Die zuverlässige und günstige Versorgung mit sauberem Trinkwasser gilt in der Schweiz als selbstverständlich. Ein beträchtlicher Teil des Trinkwassers stammt aus Grundwasser, das oft nur wenig oder gar nicht aufbereitet werden muss [1]. Die Erbringung und Gewährleistung dieser Ökosystemleistung beruht unter anderem auf funktionierenden und natürlichen Ökosystemprozessen und den im Grundwasser vorkommenden Lebensgemeinschaften [2]. Es ist daher wichtig, dass Grundwasserökosysteme und ihre Funktionen geschützt und erhalten werden. Ein oft vernachlässigter Aspekt des Grundwassers ist seine Rolle als Habitat für Organismen [3]. Die Bedeutung der Grundwasserfauna für das Erbringen der Ökosystemdienstleistungen ist noch wenig erforscht [4]. Grundwasserökosysteme und deren Mikro- und Makroorganismen scheinen für die Verbesserung der Wassergüte aber wichtig [5 und weiterführende Referenzen]. Diese Lebensgemeinschaften und damit deren Ökosystemleistungen sind jedoch potenziell bedroht: Der Klimawandel bewirkt zunehmend eine Erwärmung des Grundwassers und stoffliche Einträge (z. B. Pflanzenschutzmittel; PSM) führen zu einer chemischen Belastung [6]. Bereits heute sind in vielen Trinkwasserquellen der Schweiz stoffliche Kontaminationen nachweisbar [7–9], was die Lebensgemeinschaften [10, 11] und die von ihnen erbrachten Ökosystemdienstleistungen, beispielsweise Reinigungsprozesse, gefährdet [12].
Die Grundwasserfauna ist einzigartig, nicht nur aus Sicht der Trinkwasserqualität, auch für den Erhalt der Biodiversität kommt ihr grosse Bedeutung zu. Ihre Arten und Lebensräume stellen zentrale Elemente der ökologischen Infrastruktur dar und sollten entsprechend geschützt werden. Als rechtliche Grundlage dient das Gewässerschutzgesetz (GSchG), das für den Grundwasserschutz explizit die Erhaltung natürlicher Lebensräume für die einheimischen Tiere bezweckt (GSchG Artikel 1c; Gewässerschutzverordnung Anhang 1 Artikel 2). Um Veränderungen der Grundwasserfauna zu dokumentieren und darauf reagieren zu können, sind fundierte Datengrundlagen nötig. Der aktuell stattfindende Schwund der Biodiversität und die damit verbundenen Verluste an Ökosystemdienstleistungen gehören zu den grössten Problemen und Risiken der Menschheit [13]. Das Grundwasser ist davon nicht ausgenommen.
Die Grundwasserfauna setzt sich aus mehr als nur Bakterien und Viren zusammen [3]. Grössere Lebewesen, die sogenannte Stygofauna, kommen praktisch überall vor, wo der Grundwasserleiter ein wenig offener und lockerer ist [14,15]. Die häufigsten Tiere im Grundwasser sind Krebstiere, darunter Asseln (Isopoda) und Flohkrebse (Amphipoda) [12]. In der Schweiz gehören Flohkrebse zu den ökologisch wichtigsten aquatischen Invertebraten in Bächen, Flüssen und Seen. Sie nehmen eine zentrale Stellung im Nahrungsnetz ein und werden in der Beurteilung der Gewässergüte verwendet. Die Verbreitung und Vielfalt der oberirdisch vorkommenden Flohkrebse ist durch aktuelle Arbeiten gut dokumentiert [16]. Eine noch grösstenteils unbekannte Vielfalt befindet sich aber im Untergrund: Von den bisher 40 in der Schweiz vorkommenden Flohkrebsarten leben 19 Arten unterirdisch. Bekannt sind diese unterirdisch lebenden Flohkrebse fast ausschliesslich aus Höhlen und Quellen (v. a. Gattung Niphargus), bedeutend weniger ist bezüglich der Grundwässern bekannt.
Aber auch in vielen, vor allem karstigen und kluftigen Grundwasserleitern sind Flohkrebse ein fester Bestandteil der Fauna. Wegen der spärlichen Datenlage wird ihnen in der Schweiz bezüglich Biodiversitätsschutz bisher nur sehr wenig Aufmerksamkeit zuteil. Aus Biodiversitätssicht ist dies bedenklich, weil es sich um wichtige und nicht ersetzbare «Alleinstellungsmerkmale» der schweizerischen Fauna handelt: Nur wenige andere Lebensräume haben eine ähnlich lange Entstehungsgeschichte mit relativ gleichbleibenden Habitatbedingungen; so überdauerten die meisten dieser Flohkrebse im Grundwasser die Vergletscherungen während der Eiszeiten. Darunter befinden sich mindestens vier Arten, die in der Schweiz endemisch sind und weltweit keine weiteren Vorkommen haben: Niphargus luchoffmanni, N. murimali, N. muotae und N. styx [17, 18]. Auch die Übergangszone zwischen Grundwasser und Fliessgewässern (Interstitialbereich) sind ein Lebensraum für Flohkrebse. Beispielsweise wurde aus dem Interstitialbereich der Thur bei Winterthur die Art Niphargus tonywhitteni beschrieben [18]. Die Vielfalt an Arten unterstreicht die Bedeutung der Flohkrebse aus Sicht des Biodiversitätsschutzes. Dafür müssen aber vorgängig Daten über den Zustand erfasst werden, um Veränderungen überhaupt erkennen zu können und zu wissen, was es zu schützen gilt.
Schlussendlich ist auch die ökologische Rolle der Flohkrebse im Grundwasser bisher schlecht erforscht. Wie die oberirdischen Flohkrebse könnten sie als mögliche Indikatorarten für einen Lebensraum dienen [19], der für die Trinkwasserversorgung zentral ist. Von oberirdisch vorkommenden Flohkrebsen ist bekannt, dass sich PSM in diesen akkumulieren [8] und die Organismen und Lebensgemeinschaften negativ beeinflussen [20]. Die Bioindikation bietet gegenüber anderen Methoden den Vorteil des integrierten Signales, sodass zeitlich begrenzte oder kontinuierlich niederschwellige Stoffeinträge erfasst werden können.
Die kĂĽrzlich durch das Wasserforschungsinstitut Eawag durchgefĂĽhrte Pilotstudie hat nun erste Ergebnisse zur Grundwasserfauna in der Schweiz zuÂtage gefördert. Die Studie untersuchte das Vorkommen von Flohkrebsen und weiterer Organismen des Grundwassers im Mittelland.
Die Pilotstudie über die Grundwasserflohkrebse in der Schweiz mit einem Fokus auf die Kantone AG, BL, SO und ZH hat gezeigt, dass in Brunnenstuben und Trinkwasserfassungen einfach und erfolgreich Daten über die Grundwasserfauna erhoben werden können. In Zusammenarbeit mit vielen lokalen Wasserversorgungen konnten einige Hundert Proben zusammengetragen und analysiert werden. Dafür hat die Forschungsgruppe um Florian Altermatt vom Wasserforschungsinstitut Eawag einen sogenannten Citizen-Science-Ansatz (oder «Bürgerwissenschaft») genutzt, um möglichst viele Standorte abdecken zu können.
So wurden im März 2019 knapp 200 Brunnenmeister in den vier Kantonen mit Briefen und Telefonaten um ihre Mithilfe angefragt. Zusätzlich wurde die Pilotstudie an der jährlich stattfindenden Brunnenmeistertagung Anfang April 2019 vorgestellt. Dank dieser Präsentation vor insgesamt einigen Hundert Personen beteiligten sich auch Vertreter aus einigen weiteren Kantonen. Die Beprobung durch die interessierten Personen erfolgte mit lebensmittelrechtkonformen feinmaschigen Netzen (Maschenweite 800 μm, Durchmesser 10 oder 18 cm; Sefiltec AG, Höri), die direkt in den Brunnenstuben an die Rohwasserzuführungen angebracht wurden. Dort sollten sie eine Woche montiert bleiben, bevor die allenfalls eingespülten Organismen mittels Federstahlpinzetten in Proberöhrchen mit 80-prozentigem, undenaturiertem Ethanol transferiert wurden. Alternativ oder zusätzlich konnte der Bodenbereich der Überlaufbecken mit einem kleinen Aquarienkescher beprobt werden. Vorerst wurden gepumpte Wässer nicht in die Studie einbezogen. Interessierten Personen wurde das Material und eine Anleitung zugeschickt. Ebenfalls wurden weitere Daten über die Brunnenstuben und die Wasserfassungen aufgenommen, beispielsweise das Alter der Brunnenstube, die Quellschüttung oder chemische Parameter der Trinkwasseranalyse.
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Die Pilotstudie zeigte, dass die Zusammenarbeit mit den lokalen Wasserversorgungen geeignet ist, um die Grundwasserfauna grossräumig zu erfassen. Viele Wasserversorgungen wussten bereits vorgängig, dass vereinzelt grössere Organismen im Rohwasser gefunden werden können. Die Forschenden waren ob des grossen Engagements der Brunnenmeister und Wasserversorgungen positiv überrascht. Von den 191 direkt kontaktierten Wasserversorgungen in den Fokuskantonen (AG, BL, SO, ZH) antworteten 47, 29 Wasserversorgungen gaben ihr Einverständnis, an der Studie teilzunehmen. An der Brunnenmeistertagung konnten weitere Brunnenmeister und Brunnenmeisterinnen für die Projektteilnahme gewonnenen werden. Schlussendlich wurde das Beprobungsmaterial (Fig. 4b) an 130 Personen verteilt.
Bei Projektabschluss hatten 82 Wasserversorgungen Beprobungen durchgeführt. Da viele Wasserversorgungen mehrere Standorte beprobten, resultierten insgesamt 313 beprobte Standorte. Als unterschiedliche Standorte wurden auch Einleitungen aus unterschiedlichen Grundwasserleitern gezählt, die in derselben Brunnenstube gefasst werden. Einige Standorte wurden zudem mehrfach beprobt, wodurch insgesamt 452 Proben gesammelt wurden. Die Proben wurden vor allem im April und Mai 2019 genommen. Einige wenige Proben wurden bis August genommen. Die Proben wurden anschliessend per Post an die Forschenden der Eawag zurückgeschickt. Dort wurden die Organismen aufgrund ihrer Morphologie sortiert. Die Bestimmung erfolgte mittels gängiger Literatur [3, 21, 22], konnte aber aufgrund der schwierigen Taxonomie nicht immer bis auf Art- oder Familienniveau geschehen.
263 Proben (58%) enthielten insgesamt über 1900 Organismen. Es konnten an über 60% der beprobten Stellen Organismen nachgewiesen werden. Damit kann zum ersten Mal für das Schweizer Mittelland aufgezeigt werden, wie weitverbreitet das Grundwasser eine Fauna beherbergt. Da nur Organismen beprobt wurden, die grösser als 0,8 mm sind, stellen die hier präsentierten Daten eher eine Unterschätzung der tatsächlichen Vielfalt der Grundwasserfauna dar. Zudem werden die Funde aus Datenschutzgründen nicht für jede Brunnenstube detailliert publiziert, sondern geografisch leicht zusammengefasst. Alle Wasserversorgungen und Personen, die Proben mit Organismen erfassten, wurden aber persönlich über die gefundenen Organismen und erste Ergebnisse der Studie informiert.
Es konnte gezeigt werden, dass Flohkrebse zu den am weitesten verbreiteten und diversesten Bewohnern des Grundwassers gehören. 110 Proben enthielten insgesamt 424 Flohkrebs-Individuen, vor allem aus der Gattung Niphargus. Flohkrebse wurden also an über 25% der beprobten Stellen gefunden. Sie wurden sowohl morphologisch bestimmt als auch mit molekulargenetischen Methoden noch genauer untersucht. Für die molekulargenetische Bestimmung wurde das sogenannte DNA-Barcoding basierend auf der Cytochrom c Oxidase (COI) verwendet [23]. Dafür wird dieser für jede Tierart charakteristische Erbgut-Abschnitt für jedes einzelne Individuum vervielfacht und verglichen. Individuen derselben Art tragen die gleiche Kopie des COI-Abschnittes, wohingegen sich der Abschnitt zwischen unterschiedlichen Arten unterscheidet. Zur Extraktion der DNA wurde jeweils ein Bein des Tieres verwendet, bei kleinen Tieren wurde der gesamte Organismus. Die Methoden sind ausführlich in [17, 18] erklärt. Da genauere Analysen dieser Daten noch ausstehen, werden die genetischen Daten erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht und zugänglich gemacht. Dank der Daten kann nun eine stetig wachsende Datenbank zum Abgleich neuer Funde aufgebaut werden.
Insgesamt wurden 363 Individuen von 13 verschiedenen Arten von Niphargus gefunden, was die erstaunliche Vielfalt dieser Krebstierchen im Untergrund verdeutlicht. Die meisten Arten wurden schon früher in der Schweiz nachgewiesen, darunter beispielsweise Niphargus puteanus [24]. Für viele Arten konnte die Verbreitung in der Schweiz genauer dokumentiert werden, einige Arten wurden erstmalig ausserhalb ihrer bisher bekannten geografischen Verbreitung gefunden. Eine Art, Niphargus auerbachi, wurde das erste Mal seit den 1930er-Jahren in der Schweiz nachgewiesen [25]. Zudem wurden mindestens drei Arten das erste Mal für die Schweiz nachgewiesen. Die genauere Untersuchung dieser Arten durch die genetischen Daten steht noch aus, der Vergleich mit Funden aus dem Ausland muss also noch gefestigt werden. Bei einigen Flohkrebsen deuten die genetischen Ergebnisse darauf hin, dass es sich um für die Wissenschaft komplett neue Arten handelt, deren formelle Beschreibung in naher Zukunft stattfinden soll. Dazu sind weitere taxonomische Studien geplant, um die bestehende Diversität des Grundwassers adäquat beschreiben zu können. Es kann konstatiert werden, dass bereits die Pilotstudie mit Proben der Wasserversorgungen ein recht umfassendes Bild der Grundwasserflohkrebse im Schweizer Mittelland ermöglicht hat. Es wurden neue Arten für die Schweiz und wahrscheinlich neue Arten für die Wissenschaft entdeckt, was verdeutlicht, dass bezüglich Grundwasserfauna noch vieles im Dunkeln liegt und weitere Forschung angezeigt ist.
Durch die geringen Dichten an Organismen im Grundwasser wird erwartet, dass trotz des Vorkommens von Organismen nicht jede Beprobung auch tatsächlich in einem Fund mündet. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, wie intensiv und lange nach Organismen gesucht werden muss, um ein Vorkommen oder Nicht-Vorkommen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit feststellen zu können. Dazu wurden an 99 Stellen Mehrfachbeprobungen durchgeführt (bis zu zehn aufeinanderfolgende Beprobungen mit einer Dauer von jeweils einigen Tagen). Dank dieser wiederholten Beprobungen können Aussagen über die Nachweiswahrscheinlichkeit von Flohkrebsen gemacht werden. Eine Auswertung der Daten bezüglich Flohkrebsfunden mittels hierarchischer Auftretensmodelle [26, 27] zeigte, dass sowohl die feinmaschigen Netze an den Rohwasserzuführungen, als auch die Beprobung des Bodenbereiches der Überlaufbecken mittels eines kleinen Aquarienkeschers bei einem tatsächlichen Vorkommen von Flohkrebsen in ähnlich vielen Fällen zu einem Fund führen (61,1% resp. 58,1%). Die Daten zeigen zudem, dass in ungefähr 29% der Brunnenstuben mit Flohkrebsen gerechnet werden muss, obwohl in der Pilotstudie tatsächlich nur in etwa 25% der Stellen ein Nachweis gelang. Diese Abweichung ist mit der nicht hundertprozentigen Sicherheit eines Nachweises bei tatsächlichem Vorkommen zu erklären. Mit einer nur einmaligen Beprobung der Wasserfassungen wird also nicht unbedingt die gesamte vorhandene Grundwasserfauna erfasst. Mehrfachbeprobungen erhöhen die Zuverlässigkeit mit jeder weiteren Probe und mit drei Proben kann eine 95%ige Zuverlässigkeit über den Nachweis gewährleistet werden. Noch nicht systematisch untersucht wurden mögliche saisonale Schwankungen.
Die Flohkrebse waren die häufigste Organismengruppe der gefundenen Grundwasserfauna. Daneben konnten weitere 1483 Individuen aus 18 verschiedenen biologischen Ordnungen (30 Familien) in unterschiedlichen Häufigkeiten nachgewiesen werden, wobei es sich vor allem um Asseln (Isopoda) und Schnecken (Littorinimorpha) handelte. Dass einige Arten sehr häufig sind, während die meisten Arten nur selten vorkommen, ist ein häufig zu beobachtendes Muster in der Natur [28] und entspricht den Erwartungen. Einige Gruppen von Organismen sind sehr häufig, während andere Gruppen nur sehr selten zu finden sind. Zusammengezählt machten die Flohkrebse, Asseln und Schnecken über 50% der Funde aus. Alleine die Krebstiere machten 43,1% aus und unterstreichen deren Bedeutung für die Grundwasserfauna. Bei 11% der Organismen war eine Bestimmung bis auf Ordnungsniveau nicht möglich.
Erstaunlicherweise konnten auch einige Ordnungen, die erwartungsgemäss eher mit Oberflächengewässern oder terrestrischen Habitaten assoziiert sind, gefunden werden. Unter anderem Hautflügler (Hymenoptera), wie beispielsweise Ameisen, oder Käfer (Coleoptera). Diese könnten ein Hinweis auf das Eindringen von Oberflächenwässern in den Grundwasserleiter sein oder anderweitig in die Brunnenstube eingedrungen sein.
Mit den gewonnenen Daten über die Grundwasserfauna wollten die Forschenden ausserdem einen Bezug zur Oberflächennutzung des Einzugsgebietes oder zu chemisch-physikalischen Parametern herstellen. Aufgrund der verfügbaren Daten diesbezüglich können vorläufig aber noch keine aussagekräftigen Aussagen gemacht werden. Einige chemische Parameter (z. B. ph-Wert) scheinen einen Rückschluss über das allfällige Vorkommen von Flohkrebsen im Grundwasser zuzulassen, es sind aber noch weitere Daten notwendig, um zuverlässige Rückschlüsse ziehen zu können.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass im Schweizer Mittelland an vielen Stellen eine vielfältige Grundwasserfauna vorkommt, die sowohl für das Trinkwasser als auch für den Biodiversitätsschutz eine bedeutende Rolle einnimmt. Durch das freiwillige Engagement vieler lokaler Wasserversorgungen konnte ein erster grober Überblick gewonnen werden, was den Nutzen einer solchen Zusammenarbeit unterstreicht. Weiterführende Studien sind bereits geplant und werden noch im Jahr 2020 beginnen.
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Fundierte Grundlagen über die Verbreitung und Biodiversität der Grundwasser bewohnenden Flohkrebse und weiterer Grundwasserorganismen wird eine durch das Bundesamt für Umwelt Bafu unterstützte Studie liefern, die dieses Jahr durch die Forschungsgruppe Altermatt an der Eawag und der Universität Zürich gestartet wird. Diese soll die Diversität und Verbreitung der Grundwasser bewohnenden Flohkrebse schweizweit erfassen. Auch sollen endemische Arten im Grundwasser dokumentiert werden und die Bedeutung der Grundwasserfauna für die ökologische Infrastruktur der Schweiz aufgezeigt werden. Dadurch sollen weitere Grundlagen für einen breiten Grundwasserschutz geliefert werden. Mit den zusätzlichen Daten soll zudem ein Link zu hydrogeologischen und chemischen Parametern (z. B. Pestizide) hergestellt werden, um eine allfällige mögliche Nutzung der Flohkrebse als Bioakkumulatoren im Grundwasser zu testen. Eine Analyse zwischen deren Vorkommen und dem Auftreten von PSM im Grundwasser etabliert dafür die Grundlagen.
Parallel dazu soll eine gänzlich neue Methode zum Nachweis von Organismen im Grundwasser getestet und etabliert werden. Dabei handelt es sich um die sogenannte Umwelt-DNA (eDNA). Dazu werden nicht die Organismen selbst, sondern nur von denselben abgegebenes Erbgutmaterial (DNA; beispielsweise Zellfragmente, Kot, Schleim) aus dem Wasser extrahiert und sequenziert. Die daraus gewonnenen Sequenzen spezifischer Abschnitte des Erbgutes ermöglichen Aussagen über das Vorkommen von Organismen. Dadurch können Rückschlüsse über die Zusammensetzung der Artgemeinschaft gemacht werden, ohne dass physisch Organismen gefangen und identifiziert werden müssen [29]. Damit könnte mittelfristig durch einfache Wasserproben die Diversität rasch und kostengünstig erfasst werden. Die entsprechenden Wasserprobenahmen könnten auch einfach in bestehende Prozesse des Trinkwassermonitorings (z. B. Nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA) eingebunden werden und Aspekte abdecken, die mit den bisherigen Methoden nicht erfasst werden (Biologie des Grundwassers).
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In der Schweiz sind bisher 40 verschiedene Flohkrebsarten bekannt, wobei 19 Arten der Gattungen Niphargus und Crangonyx im Untergrund leben. Eine detaillierte Übersicht aller Flohkrebse der Schweiz liefert der 2019 veröffentlichte Band der Reihe Fauna Helvetica, der durch das Schweizerische Zentrum für die Kartografie der Fauna (CSCF) herausgegeben wird [16]. Das Buch kann über den Webshop des CSCF bestellt werden:
cscf.abacuscity.ch
Die Flohkrebse der Oberflächengewässer und des Untergrundes können mithilfe eines kürzlich publizierten und bebilderten Online-Bestimmungsschlüssels identifiziert werden:
ekey.amphipod.ch
FĂĽr die schweizweite Studie ĂĽber die Grundwasserflohkrebse der Schweiz ist die Forschungsgruppe Altermatt auf breite UnterstĂĽtzung angewiesen und um jede Meldung von Funden dankbar. Interessierte Wasserversorgungen dĂĽrfen die Forschungsgruppe gerne direkt kontaktieren.
amphipod.ch/amphiwell
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