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Fachartikel
03. Juni 2024

Grundwasser

Hydraulischer und thermischer Einfluss von Untergrundbauten

Zur Beurteilung des hydraulischen und thermischen Einflusses von Verkehrsinfrastrukturen und Tiefbauten auf Untergrundressourcen bedarf es einer geologischen, hydrogeologischen und geotechnischen Begleitung. Exemplarisch wird für mehrere in der Schweiz geplante Infrastrukturprojekte (Rheintunnel Basel, S-Bahntunnel «Herzstück», Tiefgaragen sowie «Cargo sous terrain» im Mittelland) illustriert, wie komplexe geologische und hydrogeologische Randbedingungen berücksichtigt und eine nachhaltige Nutzung von Untergrundressourcen realisiert werden können.
Jannis Epting, Annette Affolter Kast, Horst Dresmann, Stephan Février, Oliver Schilling, 

Für Bauwerke im Untergrund, die innerhalb von Grundwasser-gesättigten Lockergesteinen verlaufen und bei denen mit Rückstaueffekten und der Entwicklung stagnierender Grundwasserzonen zu rechnen ist, verlangt die Schweizerische Gewässerschutzverordnung (GSchV 2001) technische Massnahmen zur Verbesserung des Grundwasserdurchflusses. Zu diesen technischen Massnahmen gehören der Einbau von Dükersystemen oder ziehbaren Spundwänden und Schieberpfählen [1].

Unterirdische Bauwerke führen zudem oft auch zu einem Wärmeeintrag in den Grundwasserleiter. Nach GSchV (2001) dürfen Änderungen der Grundwassertemperaturen in 100 m Abstrom eines thermischen Eingriffs maximal 3 °C im Vergleich zu einem natürlichen – also anthropogen unbeeinflussten – thermischen Zustand betragen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass Temperaturerhöhungen im Abstrom unter anderem massgebend von der Grundwasserfliessgeschwindigkeit abhängen. So kann ein thermischer Einfluss bei hohen Grundwasserfliessgeschwindigkeiten sehr weit reichen, während er bei niedrigen Fliessgeschwindigkeiten lokal begrenzt ist [2]. Für die Beurteilung des Einflusses von grossflächigen Einbauten in das Grundwasser sollte deshalb neben der Temperatur auch der effektive Energieeintrag als massgebende Grösse Berücksichtigung finden (Fig. 1).

Wie in vielen urbanen Gebieten ist das Grundwasser im Raum Basel aufgrund anthropogener Wärmeeinträge bereits vielerorts im Mittel um ca. 5 bis über 7 °C wärmer im Vergleich zu angrenzenden weniger urbanisierten Bereichen [4]. Aber auch in ländlichen Gebieten sind die Grundwassertemperaturen gegenüber den natürlicherweise zu erwartenden Temperaturen oft schon erhöht, so z. B. im Grundwasserleiter Gäu im Mittelland [5]. Um einen weiteren Anstieg der ohnehin schon erhöhten Grundwassertemperaturen zu verhindern, müssen daher für viele neue Bauvorhaben im Untergrund Lösungen gefunden werden, die den thermischen Einfluss entweder minimieren oder die mit den Bauwerken in das Grundwasser eingebrachte Wärme als wertvolle Ressource sinnvoll nutzen.

HYDRAULISCHE und THERMISCHE BEEINFLUSSUNG

FĂĽr eine Beurteilung des hydraulischen Einflusses von Untergrundbauwerken auf das Grundwasserfliessregime (Fliessrichtung und -geschwindigkeit sowie Grundwasserbilanzen) in Lockergesteins-Grundwasserleitern mĂĽssen verschiedene, durch den Bau entstehende Aspekte betrachtet werden:

  • Reduktion des Querschnitts fĂĽr den Grundwasserfluss
  • Grundwasseraufstau und -absenkung im Bereich der Untergrundbauwerke
  • Veränderung der Wasserbilanzen im Aquifer und im Bereich der Untergrundbauwerke

Bis sich nach baulichen Eingriffen im Untergrund ein neuer hydraulischer und thermischer Zustand im Grundwasserfliessregime einstellt, braucht es Zeit. Dies sollten Monitoringkonzepte zur Beurteilung der hydraulischen und thermischen Beeinflussung während des Baus und der späteren Betriebsphase von Untergrundstrukturen unbedingt berücksichtigen. Beispielsweise konnte bei verschiedenen Standorten in Basel (Fig. 2) gezeigt werden, dass ein theoretisch natürlicher Zustand der Grundwassertemperaturen, ohne anthropogene Beeinflussung durch Bauten oder thermische Nutzungen, sich erst nach zehn bis zwölf Jahren wieder einstellt [4]. Ist das neue Gleichgewicht erreicht, steigen die simulierten Grundwassertemperaturen wieder an – dies entsprechend dem positiven, aus der Lufttemperatur und der Temperatur von infiltrierendem Oberflächengewässer bedingten Trend (Fig. 3). Die beschriebene Modelliermethodik eignet sich für das Ableiten von Zeitskalen dieses thermischen «Erinnerungseffekts» sowie von «Retardationseffekten» (Zeitversatz zwischen hydraulischen und thermischen Veränderungen im Grundwasserregime), wie sie nach hydraulischen und thermischen Eingriffen im Untergrund in verschiedenen Grundwasserleiter zu erwarten sind. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung sowie den geplanten Anpassungen der Regelung der thermischen Nutzung des Untergrunds (gemäss der am 9.3.2023 angenommenen Motion Jauslin 22.3702) wichtig.

Neben dem Memoryeffekt resultieren, in Abhängigkeit der gebauten Untergrundstruktur, auch unterschiedliche thermische Einwirkungsmuster auf das Grundwasser. So unterscheiden sich zum Beispiel die Einwirkungen von Tiefgaragen und Bahn- oder Autobahntunnels teils massiv (Fig. 3; [6, 7]). Lufttemperaturen in Tiefgaragen (TTG) weisen beispielsweise im Vergleich zur umgebenden Grundwassertemperatur (TGW) generell eine höhere Fluktuation auf, mit viel tieferen Lufttemperaturen im Winter und höheren Lufttemperaturen im Sommer. Die Temperaturdifferenz ΔT zwischen der Lufttemperatur im Bauwerk und der umgebenden Grundwassertemperatur ist so beispielsweise zu Beginn des Winters typischerweise klein, nimmt im Verlauf des Winters zu und gegen Frühling hin wieder ab. Für Autobahntunnels hingegen ist die Temperatur der Tunnelinnenluft (TTunnel) im Winter im Vergleich zur Grundwassertemperatur typischerweise sehr hoch, wobei für Autobahntunnel saisonale Fluktuationen beobachtet werden können. Die Differenz ΔT nimmt für Autobahntunnel, im Gegensatz zu Tiefgaragen, über grössere Zeiträume hinweg negative Werte an, was wiederum bedeutet, dass dem Grundwasser zeitweise auch Wärme entzogen wird; dies v. a. in den Portalbereichen der Autobahn. Im Sommerhalbjahr hingegen findet ein Wärmeeintrag in den Grundwasserleiter statt.

NORDWESTSCHWEIZ

Die Nordwestschweiz ist die zweitwichtigste Wirtschaftsregion der Schweiz. Aufgrund ihrer geografischen Lage führt der stark zunehmende Personen- und Güterverkehr zu einem erheblichen Druck auf die Raumplanung, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Region spielt. Insbesondere in der Region Basel ist die Folge ein verstärktes Ausweichen in den Untergrund, was sich aktuell unter anderem in den Planungen des «Rheintunnels Basel» und der Regio S-Bahn «Herzstück» widerspiegelt.

Rheintunnel Basel

Das Kernstück des «Rheintunnels Basel» sind zwei zweispurige Tunnelbauwerke, der «Rheintunnel West» mit einer Länge von 3,6 km und der «Rheintunnel Ost» mit 3,8 km. Beide Tunnelbauwerke unterqueren den Rhein im Festgestein. Der «Rheintunnel West» teilt sich gegen Norden auf in den Tunnelabschnitt «Wiese» und den Tunnelabschnitt «Klybeck» mit Längen von jeweils ca. 1 km (Fig. 2). Für verschiedene Abschnitte des «Rheintunnels Basel» wurden die thermischen Potenziale abgeschätzt und technische Möglichkeiten zur Wärmenutzung der Tunnelluft und des in Dükersystemen zirkulierenden Grundwassers evaluiert. Als Grundlage für die Analyse dienten Erkenntnisse, die im Rahmen des BFE-Forschungsprojektes ThePoTun [8] durch Messungen der Tunnelinnenlufttemperaturen für verschiedenen Bereiche des bereits existierenden Tunnelbauwerks «Nordtangente» gewonnen wurden [6–7]. Die Messungen ermöglichten eine realistische Beschreibung und Modellierung des Verlaufs der Tunnelinnenlufttemperaturen. Die entsprechenden Erkenntnisse und Modellierungsansätze wurden für die Evaluation des thermischen Einflusses des geplanten Rheintunnels auf den Untergrund übertragen. Die resultierenden Berechnungen für den Rheintunnel haben gezeigt, dass die grosse Kontaktfläche zwischen dem geplanten Tunnelbauwerk und dem umgebenden Untergrund, insbesondere im grundwassergesättigten Aquifer, zu einem starken Wärmeaustausch führen wird (Tab. 1). Je nach Position des Tunnelbauwerks können dabei saisonale Unterschiede mit einem Wärmeentzug aus dem Grundwasser im Winter von bis zu 41 kW und einem Wärmeeintrag in das Grundwasser im Sommer von bis zu 56 kW resultieren.

Wärmetausch Dükersysteme

Wärmetauscher in Dükersystemen stellen eine ideale Infrastruktur für die thermische Nutzung von Untergrundbauten dar, da Düker aus Gründen des Grundwasserschutzes ohnehin realisiert werden müssen (Fig. 4). Evaluationen im Rahmen von ThePoTun [8] zeigten bereits, dass ein Wärmeentzug aus dem Drainagewasser sich nur für Abschnitte, in denen der Rheintunnel senkrecht zur regionalen Grundwasserströmung verläuft und vergleichsweise hohe Grundwassertemperaturen existieren, sich energetisch durchaus rentieren würde. So könnten z. B. durch den Wärmeentzug aus dem Drainagewasser entlang des Tunnelabschnittes «Wiese» eine Wärmeenergie von 1,1 GWh im Sommer und 2,1 GWh im Winter entzogen werden (Tab. 1).

Tunnel Abschnitt im Grundwasser

Strecke im Grundwasser [m] Kontaktfläche* [m] Wärmeaustausch Qges [kW] En [kW] Wärmeaustausch [GWh] lieferbare Wärmeenergie [GWh]
Winter Sommer Sommer Winter Sommer Winter Sommer Winter
TA 1 Rheintunnel Ost 234 5855 -10 14 168 219 0,4 0,5 0,5 (heizen**) 0,6 (heizen **)
Rheintunnel West 237 5923 -10 14            
TA2 Rheintunnel Ost, Tunnelportal Badischer Bahnhof 218 5438 -10 13 62 263 0,1 0,5 0,1 (kĂĽhlen) 0,7 (heizen**)
TA 3 Rheintunnel West, Tunnelabschnitt Wiese 150 3745 -7 9 8 25 0,0 0,1 0,0 0,1 (heizen**)
TA 4 Rheintunnel West, Tunnelabschnitt Klybeck 100 2448 -4 6 410 761 0,9 1,6 1,1 (heizen **) 2,1 (heizen **)
gesamt   939 23408 -41 56            

* Annahme Umfang AussenhĂĽlle Normalprofil Tagbautunnel ca. 25m
** SCOP = 4: Seasonal Coefficient Of Performance

Tab. 1 Spalten 5-6: Geschätzter Wärmeaustausch Qges (–: Wärmentzug; +: Wämeeintrag) der verschiedenen Tunnelabschnitte (TA1-4) des Rheintunnels (aktueller Projektstand September 2022)  mit dem Grundwasserkörper für die gesamte Gebäudekontaktfläche und den Streckenverlauf im Grundwasser.Spalten 7–12: Resultate des BFE-Forschungsprojektes «ThePoTun» [8] und Zusammenstellung der spezifischen Gesamtwärmeleistung En, des saisonalen Wärmeaustausches und die durch Wärmepumpen lieferbare Wärmeenergie für die Realisierung von Wärmetauschern in Dükersystemen.

Nutzung der Tunnelluftwärme

Alternativ zur Nutzung der Dükersysteme könnte eine Nutzung der Tunnelluftwärme, beispielsweise durch Entnahme und Abkühlung eines Teilstroms der Tunnelluft am Tunnelausgangsportal, erfolgen. Eine erste Abschätzung des Wärmepotenzials aus der Tunnelluft an den Tunnelausgangsportalen «Badischer Bahnhof» und «Wiese» in Kleinbasel und dem Tunnelportal in Birsfelden resultierte in einem technisch nutzbaren Wärmepotenzial von insgesamt 43 GWh pro Tunnelröhre. Die so gewonnene Wärme könnte über Rohrleitungen in nahe gelegene Wohngebiete geleitet werden, die sich dann über Wärmepumpen beheizen liessen. Somit könnte durch Abkühlung der Tunnelluft in den Wintermonaten gleichzeitig Verkehrsabwärme, Umgebungsluftwärme und Grundwasserwärme zur Gebäudebeheizung genutzt werden.

Sollte neben der Versorgung von Stadtquartieren mit nachhaltiger Wärme auch die Verhinderung eines Wärmeeintrags in das Grundwasser im Vordergrund stehen, könnte zusätzlich durch eine Kühlung der Tunnelinnenluft der Wärmeeintrag in das Grundwasser verringert werden. Alternativ könnte der Wärmeeintrag aus der Tunnelluft auch durch eine Wärmeentnahme aus einem Düker ausgeglichen werden (Fig. 5).

S-BAHNTUNNEL «HERZSTÜCK»

Der geplante S-Bahntunnel «Herzstück» ist ein ca. 6 km langes Tunnelbauwerk, das den Bahnhof «Basel SBB», den «Badischen Bahnhof» und den Bahnhof «St. Johann» miteinander verbinden soll (Fig. 2). Die verschiedenen Abschnitte der S-Bahntunnelbauwerke verlaufen im Festgestein und teilweise in den Grundwassergesättigten und ungesättigten Lockergesteinen. Die auf- und absteigenden Abschnitte des Tunnels verlaufen zudem teils senkrecht zur regionalen Grundwasserströmung.

Im Rahmen von ThePoTun [8] wurden für den Bahntunnel in der Tunnelwand installierte Wärmeabsorbersegmente (Tunnelabsorbersystem, TAS; Fig. 6) simuliert. Diese Lösung wurde für das Tunnelportal beim «Badischen Bahnhof» und in der Nähe der Zwischenstation «Tiefhaltestelle Klybeck» evaluiert. Für beide Standorte konnte in Kooperation mit der Politecnico di Torino (I) das technisch und numerisch validierte TAS EnerTun [9] in hochaufgelösten lokalen 3D-Wärmetransportmodelle implementiert werden. Die gewählten Standorte bieten technische Vorteile durch die Möglichkeit zur direkten Nutzung der Energie (Warmwasser und Heizen), ausreichende Platzverhältnisse für die Installation von Wärmepumpen sowie die über die Stationsbauwerke existierende Verbindung zur Erdoberfläche. Mittels Szenarienberechnungen wurde anschliessend die technische Machbarkeit von TAS in der Tunnelinnen- und -aussenwand, sowie deren Kombination, evaluiert (Fig. 6).

Ein regionales 3D-Wärmetransportmodell (FeFlow; DHI) von Basel ermöglichte es, neben der Grundwasserströmung auch den advektiven und konduktiven Wärmetransport im Untergrund zu simulieren. Die Simulationen erlaubten es sowohl lokal als auch regional die Dynamik hydrodynamischer und thermischer Prozesse sowie die zahlreichen Wechselwirkungen der verschiedenen natürlichen und anthropogenen Randbedingungen für die Lockergesteins-Grundwasserleiter in Basel zu untersuchen und zu quantifizieren [10–11]. Dies wiederum erlaubte es, das thermische Potenzial von TAS im Kontext der geologischen und hydrogeologischen Randbedingungen des Stadtgebiets von Basel zu evaluieren.

Wie die Modellrechnungen zeigten, ist für Tunnelabschnitte, die sich in den Grundwasser-gesättigten Lockergesteinen und in der Nähe von Tunnelportalen befinden, ein Betrieb von TAS in der äusseren Tunnelwand am effizientesten. So könnte im Sommer das vergleichsweise kühlere Grundwasser dazu genutzt werden, um durch zwei 736 bzw. 284 m lange Tunnelabschnitte 3,7 bzw. 1,4 MW Abwärmeleistung oder 5,8 bzw. 2,1 GWh/Jahr Abwärmeenergie abzuführen. Im Winter könnte eine Energiemenge von 5,2 bzw. 1,9 GWh/Jahr, bei einer Wärmeleistung von bis zu 1,9 bzw. 0,7 MW, entnommen werden (Wärmeentzug Lockergesteins-Grundwasserleiter; Tab. 2).



Tunnelabschnitt GW/FG En [kW] Saisonaler Wärmeaustausch [GWh] Lieferbare Wärmeenergie [GWh]
Sommer Winter Sommer Winter Sommer Winter
S-Bahn Grossbasel GW 3728,5 1844,3 7,8 3,9 5,8 (kĂĽhlen) 5,2 (heizen**)
  FG 0,0 980,7 0,0 2,0 0,0 2,7 (heizen**)
S-Bahn Kleinbasel GW 1366,0 683,0 2,9 1,4 2,1 (kĂĽhlen) 1,9 (heizen **)
  FG 0,0 760,4 0,0 1,6 0,0 2,1 (heizen **)
** SCOP = 4: Seasonal Coefficient Of Performance

Tab. 2 Zusammenstellung der spezifischen Gesamtwärmeleistung En, des saisonalen Wärmeaustausches und die durch Wärmepumpen lieferbare Wärmeenergie für die Installation von TAS im Grundwasser (GW) und Festgestein (FG) in der äusseren Tunnelwand des S-Bahntunnels «Herzstück» für Bahnabschnitte linksseitig (Grossbasel) und rechtsseitig (Kleinbasel) des Rheins.

Die ersten Ergebnisse zeigten jedoch auch, dass eine Nutzung der TAS in S-Bahn-Tunnelbauwerken, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Vorgaben des Grundwasserschutzes, im Sommerbetrieb für Kühlzwecke gesetzlich nicht möglich und auch nicht effizient ist. Deshalb konzentrierten sich die darauffolgenden Arbeiten im Projekt ThePoTun [8] auf die Erfassung des Potenzials für die Wärmeentnahme zur Tunnel- und Grundwasserkühlung. Einerseits könnten mit TAS in der äusseren Tunnelwand dem Untergrund oder dem Grundwasser Wärme entzogen werden mit dem Resultat, dass das Grundwasser um bis zu 4 °C abgekühlt wird. Andererseits konnte auch gezeigt werden, dass mit einer Installation von TAS in der inneren Tunnelwand dem Tunnelinneren Wärme entzogen werden kann. Dies mit dem Resultat, dass die Tunnelinnenluft abgekühlt wird und in Abhängigkeit der Jahreszeit, 46 bis 101 W m2 Wärme aus der Tunnelinnenluft entzogen werden könnte. Dieser Wärmeaustausch ist um ein Vielfaches höher, als der Wärmeeintrag des Bahnbetriebs selbst, der geschätzt in der Grössenordnung von 2,2 bis 2,6 W m2 liegt.

Mittelland

Cargo Sous Terrain (Cst)

Das Projektvorhaben Cargo sous terrain (CST) hat zum Ziel, möglichst viel Güterverkehr der Schweiz unter die Erde zu bringen. Dazu ist vorgesehen, dass ein Tunnelsystem das ganze Mittelland von Genf bis St. Gallen verbindet, mit Anbindungen an Basel und Luzern. Ein wichtiger Schritt für das CST-Bauprojektvorhaben ist eine detaillierte und vollständige Beschreibung der Geologie, der hydrogeologischen Verhältnisse (Ist-Zustand) und der geotechnischen Eigenschaften im Projektgebiet. Auf der Grundlage dieser Beschreibung sollen Wissenslücken identifiziert werden, die durch zusätzliche Untersuchungen und Datengrundlagen geschlossen werden sollen. Schliesslich soll es möglich sein, die geologische, geotechnische und hydrogeologische Situation im Projektgebiet zu beurteilen und mögliche Auswirkungen oder Gefährdungsbilder zu formulieren.

Als Pilotstudie für CST-Projektvorhaben wird zurzeit die erste Teilstrecke zwischen Härkingen und Zürich Flughafen evaluiert. Als Grundlage für die Evaluation der Reduktion des Durchflussquerschnittes, die durch den Bau des Tunnelnetzwerks und der Zugangspunkte geschaffen werden würden, werden gegenwärtig primär existierende hydrogeologogische Informationen zum Aquiferquerschnitt und der mittlere Grundwasserspiegel der Grundwasserkarten aus den GIS-Browsern der Kantone verwendet. Einige Grundwasserkarten sind vergleichsweise alt, zum Beispiel diejenige des Kantons Zürich aus dem Jahr 1986. Sie werden laufend aktualisiert, wobei in den letzten 40 Jahren verschiedene Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen wurden. Wenn nur der mittlere Grundwasserstand betrachtet wird, bleiben Nutzungsänderungen, saisonale Schwankungen und Extremereignisse (hohe und tiefe Grundwasserstände) allerdings unberücksichtigt. Neben dem mittleren Grundwasserstand sollte bei der Beurteilung von grossen Bauprojekten vor allem auch der Einfluss des Bauwerks bei Hochwasserstand des Grundwassers analysiert werden, da die hydraulische Beeinträchtigung in solchen Situationen am grössten ist.

Um Fragen zum Einfluss des Bauwerks auf das hydraulische und thermische Grundwasserfliessregime und insbesondere auf die Grundwassertemperaturen zu beantworten, stellen auch in diesem Fall numerische hydrogeologische Modelle eine der geeignetsten Untersuchungsmethoden dar. Mit den entsprechenden numerischen Modellen kann anschliessend auch die Wirksamkeit von unterschiedlichen Ausgleichsmassnahmen evaluiert werden.

Da im Gebiet Gäu bereits ein Trend zu steigenden Grundwassertemperaturen beobachtet wird [5], muss neben der Evaluation der Reduktion des Durchflussquerschnitts zusätzlich der Beeinflussung der Grundwassertemperatur durch das Bauwerk besondere Beachtung geschenkt werden. Insbesondere in den Streckenabschnitten, in denen Bauwerksstrukturen im Schottergrundwasserleiter zu liegen kommen, muss neben einhergehenden Temperaturveränderungen auch der diffuse Wärmeeintrag abgeschätzt werden. Nur so kann die thermische Belastung des Untergrundes gesamthaft beurteilt werden. Entscheidend für die Qualität einer solchen Abschätzung ist die Frage, welche Temperaturdaten als Referenztemperaturen beigezogen werden können.

Für Tiefbauprojekte wie CST, die nicht nur die einzelnen, bereits räumlich limitierten Grundwasservorkommen, sondern auch andere Aquifertypen in unterschiedlichen Lithologien durchqueren, müssen neben dem Einsatz von hydrogeologischen Modellen auch die allgemeinen Zusammenhänge zwischen Lithologie und präferentiellen Fliesswegen im Karst beschrieben und vertieft betrachtet werden. Für Karst- und Kluftgrundwasserleiter bietet sich beispielsweise die Anwendung der KarstALEA-Methode an [12]. Da solch weiträumige Bauvorhaben auch regionale Grundwasserfliesssysteme beeinflussen könnten, sollte ebenfalls die regionale Grundwasserzirkulation in den Übergangszonen zwischen dem Jura und dem Mittelland zur Lokalisierung verstärkter oder verminderter Interaktion der verschiedenen Grundwassersysteme (regionaler Karst, verschiedene Molasseeinheiten und Lockergesteinsgrundwasser) untersucht werden.

FAZIT

Aufgrund der immer dichteren Besiedlung und Industrialisierung der urbanen Räumen der Schweiz sowie dem Schweizer Mittelland sind fundierte, flächendeckende Kenntnisse, kombiniert mit detaillierten lokalen Analysen der oberflächennahen Geologie und Grundwasserfliesssysteme, mittlerweile für jedes grössere Bauvorhaben unerlässlich.

Aktuelle umweltrelevante Aufgaben wie die Erarbeitung der Grundlagen für die nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen der Region und die Planung von Verkehrsinfrastrukturen mit Berücksichtigung der Umweltfragestellungen können ohne dieses Wissen nicht mehr zufriedenstellend gelöst werden.

Das Gleiche gilt für die geologische, hy­drogeologische und geotechnische Begleitung von bedeutenden Bauprojekten. Nur durch solides Grundlagenwissen über den Untergrund und eine detaillierte Analyse eines Bauvorhabens kann den verschiedenen Akteuren eine robuste Entscheidungshilfe geboten werden.

In urbanen Gebieten (z. B. Basel) wie auch im Mittelland (z. B. Grundwasserleiter Gäu) ist die Temperatur des Grundwassers in den letzten Jahren stark angestiegen. Tunnelprojekte könnten in Zukunft dabei helfen, diese überschüssige Wärme nachhaltig zu nutzen. Zentral dabei ist der Wärmetransport durch die Grundwasserströmung im hochdurchlässigen Lockergestein. Grosse Kontaktflächen von Tunnelinfrastrukturen mit dem Untergrund ermöglichen hier eine thermische Nutzung, dies vor allem in Quartieren, in denen grossflächige Neugestaltungen geplant sind.

Wie aufgezeigt, ermöglichten die vorgestellten, angewandten Methoden eine bessere Abschätzung und Beurteilung der direkten und indirekten Auswirkungen der Bauwerke auf das Grundwasser der betroffenen Aquifere. Dabei müssen die Auswirkungen für die Planungs-, Bau- und spätere Betriebsphase beurteilt werden. Die Forschungsresultate können dazu dienen, Strategien für eine nachhaltige Bewirtschaftung urbaner und ruraler Untergrundressourcen im Allgemeinen zu entwickeln.

 

Bibliographie

[1] Epting, J. et al. (2008): Integrated methods and scenario development for urban groundwater management and protection during tunnel road construction: a case study of urban hydrogeology in the city of Basel, Switzerland. Hydrogeology Journal 16(3): 575–591

[2] Epting, J. et al. (2017): The thermal impact of subsurface building structures on urban groundwater resources – A paradigmatic example. Science of The Total Environment 596-597: 87–96

[3] Epting, J. (2019): Basler Tunnel sollen Abfallwärme aus dem Untergrund holen. Basler Zeitung

[4] Epting, J.; Huggenberger, P. (2013): Unraveling the heat island effect observed in urban groundwater bodies – Definition of a potential natural state. Journal of Hydrology 501: 193–204

[5] AFRY-Schweiz-AG (2022): Beurteilungsgrundlagen thermische Nutzung Grundwasserleiter Gäu (Solothurn), Amt für Umwelt, Kanton Solothurn

[6] Becker, D.; Epting, J.  (2021a) Thermischer Einfluss urbaner Untergrundstrukturen auf die Grundwassertemperaturen im Kanton Basel-Stadt. Grundwasser.

[7] Becker, D.; Epting, J. (2021b) Urbane Wärmeinseln auch im Untergrund. AQUA & GAS 11, 78–84

[8] Angewandte und Umweltgeologie (AUG) der Universität Basel (2020): ThePoTun Machbarkeitsstudie: – Thermisches Potential urbaner Tunnelinfrastruktur in Lockergesteinsgrundwasservorkommen, p. 85, Bundesamt für Energie (BFE), Bern

[9] Barla, M.; Di Donna, A. (2016) Concio energetico modulare prefabbricato, rivestimento per gallerie realizzato con una pluralitĂ  di tali conci e metodo per scambiare calore in una galleria mediante la realizzazione di un rivestimento con una pluralitĂ  di tali conci, Italian Patent 102 016 000 020 821

[10] Epting, J. et al. (2020a) Geothermal potential of tunnel infrastructures – development of tools at the city-scale of Basel, Switzerland. Geothermics 83

[11] Epting, J. et al. (2020b) City-scale solutions for the energy use of shallow urban subsurface resources – Bridging the gap between theoretical and technical potentials. Renewable Energy 147, 751–763

[12] Filipponi, M. et al. (2012) KarstALEA: Wegleitung zur Prognose von karstspezifischen Gefahren im Untertagbau. Forschungsauftrag Fachgruppe Untertagbau FGU2009/003

Verdankung

Die Autoren bedanken sich bei den Auftraggebern, dem Bundesamt für Strassen ASTRA, der Schweizerische Bundesbahnen AG SBB, dem Konsortium Bahnknoten- und Herzstück Basel, dem Bundesamt für Energie BFE (Projekt ThePoTun SI/501646-01) sowie dem Tiefbauamt und dem Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt. Zudem möchten wir dem Amt für Umwelt AFU, Kanton Solothurn, und dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft AWEL, Kanton Zürich, für die Erteilung der Expertenmandate CST danken.

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