von 0,1 µg/l).
Um das Gefährdungspotenzial für das Grundwasser abzuschätzen, wurden die Aspekte Humantoxizität, Persistenz und Mobilität für jeden Stoff bewertet (Auszug siehe Fig. 6). Daraus setzt sich die Gesamtbewertung mit abnehmender Gewichtung zusammen. Die Toxikologie ist somit deutlich relevanter als die Mobilität bezüglich der Gefährdung für das Grundwasser.
Die Gefährdungsabschätzung bezüglich der Humantoxikologie ergab sich durch den Vergleich der berechneten stofflichen Konzentration im Schutzgut auf Basis des Expositionsszenarios (CGW) mit einem der Qualitätskriterien (CQK). Wenn der Risikoquotient (RQ = CGW/CQK) grösser als 1 ist, besteht ein problematischer Stoffeintrag ins Grundwasser.
Die Persistenz beziehungsweise die Abbaubarkeit der Stoffe basiert auf standardisierten Abbautests unter aeroben Bedingungen, wie zum Beispiel Tests nach OECD (Testrichtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD). Im Grundwasser sind nicht dieselben Bedingungen gegeben, jedoch dienen diese standardisierten Tests einem relativen Vergleich der Abbaubarkeit zwischen den Stoffen untereinander. Dazu wurden alle Stoffe in drei Gruppen eingeteilt: DOC-Abbaubarkeit des Einzelstoffes grösser 70% (biologisch leicht abbaubar) (A), DOC-Abbaubarkeit 70 bis 20% (B) und DOC-Abbaubarkeit kleiner 20% (C) innerhalb von 28 Tagen.
Zur Beurteilung der Mobilität wurde zuerst die Wasserlöslichkeit, sprich die Eluierbarkeit des Stoffes aus dem Produkt, bei soliden Produkten berücksichtigt. Falls ein Stoff gut wasserlöslich war, wurde zusätzlich die Sorptionskapazität der Stoffe an das organische Material im Grundwasser (KOC) betrachtet. Langkettige Alkohole sorbieren zum Beispiel gut an das organische Material im Grundwasser (geringe Mobilität). Bei geringer Sorption gelangt jedoch die gesamte Stoffmenge rasch zur Trinkwasserfassung (hohe Mobilität).
Für die Bewertung der einzelnen Stoffe wurde eine separate Stoffliste (Auszug siehe Fig. 6) erstellt, die auf der BAFU-Website aufgerufen werden kann [3]. Die Liste zeigt die Gesamtbewertung der Gefährdungsabschätzung eines Stoffes auf das Grundwasser sowie die einzelnen Beurteilungskriterien (Humantoxizität, Persistenz und Mobilität) und die Relation zum Referenzwert von 0,1 µg/l.
Mit dem hier vorgestellten Expositionsszenario wurde die humantoxikologische Qualitätsanforderung für den Grossteil der Stoffe eingehalten. Somit stellen die aktuell eingesetzten Produkte, abgesehen von wenigen Ausnahmen, bei korrekter Anwendung und ohne starke Abweichungen zum hier konservativ gewählten Expositionsszenario in der Geothermie, keine Gefährdung für das Trinkwasser dar. Um das ideale Produkt für ein spezifisches Bauvorhaben zu evaluieren, können die Stoffe miteinander anhand des humantoxikologischen Qualitätskriteriums (wichtigstes Kriterium bezüglich der Gefährdung für das Grundwasser), dem Referenzwert von 0,1 µg/l, der Persistenz oder der Mobilität verglichen werden. Falls ein Stoff die humantoxikologischen Qualitätsanforderungen überschreitet, sind weitere fallspezifische Abklärungen notwendig.
Bohrspülmittel, die halbsynthetische oder synthetische Polymere enthalten, benötigen zusätzlich Biozide zur Stabilisation der Polymere, welche eine Gefährdung für das Grundwasser darstellen. Auch phosphathaltige Verflüssiger, wie z. B. Natriumphosphat, können die Anforderungen an Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird oder dafür vorgesehen ist, überschreiten. Daher sollte bei einem Bauvorhaben in der Nähe von genutztem Grundwasser eine reine Bentonit-Spülung, ohne Zusatzmittel, eingesetzt werden.
Die Basisstoffe der Hinterfüllung bei Erdwärmesonden bergen in unserem Szenario in toxikologischer Hinsicht kein Risiko für das Grundwasser. Der Portlandzementklinker kann den pH-Wert im Grundwasser kurzzeitig erhöhen. Aufgrund des kleinen Oberflächen-Volumen-Verhältnisses bei Erdwärmesonden ist dies jedoch vernachlässigbar. Problematisch bei der Hinterfüllung sind Zusatzstoffe wie Korrosionsinhibitoren oder Verflüssiger, Fliessmittel und Verzögerer, die Polycarboxylate enthalten und mit Bioziden stabilisiert werden müssen. Deshalb sollten bei einem Bauvorhaben in der Nähe von nutzbarem Grundwasser möglichst keine Produkte mit Korrosionsinhibitoren oder Bioziden eingesetzt werden.
Solen als Wärmeträgerflüssigkeiten, wie z. B. Kaliumchlorid, können die Anforderungen an Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird oder dafür vorgesehen ist, überschreiten. Jedoch ist die Anwendung von Solen als Wärmeträgerflüssigkeiten nicht mehr Stand der Technik. Die Glykole in Wärmeträgerflüssigkeiten stellen grundsätzlich keine Gefährdung für das Grundwasser dar. Jedoch werden den glykolbasierten Produkten Korrosionsinhibitoren zugegeben, die grösstenteils sehr persistent sind (z. B. Benzotriazol). Es gibt jedoch alternative Korrosionsinhibitoren, die kaum ein Risiko für das Grundwasser darstellen (z. B. Benzoesäure). Solange nicht bekannt ist, welcher Korrosionsinhibitor im Produkt enthalten ist, sollte in der Nähe von nutzbarem Grundwasser reines Wasser oder Mono-Alkohole (Methanol, Ethanol) als Wärmeträgerflüssigkeit den Glykolen vorgezogen werden.
Ein Risiko für das Grundwasser stellen vor allem Zusatzstoffe in geringen Mengen in jenen Produkten dar, die sich mit dem Stand der Technik ändern und somit dem Anwender sowie auch der Bewilligungsinstanz oft unbekannt sind. Zusätzlich erschweren die Unterschiede in der Geologie und den kantonalen Vorschriften sowie Verfahren eine Beurteilung der Grundwassergefährdung. Die erstellte Produktliste soll den Bewilligungsbehörden helfen, die meisten der Produktbestandteile zu identifizieren und die jeweiligen Stoffe mit Unterstützung der Stoffliste zu bewerten. Je nach Standort und Bauszenario kann anschliessend entschieden werden, ob ein gewisses Produkt eine Gefährdung für das Grundwasser darstellen könnte. Die Gesamtbewertung eines Produktes auf die Gefährdung des Grundwassers basiert somit weiterhin auf einer Experteneinschätzung. Zudem fliessen in die Beurteilung von Erdwärmenutzungsgesuchen nicht nur die stofflichen Aspekte ein. Die Behörden prüfen auch weitere mögliche Gefährdungen (z. B. durch die Bohrung selbst) und berücksichtigen die lokalen Grundwasserverhältnisse sowie deren Bedeutung für die Wasserversorgung. Die Produkt- und Stofflisten sind ab März 2019 auf der BAFU-Website aufgeschaltet [3].
[1] Bundesamt fĂĽr Energie BFE (2017): Statistik der geothermischen Nutzung in der Schweiz
[3] BAFU: Link zur Produkt- und Stoffliste: https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/fachinformationen/massnahmen-zum-schutz-der-gewaesser/grundwasserschutz/grundwasser-als-trinkwasser.html > WeiterfĂĽhrende Informationen > Dokumente
[4] Ebert, A. (2018): Bericht «Hinterfüllbaustoffe von Erdwärmesonden», Analyse und Statistik von Markt, Anforderungen, Merkmalen und Qualität der in der Schweiz eingesetzten Hinterfüllbaustoffe
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