Technisches Wissen und dessen praktische Umsetzung alleine genügen für eine sichere und nachhaltige Wasserversorgung nicht. In Anbetracht der vorhandenen und potenziellen Konflikte rund um die Wassernutzung gewinnt die politische Interessenvertretung an Bedeutung. Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) hat darum eine Interessensvertretung gebildet und vor Kurzem eine Politikstrategie formuliert. «Jede Gesellschaft muss im Laufe ihrer Geschichte feststellen, dass sich das Gleichgewicht, das irgendwann zwischen Wasser und Gesellschaft geschaffen wurde, zu einem anderen Zeitpunkt sich in ein Ungleichgewicht wandelt.» Diesen Satz schrieb der norwegische Historiker und Hydrologe Terje Tvedt vor zehn Jahren in einem Buch, das auf Deutsch «Wasser – Eine Reise in die Zukunft» heisst. Der Satz war auf die globale Wassersituation gemünzt. Doch er trifft zunehmend auf die Situation in der Schweiz zu. Um nicht ins Ungleichgewicht zu geraten, ist die Schweizer Gesellschaft gefordert, ihr Verhältnis mit dem Wasser rechtzeitig neu zu regeln. Dabei geht es nicht nur um die viel diskutierte Wasserkraft. Auch der nachhaltige Schutz der hiesigen Wasserressourcen ist infrage gestellt.Sowohl die Oberflächengewässer wie auch das Grundwasser stehen durch zahlreiche Konflikte unter Druck.
Da es sich beim Schutz der Trinkwasserressourcen um eine gesellschaftliche Aufgabe handelt, steht die Politik in der Pflicht. Diese kümmerte sich aus Sicht des SVGW in Anbetracht der Bedeutung des Trinkwassers als zentralem Nahrungsmittel bisher nur stiefmütterlich um das Problem. Nicht alle Volksvertreter waren zwar mit Wasserblindheit oder -taubheit geschlagen, doch schien das Thema bisher für Politiker kaum geeignet, um im Erfolg baden zu können. Im SVGW reifte darum in den letzten Jahren die Überzeugung, dass es nicht genügt, nur technische Grundlagen für eine nachhaltige Wasserversorgung zur Verfügung zu stellen, sondern dass vermehrt auch politische Arbeit benötigt wird. Um diese Aufgabe umzusetzen, gründete er die Arbeitsgruppe « Interessenvertretung Wasser» unter der Leitung von Roman Wiget, Geschäftsführer der Seeländischen Wasserversorgung. Diese konnte sich auch auf die Statuten stützen, in denen explizit steht, dass der SVGW für die Geltung der Branchen in der Öffentlichkeit eintritt und deren Interessen wahrt. In der Zwischenzeit hat die Arbeitsgruppe die «Politikstrategie Wasserversorgung 2017–2021» erarbeitet, die der SVGW-Vorstand diesen Juni verabschiedet hat.
Ausgangspunkt für die Politikstrategie waren die Konflikte, in welche die Wasserversorgungen involviert sind (vgl. auch «Wasserspiegel» 2/2016). Ein Problemfeld sind die Belastungen des Grundwassers mit Fremdstoffen. Neben Medikamenten, anderen Substanzen für den persönlichen Gebrauch und Industriechemikalien sind es vor allem zu hohe Einträge von Pestiziden sowie Nitrat aus der Landwirtschaft, die das Grundwasser und somit den Rohstoff der meisten Versorger belasten. Druck entsteht auch durch die sich ausdehnenden Siedlungen und den damit verbundenen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Das führt teilweise dazu, dass Fassungen aufgegeben werden müssen. Erschwerend wirkt sich dabei der mangelnde Vollzug bei der Ausscheidung rechtskräftiger Schutzzonen aus. Aufgrund dieser Situation legte die Arbeitsgruppe den Fokus der Politikstrategie einerseits auf den planerischen Gewässerschutz, andererseits auf den stofflichen Gewässerschutz. Ein Ziel der Strategie beim planerischen Gewässerschutz ist, dass im Raumplanungsgesetz Vorgaben zur Sicherstellung der zukünftigen Wasserversorgung enthalten sind. Ebenfalls sollen planerische Instrumente auf kantonaler und regionaler Ebene erstellt werden. Bei den Gemeinden wird der Generelle Wasserversorgungsplan als Standard etabliert. Die Strategie sieht auch vor, Mustervorlagen für Einsprachen und Beschwerden zur Verfügung zu stellen. Beim stofflichen Gewässerschutz ist ein Ziel, allen Akteuren klarzumachen, dass eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes und damit der Belastung der Gewässer, insbesondere im Zuströmbereich der Fassungen nötig ist. Dabei kann man sich auf das Gewässerschutzrecht berufen, das vorsieht, Schutzmassnahmen durchzusetzen. Ebenfalls soll das Umweltziel für Nitrat erreicht werden.
Mögen die Ziele inhaltlich zumindest der Branche bekannt sein, so sollen ihre Inhalte vermehrt und systematisch in die Politik hineingetragen werden. Dies geschieht durch ein Monitoring der politischen Geschäfte und Netzwerkarbeit auf allen Stufen. Der SVGW knüpft dafür noch engere Kontakte zu der Bundesverwaltung, den kantonalen Behörden und anderen Verbänden. Bei den Gemein - den sieht er die einzelnen Versorgungen in der Pflicht. Gezielt sollen auch Mitglieder der eidgenössischen Räte für die Anliegen der Wasserversorgungsbranche sensibilisiert werden. Bereits konnte mit dem CVP-Nationalrat Marco Romano ein Parlamentarier gewonnen werden (vgl. Interview). Er unterstützte den SVGW auch bei der Aktion im Parlament vom 18. September. Bei dieser verteilte der SVGW an alle Ratsmitglieder eine Trinkwasserflasche. Diese enthielt statt Wasser einen Zettel mit der politischen Botschaft für einen nachhaltigen Ressourcenschutz. Diese kann allgemeiner formuliert werden: Vorsorgen ist besser als heilen. Romano wird sich diesen Herbst auch mit einer Interpellation an den Bundesrat wenden. Darin bittet er die Regierung um eine Antwort auf die Frage, wie der Bundesrat den Schutz der strategisch wichtigen Trinkwasserressourcen auf planerischer Ebene mittel- und langfristig sicherstellen will. Oder er möchte wissen, wie der nationale Aktionsplan zur Pflanzenschutzmittel-Risikoreduktion finanziert werden soll. Ebenfalls soll geklärt werden, wie der Schutz der Trinkwasserressourcen in der Agrarpolitik 22 berücksichtigt wird.
Neben diesen Aktionen mit erhöhter Sichtbarkeit setzt sich der SVGW eher im Hintergrund dafür ein, dass die Politik Mindestanforderungen an die Ausbildung festlegt. So soll ab einer bestimmten Gemeindegrösse der Einsatz eines Brunnenmeisters vorgeschrieben sein. Dem SVGW geht es bei seiner politischen Arbeit nicht um die eigene Profilierung, sondern er ist in Bezug auf die Wasserversorgung in der Schweiz zur gleichen Einsicht gelangt wie Terje Tvedt am Ende seines vorgängig erwähnten Buches: «Der Druck, sich an veränderte Verhältnisse anzupassen, ist grösser denn je. Das Wasser braucht in Zukunft viel mehr unsere Aufmerksamkeit.»
Immer wieder sind Wasserversorgungen mit Konflikten konfrontiert, die teilweise auch zur Aufgabe von Fassungen führen. Um aus den Einzelfällen ein Gesamtbild zu erstellen, ist der SVGW dankbar, wenn die Wasserversorger ihm ihre Konflikte mitteilen. Je besser der SVGW dokumentiert ist, umso gezielter kann er sich für die Anliegen der Wasserversorger einsetzen und auf Vorsorgemassnahmen hinarbeiten. Konflikte melden an wasserspiegel@svgw.ch
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