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Fachartikel
19. Juli 2018

Datenerfassung

Nicht alles was möglich, sondern nur was nötig ist!

Im heutigen digitalen Zeitalter hat die Datenerfassung und -auswertung stark an Bedeutung gewonnen. Auch die vermehrte Online-Überwachung der Wassergewinnung, -aufbereitung und -verteilung ist ein klar erkennbarer Trend. Um diese Entwicklungen abzubilden, wurde die SVGW-Empfehlung W1014 für die Datenerfassung und -auswertung grundlegend überarbeitet. An der SVGW-Wasserfachtagung in Olten wurden die revidierte Empfehlung wie auch Trends in der Online-Überwachung vorgestellt. Es wurde dabei auf die Gefahr hingewiesen, dass mit den neuen Messmethoden enorme Datenfriedhöfe entstehen könnten. Das Augenmerk sollte daher auf die Erfassung der für die Betriebsführung relevanten Daten und die Interpretation dieser gelegt werden.
Margarete Bucheli 

Die Entstehung von Datenfriedhöfen zu verhindern, das sei ein erklärtes Ziel der überarbeiteten Empfehlung W1014, erklärte SVGW-Vorstandsmitglied Gerald Luyet, Services Industriels de Genève (SIG), in seiner Begrüssung und kurzen Einführung in die Fachtagung. Wie das im Einzelnen gelöst wurde, präsentierten Roland Käser (Energie Service Biel) und Guido Marty (Rittmeyer AG) bei ihrer Vorstellung der W1014. Im Anschluss daran ging Margarete Bucheli (SVGW) auf die drei Teile der Empfehlung ein, bei denen Wasserqualitätsdaten im Vordergrund stehen und die im Zuge der Revision ergänzt bzw. stark ausgebaut wurden.

Den Mikroorganismen auf der Spur

Es gebe fantastische, gut etablierte neue Methoden, die sowohl für die Forschung wie auch Routine-Überwachungen interessant seien und an Stelle der wenig aussagekräftigen AMK-Bestimmung treten könnten, erklärte Eawag-Forscher Frederik Hammes. Zusätzlich zur mittlerweile in der Wasserversorgungsbranche schon recht gut bekannten Durchflusszytometrie stellte Hammes die 16S-rRNS-Sequenzierung für die Analyse des Artenreichtums sowie die Adenosintriphosphat-Methode vor. Damit diese neuen Methoden breit angewendet werden, brauche es jedoch Methodenstandardisierung, Erfahrungswerte und Informationsaustausch.
Kurzzeitige Veränderungen der Bakterienkonzentrationen sind allgegenwärtig. Sie sollten daher für ein besseres Prozessverständnis gemessen und beurteilt werden, erklärte Michael Besmer, Geschäftsführer des Eawag-Spin-offs onCyt Microbiology. Anhand von Fallbeispielen zeigte Besmer auf, welche Möglichkeiten die Online-Durchflusszytometrie heute bietet. Durch eine kombinierte Messung der intakten Zellzahl (IZZ) und der Totalzellzahl (TZZ) liessen sich vor allem Desinfektionsprozesse wie die Chlorung gut verfolgen. Durch Optimierung der Geräte im Bereich der Messgenauigkeit eigne sich die Methode nun auch zur Überwachung von Membranprozessen, wie Ultrafiltration oder Umkehrosmose, und zur Beurteilung der Membranintegrität und des Betriebsregimes. Er betonte ausserdem, dass die Online-Durchflusszytometrie die Entscheidungsgrundlagen für den Betrieb und – wo nötig – Optimierung von Anlagen und Prozessen liefern könne. Monitoring sei Mittel zum Zweck und oft weder permanent notwendig noch sinnvoll.
Fereidoun Khajehnouri von Service de l’eau Lausanne und Paul-Etienne Montandon (Viteos SA) berichteten von ihren Erfahrungen beim Einsatz des Online-Durchfluszytometers BactoSense TCC, das von bNovate Technologies SA entwickelt worden war und nun von Sigrist Photometer vermarktet wird. Der Vergleich der Ergebnisse, die mit Durchflusszytometern im Labor erhalten wurden, und denjenigen des BactoSense-Gerätes zeigte eine sehr gute Übereinstimmung sowohl bezüglich TZZ als auch bezüglich des Anteils grosser, DNA-reicher Zellen (sogenannte HNA-Zellen), sagte Khajehnouri. In Lausanne wurde das Online-Durchflusszytometer auch zur Messung der TZZ in Trinkwasser, das über eine einfache Sandfiltration mit anschliessender Chlorung bzw. durch Ultrafiltration aus Rohwasser gewonnen worden war, verwendet. Dabei habe sich gezeigt, dass die durchflusszytometrische Online-Analyse helfen könne, ein Problem mit dem Ultrafiltrationssystem, wie den Bruch oder die Beschädigung von Fasern, zu erkennen.
Bei Viteos in La-Chaux-de Fonds war das BactoSense-Gerät eingesetzt worden, um die mehrstufige Aufbereitungskette und in einem Pilotversuch die Kontamination von Trinkwasser mit Abwasser zu untersuchen. Die von Montandon präsentierten Ergebnisse zeigten, dass mit der Online-Durchflusszytometrie eine mikrobiologische Kontamination und biologische Instabilitäten des Trinkwassers nachgewiesen werden können. Montandon unterstrich, dass die Kombination von TZZ und HNA-Zellen schon sehr weitreichende Aussagen zulasse, so dass es vielleicht eine zusätzliche Messung der IZZ gar nicht brauche.

ERFA Durchflusszytometrie

Die Forderungen nach Methodenstandardisierung, Erfahrungswerten und Informationsaustausch habe man aufgenommen und eine ERFA Durchflusszytometrie gegründet, so Sonja Förster, Vorsitzende der ERFA, und Hans Peter Füchslin, Bereichsleiter Wasser beim Kantonalen Labor Zürich. An der ERFA nehmen Vertreter von Kantonalen Laboratorien, von den Wasserversorgungen Basel, Bern und Zürich, von Forschungsinstitutionen sowie von privaten Firmen teil. Zum einen soll die ERFA als Diskussionsplattform dienen, zum anderen sollen aber auch Ringversuche organisiert, Methodenbeschreibungen aktualisiert und Erfahrungswerte und Beurteilungskriterien definiert werden. Füchslin zeigte sich erfreut über die mehrfache Nennung der TZZ-Bestimmung in der SVGW-Richtlinie W12 «Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis in der Trinkwasserversorgung» und wünschte sich die Aufnahme einer mikrobiologischen Methodensammlung ins SVGW-Regelwerk.

 

Kombinationsanalyse statt einzelne Parameter betrachten

Rebecca Page (Endress + Hauser AG) beschrieb, wie man von der Online-Überwachung komplexer dynamischer Prozesse im Rohwasser zu klaren Entscheidungen kommen kann. Die Methode kombiniere Online-Messungen und -Auswertung, so dass die wichtigen Informationen zeitnah vorliegen. Dabei werde nicht nur ein Parameter angeschaut, sondern mehrere wie elektrische Leitfähigkeit, Trübung, pH-Wert, Quellschüttung und SAK254. Es werden auch keine Fixwerte für die Parameter festgelegt, sondern die Methode basiere auf einem Auswertungsalgorithmus, der selbständig lerne, wie die aktuelle Situation mit anderen Situationen im Zusammenhang steht. «Die einzelnen Schritte, von der Online-Messung über eine automatisierte Online-Aus- und Bewertung der aktuellen Situation bis hin zur kompletten Anbindung aller Komponenten einer Wasserversorgung, bilden ein flexibles System, das in seine Umwelt eingebettet ist und so ein effizientes Ressourcenmanagement ermögliche», schloss Page.
Auch Martina Hofer, Geschäftsführerin der unimon GmbH riet davon ab, lediglich einzelne Messwerte zu betrachten und die Alarmierung über Maximal- oder Minimalwerte einzelner Parameter zu organisieren. Nur durch die kombinierte Betrachtung verschiedener Parameter liessen sich kritische Zustände erkennen. Um herauszufinden, welche Parameter geeignet sind, um auf Qualitätsveränderungen hinzuweisen, müssten in einem ersten Schritt die Gefahrenquellen im Einzugsgebiet einer Fassung eruiert werden. Die Analyse bereits vorhandener Messdaten könne dabei sehr hilfreich sein. In einem zweiten Schritt müssten geeignete Messstellen definiert und das Alarmierungssystem konzipiert werden. «Was auf keinen Fall vergessen werden darf», so Hofer, «ist eine Validierung des gesamten Systems.»
Die Wasserversorgung Chiasso betreibt einige Grundwasserfassungen, die vielfältigen Gefahren ausgesetzt sind. Daher ist eine Online-Überwachung des Roh- und Trinkwassers hier unumgänglich, erklärte Giordano Vassalli (AGE SA, Chiasso). Er beschrieb zwei Ereignisse und wie die Auswertung der erfassten Daten dabei die wichtigen Hinweise lieferte. Beim ersten Ereignis war die kombinierte Auswertung von Leitfähigkeit und pH-Wert hilfreich. Es trat nämlich eine Kombination auf, die deutlich ausserhalb der üblicherweise beobachteten Kombinationen der beiden Parameter lag. Eine defekte Abwasserleitung innerhalb der Schutzzone S2 wurde schliesslich als Ursache der Qualitätsveränderung ausgemacht. Beim zweiten Ereignis war ein defektes Mischwasserrohr schuld. Erste Hinweise lieferte die UV-Anlage, in der das Grundwasser desinfiziert wird. Nach intensiven Regenfällen lösten die Messungen des Anlagensensors Voralarme aus.

Das letzte Wort dem Vollzug

Claude Ramseier, Kantonschemiker von Fribourg beurteilte die neue SVGW-Empfehlung W1014 aus Sicht des kantonalen Vollzugs des Lebensmittelrechts und schlug damit den Bogen wieder zurück zum Anfang der Tagung zu den ersten Vorträgen. Die W1014 unterstütze Wasserversorger sehr darin, die in der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung geforderte Verpflichtung zur Selbstkontrolle zu erfüllen. Gerade bei der Anwendung des HACCP-Konzepts sowie der Umsetzung der Rückverfolgbarkeit und der Dokumentation sei sie sehr hilfreich. Ramseier empfahl eine gemeinsame Anwendung der Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis W12 und der Empfehlung W1014, da beide Regelwerke sich bestens ergänzten. Zum Abschluss verwies er darauf, dass das neue Lebensmittelrecht auf vier Pfeilern ruhe. Zu den drei «alten» Pfeilern Gesundheitsschutz, Täuschungsschutz und Gute Verfahrenspraxis sei neu die Information der Bevölkerung hinzugekommen. Auch hierzu gebe die W1014 wichtige Hilfestellungen, vor allem mit dem Muster-Jahresbericht, der im SVGW-Shop kostenlos heruntergeladen werden könne.

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