Fliessgewässer sind nicht nur Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen, sie erbringen auch zahlreiche Leistungen für den Menschen. Doch die Fliessgewässer der Schweiz stehen stark unter Druck – sei es durch zahlreiche Nutzungsansprüche des Menschen und den daraus folgenden Beeinträchtigungen wie Verbauungen, Landnutzungsänderungen, Stromproduktion, Abwassereinleitungen oder durch den Klimawandel [1, 2]. Dies führt zu tiefgreifenden Veränderungen der Artenzusammensetzung der gewässerbewohnenden Makroinvertebraten. Beispielsweise sind in der Schweiz 47% der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen selten oder vom Aussterben bedroht [3]. In scheinbarem Widerspruch dazu wird schweizweit [4, 5, 6], aber auch europaweit [7] eine Zunahme der Artenvielfalt der Makroinvertebraten beobachtet. Es ist wichtig, diese Zunahmen korrekt einzuordnen und die scheinbaren Widersprüche erklären zu können. Dies auch, um zu verstehen, wie die Fliessgewässerfauna am besten geschützt werden kann.
Die schäumenden Bäche und algenbedeckten Seen der 1970er- und 1980er-Jahre sind dank grossen Investitionen in den Bau von Kläranlagen und dem im Jahr 1986 eingeführten Verbot von Phosphaten in Waschmitteln ein Bild der Vergangenheit [2]. Auch Anwendungseinschränkungen und Verbote von Pestiziden sowie der Ausbau von Kläranlagen reduzieren die Gewässerverunreinigungen. Ein weiterer Meilenstein stellen die im Jahr 2011 in Kraft getretenen Änderungen des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) dar, die eine Balance zwischen Schutz und Nutzung anstreben: Bis 2090 sollen in der Schweiz insgesamt 4000 km Fliessgewässer revitalisiert werden, dies entspricht einem Viertel der verbauten Schweizer Gewässerstrecken. Ausserdem sollen Gewässer mehr Raum bekommen und die negativen Auswirkungen der Nutzungsansprüche reduziert werden.
Heute sind 97% der Schweizer Bevölkerung an eine Kläranlage angeschlossen und das Abwasser von 12% der Bevölkerung wird von organischen Mikroverunreinigungen gereinigt [1]. Hingegen wurden zwischen 2011 und 2019 erst 160 km Fliessgewässer revitalisiert. Hier werden die Anstrengungen in Zukunft verstärkt werden müssen, um die als Ziel gesetzten 4000 km bis 2090 zu erreichen. Wirkungskontrollen einzelner Projekte zeigen den lokalen Einfluss solcher Verbesserungsmassnahmen auf die Gewässerfauna [1, 8, 9]. Es fehlt jedoch eine Überprüfung, ob diese Anstrengungen auch übergeordnet, sprich auf Landesebene, bereits heute zu messbaren Verbesserungen führen.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war zu ermitteln, ob die Makroinverte-braten-Daten aus den Schweizer Gewässermonitoringprogrammen bereits Hinweise auf einen positiven Einfluss von Gewässerschutzmassnahmen geben, so wie auf die lokale Ökomorphologie und den Äusseren Aspekt. Anders formuliert: Haben die grossen Anstrengungen zum Schutze der Fliessgewässer bereits messbare Auswirkungen auf Landesebene, also nicht nur auf lokaler Ebene?
Für die Analyse wurden Makroinvertebraten-Daten der beiden Monitoringprogramme NAWA (Nationale Beobachtung der Oberflächengewässerqualität) und BDM (Biodiversitätsmonitoring Schweiz) genutzt, die alle vier bzw. fünf Jahre rund 600 Fliessgewässer gemäss den Methoden des Modul-Stufen-Konzept (MSK) untersuchen. Der Schweizer Makroinvertebraten-Index IBCH zeigt Defizite im Bereich der Wasserqualität und der strukturellen Lebensraumvielfalt an [10]. Der Wert geht von 0 (schlecht) bis 1 (sehr gut). Die Familien der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen werden in den beiden Monitoringprogrammen zusätzlich auf Artniveau bestimmt. Ausserdem werden gemäss der IBCH-Methode zwei abiotische Indikatoren zur Gewässerqualität ermittelt. Der Äussere Aspekt [13] soll eine grobe Beurteilung bezüglich der allgemeinen Anforderungen an die Wasserqualität ermöglichen und enthält Informationen z. B. zu Schlamm, Trübung, Schaum und Feststoffe/Abfälle. Diese Klassen wurden gemäss des ecoval-Modells der Eawag [14] zu einem Wert von 0 (schlecht) bis 1 (gut) verrechnet. Der Indikator Ökomorphologie [15] prüft strukturelle Parameter mit dem Ziel, die Naturnähe der Fliessgewässer und deren unmittelbaren Umgebung auf einfache, aber standardisierte Art zu ermitteln. Es werden Parameter wie die Naturnähe des Ufers und der Verbauungsgrad des Gewässers erfasst. Die einzelnen Parameter werden dann zu einem Wert von 0 (natürlich) bis 12 (künstlich) zusammengefasst.
Für die vorliegende Auswertung standen insgesamt 578 Probestellen zur Verfügung, mit jeweils zwei oder drei Aufnahmen zwischen 2010 und 2022. Stellen mit fehlenden Daten sowie solche, die als Moorausflüsse gelten, wurden dabei nicht berücksichtigt. Für 322 Stellen standen Daten aus zwei Erhebungsperioden zur Verfügung, für 256 Stellen gibt es Resultate aus drei Erhebungen.
Um zu sehen, ob die beiden Indikatoren Äusserer Aspekt und Ökomorphologie jeder für sich zusätzliche Informationen liefern, wurde der Grad des Zusammenhangs der beiden Indikatoren überprüft. Dies indem für jede Erhebungsperiode der Korrelationskoeffizient und das Bestimmt-heitsmass herangezogen wurde. Für die Betrachtung der zeitlichen Veränderung der Indices (Äusserer Aspekt, Ökomorphologie und IBCH) wurde für jene Standorte mit Daten aus nur zwei Erhebungsperioden die absolute Veränderung (Differenz) der Indikatoren herangezogen. Für die Standorte mit Daten aus drei Erhebungsperioden wurde jeweils unter Einbezug aller Datenpunkte für jeden Index ein Trend berechnet. Der Trend eines bestimmten Indikators an einem Standort ist dabei die Steigung der durch die betreffenden Datenpunkte gelegten Regressionsgerade. Anschliessend wurde mittels einfacher linearer Regression über alle Standorte untersucht, ob zwischen der mittleren Veränderung des IBCH und den Veränderungen im Äusseren Aspekt bzw. in der Ökomorphologie Korrelationen bestehen. Eine vorgängig durchgeführte Varianzanalyse zeigte, dass sich die zeitlichen Trends sowohl vom Äusserem Aspekt wie auch von der Ökomorphologie signifikant zwischen den Höhenstufen unterscheiden. Zudem zeigten diese Analysen teilweise unterschiedliche Trends für die NAWA- und BDM-Daten. Daher wurden die Analysen getrennt nach Programmen und Höhenstufen durchgeführt.
In einer qualitativen Analyse wurde bei allen Stellen, die sich in der Ökomorphologie verändert haben (NAWA: n = 70; BDM: n = 44) anhand eines Vergleichs der Fotodokumentation aus den verschiedenen Erhebungsjahren überprüft, ob die Stelle revitalisiert worden war. Dabei wurde auf sichtbare Unterschiede wie eine Entfernung von Verbauungen oder eine Aufwertung des Uferbereiches geachtet. Ausserdem wurde im Rahmen einer Internetrecherche nach Informationen über eine allfällige Revitalisierung der 10-km-Fliessstrecke oberhalb der Untersuchungsstelle gesucht. Wenn sich die sichtbare Wasserqualität grundlegend verändert hatte (Veränderung des Wertes Äusserer Aspekt > 0,3), wurde mittels des Layers «ARA – Reinigungstyp» auf dem Geoportal von Swisstopo (geo.admin.ch) überprüft, ob sich in einer 10-km-Fliessstrecke oberhalb der Probestelle eine Kläranlage befand. Für so gefundene Kläranlagen wurde in einer Internetrecherche geprüft, ob etwas über einen Ausbau der Reinigungsleistung seit 2010 bekannt ist. Die Stellen mit Veränderung des Wertes Äusserer Aspekt > 0,3 wurden ausserdem mit der Biberbestandserhebung 2022 [16] abgeglichen. Der Biber erhöht durch seine Dämme die Verweildauer des Wassers und kann so biogeochemische Kreisläufe wie zum Beispiel den Nitratabbau erhöhen, was zu einer besseren Wasserqualität führt [17].
Das BDM sowie auch die NAWA zeigen insgesamt eine leichte Zunahme beim IBCH, pro Erhebungsperiode nimmt er im Durchschnitt um 0,04 zu (Fig. 1). Dem gegenüber ist die Zunahme bei den Artenzahlen der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen im BDM deutlich stärker. Diese Entwicklung wurden bereits mehrfach publiziert [4, 18, 19].
Die beiden abiotischen Indikatoren Äusserer Aspekt und Ökomorphologie zeigen eine generell schwache Korrelation (R2: 0,3). Dies bedeutet, dass die Indikatoren wie erwartet verschiedene Vorgänge in einem Gewässer abbilden und sich somit im Hinblick auf eine umfassende Beurteilung des Zustandes gut ergänzen.
Im Äusseren Aspekt wurde bei 79 der 578 Probestellen eine Veränderung von über 0,3 gemessen. In der Ökomorphologie haben sich 114 Stellen in der Bewertung verändert. Im Mittel verbessert sich der Äussere Aspekt um 0,002 pro Erhebungsperiode, die Ökomorphologie um 0,3. Signifikante gerichtete Trends wurden über die gesamte Untersuchungsdauer in beiden Programmen und allen Höhenstufen nicht festgestellt. In der kollinen Stufe deutet der Trend auf eine Verschlechterung des Äusseren Aspektes und eine Verbesserung der Ökomorphologie hin.
Bei den Trendanalysen wurden schwache Hinweise darauf gefunden, dass eine Verbesserung des Äusseren Aspekts und der Ökomorphologie einen positiven Effekt auf den IBCH haben. Allerdings sind die Zusammenhänge über die Höhenstufen und Monitoringprogramme nicht konsistent.
Die Einzelstellenanalyse wurde bei 114 Standorten durchgeführt, die Veränderungen in der Ökomorphologie aufwiesen. Dabei wurden 16 Standorte (14 im BDM und 2 NAWA, entspricht insgesamt 3% aller Untersuchungsstandorte) identifiziert, an denen entweder eine Revitalisierung auf der Fotodokumentation erkennbar war, oder wo nachweislich eine Revitalisierung oberhalb der Untersuchungsstelle stattgefunden hatte. An diesen Stellen verbesserte sich die ökomorphologische Bewertung im Durchschnitt um 1,6 Punkte. Der IBCH stieg um 0,14 Punkte an, also mehr als doppelt so stark wie in der gesamten Stichprobe. Bei den Stellen, die wegen einer Veränderung des Äusseren Aspektes kontrolliert wurden (n = 106), befand sich bei fünf Stellen innerhalb von 10 km flussaufwärts eine Kläranlage, die mit neuen Reinigungsschritten (Elimination von Mikroverunreinigung) ausgebaut wurde. Der Äussere Aspekt ist bei zwei dieser fünf Stellen gestiegen, bei den anderen drei ist er gesunken. Der IBCH stieg nicht deutlicher als in der Gesamtstichprobe. Es konnten ausserdem sechs Stellen gefunden werden, bei denen neu Biber ansässig sind. An all diesen Stellen stieg der Äussere Aspekt, die Ökomorphologie (+ 0,4) und auch der IBCH (+ 0,12).
Die folgenden Fallbeispiele aus der Einzelstellenabklärung werden in der Folge als Beispiele für interessante Entwicklungen vorgestellt (Tab. 1).
Veränderung | Äusserer Aspekt | Ökomorphologie | IBCH-Index | Artenzahl EPT | |
Ribilochbächli (BE) | Verbauung entfernt | + 0.03 | - 1.50 | - 0.01 | + 2 |
Ruisseau de Boécourt (JU) | revitalisiert | + 0.28 | - 5.25 | + 0.05 | + 6 |
Petite Thielle (NE) | ARA | + 0.46 | + 0.00 | + 0.37 | + 5 |
Wyna (LU) | Biber ansässig | + 0.32 | - 1.00 | + 0.32 | + 13 |
Die häufigsten sichtbaren Veränderungen in der Struktur waren nicht mehr instandgesetzte oder aktiv entferne Verbauungen. Auch solche kleinen Massnahmen haben eine Auswirkung auf die Bewertung der Ökomorphologie: Im Ribilochbächli (Fig. 2; Kanton Bern) blieb die Bewertung zwar knapp in der Kategorie «stark beeinträchtigt», verbesserte sich aber um 1,5 Punkte von 8 zu 6,5. Im gleichen Zeitraum stieg die Artenzahl von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen von 19 auf 21 Arten, der IBCH veränderte sich kaum (–0,01).
Ein Vorzeigebeispiel ist die Revitalisierung des Ruisseau de Boécourt im Kanton Jura (Fig. 3), wo zwischen 2015 und 2017 eine umfassende Umgestaltung stattgefunden hat, die sich sowohl in den Strukturbewertungen (von stark beeinträchtigt (6,25) zu natürlich oder naturnah (1)) als auch in den Artenzahlen der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen(+ 6 Arten) widerspiegelt. Der IBCH stieg leicht an (+0,05).
Die Verbesserung der Wasserqualität zeigt sich auf beeindruckende Weise an der Untersuchungsstelle an der Petite Thielle (Fig. 4), die sich direkt unterhalb einer Kläranlage befindet. Die Verbesserung des Äusseren Aspektes von 0,2 im 2011 zu 0,7 im 2021 ist beachtlich. Die fünf zusätzlich gefundenen Arten der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen und eine Erhöhung des IBCH-Wertes von unbefriedigend auf mässig (+0,37) zeigen die biologische Verbesserung. Die Betreiber der Anlage nehmen an, dass durch die trockenen Sommer weniger Rohwasser durch Regenwasserüberläufe eigespeist wurde, denn die Anlage wurde schon 2002 in ihrer Reinigungsleistung ausgebaut.
Eine Untersuchungsstelle an der Wyna im Kanton Luzern (Fig. 5) hat sich von 2011 bis 2021 in allen Indikatoren stark verbessert (Äusserer Aspekt: + 0,32, Ökomorphologie: + 1, IBCH: +0,32; Eintags-, Stein- und Köcherfliegen: + 13). Diese Verbesserungen sind wahrscheinlich hauptsächlich auf das Aufkommen natürlicher Ufervegetation zurückzuführen. Seit mindestens 2017 ist an der Stelle aber auch ein Biber heimisch, der auch auf der Fotodokumentation seine Spuren hinterlassen hat. Der Fall zeigt, dass der Biber punktuell nicht nur positive Auswirkungen haben kann: Zwischen 2016 und 2021 nahm der Äussere Aspekt durch Trübung und Geruch ab und auch der IBCH ist leicht gesunken. Die Ökomorphologie hat sich allerdings weiter verbessert. Weitere positive Entwicklungen sind zu erwarten, nicht zuletzt, weil der Anteil an Totholz im Gewässer durch die zahlreichen gefällten Bäume ansteigen dürfte und die Bauaktivitäten des Bibers zu einer gesteigerten Tiefenvariabilität und vielfältigeren Fliessgeschwindigkeiten führt.
Die Resultate zeigen, dass bereits heute, nach knapp 15 Jahren Laufzeit, Hinweise auf Einflüsse der Gewässerschutzmassnahmen in den nationalen Monitoringprogrammen sichtbar sind. Die positiven Auswirkungen sind allerdings noch klein, vor allem punktuell sichtbar und sie werden von den Auswirkungen des Klimawandels deutlich überschattet.
16 (2,7%) der 596 Stellen zeigten basierend auf der Fotodokumentation Hinweise auf Revitalisierungen. Dies hat bei diesen Stellen sowohl in den biotischen wie auch den abiotischen Indices zu messbaren Verbesserungen geführt. Der Anteil der Stellen, die sich in ihrer Struktur verbesserten, ist aber noch relativ klein. Dies erstaunt nicht, da erst 4% der vorgesehenen Revitalisierungsprojekte umgesetzt sind [1]. Es sind also noch grosse Anstrengungen nötig, damit die positiven Veränderungen schweizweit einen klaren Effekt zeigen. Dabei muss allerdings auch beachtet werden, dass Revitalisierungen, die oberhalb der Untersuchungsstellen verwirklicht werden, einen Einfluss auf die biologischen Indices haben können, ohne dass dies in der lokalen Strukturbewertung abgebildet wird.
Ein Zusammenhang zwischen dem Ausbau von Kläranlagen und dem Äusseren Aspekt konnte im Untersuchungszeitraum nicht gefunden werden. Dies erstaunt nicht, da der Äussere Aspekt nur grobe Verunreinigungen dokumentiert und den Ausbau mit einer Reinigungsstufe für Mikroverunreinigungen (MV) nicht abbildet. Dieser weitere Ausbau der Reinigungsstufen ist aber sehr wichtig für die Diversität der Gewässerorganismen [20]. Messungen der Wasserqualität in Fliessgewässern unterhalb von mit einer MV-Stufe ausgebauten Kläranlagen zeigen, dass es nach dem Ausbau der Kläranlagen deutlich weniger bis keine Überschreitungen der Grenzwerte der Gewässerschutzverordnung für Arzneimittel mehr gibt [21].
Vorstellbar wären Änderungen im Äusseren Aspekt durch Veränderungen der Wassermenge, die aus einer ARA in das Gewässer eingespeist wird. So werden in Zukunft im Sommer vermehrt Niedrigwasser erwartet, was zu einer geringeren Verdünnung des gereinigten Abwassers führt. Gleichzeitig werden mehr Hochwasserereignisse während Starkregen vorausgesagt, was wiederum zum Eintrag von ungereinigtem Mischwasser führen kann. Der Äussere Aspekt wird ausserdem nicht nur durch Kläranlagen, sondern auch durch Faktoren wie der Siedlungs- und Strassenentwässerung und der Landwirtschaft beeinflusst. Auch Biberdämme können den Äusseren Aspekt beeinflussen durch Trübung oberhalb des Dammes, aber auch durch höhere Wasserqualität aufgrund der längeren Verweildauer und Infiltration des Wassers unterhalb des Dammes [17].
In den Daten des BDM und der NAWA konnten auf lokaler Ebene Verbesserungen der Gewässerstruktur und der sichtbaren Wasserqualität gefunden werden, die gemäss der Einzelstellenabklärung teilweise den Massnahmen zum Gewässerschutz (Revitalisierungen und Ausbau von Kläranlagen) zugeschrieben werden können. Es ist dabei zu beachten, dass weitere Gewässerschutzmassnahmen wie beispielsweise Anstrengungen in der Landwirtschaft bei den vorliegenden Auswertungen nicht berücksichtigt wurden. Zur zeitlichen Entwicklung der Risiken für Gewässerorganismen durch Pflanzenschutzmittel, die seit 2019 umfassend überwacht werden, kann man noch keine klare Aussage treffen. Es gibt aber Hinweise auf eine Reduktion der Risiken. Allerdings werden weiterhin in vielen Bächen und kleineren Flüssen die Grenzwerte der GSchV überschritten und die PSM-Risiken für Gewässerlebewesen sind teilweise sehr hoch [22].
Die Untersuchung unterstützt folglich den Befund anderer Studien, nämlich dass die schweizweit seit 2010 gemessenen Zunahmen der lokalen Artenvielfalt von Invertebraten primär durch den Klimawandel bedingt sind [4, 18, 19]. Dies darf jedoch keinesfalls dazu verleiten, die notwendigen Revitalisierungen und weitere Gewässerschutzmassnahmen als unnötig anzusehen. Denn der Klimawandel führt nicht bei allen Arten zu Zunahmen: Arten, die wenig empfindlich gegenüber Gewässerverschmutzungen reagieren, nehmen stärker zu [18]. So kann es zu einer Homogenisierung der Artenzusammensetzung kommen. In Zukunft dürfte der Klimawandel ausserdem vermehrt auch negative Einflüsse auf die Gewässer haben [23]. Gewässer werden häufiger austrocknen, kälteempfindliche Arten müssen in die Höhe wandern und die verfrühte Schneeschmelze führt zu neuen Abflussregimes. Eine diverse Gewässerstruktur mit vielen Habitatmöglichkeiten und eine gute Wasserqualität kann den Organismen helfen, resilienter zu sein und mit den neuen Stressoren besser umzugehen [24]. Hilfe könnten sie dabei auch vom Biber erhalten, der sich in der Schweiz stark ausbreitet und für Habitatdiversität und bessere Wasserqualität sorgen kann [16, 17].
[1] BAFU (2022): Gewässer in der Schweiz. Zustand und Massnahmen. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 2207
[2] Kunz, M. et al. (2016): Zustand der Schweizer Fliessgewässer. Ergebnisse der Nationalen Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA) 2011–2014. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1620: 87 S.
[3] Lubini V. et al. (2012): Rote Listen Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen. Gefährdete Arten der Schweiz, Stand 2010. Bundesamt für Umwelt, Bern, und Schweizer Zentrum für die Kartographie der Fauna, Neuenburg. Umwelt-Vollzug Nr. 1212: 111 S.
[4] Gebert, F. et al. (2022): Recent trends in stream macroinvertebrates: warm-adapted and pesticide-tolerant taxa increase in richness. Biol. Lett. 18: 20210513. https://doi.org/10.1098/rsbl.2021.0513
[5] Hutter, P. et al. (2019): Fliessgewässer-Fauna unter Druck. Erste Trends aus dem Biodiversitätsmonitoring Schweiz (BDM). Aqua & Gas 7/8: 45–51
[6] Forum Biodiversität Schweiz (2022): 20 Jahre Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM. Sonderheft zu HOTSPOT 46, 44 S.
[7] Haase, P. et al. (2023): The recovery of European freshwater biodiversity has come to a halt. Nature 620, 582–588
[8] BAFU (2017): Gewässer aufwerten – für Mensch und Natur. Sieben Beispiele aus der ganzen Schweiz zeigen, wie Kantone und Gemeinden bei Revitalisierungsprojekten vorgehen. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. Umwelt-Info 32 S.
[9] Ecowert GmbH (2019): Revitalisierung Innauen Bever – Ökologisches Monitoring. Stand August 2019
[10] Stucki, P. (2010): Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer. Makrozoobenthos – Stufe F (flächendeckend).Bundesamt für Umwelt, Bern
[11] BDM (2022): Anleitung für die Laborarbeit zum Indikator «Z9-Gewässerinsekten». Bern.
[12] BAFU (2013): NAWA – Nationale Beobachtung Oberflächengewässerqualität. Konzept Fliessgewässer. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1327: 72 S.
[13] Binderheim, E.; Göggel, W. (2007): Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer. Äusserer Aspekt. Umwelt-Vollzug Nr. 0701. Bundesamt für Umwelt, Bern. 43 S.
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[15] Niederhauser, P.; Hütte, M., (1998): Methoden zur Untersuchung und Beurteilung der Fliessgewässer in der Schweiz Ökomorphologie Stufe F (flächendeckend). Wald und Landschaft BUWAL. Bern Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 27: 51 S.
[16] Angst, C. et al. (2023): Biberbestandeserhebung 2022 in der Schweiz und Liechtenstein. info fauna – Biberfachstelle und Fornat AG. 140 S.
[17] Dewey, C. et al. (2022): Beaver dams overshadow climate extremes in controlling riparian hydrology and water quality. Nat Commun 13, 6509.
[18] Forum Biodiversität Schweiz (2022): 20 Jahre Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM. Sonderheft zu HOTSPOT 46, 44 Seiten
[19] Gebert, F. et al. (2022): Zeitliche Trends von Makroinvertebraten: Kantonale und nationale Monitoringdaten im Vergleich. Aqua & Gas N°10, S. 76-82
[20] Abegglen, C.; Siegrist, H. (2012): Mikroverunreinigungen aus kommunalem Abwasser. Verfahren zur weitergehenden Elimination auf Kläranlagen. Bundesamt für Umwelt, Bern, Umwelt-Wissen Nr. 1214: 210 S.
[21] Gulde, R. et al. (2024): Arzneimittel in Gewässern. Aqua & Gas N°3, S. 2-8
[22] Doppler, T.; Dietzel, A. (2024): Wirkung des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel auf die Fliessgewässer. Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute, Glattbrugg
[23] BAFU (2021): Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweizer Gewässer. Hydrologie, Gewässerökologie und Wasserwirtschaft. Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 2101: 134 S.
[24] Schmidt, F.; Burger, S. (2023): Manche mögen’s heiss – anderen macht die Wärme zu Schaffen. Umwelt Aargau, Ausgabe 91 S 15–18
Wir danken dem Bundesamt für Umwelt BAFU für die Finanzierung der Erfassung von Gewässerinsekten und anderen Parametern im Rahmen des BDM und der NAWA, für die Bereitstellung der Daten sowie die finanzielle Unterstützung der vorliegenden Studie. Ohne den grossen Einsatz der zahlreichen Feldmitarbeiterinnen und Bestimmerinnen wären die beiden Monitorings nicht möglich. Dafür möchten wir ihnen unseren herzlichen Dank aussprechen. Ein besonderes Dankeschön geht an Yael Schindler Wildhaber für ihre tatkräftige Unterstützung in allen Phasen des Artikels sowie für ihre zahlreichen Kommentare, Feedbacks und wertvollen Verbesserungsvorschläge.
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