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Fachartikel
10. Juli 2020

Grundwasser

Grundwasserschutz muss Qualität des Trinkwassers sichern

Aufgrund von Belastungen des Grundwassers mit unerwünschten Substanzen – meist Nitrat und Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln – mussten in der Schweiz bereits viele Trinkwasserfassungen aufgegeben werden. Weil es in unserem dicht besiedelten und intensiv genutzten Land kaum mehr geeignete Ausweichmöglichkeiten gibt und unbelastete Standorte folglich rar sind, muss künftig die Nutzung der Flächen in den Zuströmbereichen angepasst werden. Zur langfristigen Sicherung einer guten Trinkwasserqualität ist ein besserer Schutz des Zuströmbereichs, aus dem das geförderte Grundwasser mehrheitlich stammt, unabdingbar.
Stephan Müller, Michael Schärer, Angela Jenny, Corin Schwab, Reto Muralt, Miriam Reinhardt, Christian Leu, Michael Beer, 

In der dezentral besiedelten Schweiz sind die rund 2200 Gemeinden meist selbst für die Wasserversorgung zuständig. Als Ressource nutzen sie hauptsächlich ihr lokales Grundwasser, aus dem landesweit etwa 80 Prozent des gesamten Trinkwassers stammen. Von öffentlichem Interesse sind zirka 18 000 Grundwasserfassungen. Diese werden von den öffentlichen Wasserversorgungsbetrieben und Lebensmittelherstellern genutzt.
Um Grundwasserfassungen gezielt vor Verunreinigungen zu schützen, sieht die Gewässerschutzverordnung (GSchV) das Instrument des Zuströmbereichs Zu vor. Dieser umfasst bei Fassungen das Gebiet, aus dem rund 90 Prozent des geförderten Grundwassers stammen. Stoffe, die im Zuströmbereich versickern und durch die natürliche Filterwirkung des Bodens ungenügend zurückgehalten oder abgebaut werden, gelangen ins Grundwasser und werden mit dem Grundwasserstrom bis zur Fassung transportiert. Um eine Verunreinigung zu verhindern, müssen also Massnahmen im Zuströmbereich ergriffen werden.
In den Grundwasserleitern des dicht besiedelten Mittellandes und der Alpentäler genügen blosse Anwendungseinschränkungen von PSM in Grundwasserschutzzonen in der Regel nämlich nicht, um das Trinkwasser ausreichend zu schützen [1]. Diese Zonen in Fassungsnähe umfassen jeweils rund ein Dutzend Hektaren. Der Zuströmbereich ist deutlich grösser: Bei kleineren Fassungen macht er einige Dutzend Hektaren aus, bei sehr grossen Fassungen kann er sich über mehrere Quadratkilometer erstrecken.
Schutzmassnahmen in Zuströmbereichen von Grundwasserfassungen sollen gewährleisten, dass keine Stoffe das Trinkwasser übermässig belasten. Einmal ins Grundwasser gelangte Stoffe verbleiben dort über Jahre bis Jahrzehnte und verunreinigen so das Trinkwasser. Die GSchV sieht vor, dass die Kantone – zum Schutz der Wasserqualität von Grundwasserfassungen im öffentlichen Interesse – den Zuströmbereich bestimmen, wenn das Wasser durch Stoffe verunreinigt ist, oder wenn die konkrete Gefahr einer Verschmutzung durch Stoffe besteht (Art. 29 Abs. 1 Bst. c GSchV).
Die Verschmutzungsgefahr besteht vor allem in dicht besiedelten und landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten. Betroffen sind primär das Mittelland und die grossen Alpentäler. Gemäss der landwirtschaftlichen Zonenverordnung handelt es sich dabei um die Tal- sowie Hügelzonen. Dort befinden sich rund 2800 Grundwasserfassungen der öffentlichen Versorgung. Nicht alle davon benötigen einen Zuströmbereich, z. B. dann nicht, wenn das Einzugsgebiet vollständig im Wald liegt. Aufgrund bestehender Gefährdungen ist allerdings damit zu rechnen, dass es Zuströmbereiche auch für Fassungen ausserhalb der dicht besiedelten Gebiete braucht. Das BAFU geht von grob geschätzt 2800 der insgesamt 18 000 Grundwasserfassungen aus, für die ein Zuströmbereich bestimmt werden muss. 2019 hat das BAFU den Stand der bezeichneten Zuströmbereiche und die Umsetzung der in diesen Gebieten erforderlichen Massnahmen durch die Kantone erhoben. Wie die Auswertung zeigt, sind aufgrund von Belastungen im Grundwasser gegenwärtig nur etwa 60 Zuströmbereiche bestimmt, davon werden in gut zwei Dutzend Sanierungsmassnahmen mit finanzieller Unterstützung des Bundes durchgeführt.

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Stoffliche Belastungen

Drei Prozent der für die Nationale Grundwasserbeobachtung (NAQUA) ausgewerteten Messstellen überschreiten die Grenzwerte der GSchV für flüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (FHKW) [2]. Seit Mitte der 1980er-Jahre sind das Inverkehrbringen und die Verwendung mehrerer dieser Substanzen jedoch verboten oder stark eingeschränkt. Spätestens seit 1998, als die Altlasten-Verordnung (AltlV; SR 814.680) in Kraft trat, werden mit FHKW belastete Standorte saniert, um die Verunreinigungen zu unterbinden. Dabei gehen die anfallenden Kosten, wenn immer möglich, zulasten der Verursacher oder – falls die Verursacher nicht mehr zu verpflichten sind – zulasten der Kantone und des Altlasten-Fonds (VASA; SR 814.681).
In Grundwasservorkommen entlang der Fliessgewässer treten weitere Mikroverunreinigungen auf, so etwa durch Arzneimittel oder Korrosionsschutzmittel, die aus Industrie, Gewerbe und Haushalten stammen. Der vom Parlament beschlossene Ausbau der Abwasserreinigungsanlagen (ARA) sieht Massnahmen zur Elimination dieser Spurenstoffe vor und wird die Belastung der Trinkwasserressourcen damit gezielt reduzieren. Heute werden 8 Prozent des kommunalen Abwassers in bereits ausgebauten ARA behandelt, 2026 dürften es schon etwa 50 Prozent sein, wobei dieser Anteil nach Abschluss des Massnahmenprogramms im Jahr 2040 rund 70 Prozent ausmachen wird. Auch der Ausbau der ARA mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe wird verursachergerecht finanziert. Dafür bezahlen die ARA pro angeschlossene Person einen jährlichen Betrag von neun Franken.
Die stärksten Belastungen des Grundwassers gehen jedoch von PSM-Abbauprodukten – den sogenannten Metaboliten – und Nitrat aus [3, 4]. PSM-Rückstände in Konzentrationen von mehr als 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/l) Trinkwasser, die damit über dem Höchstwert der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV) liegen, treten am häufigsten für die Abbauprodukte des Fungizids Chlorothalonil auf. Ende 2019 hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) alle Metaboliten von Chlorothalonil als gesundheitlich relevant eingestuft – das heisst als möglicherweise toxisch. Mit Wirkung auf den 1. Januar 2020 hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) den Einsatz dieses Fungizids in der Folge verboten. Wie die Erfahrungen mit früheren PSM-Belastungen zeigen, wird es jedoch noch viele Jahre dauern, bis die Grundwasserleiter wieder frei von Chlorothalonil-Abbauprodukten sind. So tauchen zum Beispiel Rückstände des Unkrautbekämpfungsmittels Atrazin noch heute verbreitet im Grundwasser auf, obwohl die Anwendung des früher speziell im Maisanbau – aber unter anderem auch im Privatbereich und auf Verkehrsanlagen – eingesetzten Herbizids seit 2012 verboten ist.
Um das Ausmass der Grundwasserverschmutzung durch die Abbauprodukte von Chlorothalonil bestimmen zu können, hat das BAFU eine erste grobe Abschätzung vorgenommen. Sie zeigt auf, dass der Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 0,1 µg/l im Mittelland an mehr als der Hälfte aller NAQUA-Messstellen durch mindestens einen Metaboliten überschritten wird – teilweise um ein Vielfaches. Gemäss aktuellem Kenntnisstand sind zumindest die Kantone SH, TG, ZH, ZG, LU, AG, SO, BE, FR, VD, GE und das Tessin betroffen [3].
Aktuell werden gegen eine Million Einwohnerinnen und Einwohner mit Trinkwasser versorgt, das übermässige Konzentrationen an Metaboliten aufweist [5]. Das BLV hat die Kantone dazu aufgefordert, raschmöglichst aufzuzeigen, wie sie diese Belastung reduzieren und eine Versorgung mit Trinkwasser gewährleisten können, welche die Höchstwerte für die Abbauprodukte von Chlorothalonil einhält. Für die Umsetzung entsprechender Massnahmen hat das BLV den Kantonen zwei Jahre Zeit eingeräumt. Zumindest vorübergehend sollte die Versorgung mit Trinkwasser aus nicht verunreinigten Grundwasservorkommen oder aus Seen sichergestellt werden. Wo dies nicht möglich ist, drängen sich andere Übergangslösungen auf. Die Metaboliten von Chlorothalonil lassen sich nur mit wenigen, sehr aufwendigen und nicht nachhaltigen Aufbereitungsmethoden aus dem Wasser entfernen [6]. Betroffene Wasserversorgungen, welche diese Vorgaben umsetzen müssen, stehen damit vor einer grossen Herausforderung. Aktuell führt das BLV bei den Kantonen eine Umfrage zu den geplanten Massnahmen durch, mit denen die Höchstwerte im Trinkwasser nach Ablauf der Frist von zwei Jahren eingehalten werden sollen.
Grenzwertüberschreitungen von Nitrat (NO3-) im Grundwasser werden in der Schweiz seit mehreren Jahrzehnten festgestellt [7]. Die 1993 eingeführten einkommensergänzenden und ökologischen Direktzahlungen verfolgten unter anderem das Ziel einer Reduktion der Nitratbelastungen im Grundwasser durch die landwirtschaftliche Produktion. In der Folge nahm der Stickstoffüberschuss aus der Landwirtschaft von zirka 130 000 Tonnen auf etwa 115 000 Tonnen pro Jahr ab. Und im Zeitraum 2002 bis 2003 gingen die Nitratgehalte in den Trinkwasserfassungen von landwirtschaftlich beeinflussten Einzugsgebieten gegenüber der Periode zwischen 1990 und 1992 um etwa 3 bis 4 Milligramm NO3 pro Liter (mg/l) zurück. Das Ziel einer Reduktion um 5 mg/l wurde damit verfehlt. Dagegen ist es gelungen, dass mehr als 90 Prozent aller Trinkwasserfassungen Nitratgehalte von weniger als 40 mg/l aufweisen. Dieses Ziel hat man jedoch auch deshalb erreicht, weil die Wasserversorgungen im Untersuchungszeitraum stark mit Nitrat belastete Fassungen ausser Betrieb genommen haben [8]. Seit rund 20 Jahren liess sich der Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft nicht mehr reduzieren. Damit bleiben auch die Nitratbelastungen seit der Jahrtausendwende auf konstant gleichem Niveau. Um mit Nitrat verunreinigtes Grundwasser trotz des übermässigen Gehalts als Trinkwasser nutzen zu können, müssen es die Versorger vor der Einspeisung ins Trinkwassernetz mit weniger belastetem Wasser mischen. Trotz dieser Möglichkeiten sind seit dem Jahr 2000 zahlreiche Fassungen wegen zu hoher Nitratkonzentrationen aufgehoben worden. So mussten 42 Prozent der Trinkwasserversorgungen seither mindestens ein Fassungsgebiet wegen ungenügender Wasserqualität sowie Gefährdungen durch Nutzungen in den Schutzzonen aufgeben (mündl. Auskunft v. A. Olschewski, SVGW) [9–12].
Natürlicherweise liegt der Nitratgehalt des Grundwassers im tiefen Milligramm-Bereich pro Liter. Im Mittelland ist die Konzentration jedoch bei 80 Prozent der NAQUA-Messstellen höher als 10 mg/l. Der Grenzwert der GSchV für Nitrat von 25 mg/l wird in Ackerbaugebieten bei etwa 40 Prozent der Messstellen überschritten [13]. 12 Prozent der Standorte übertreffen zudem auch den Höchstwert für Trinkwasser von 40 mg/l. Nitratkonzentrationen über 40 mg/l treten unter anderem an mehreren Messstellen im westlichen Mittelland auf – so zum Beispiel im Seeland und in der Broye-Ebene – sowie im Zürcher Unterland und Weinland.
Nitrat belastet jedoch nicht nur das Grund- und Trinkwasser im Inland, sondern auch die Nordsee. Das von der Schweiz unterzeichnete Ospar-Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks bezweckt unter anderem, die Stickstoffeinträge in die Gewässer im Vergleich zum Ausgangsjahr 1985 bis 2010 um 50 Prozent zu reduzieren. Gemäss Modellrechnungen entspricht dies einer Reduktion des Eintrags aus der Landwirtschaft von rund 24 500 Tonnen. Die bisherige Reduktion entspricht jedoch nur einer Abnahme um 12 500 Tonnen Stickstoff, sodass eine Ziellücke in fast derselben Grössenordnung verbleibt.

Sanierungsinstrument des Bundes 

Bei verunreinigten Grundwasservorkommen kann der Bund Massnahmen zur Verhinderung der Auswaschung von Stoffen aus der Landwirtschaft – wie Nitrat oder PSM – zu einem Grossteil mitfinanzieren (Art. 62a GSchG) [14]. Wichtigste Massnahme ist dabei die Umwandlung eines Teils des Ackerlandes im Zuströmbereich der Fassung in ganzjähriges Grünland. Die Teilnahme der Landwirte an solchen Sanierungsprojekten ist freiwillig. Für den Minderertrag durch die angepasste Bewirtschaftung erhalten sie eine finanzielle Entschädigung. Solche Projekte müssen langfristig angelegt sein, weil es Jahre dauern kann, bis ein Erfolg eintritt. 2018 liefen 24 vom Bund unterstützte Vorhaben, um die Nitratauswaschung ins Grundwasser zu vermindern. Derzeit gibt es keine ähnlich gelagerten Reduktionsprojekte für PSM nach Art. 62a GSchG. Allerdings startete 2016 ein Ressourcenprojekt zur Verminderung von Nebenwirkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – insbesondere von Belastungen in Gewässern.
Bei drei Viertel der durchgeführten Projekte zur Nitratreduktion liess sich die entsprechende Konzentration bei mindestens einer Fassung im Projektgebiet unter den Grenzwert von 25 mg/l senken. Je nach Situation dauerte dies zwischen 3 und 16 Jahren. Die Bewirtschaftungsänderung im Zuströmbereich kann ein belastetes Grundwasservorkommen also erfolgreich sanieren.
Bei einer allfälligen Beendigung der Projekte entfiele die Entschädigung der Landwirte für ihren Ertragsausfall. Es ist davon auszugehen, dass sie in einem solchen Fall wieder intensiver produzieren würden – mit negativen Folgen für die Nitratbelastung des Grundwassers. Der Erfolg bisheriger Projekte würde dadurch also wieder zunichte gemacht. Im Interesse einer dauerhaften Sicherung der Grundwasserqualität und Trinkwassernutzung drängt sich deshalb eine langfristige Änderung der Bewirtschaftung auf. Die Kosten einer angepassten landwirtschaftlichen Nutzung im Zuströmbereich lohnen sich insofern, als dass sie günstiger zu stehen kommen als eine technische Aufbereitung von nitratbelastetem Grundwasser. Umgerechnet auf ein Kubikmeter gefördertes Grundwasser betragen die Gesamtkosten landwirtschaftlicher Umstellungsprojekte – inklusive Planungs- und Verwaltungskosten sowie Ertragsentschädigungen – durchschnittlich 70 Rappen. Dagegen wäre eine technische Nitratentfernung mit bis zu 120 Rappen pro Kubikmeter Trinkwasser gut 70 Prozent teurer.

Defizite bei der Festlegung von Zuströmbereichen

Trotz der verbreiteten Überschreitung der Nitratgrenzwerte im genutzten Grundwasser haben die betroffenen Kantone bis heute nur etwa 60 Zuströmbereiche zur Verbesserung der jeweiligen Situation festgelegt. Dass es nicht mehr sind, hat verschiedene Gründe. So erweisen sich die Bestimmung der Zuströmbereiche, die Erhebung der landwirtschaftlichen Nutzung sowie die auf freiwilliger Basis zu erarbeitende Bewirtschaftung, welche die Nitratauswaschung vermindern soll, als sehr anspruchsvolle Arbeiten [15].
Bei PSM-Wirkstoffen – also den Ausgangssubstanzen ohne Berücksichtigung ihrer Abbauprodukte – treten nur sehr wenige Überschreitungen der Grenzwerte auf. Somit besteht kaum ein Anlass, für deren Reduktion einen Zuströmbereich zu bestimmen. Bis vor kurzem galt dies auch für PSM-Metaboliten, weil keiner der bisher gemäss TBDV als relevant eingestuften PSM-Metaboliten verbreitet in Konzentrationen über 0,1 µg/l aufgetreten ist.

Die Politik ist am Zug

Die Gewässerschutz-, Umweltschutz- und Landwirtschaftsgesetzgebung sowie weitere Instrumente des Bundes – wie etwa der 2017 in Kraft getretene «Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» (kurz Aktionsplan PSM) – sollen dazu beitragen, die Einträge von PSM und Nitrat in die Gewässer zu beschränken respektive zu reduzieren. Trotzdem sind nach wie vor viele Gewässer übermässig mit PSM und Nitrat belastet. Mit der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) will der Bundesrat die entsprechende Belastung der Gewässer daher weiter senken. In die gleiche Richtung zielt auch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats mit der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren».
Die AP22+ sieht zum Beispiel vor, dass direktzahlungsberechtigte Landwirtschaftsbetriebe nur noch Pflanzenschutzmittel mit einem geringen Umweltrisiko einsetzen dürfen, wobei der Verzicht auf PSM gefördert werden soll. Um die Umwelt vom Stickstoff zu entlasten, strebt der Bundesrat zudem eine quantifizierte Reduktion des Stickstoffüberschusses an. Dazu sind über ein Dutzend Massnahmen sowie die Verpflichtung der Branchen zur Minderung des Stickstoffeinsatzes vorgesehen. Ein weiteres Anliegen betrifft den regionalen Ressourcenschutz – also Förderbeiträge für eine standortangepasste Landwirtschaft, welche deren Nachhaltigkeit durch die gezielte Nutzung natürlicher Ressourcen verbessern und stärken. Darunter fällt auch die Verringerung der PSM- und Nitrateinträge in die Umwelt. Die detaillierten Massnahmen sind auf der Website des Bundesamtes für Landwirtschaft in der zusammenfassenden Präsentation der Botschaft und in den Gesetzesentwürfen des Bundesrates beschrieben. Die parlamentarische Initiative 19.475 sieht einen verbindlichen Absenkpfad für die von PSM ausgehenden Umweltrisiken vor, indem sie die Branchen ebenfalls zur Risikominderung verpflichtet und in Zukunft eine genaue Erhebung der PSM-Anwendungen verlangt [16-19].
Im Parlament sind zudem weitere Vorstösse mit einem Bezug zur Trinkwasserqualität hängig: Die Motion 19.4314 «Trinkwasser durch die Verschärfung der Zulassung besser schützen» verlangt, diejenigen PSM nicht zuzulassen, für die im Sickerwasser Konzentrationen eines Metaboliten über dem Grenzwert von 0,1 µg/l zu erwarten sind. Aufgrund weitreichender Folgen für die Landwirtschaft lehnt der Bundesrat die von der Motion geforderte Regelung ab. Für den Fall einer Zustimmung im Nationalrat würde er dem Ständerat aber beantragen, dass PSM im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen nicht mehr eingesetzt werden dürfen, wenn sie dort zu hohen Konzentrationen an Metaboliten führen.
In eine etwas andere Stossrichtung zielen die beiden Motionen 20.3022 «Finanzielle Beteiligung des Bundes an den notwendigen Sanierungsmassnahmen zur einwandfreien Trinkwasserqualität» und 20.3052 «Verursacherorientierte Finanzierung der zusätzlichen Trinkwasseraufbereitungsanlagen infolge strengerer Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel». Sie verlangen, dass der Bundesrat Rechtsgrundlagen für die Finanzierung der Investitionen in die notwendige Infrastruktur – wie Wasseraufbereitungsanlagen und Leitungen – zur Einhaltung der Grenzwerte schafft. Der Bundesrat lehnt diese zwei Motionen ebenfalls ab. Er begründet seine ablehnende Haltung damit, dass ein weitreichender Umbau der bestehenden dezentralen Infrastruktur zur Wasserversorgung hin zu zentralen Anlagen mit einer energieintensiven Wasseraufbereitung unerwünscht sei. Statt auf neue Transportleitungen und Infrastrukturen richtet der Bundesrat seinen Fokus auf den vorsorglichen Schutz des Grundwassers. Im Falle einer Annahme der Motionen im Nationalrat beabsichtigt er, dem Ständerat zu beantragen, er solle ihm den Auftrag erteilen, eine generelle kantonale Pflicht für die Bestimmung der Zuströmbereiche einzuführen. Zur Finanzierung dieser Arbeiten würde der Bundesrat auch eine Kostenbeteiligung der Verursacher prüfen. Die Regierung möchte also mit ihrer Haltung zu allen drei Motionen zielgerichtet risikobehaftete Nutzungen im Zuströmbereich einschränken – das heisst nur dort, wo es erforderlich ist – und so das Trinkwasser wirksamer schützen.

Fazit

Die Belastungen des geförderten Grundwassers entstehen im Zuströmbereich der Grundwasserfassungen – so unter anderem durch den übermässigen Einsatz von stickstoffhaltigem Hof-, Recycling- und Mineraldünger sowie durch Pflanzenschutzmittel, die zu hohen Konzentrationen an Metaboliten führen. Der Bund unterstützt Sanierungsmassnahmen – also die Reduktion der Belastungen unter die geltenden Grenzwerte – schon heute finanziell. Der Standortkanton muss dazu den Zuströmbereich einer Trinkwasserfassung bestimmen und für dieses Gebiet ein Sanierungsprojekt erarbeiten.
Mit der AP22+ schlägt der Bundesrat vor, die Kantone mit zusätzlichen Beiträgen für eine standortangepasste Landwirtschaft (BSL) zu unterstützen, wenn sich die Umweltziele – wie etwa die Forderung nach sauberem Trinkwasser – nicht durch andere Massnahmen erreichen lassen. Für die Umsetzung von Massnahmen zum Schutz des Trinkwassers müssen die Zuströmbereiche bekannt sein. Wie die Antworten des Bundesrates zu den drei Motionen zeigen, erachtet er die Bestimmung der Zuströmbereiche von Trinkwasserfassungen als wichtig, weil sie eine Voraussetzung für zielgerichtete Massnahmen zum Schutz des Trinkwassers darstellt. Dies gilt nicht nur für Fassungen in Gebieten mit landwirtschaftlich geprägter Nutzung, sondern auch für Standorte mit einem relevanten Anteil von Siedlungs-, Gewerbe- und Industrieflächen sowie grossen Verkehrsinfrastrukturen. Sind die Zuströmbereiche der Fassungen bekannt, aus denen ein Grossteil des zuströmenden Grundwassers stammt, kann man diese Ressource fokussiert auf Stoffe aus den möglichen Schadstoffquellen untersuchen und entsprechende Einträge bei Bedarf reduzieren. Insgesamt müssten die Kantone als ersten Schritt bei rund 2800 der landesweit zirka 18 000 Grundwasserfassungen baldmöglichst die Zuströmbereiche bestimmen. Die beiden nächsten Etappen bestehen dann aus einer genauen Analyse der Nutzung in diesen Gebieten und – bei Bedarf – in der Einführung einer trinkwasserschonenden Bewirtschaftung – so zum Beispiel im Rahmen einer standortangepassten Landwirtschaft. Langfristig betrachtet ist die Bestimmung der Zuströmbereiche und eine wasserschonende Nutzung dieser Gebiete der kostengünstigste, sicherste und nachhaltigste Weg zur Sicherung der Trinkwasserqualität.

Bibliographie

[1] Hunkeler, D.; Chochand, F. (2020): Wirksamkeit eines PSM-Verbots in Grundwasserschutzzonen. Zentrum für Hydrologie und Geothermie (CHYN) Universität Neuenburg. Bericht im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU
[2] Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU (2020): FlĂĽchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe. [Online]. Available: https://www.BAFU.admin.ch/BAFU/de/home/themen/wasser/fachinformationen/zustand-der-gewaesser/zustand-des-grundwassers/grundwasser-qualitaet/fluechtige-halogenierte-kohlenwasserstoffe.html
[3] Bundesamt für Umwelt BAFU (2020): Chlorothalonil-Metaboliten im Grundwasser: Erste Einschätzung der gesamtschweizerischen Belastung. [Online]. Available: https://www.BAFU.admin.ch/BAFU/de/home/themen/wasser/dossiers/chlorothalonil-metaboliten-im-grundwasser.html
[4] Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU (2019): Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz. Ergebnisse der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA. Umwelt-Zustand Nr. 1901, Bern
[5] Sager, M. (2020): Blog: Weder verharmlosen noch dramatisieren. Aqua & Gas, 27. Februar 2020
[6] K. Kiefer, K. et al. (2019): Pflanzenschutz-Metaboliten im Grundwasser. Ergebnisse aus der NAQUA-Pilotstudie «Screening», Aqua & Gas 11, pp. 14–23
[7] Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft BUWAL und Bundesamt für Landwirtschaft BLW (1996): Strategie zur Reduktion von Stickstoff­emissionen. Schriftenreihe Umwelt
[8] Cornaz, S. (2005): Evaluation der Ă–komassnahmen Stickstoff und Phosphor, Agroscope FAL Reckenholz
[9] Reist, V.; Olschewski, A. (2019): Nutzungskonflikte bei Trinkwasserfassungen. Aqua & Gas 6, pp. 44–49
[10] Bundesamt fĂĽr Landwirtschaft BLW (2019): Agrarbericht
[11] Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU (2008): Umweltziele Landwirtschaft. Umwelt-Wissen
[12] Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU; Bundesamt fĂĽr Landwirtschaft BLW (2016): Umweltziele Landschaft, Umwelt-Wissen
[13] Bundesamt fĂĽr Umwelt BAFU (2019): Nitrat im Grundwasser. [Online]. Available: https://www.BAFU.admin.ch/BAFU/de/home/themen/wasser/fachinformationen/zustand-der-gewaesser/zustand-des-grundwassers/grundwasser-qualitaet/nitrat-im-grundwasser.html
[14] Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz GSchG) (1991): Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
[15] Schwab, C.; Guhl, F. (2018): Schutz der Grundwasserfassungen in der Schweiz – Stand des Vollzugs, BAFU
[16] Schweizer Parlament: Vernehmlassung: 19.475 Pa.Iv. Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren. [Online]. Available: https://www.parlament.ch/de/organe/kommissionen/sachbereichskommissionen/kommissionen-wak/berichte-vernehmlassungen-wak/vernehmlassung-wak-19-475

Neueste politische Vorstösse 
WAK-S setzt sich ein für Vorsorge im Grundwasserschutz und Stärkung des Zuströmbereichs von Grundwasserfassungen

An ihrer Sitzung am 2./3. Juli hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) den Entwurf der Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» (19.475) angepasst. Es wurden wichtige Anliegen zum Gewässerschutz ergänzt und schliesslich einstimmig zuhanden des Ständerates verabschiedet. Diese umfassen insbesondere zwei Änderungen im Gewässerschutzgesetz (GSchG): Artikel 9 GSchG soll in dem Sinn ergänzt werden, dass eine Zulassung überprüft werden muss, wenn in Gewässern, die der Trinkwassernutzung dienen, oder in Oberflächengewässern Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel oder Biozidprodukte wiederholt und verbreitet überschritten werden. Darüber hinaus soll Artikel 27 Absatz 2 GSchG so angepasst werden, dass im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen nur Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen, deren Verwendung im Grundwasser keine zu hohen Konzentrationen von Wirkstoffen und Abbauprodukten zur Folge haben.
Damit wurden wichtige Anliegen des vorsorglichen Ressourcen- und Trinkwasserschutzes aufgenommen. Gegenüber heute deutlich mehr bezeichnete Zuströmbereiche (vgl. Artikel) sind aber eine Voraussetzung für die Umsetzung der Beschlüsse der WAK-S. Eine schweizweite Bestimmung zur Bezeichnung der Zuströmbereiche fordern die vor kurzem eingereichten Motionen Zanetti (20.3625) und Roth (20.3679): Im GSchG soll eine Pflicht der Kantone zur Bestimmung der Zuströmbereiche bis 2035 verankert werden. Diese sollen für alle im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen von regionaler Bedeutung, sowie anderer Grundwasserfassungen, bei welchen die Gefahr einer Verunreinigung besteht, bestimmt werden. Bei einer Annahme dieser Motionen würden wichtige Anliegen des vorsorglichen Ressourcen- und Trinkwasserschutzes aufgenommen und das Grundwasser langfristig wirksam geschützt.


Medienmitteilung der WAK-S

Kommentar zum WAK-Entscheid auf Aqua & Gas online

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Kommentare (2)

Daniel Hartmann am 17.07 2020 um 16:02

Wer säht, kann (manchmal) auch ernten...

Es freut mich, dass, trotz Dürreperioden und Wasserknappheit, unsere fast 30-jährige Saat zu keimen und blühen beginnt und wohl demnächst auch knackige Früchte tragen wird...

Eduard Hoehn am 15.07 2020 um 17:40

Zuströmbereiche von Trinkwasserfassungen

Interessant ist es zu sehen, wieviel Zeit nötig war, bis der Zuströmbereich als Instrument eines planerischen Grundwasserschutz in der Gewässerschutzpolitik verstärkt anerkannt worden ist: Eine Arbeitsgruppe von BAFU, Eawag und der Schweiz. Gesellschaft für Hydrogeologie führte diesen als Element eines zeitgenössischen Grundwasserschutzes bereits 1994 in der Fachwelt ein <Hoehn, E., R.V. Blau, D. Hartmann, W. Kanz, H. Leuenberger, F. Matousek, und J. Zumstein, Gas-Wasser-Abwasser 74(3), 187-193>. Vor allem bei wichtigen Fassungen ist die Datenlage über das Grundwasser genügend gut für numerische Dimensionierungsmethoden, wie sie heute von Fachleuten meist angewendet werden. Deshalb scheint mir die Aussage von <Schwab, C.; Guhl, F. (2018): Schutz der Grundwasserfassungen in der Schweiz – Stand des Vollzugs, BAFU>: "...die Bestimmung von Zuströmbereichen seien sehr anspruchsvolle Arbeiten" etwas übertrieben. Bei Fassungen mit nennenswertem Anteil an Flusswasserinfiltrat mit kurzer Aufenthaltsdauer ist der Nutzen von Zuströmbereichen allerdings beschränkt.

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