Grund- und Quellwasser decken 80% des Schweizer Trinkwasserbedarfs [1]. Das Wasser aus den Tiefen ist meist so rein, dass eine minimale Aufbereitung ausreicht, um es als Trinkwasser zu nutzen [2]. Die Trinkwasserqualität wird regelmässig von den Wasserversorgungen der Gemeinden kontrolliert. Dabei werden chemische, physikalische und mikrobielle Eigenschaften gemessen, wobei der Fokus auf der Wassergüte liegt [2]. Bisher weitestgehend unbekannt sind die über die Mikroben hinausgehenden biologischen Gegebenheiten im Grundwasser. Es ist wichtig, auch diese Aspekte weiter zu untersuchen, denn die nicht-mikrobiellen Grundwasserorganismen tragen zum Funktionieren dieses Ökosystems und damit zu sauberem Trinkwasser bei [3]. So beheimatet das Grundwasser etliche spezialisierte Organismen, die oft nur sehr lokal vorkommen. Viele davon haben so kleine Verbreitungsgebiete, dass die jeweiligen Arten weltweit nur in der Schweiz, oder kaum über die Schweiz hinausgehend, vorkommen [4]. Diese Arten überdauerten teilweise die letzte Eiszeit im Grundwasser und haben einen sehr hohen Erhaltungswert. Die Schweiz trägt eine grosse Verantwortung, um diese einzigartige biologische Vielfalt zu schützen [5].
Grundwasserflohkrebse gehören zu den grössten Grundwassertieren und können im Grundwasser teilweise recht häufig angetroffen werden. Sie weisen eine relativ hohe Vielfalt auf und sind in der Schweiz und in Europa weit verbreitet [6].
Grundwasserflohkrebse
Dank intensiver Forschung der Eawag und der Universität Zürich konnten bereits 21 Arten von Grundwasserflohkrebsen in der Schweiz dokumentiert werden [4, 7]. Fünf dieser Arten sind endemisch für die Schweiz, das heisst, sie wurden bisher weltweit nur in der Schweiz nachgewiesen [4, 7].
Einige Grundwasserflohkrebsarten wurden erst kürzlich entdeckt und erstmalig beschrieben, so z. B. Niphargus arolaensis im Jahr 2021 [7].Erst in den vergangenen Jahren wurde die Vielfalt und die grossräumige Verbreitung der Grundwasserflohkrebse in der Schweiz intensiver erforscht [3, 7, 8]. Allerdings ist noch unbekannt, wie kleinräumig und lokal verschiedene Grundwasserflohkrebse vorkommen. Für einen effektiven Schutz des Grundwassers als Ökosystem und für das Verständnis der biologischen Prozesse ist dieses Wissen unabdingbar. In der hier beschriebenen Studie war es deshalb das Hauptziel, räumlich hoch aufgelöste Daten über die Verbreitung und Vielfalt der Grundwasserflohkrebse im Einzugsgebiet der Töss zu sammeln. Das Einzugsgebiet der Töss wurde für diese Untersuchung ausgewählt, da es eine komplexe Hydrogeologie aufweist und während der letzten Eiszeit nicht vollständig vergletschert war [9]. Es wird angenommen, dass gewisse Arten von Grundwasserflohkrebsen die Eiszeit nur in eisfreien Regionen überleben konnten und an anderen Orten unter der Eisdecke lokal ausgestorben sind [10]. Aus diesem Grund erwarteten wir eine hohe Vielfalt in dieser Region. Zudem ist der Grundwasserleiter der Töss in gewissen Teilen bis zu 60 m mächtig [9]. Dadurch kann ein breiteres Lebensraumspektrum und damit wiederum eine höhere Vielfalt an Grundwasserflohkrebsen erwartet werden.
Das Ökosystem Grundwasser ist für Menschen nur schwer zugänglich. Um die Artenvielfalt zu erfassen, wurden Brunnenstuben als Grundwasserfenster genutzt (Fig. 2a). Brunnenstuben sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, sie werden von den Wasserversorgungen gepflegt und unterhalten. Dies machte eine enge Zusammenarbeit mit den Wasserversorgungen (Brunnenmeister, Wasserwart, private Quellenbetreiber etc.) und deren Einbindung in die Probenahmen notwendig, was sich als erfolgreich und auf andere Gebiete übertragbar erwies [4].
Ein Forschungsansatz, bei dem Personen ohne speziellen wissenschaftlichen Hintergrund in einer Studie mithelfen, wird auch als Bürgerwissenschaft (Citizen Science) bezeichnet [11]. Dieser Ansatz erlaubt nicht nur einen neuen Zugang zu Daten, sondern ermöglicht auch einen engen Austausch der Erkenntnisse zwischen Forschenden und Praxis.
Ein zweites Ziel dieser Studie war zu testen, wie dieser Ansatz wissenschaftlichen Kriterien standhält und ob die Resultate vergleichbar sind. Dafür wurde untersucht, ob und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Proben bestehen, welche von Wasserversorgungen respektive von Forschenden erhoben wurden. Die Studie wurde diesbezüglich ausgelegt, dass, im Unterschied zu bisherigen Studien, die Probenahmen sowohl von Wasserversorgungen wie auch parallel von Forschenden durchgeführt wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mitarbeitende von Wasserversorgungen meist keinen biologischen, sondern eher einen technischen Hintergrund aufweisen, und damit keine vorgängigen Erfahrungen im Sammeln und Erkennen von Grundwasserflohkrebsen haben. Für weitere Studien zu Grundwasserorganismen mittels eines Bürgerwissenschaftsansatzes ist eine Analyse der Vergleichbarkeit der Daten wichtig, um deren Aussagekraft zu stützen.
Die Studie wurde 2021 im Einzugsgebiet der Töss (443 km2 [12]) durchgefĂĽhrt. Das primäre Ziel der Untersuchung war, die Verbreitung und Artenvielfalt der Grundwasserflohkrebse in diesem Gebiet möglichst kleinräumig und hoch aufgelöst zu erfassen. Dazu wurden in einem ersten Schritt alle Wasserversorgungen in den 35 politischen Gemeinden im Einzugsgebiet kontaktiert und um ihre Mithilfe gebeten. Diese umfassen 35 öffentÂliche Wasserversorgungen sowie einige Personen mit privaten Quellen. Davon erklärten sich 32 Wasserversorgungen (91,4%) und sechs private Quellenbetreiber bereit, an der Studie teilzunehmen. Anschliessend wurden diese mit Probematerial und Anleitungen zum Sammeln ausgestattet. Das Ziel war, möglichst viele Brunnenstuben mithilfe von feinmaschigen Netzen auf passiv ausgespĂĽlte Grundwasserflohkrebse zu beproben.
Die Probenahmen wurden zwischen dem 23. März und dem 6. Juli durch die Wasserversorgung oder einen Forschenden mithilfe eines Filternetzes (Maschenweite 800 μm, Sefiltec Ltd., Höri, Schweiz) und/oder eines Aquarienkeschers (Logistic GmbH & Co. KG, Amt Wachsenburg, Deutschland) durchgeführt. Das Filternetz wurde direkt am Einlauf montiert (Fig. 2b) und nach einer Woche auf gefangene Tiere untersucht. Alternativ oder zusätzlich wurde mit einem Aquarienkescher das Überlaufbecken direkt abgefischt.
Die gefundenen Grundwasserflohkrebse wurden in zur Verfügung gestellten Proberöhrchen mit undenaturiertem Ethanol (80%) konserviert. Anschliessend wurden die gesammelten Tiere molekularbiologisch auf das Artniveau bestimmt. Dies war nötig, da eine morphologische (visuelle) Artunterscheidung sehr zeitaufwendig ist und aufgrund des Zustands der Individuen oft nicht möglich war. Für die molekularbiologische Bestimmung wurde bei jedem Tier ein bestimmter Genabschnitt (COI-Segment) des Erbmaterials (DNA) im Labor vervielfältigt und sequenziert. Die erhaltenen DNA-Sequenzen wurden anschliessend mit bestehenden Datenbanken abgeglichen und so die zugehörige Art ermittelt (Fig. 2c).
In der hier präsentierten Studie im Einzugsgebiet der Töss wurden in Zusammenarbeit mit 32 Gemeinden und sechs privaten Quellenbesitzern Grundwasserproben gesammelt. Daraus resultierten 1250 gesammelte Proben (Aquarienkescher- und Filternetzproben), die an insgesamt 215 Brunnenstuben im Einzugsgebiet genommen wurden. Die einzelnen Brunnenstuben wurden zwischen ein- bis zwölfmal (Durchschnitt: 4,2; Standardabweichung: 3,9) beprobt. Grundwasserflohkrebse wurden in 295 Proben gefunden, wobei diese fast die Hälfte der untersuchten Brunnenstuben abdecken (95 Brunnenstuben, 44,2%). In den meisten Proben wurden nur ein oder zwei Individuen nachgewiesen (210 Proben). Es gab allerdings auch vereinzelte Proben, in denen 14–22 Tiere gefunden wurden.
Die Funde im untersuchten Gebiet bestätigen die Annahme der hohen Artenvielfalt, es wurden insgesamt sieben verschiedene Grundwasserflohkrebsarten gefunden. Sechs davon zählen zur Gattung Niphargus, die siebte gehört der Gattung Crangonyx an. In Übereinstimmung mit einer früheren Studie [7] wurden die drei Arten Niphargus auerbachi, Niphargus fontanus und Niphargus tonywhitteni im Einzugsgebiet der Töss bestätigt. Zusätzlich wurden in der hier präsentierten Studie vier noch nie in diesem Gebiet nachgewiesene Arten entdeckt, namentlich Niphargus arolaensis, Niphargus puteanus, Niphargus thienemanni und Crangonyx cf. subterraneus (bei letzterer ist die genaue Artzugehörigkeit noch nicht abschliessend geklärt). Hingegen konnte das in den Vorjahren gefundene Vorkommen von Niphargus laisi [13] nicht bestätigt werden. Die Verbreitungen der verschiedenen Arten sind sehr unterschiedlich (Fig. 3). Das zeigt, dass selbst in diesem kleinen Gebiet spezifische Verbreitungsmuster auftreten. Die drei bereits bekannten Arten (N. auerbachi, N. fontanus und N. tonywhitteni) weisen eine relativ homogene Verbreitung über das gesamte Gebiet auf. Das legt nahe, dass man mit breit angelegten Studien die weitverbreitetsten Arten abbildet, wobei die selteneren Arten mit grosser Wahrscheinlichkeit übersehen werden [14].
Doch wie kann das Fehlen von N. laisi erklärt werden? Diese Art wurde in vorgängigen Studien mit einer anderen Beprobungsmethode, einer Bou-Rouch-Pumpe, entdeckt [15]. Bei dieser Methode wird ein perforiertes Rohr in das Flussbett geschlagen und Wasser an die Oberfläche gepumpt. Somit wird ein anderer Lebensraum, das Sediment unter dem Fluss (hyporheisches Interstitial), beprobt. Möglicherweise ist N. laisi im Tösstal auf Lebensräume ausserhalb der für die Trinkwassernutzung genutzten Grundwasserleiter beschränkt, kommt allenfalls also nur im hyporheischen Interstitial vor und kann darum mit der hier verwendeten Methode nicht erfasst werden.
Die Verbreitungsmuster der einzelnen Arten decken sich mit bereits bestehendem Wissen über ihre Habitate. Niphargus thienemanni wurde bisher nur im Osten der Schweiz nachgewiesen [7]. Sie wurde entsprechend auch nur im östlichen Teil des Einzugsgebiets der Töss gefunden. Die Art N. puteanus wurde bisher meist nur nördlich des Rheins und der Aare nachgewiesen [7]. Im Einzugsgebiet der Töss kommt diese Art nur im Unterlauf (in der Nähe zum Rhein) vor. Auch die im Jahr 2021 neu beschriebene Art, N. arolaensis [7], wurde im Rahmen dieser Studie an zwei Standorten im Oberlauf des Einzugsgebietes nachgewiesen. Damit sind in der Schweiz nun fünf Standorte dieser Art bekannt [7]. Alle bisherigen Fundstellen sind sehr nahe an einem Fluss gelegen [7], was möglicherweise auf einen engen Bezug zum Interstitial-Lebensraum entlang von Flüssen hinweist. Unerwartet ist die weite Verbreitung der Gattung Crangonyx. Es handelt sich bei den 70 Individuen sehr wahrscheinlich um die Art Crangonyx subterraneus, allerdings kann aufgrund ungenügender Referenzdaten keine abschliessende Aussage gemacht werden. In der Schweiz wurde C. subterraneus bislang nur an je einem Standort in Graubünden und in Basel nachgewiesen [8].
Im Einzugsgebiet der Töss wurde Crangonyx cf. subterraneus, der an 22 Standorten entdeckt wurde, besonders häufig zusammen mit N. tonywhitteni (12 gemeinsame Standorte) und N. auerbachi (11 gemeinsame Standorte) beobachtet. An 23 Standorten wurde N. auerbachi (an 49 Standorten nachgewiesen) zusammen mit N. tonywhitteni (an 41 Standorten nachgewiesen) gefangen, diese beiden Arten wurden somit am häufigsten gemeinsam entdeckt. Die Artenvielfalt in den einzelnen Brunnenstuben variierte zwischen einer und vier Arten. Wobei die maximale Artenanzahl von vier nur in einer Brunnenstube gefunden wurde. In dieser Brunnenstube kommen Crangonyx cf. subterraneus, N. auerbachi, N. fontanus und N. tonywhitteni zusammen vor. Wie weit diese gemeinsamen Vorkommen auch auf Interaktionen zwischen diesen Arten hinweisen, ist bisher noch nicht untersucht.
Zusammenfassend konnten mit diesen intensiven und kleinräumigen BeproÂbungen sieben Grundwasserflohkrebsarten nachgewiesen werden. Vier davon wurden in diesem Gebiet noch nie detektiert. Weiter war es möglich zu zeigen, dass auch auf kleinem Raum spezifische Verbreitungsmuster erkennbar sind. Damit stellt das Einzugsgebiet der Töss das schweizweit, wenn nicht sogar weltweit, höchst aufgelöste Gebiet in Bezug auf die untersuchte Vielfalt und Verbreitung der Grundwasserflohkrebse dar.
FĂĽr die hier präsentierte Analyse zur Vergleichbarkeit wurden die von Wasserversorgungen gesammelten Proben mit denen von Forschenden verglichen. Rund 780 Proben wurden von Wasserversorgungen und rund 180 Proben von Forschenden erhoben, wobei zwecks Vergleichbarkeit nur Filternetzproben analysiert wurden. Die Proben enthielten insgesamt 493 Grundwasserflohkrebse, 377 davon wurden von Wasserversorgungen gesammelt und 116 von Forschenden. Um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Sammlergruppen sichtbar zu machen, wurden die Daten auf die Fundwahrscheinlichkeit (Detektionswahrscheinlichkeit), die Grösse der Tiere und die Vielfalt der gefundenen Arten untersucht. Die Fundwahrscheinlichkeit gibt an, wie gut man eine vorkommende Art effektiv entdecken kann. Eine perfekte und vollständige Detektion der Grundwasserflohkrebse ist aufwendig, da beispielsweise gewisse Individuen selten oder nie ausgespĂĽlt werden. FĂĽr die Interpretation der Daten sollte man aber unterscheiden können, ob eine Art lokal wirklich nicht vorkommt oder einfach (noch) nicht entdeckt wurde. Durch wiederholte Beprobungen an einer Stelle lassen sich Schätzungen der Fundwahrscheinlichkeit ermitteln, welche die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens berechnen lassen. Diese wurde mithilfe hierarchischer Modelle errechnet (Softwarepaket «eDNAoccupancy» in der Programmiersprache R). In der vorliegenden Studie wurden bis zu zehn Beprobungen (Filternetz) in der gleichen Brunnenstube durchgefĂĽhrt. Die Ergebnisse zeigten, dass kein signifikanter Unterschied der Fundwahrscheinlichkeiten zwischen Wasserversorgungen und Forschenden besteht (Fig. 4a). Die Fundwahrscheinlichkeiten lagen zwischen 26 und 46% fĂĽr beide Sammlergruppen. Umgerechnet bedeutet dies, dass zwischen sechs (bei 46%) und zehn (bei 26%) Proben in einer Brunnenstube genommen werden mĂĽssen (ohne einen Flohkrebs zu entdecken), um mit 95-prozentiger Sicherheit zu sagen, dass keine Grundwasserflohkrebse vorkommen. Auch bei der Grösse waren keine erheblichen Unterschiede zwischen den Sammlergruppen ersichtlich (Fig. 4b). Im Mittel waren die von Wasserversorgungen wie auch Forschenden gesammelten Tiere zwischen 5 bis 6 mm gross. Die Grösse der gefangenen Tiere ist relevant, da die verschiedenen Arten sich in der Grösse unterschieden, und dadurch einzelne Arten mehr oder weniger leicht ĂĽbersehen werden können. Crangonyx cf. subterraneus ist die kleinste gefangene Art und im Schnitt nur ca. 3,3 mm gross, zu dieser Art gehört auch das kleinste gefundene Individuum mit einer Länge von 1,46 mm. Die grösste Art, N. puteanus, ist durchschnittlich ca. 8,3 mm gross. Der grösste in dieser Studie gefundene Grundwasserflohkrebs (13,19 mm) ist dieser Art zugehörig. Dank dieser Ergebnisse kann man sagen, dass auch kleine Arten von beiden Sammlergruppen zuverlässig entdeckt werden. In Figur 4c sieht man die Artakkumulationskurven fĂĽr Wasserversorgungen und Forschende (Softwarepaket «vegan» in der ProÂgrammiersprache R). Diese Kurve bildet ab, bei welcher Anzahl Proben im Mittel wie viele Arten gefunden wurden. Man kann sehen, dass die Kurve fĂĽr beide Sammlertypen ähnlich verläuft. Das bedeutet, dass – unabhängig vom Sammler – bei gleichem Aufwand ähnlich viele Arten entdeckt werden. Bei den Forschenden ist die Kurve kĂĽrzer und erreicht total nicht die gleich hohe Anzahl Arten wie bei den Wasserversorgungen. Das ist auf die reduzierte Anzahl Proben zurĂĽckzufĂĽhren, die von Forschenden genommen wurden. Im Ăśberlappungsbereich der Anzahl genommener Proben sind die Daten aber sehr vergleichbar. Weiter ist bei den von den Wasserversorgungen erhobenen Daten ersichtlich, dass sich die Kurve abflacht. Dies deutet darauf hin, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit alle an den untersuchten Standorten vorkommende Arten gefunden wurden.
Die Vergleichbarkeitsanalyse hat gezeigt, dass von Wasserversorgungen erhobene Daten mit jenen von Forschenden vergleichbar sind. Es wurde in keinem der untersuchten Parameter ein Unterschied festgestellt. Dies zeigt, dass bei enger Betreuung und einem grossen vorhandenen Grundinteresse mit Bürgerwissenschaften robuste und vergleichbare Daten zu Grundwasserorganismen erhoben werden können. Wichtig dabei war eine genaue Anleitung sowie ein enger persönlicher Kontakt. Die meisten Wasserversorgungen wurden persönlich besucht und bezüglich des Beprobungsvorgangs instruiert. Für zukünftige Untersuchungen oder Überwachungsprogramme bedeutet das, dass sich eine Zusammenarbeit mit Wasserversorgungen sehr gut eignet, um Grundwasserflohkrebse zu sammeln. Für die Wissenschaft ist es von entscheidender Bedeutung, auch in Zukunft mit Personen aus der Praxis zusammenzuarbeiten. Und für viele Wasserversorgungen ist es interessant zu erfahren, welche Grundwasserflohkrebsarten in ihren Brunnenstuben vorkommen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es zur Artenvielfalt und dem Vorkommen von Organismen im Grundwasser in der Schweiz noch viel zu entdecken gibt. Beispielsweise ist noch unklar, wieso gewisse Grundwasserflohkrebsarten nur an spezifischen Standorten vorkommen und andere weit verbreitet sind. Es ist anzunehmen, dass gewisse Arten nur in eisfreien Regionen die letzte Eiszeit überlebt haben [17]. Doch wie genau sich die einzelnen Populationen seitdem entwickelt haben, ist noch unklar. Auch die genauen zwischenartlichen Beziehungen sind weitestgehend unbekannt. Es ist beispielsweise möglich, dass gewisse Arten unterschiedliche ökologische Nischen besetzen und gehäuft zusammen auftreten [18]. Denkbar ist auch, dass sich gewisse Arten konkurrieren und deshalb selten oder nie zusammen vorkommen [18]. Diese Fragen zur Ökologie der Grundwasserflohkrebse können beantwortet werden, wenn eine weiträumige, fundierte Datenlage zur Vielfalt und Verbreitung besteht. An dieser Datenlage wird im Moment weiter im Projekt AmphiWell gearbeitet.
[1] Kiefer, K. et al. (2019): Pflanzenschutzmittel-Metaboliten im Grundwasser. Aqua & Gas 11, 99, 14–23
[2] Reinhardt, M. et al. (2019): Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz. Ergebnisse der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA, Stand 2016. Herausgegeben von Bundesamt fĂĽr Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1901, 138 S.
[3] Boulton, A.J. et al. (2008): Biodiversity, functional roles and ecosystem services of groundwater invertebrates. Invertebrate Systematics 22(2), 103–116
[4] Alther, R. et al. (2020): Reiche Grundwasserfauna. Aqua & Gas 100(7/8), 36–42
[5] Oberprieler, S. et al. (2021): Connectivity, not short-range endemism, characterises the groundwater biota of a northern Australian karst system. Science of the Total Environment 796, 1–12
[6] Gibert, J.; Deharveng L. (2002): Subterranean ecosystems: A truncated functional biodiversity. BioScience 52(6), 473–481
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[16] Geographisches Informationssystem des Kantons ZĂĽrich (GIS-ZH), Gemeindegrenzen. https://maps.zh.ch/
[17] Dole-Olivier, M. J. et al. (2009): Relationships between environmental variables and groundwater biodiversity at the regional scale. Freshwater Biology 54(4), 797–813
[18] Fišer, C. et al. (2019): Niches within a niche: ecological differentiation of subterranean amphipods across Europe’s interstitial waters. Ecography 42(6), 1212–1223
Das Projekt AmphiWell hat zum Ziel, die Vielfalt und Verbreitung der Grundwasserflohkrebse in der ganzen Schweiz zu erfassen. Die hier beschriebene Studie im Einzugsgebiet der Töss ist ein Teil dieses umfassenden Projekts.
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