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Fachartikel
20. Dezember 2017

Lebensmittelgesetz und Trinkwasser

Alles, was neues Recht ist

Seit Anfang Mai 2017 ist das neue Lebensmittelgesetz mit den dazugehörigen Verordnungen in Kraft. Der «Wasserspiegel» versucht, einen Überblick über die Änderungen zu geben, die für die Trinkwasserversorger relevant sind. Mit der «Verordnung über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen» (TBDV) erhalten die Wasserversorger einen quasi exklusiven Rechtstext.
  

Rechtstexte mögen nicht die Lieblingslektüre der Wasserversorger sein, da das Juristendeutsch häufig nicht so leicht runtergeht wie frisches Trinkwasser. Damit aber das Trinkwasser bekömmlich bleibt, sollten die Wasserversorger zumindest die wichtigsten Inhalte und Begriffe der einschlägigen Rechtstexte kennen.

Das für Lebensmittelhersteller zentrale Gesetz, das Lebensmittelgesetz (LMG), erfuhr zusammen mit den dazugehörigen Verordnungen in den letzten Jahren eine grössere Überarbeitung. Ende 2016 waren die Arbeiten so weit gediehen, dass der Bundesrat das revidierte Gesetz auf den 1. Mai 2017 in Kraft setzte. Für die Trinkwasserversorger kam es dabei auch zu einigen Änderungen.

Auf Gesetzesstufe behielt der Rechtstext seinen Namen bei: Lebensmittelgesetz. Auch Trinkwasser kommt dabei weiterhin als Lebensmittel vor. Zusätzlich wurden aber Bade- und Duschwasser als Gebrauchsgegenstand definiert. Damit haben diese Wässer den Status von Produkten wie Kleidungsstücke oder Spielzeuge. Eine weitere Neuerung besteht im Verzicht auf die Unterscheidung zwischen Grenz- und Toleranzwerten, stattdessen gibt es nur noch Höchstwerte. Diesen entsprechen auch die Bezeichnungen Höchstmengen, Höchstkonzentrationen oder Richtwerte.

Eine eigene Verordnung

Bei den weiteren Ausführungen zum Gesetz, also den Verordnungen, fällt aus Sicht der Wasserversorger auf, dass zwar die Verordnung über Trink-, Quell- und Mineralwasser aufgehoben wurde, dafür erhalten sie einen Rechtstext, der eigens ihrem Produkt gewidmet ist. In die «Verordnung über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen» (TBDV) fliessen dabei die Anforderungen an das abgegebene Wasser ein, die vorher an verschiedenen Orten beschrieben waren. So sind neu die chemischen Parameter wie Nitrat oder Chlor zusammen mit Höchstwerten für Trinkwasser in der TBDV aufgeführt. Die Fremd- und Inhaltsstoffverordnung existiert nicht mehr.

Weiterhin vorhanden ist zwar die Hygieneverordnung, doch die trinkwasserspezifischen bakteriologischen Anforderungen wie die bekannten Werte für E. coli, Enterokokken und aerobe mesophile Keime gingen in die TBDV über.
Ebenfalls in die TBDV flossen Vorgaben für die Verwendung von Materialien in Kontakt mit Trinkwasser ein. Diese Änderung hängt damit zusammen, dass ortsfeste Wasserversorgungsanlagen aus Sicht des Gesetzgebers keine «Lebensmittelverpackungen» mehr sind und darum nicht mehr als sogenannte Bedarfsgegenstände gelten. Die Qualitätsansprüche an die Materialien bleiben aber gleich. In einem Fall wurden sie indirekt noch erhöht. So gibt die TBDV neu auch einen Richtwert für den gesamten organischen Kohlenstoffgehalt (TOC) des Trinkwassers von 1 mg/l vor.

Ebenfalls darf es zu keinen «ungewöhnlichen Veränderungen» kommen. Weniger für den Wasserversorger, aber den Hausbesitzer relevant ist die Anmerkung, dass der TOC-Gehalt im Wasser sich nach dem Eintritt ins Haus höchstens um 0,5 mg C/l verändern darf.

Auch wenn die meisten Vorgaben für Trinkwasser in der TBDV zusammengefasst wurden, dürfen die Wasserversorger weiterhin die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) nicht aus den Augen verlieren. Darin enthalten sind nämlich weiterhin die Artikel zur Selbstkontrolle. Auf diesem Prinzip basiert auch die SVGW-Leitlinie für eine gute Verfahrenspraxis in Trinkwasserversorgungen (W12)

 

 

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Wie umgehen mit Höchstwert­überschreitungen

Im Nachgang zur Gesetzesrevision publizierte das Bundesamt für Lebensmittel- und Veterinärwesen (BLV) zur weiteren Erläuterung die Weisung 2017/3, die sich an die Vollzugsbehörden richtet, und das Informationsschreiben 2017/5, das sich in erster Linie an die verantwortliche Person eines Lebensmittelbetriebs richtet. Die Weisung geht darauf ein, wie mit Überschreitungen von Höchstwerten für chemische Parameter umzugehen ist, mikrobiologische Parameter werden dagegen nicht behandelt. Dabei wird unterschieden, ob ein Höchstwert aufgrund der gesundheitlichen Beurteilung oder der technischen Vermeidbarkeit festgesetzt wurde. Bei Höchstwertüberschreitungen müssen die Behörden zwar in jedem Fall eine Beanstandung aussprechen, doch weitreichendere Massnahmen sind nur im Fall einer Gesundheitsgefährdung gerechtfertigt. Das BLV betont, dass in jedem Fall das Verhältnismässigkeitsprinzip anzuwenden sei. Für Trinkwasser listet die Weisung die Stoffe auf, bei denen bei einer Höchstwertüberschreitung in der Regel von einem Gesundheitsrisiko auszugehen ist. Es sind dies beispielsweise Arsen, Blei oder Cyanid. Nicht aufgeführt sind Nitrat oder Pestizide. Für letztere enthält aber die Weisung eine Anleitung zur Risikobewertung.

Im Informationsschreiben 2017/5 wiederum geht es um die Pflicht zur Rücknahme bzw. Rückruf eines Lebensmittels und der Information der Behörde. Die Trinkwasserversorger werden nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass sie bei der Abgabe von gesundheitsgefährdendem Wasser unverzüglich die kantonalen Vollzugsbehörden informieren müssen. Mit diesen zusammen bestimmen sie die erforderlichen Massnahmen.

Alter Wein in neuen Schläuchen oder doch mehr?

Insgesamt führt das neue Lebensmittelgesetz zu keinen grösseren inhaltlichen Verschiebungen für die Wasserversorger. Man könnte versucht sein, das Gesetz als alten Wein in neuen Schläuchen zu bezeichnen. Dabei sollte man sich rasch mit den neuen Schläuchen vertraut machen. Bekanntlich liegt aber der Teufel im Detail. Die Zukunft wird noch weisen, ob durch die Anwendung des neuen Rechts sich doch Änderungen ergeben, welche
die Praxis der Wasserversorger beeinflussen.

 

 

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