Rund 110 Teilnehmende begaben sich Anfang Dezember im Bieler Kongresshaus auf eine Revitalisierungsreise. Am 5. Forum der Wasser-Agenda 21, des Netzwerks der Akteure der Schweizer Wasserwirtschaft, wurde aufgezeigt, dass nicht nur Revitalisierungsprojekte eine gute Planung benötigen, sondern auch deren Kommunikation. «Es lohnt sich, finanzielle Mittel und Zeit für Texte und Bilder einzuplanen», empfahl Andreas Knutti vom Fischerei-Inspektorat Bern in seiner Begrüssungsrede. Als groben Richtwert rechnet man dafür mit bis zu drei Prozent der Gesamtprojektkosten. «Der Bund subventioniert einen Teil der Kommunikationsmassnahmen bei Revitalisierungen», teilte Susanne Haertel-Borer vom BAFU mit. Im Handbuch «Programmvereinbarungen im Umweltbereich» sei geregelt, welche Massnahmen anrechenbar seien.
Weshalb Revitalisierungsprojekte wichtig sind, zeigte MatÂthias Vögeli von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach auf. Die Vogelwarte beteiligt sich im Oberengadin GR am Revitalisierungsprojekt von Inn und Beverin. «Revitalisierungen von Fliessgewässern stellen den natĂĽrlichen Lebensraum fĂĽr Fauna und Flora wieder her, stärken den Hochwasserschutz und schaffen Erholungsgebiete fĂĽr Menschen», so Vögeli. Flussauen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Schweiz. Deshalb spielen sie fĂĽr die Biodiversität und somit fĂĽr viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten eine zentrale Rolle.
Während die Revitalisierung der beiden Oberengadiner FlĂĽsse bereits weit fortgeschritten ist, steht das Projekt «Lebendige Limmat» im Kanton ZĂĽrich vor der Bewilligungsphase. Einblick in die Kommunikation dieses Projekts gaben Markus Federer vom Amt fĂĽr Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons ZĂĽrich (AWEL) und Anita Walser von der Kommunikationsagentur C-Factor AG. Mitten in einer der am dichtesten besiedelten Regionen im Kanton ZĂĽrich wird die Limmat auf rund 3,2 Kilometern revitalisiert. Die neue Flusslandschaft soll etwa dreimal so breit werden wie die kanalisierte Limmat heute. Es ist das grösste Revitalisierungsprojekt, das im Kanton ÂZĂĽrich Âaktuell in Planung ist, und kostet gemäss Vorprojekt rund 70 Millionen Franken.
«Stakeholdermanagement ist zentral für den Projekterfolg», sagte Markus Federer. Man müsse sich bewusst sein, wer alles vom Projekt betroffen sei und Einfluss darauf habe. Dann könne man planen, wann und wie man die Betroffenen mit einbeziehe. Bei der Information dieser sei auf Zeitpunkt, Reihenfolge und Kadenz zu achten. Ein offener Diskurs sei sehr wichtig, ob im Lenkungsausschuss, in Begleitgruppen, in themenspezifischen Koordinationssitzungen oder in individuellen Gesprächen.
Da die «Lebendige Limmat» ein Leuchtturmprojekt für den Kanton Zürich ist, ist die Kommunikation in konventionelle und besondere Massnahmen unterteilt. Zu ersteren zählen Visualisierungen, die zur Lancierung des Vorprojekts gebraucht wurden, eine Website und auch eine Zeitung zum Projekt sowie Infotafeln. In Videos werden wichtige Aspekte des Projekts vorgestellt, Befürworter kommen zu Wort. «Dieses Medium eignet sich, um auf Social Media jüngere Menschen anzusprechen», sagte Anita Walser.
Zu den besonderen Massnahmen zählen ein Fluss-Wimmelbuch sowie ein Themenweg. Damit will man die Menschen erreichen, die mit den konventionellen Massnahmen nicht angesprochen werden.
Anhand der Entwicklung eines Konzepts zur Integration von Natur in der Stadt St. Gallen durch Förderung der Biodiversität, Klimaanpassung und Siedlungsqualität ging Aurelia Winter von Geisser Streule Inhelder Architekten AG auf die Kraft der VisuaÂlisierungen ein. Um die Zivilgesellschaft sowie Politiker bildhaft zum Umgestalten ihrer Stadt zu bewegen, haben die Verfasser der Vision «GrĂĽnes Gallustal» einen Grossteil ihrer Konzepte visuell in Bildern und Filmen umgesetzt. Die Visualisierungen zeigen potenzielle Flächen im heutigen, oft grauen Zustand und wie diese als wertvolle, kĂĽhlende GrĂĽnräume aussehen könnten. Mit Erfolg. So steht heute nicht nur der Stadtrat, sondern auch ein Grossteil der Bevölkerung hinter der Vision und gestaltet die Stadt grĂĽner und damit lebenswerter. «Bilder können den Diskurs eröffnen und den Blick schärfen», gab sich die Architektin ĂĽberzeugt. Es ergebe Sinn, in gute Visualisierungen zu investieren: «Diese dienen als Aufhänger, um Projekte zu initialisieren. Was wir in Visualisierungen zeigen, bleibt in den Köpfen der Menschen.»
In Lutry VD am Genfer See setzt die Gemeinde bei der Revitalisierung der MĂĽndung des Flusses Lutrive bereits gegen Ende des Vorentwurfs auf Partizipation. Dies ist machbar, da es im Gegensatz zum ZĂĽrcher Projekt weniger Personen betrifft.
Um die Stadt vor Hochwasser zu schützen und die Lutrive natürlicher zu gestalten, soll ihr Lauf von 4 auf 17 Meter und ihre Mündung in den See auf 350 Meter erweitert werden. Zudem ist eine Insel geplant. «Es ist ein Vorzeigeprojekt mit starkem Einfluss auf das Stadtzentrum. Daher waren hohe Erwartungen und starker Widerstand spürbar», sagte Marion Bourgeois von WSP Ingénieurs Conseils. An den Workshops wurden etwa Infrastruktur, Mobilität und Befürchtungen beleuchtet. «Das Feedback war überraschend konstruktiv und bereicherte das ursprüngliche Projekt», so Bourgeois. Sie merkte jedoch an, dass ein erfolgreiches partizipatives Vorgehen einer guten Vorbereitung und engen Begleitung bedarf. Partizipation kann Einsprachen verhindern, bietet die Möglichkeit, klar und kontrolliert zu kommunizieren, und fördert die Akzeptanz in der Bevölkerung.
Luzia Meier der IUB Engineering AG erläuterte, wie eine gute Kommunikation während der Umsetzung von Revitalisierungsprojekten aussehen kann. «Wer bereits in den frühen Projektphasen gut kommuniziert, profitiert in der Ausführung davon», sagt sie. Sie empfahl, bereits vor dem Baustart zu informieren, dass es während der Bauzeit kahl und matschig werden könne und dass die Begrünung Zeit brauche. Wichtig sei, dass die Bevölkerung die baulichen Massnahmen und die Wichtigkeit der Projekte verstehe. Mittels Informationstafeln oder eines Tages der offenen Baustelle könne Verständnis für alle Arbeitsschritte geschaffen werden. Es sei wichtig, die Angst vor Ungewissem und Veränderungen ernst zu nehmen. Dabei bewährten sich klar definierte Kommunikationswege und Ansprechpersonen. Die Ingenieurin plädiert für Begegnungen auf Augenhöhe und Begeisterung. Denn die sei ansteckend. Damit die finanziellen Mittel für Kommunikationsmassnahmen vorhanden sind, riet sie, diese in der Planung zu berücksichtigen. «Nach Abschluss eines Projekts sollte noch etwas im ‹Kässeli› übrig sein, um sich bei der Bevölkerung zu bedanken und zu feiern.» Um die Wertschätzung und Akzeptanz von revitalisierten Gewässern sowie deren ökologische Verbesserung zu erhöhen, helfen auch Besucherlenkungsmassnahmen wie Tafeln, wie das anfangs erwähnte Projekt aus dem Oberengadin zeigt.
Matthias Vögeli von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach machte am Schluss der Reise darauf aufmerksam, dass die Stiftung Begleitung und fachliche Beratung für Gewässer aus ornithologischer und umweltwissenschaftlicher Sicht anbietet.
Sämtliche Unterlagen des Forums stehen unter folgendem Link zur Verfügung:
https://bit.ly/3Ckgsr4
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