Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in der Landwirtschaft hat zur Folge, dass gewisse Wirkstoffe oder Metaboliten in die Gewässer gelangen und deren Lebensgemeinschaften schädigen. Studien im Rahmen der Nationalen Beobachtung Oberflächengewässerqualität (NAWA SPEZ) zeigen, dass insbesondere kleine Gewässer mit starker landwirtschaftlicher Nutzung im Einzugsgebiet (EZG) stark beeinträchtigt sind [1, 2]. Um den Eintrag von PSM in Oberflächengewässer und insbesondere die Risiken für die dort lebenden Organismen zu reduzieren, stehen den Landwirten heute eine ganze Reihe von Massnahmen zur Verfügung: verringerter Einsatz von PSM, Substitution von problematischen Wirkstoffen oder Optimierung des Anbausystems [3, 4].
Die Pilotprojekte Boiron de Morges (VD) und Ruisseau des Charmilles (GE) basieren auf Artikel 62a des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) [5] und wurden seit 2005 (VD) bzw. 2008 (GE) durch den Bund unterstützt. In beiden Projekten wurden Massnahmen zur Reduktion der Gewässerverschmutzung durch PSM in der Landwirtschaft ergriffen. Während vieler Jahre haben die Kantone Daten zur Umsetzung der Massnahmen sowie zur chemischen und biologischen Qualität der beiden Gewässer erhoben. Die entstandenen Datensätze sind einzigartig und sehr wertvoll, da man aus ihnen lernen kann, welche Erhebungen und Datenanalysen nötig sind, um die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen zur Reduktion der Gewässerverschmutzung durch PSM korrekt zu interpretieren.
Die vorliegende Synthese zielt darauf ab, besser zu verstehen wie Monitoringdaten und Daten zur Umsetzung von Massnahmen ausgewertet werden sollten, um die Wirkung von Massnahmen korrekt beurteilen zu können. Anhand von Beispielen wird der Zusammenhang zwischen den Monitoringdaten und den durch die Landwirte umgesetzten Massnahmen analysiert. Die in diesem Artikel vorgestellten Erfahrungen erlauben es, bestimmte Empfehlungen für laufende oder künftige Projekte sowie für die Erfolgskontrolle des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutzmittel abzugeben [4].
Das 62a-Projekt am Ruisseau des Charmilles (GE) dauerte sechs Jahre (2008 – 2013) [6]. Zusätzliche Fördergelder wurden 2014 und 2015 dafür bereitgestellt. Im oberhalb der Probenahmestation gelegenen EZG des Ruisseau des Charmilles (136,5 ha) werden hauptsächlich Wein (68%) aber auch Ackerkulturen (5%) angebaut. Darüber hinaus besteht das EZG aus Siedlung (5%), Wald (3%) und Wiesen (2%) (Fig. 1A). Im Zeitraum 2009 – 2015 wurden Vereinbarungen zwischen der Generaldirektion für Landwirtschaft und Natur (DGAN) und neun der zwanzig im Untersuchungsgebiet tätigen Winzer geschlossen. Die ergriffenen Massnahmen (Tab. 1) waren unterschiedlicher Art und wurden durch den Bund und den Kanton Genf finanziell unterstützt. Die wichtigste Massnahme im EZG des Ruisseau des Charmilles war die Begrünung zwischen den Reben. Für andere Massnahmen, wie die Bekämpfung des Traubenwicklers mittels sexueller Verwirrmethode, gewährte der Kanton allen Winzern im EZG lediglich zwei Jahre lang (2012 – 2013) finanzielle Unterstützung – auch jenen Winzern, die nicht am Projekt teilnahmen [6]. Ziel dieser spezifischen Massnahme war der geringstmögliche Einsatz von Insektiziden, insbesondere Methoxyfenozid [7]. Zusätzlich wurde vor Ort ein Wasch- und Füllplatz errichtet, wo die Winzer ihre Sprühgeräte ohne Beeinträchtigung der Fliessgewässer befüllen und reinigen konnten.
Der Boiron de Morges (VD) besitzt eine EZG-Fläche von 33,5 km2, bestehend aus 44% Ackerland (Fig. 1B), welches aufgeteilt ist in 20% Weizen, 7% Mais, 5,5% Raps und 5,5% Kunstwiese. Hinzu kommen Hülsenfrüchte (2%), Zuckerrüben (1%), Kartoffeln (<1%) und Gemüse (<1%). Weitere landwirtschaftliche Kulturen sind 5% Weinbau, 2% Obstbau sowie 4% Naturwiesen. Die verbleibende EZG-Fläche ist mehrheitlich (28%) durch Wald bedeckt und 5,5% der Fläche sind Siedlung. Das 62a-Projekt wurde 2005 gestartet und durchläuft derzeit die dritte Projektphase, die bis 2022 dauern wird. Zwischen 2005 und 2016 erhöhte sich die Zahl der Vereinbarungen zwischen der Generaldirektion für Landwirtschaft, Weinbau und Veterinärwesen (DGAV) und den Landwirten von 10 auf 69, was 867 ha bzw. 39% der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) des EZG entspricht (Fig. 2B). Die vom Projekt vorgesehenen Massnahmen konnten allerdings nicht auf allen angebauten Kulturen umgesetzt werden. Schlussendlich nahmen rund 80% der betroffenen Landwirte auf freiwilliger Basis an diesem Projekt teil.
Während der ersten Projektphase (2005 – 2010) war die wichtigste Massnahme die Substitution problematischer Herbizide durch weniger gewässerschädigende Wirkstoffe (Tab. 1). Während der zweiten Phase (2011 – 2016) wurden vermehrt restriktivere Massnahmen umgesetzt, beispielsweise das Anlegen von Grünstreifen und Dauerwiesen zur Reduktion der Abschwemmung sowie der reduzierte Herbizideinsatz in Ackerkulturen. Auch die Errichtung von Waschplatzen und die Montage von Frischwassertanks zur Reinigung der Sprühgeräte im Feld waren wichtige Massnahmen zur Reduktion von PSM-Einträgen durch Punktquellen.
Bei den im EZG des Ruisseau des Charmilles ergriffenen Massnahmen handelte es sich mehrheitlich um die Begrünung der Rebflächen. Die Rebflächen im EZG des Boiron de Morges hingegen waren bereits weitgehend begrünt, so dass es hier vor allem um die Wirkstoffsubstitution und die Reduktion der Abschwemmung in den Ackerkulturen ging. Im Rahmen beider Projekte wurden den lokalen Produzenten Weiterbildungsveranstaltungen angeboten. Diese Veranstaltungen standen teilweise auch Landwirten offen, die sich nicht am Projekt beteiligten. Dort wurden den Landwirten auch Informationen zur Entwicklung der Wasserqualität präsentiert.
Die Abteilung Gewässerökologie (SECOE) des Kantons Genf nahm in den Jahren 2008 bis 2015 zwischen Anfang März und Ende Oktober mithilfe eines automatischen Probenehmers alle drei Stunden eine Probe aus dem Ruisseau des Charmilles an der Station «Chemin de Brive Aval» (Fig. 1A) [7]. Im Labor wurden dann abflussproportionale Mischproben der einzelnen Wochen zusammengestellt. Am Boiron de Morges wurden mittels eines automatischen Probenehmers zeitproportionale Mischproben über 24-Stunden genommen. Es wurden drei Messstationen beprobt, wir präsentieren hier jedoch nur die Resultate der Station «Lac» (Tolochenaz) an der Mündung (Fig. 1B). Von 2005 bis 2016 wurde dort während der Anbauperiode zwischen März und Oktober jeweils eine 24-Stunden-Mischprobe pro Monat genommen – insgesamt also acht Proben pro Jahr.
Die Anzahl der im Ruisseau des Charmilles analysierten Wirkstoffe stieg während des Projektzeitraums von 76 auf 147 an [8]. In Abhängigkeit vom jeweiligen Jahr waren von den insgesamt 167 analysierten Wirkstoffen 114 bis 127 als PSM zugelassen, 15 waren nicht mehr zugelassen und 3 waren nicht als PSM zugelassen (DEET) oder waren Zusatzstoffe (Piperonylbutoxid) oder Metaboliten (2,6-Dichlorbenzamid).
Im Projekt Boiron de Morges variierte die Anzahl der analysierten Wirkstoffe zwischen 36 und 80 – abhängig vom jeweiligen Jahr. Gründe dafür waren die sich ändernden analytischen Möglichkeiten und eine immer besser auf das Projekt zugeschnittene Substanzauswahl. Insgesamt waren von den 87 analysierten Wirkstoffen je nach Jahr 46 bis 73 als PSM zugelassen, 12 bis 39 waren nicht mehr zugelassen und 2 waren nicht als PSM zugelassen (DEET und Triclosan). Von den 150 zwischen 2009 und 2015 eingesetzten Wirkstoffen (>1 kg/Jahr) wurden 31 analysiert (20,6%).
Für die vorliegende Datenauswertung wurde auch eine Risikobeurteilung für aquatische Organismen vorgenommen. Dazu wurden die gemessenen Konzentrationen mit den ökotoxikologischen Qualitätskriterien verglichen (siehe Box). Durch die kontinuierliche Probenahme im Ruisseau des Charmilles ist es möglich, chronische Risikoquotienten (RQ) zu berechnen. Die über einen 14-tägigen Zeitraum berechneten mittleren Konzentrationen im Ruisseau des Charmilles wurden mit den für die einzelnen Stoffe vorliegenden chronischen Qualitätskriterien (CQK) verglichen. Für Pflanzen, wirbellose Tiere und Wirbeltiere wurden die betreffenden Mischungsrisiken jeweils separat berechnet [9, 10]. Die bis zum Jahr 2016 angewandte Probenahmestrategie im Boiron de Morges (nur für 2% der Jahresdauer repräsentativ) sowie die von Jahr zu Jahr variierende Bandbreite der analysierten Moleküle erlauben keine chronische RQ-Berechnungen für dieses EZG.
Die Konzentrationssummen der gemessenen PSM im Ruisseau des Charmilles und Boiron de Morges schwankten von einem Jahr zum anderen. Dabei zeigt sich in beiden Projektgebieten keine klare abnehmende Tendenz (Fig. 2). Im Mittel lagen die im Ruisseau des Charmilles gemessenen Konzentrationssummen (Fig. 2A) bei 4,7 µg/l (2008 bis 2015), wobei in einzelnen Jahren höhere (2009 bis 2010: 7 bis 7,35 µg/l) und in anderen Jahren geringere Konzentrationen gemessen wurden (2012: 2,8 µg/l). Die berechneten Stofffrachten reduzierten sich jedoch zwischen 2008 und 2015 von 5,2 auf 2,1 kg/Jahr. Die gemessenen Abflüsse schwankten von Jahr zu Jahr im Einklang mit den Niederschlagsmengen, ohne eine bestimmte Tendenz zu zeigen. Hingegen war eine Verringerung der Abflussspitzen bei Regenfällen zu beobachten, die zweifellos auf die Begrünung der Rebflächen während der Wachstumsperiode zurückzuführen ist [7, 8]. Es ist also schwierig, einen Zusammenhang zwischen den ergriffenen Massnahmen und den gemessenen Konzentrationen herzustellen. Dank den berechneten Stofffrachten kann man aber zeigen, dass sich die Gesamtmenge der ins Gewässer gelangenden PSM in etwa halbiert hat.
Die Summe der Konzentrationen war im Boiron de Morges im Mittel geringer (0,7 µg/l) als im Ruisseau des Charmilles (Fig. 2B). Dies ist zweifellos auf die weniger intensive landwirtschaftliche Nutzung im EZG zurückzuführen: 46% gegenüber 72% beim Ruisseau des Charmilles. Ausserdem wirkt sich auch die Art der angebauten Kulturen auf die Konzentrationen aus: Spezialkulturen (Wein- und Obstbau) werden öfter (~15 Behandlungen pro Jahr) und mit anderen PSM (mehr Fungizide) behandelt als Ackerkulturen. Auch die Probenahmestrategie sowie die Anzahl und Art der im Rahmen des Waadtländer Projekts analysierten Wirkstoffe tragen zu diesem Unterschied bei. Tatsächlich ist im Boiron de Morges ein Anstieg der Konzentrationssumme zu beobachten, der jedoch schwierig zu interpretieren ist. Der Anstieg ist zweifellos eher auf die grössere Anzahl der analysierten Wirkstoffe und die bessere Übereinstimmung zwischen den analysierten und den im EZG ausgebrachten Stoffe als auf eine echte Erhöhung der Konzentrationen zurückzuführen. So wurden beispielsweise Glyphosat und dessen wichtigster Metabolit AMPA erst ab 2011 gemessen und machten zusammengenommen im Mittel 56% der Summe der Konzentrationen aus. Trotz des relativ konstanten Einsatzes von ungefähr 300 kg/Jahr konnte ein Rückgang der Glyphosat-Konzentrationen nachgewiesen werden (Fig. 3). Im Rahmen des Projekts war keine Massnahme für eine Glyphosat-Reduktion oder -Substitution vorgesehen. Die Massnahmen zur Reduktion der Abschwemmung führten jedoch zu einer verbesserten Infiltration und, zusammen mit dem Errichten von Waschplätzen, zu einem reduzierten Eintrag von PSM-Rückständen und/oder -Metaboliten in die Oberflächengewässer.
Um einen Zusammenhang zwischen den durch die Landwirte ergriffenen Massnahmen und den gemessenen Konzentrationen herstellen zu können, mussten für den Ruisseau des Charmilles ergänzende hydrologische und pluviometrische Daten und für den Boiron de Morges Anwendungsdaten beigezogen werden. Die Summe der Konzentrationen war – für sich genommen – als Information nicht ausreichend. Für diese Auswertungen war es einerseits nötig die Stofffrachten zu berechnen, andererseits mussten die Werte im Zusammenhang mit den Anwendungsdaten betrachtet werden.
Für den Boiron de Morges war die Substitution eine wichtige Massnahme, sie wurde schon ab Projektbeginn umgesetzt. So haben sich die gemessenen Konzentrationen des Herbizids Atrazin, das hauptsächlich im Mais eingesetzt wird [3], seit Projektbeginn im Jahr 2005 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1998 – 2004 verringert (Fig. 4A). Atrazin wurde bis zu seinem vollständigen Verbot im Jahr 2012 (aufgrund wiederkehrender Grundwasserbelastung [11] sowie seines zu Beginn der 2000er-Jahre entdeckten Potenzials, hormonelle Störungen hervorzurufen [12]) nach und nach durch andere Wirkstoffe ersetzt: insbesondere durch S-Metolachlor, aber auch durch Nicosulfuron, Foramsulfuron, Terbuthylazin, Flufenacet usw. [3]. Allerdings wurden ausschliesslich Terbuthylazin und S-Metolachlor im Gewässer gemessen (Fig. 4B). Es wurden zwar jährlich Anwendungsdaten erhoben, jedoch erst ab 2009. Die betreffende Substitution kann daher leider erst ab 2009 dokumentiert werden. Nach der Normalisierung der Applikationsdaten mit der Mais-Anbaufläche kann aus den Anwendungsdaten 2009 – 2016 eine leichte Reduktion des Herbizideinsatzes pro Hektar herausgelesen werden (Fig. 4C). Zwar werden alle erwähnten Herbizide (ausser S-Metolachlor) in geringeren Dosierungen angewandt als Atrazin; sie sind jedoch auch toxischer für aquatische Organismen (ausser S-Metolachlor und Dicamba). Dies gilt insbesondere für Nicosulfuron und Foramsulfuron (Fig. 4D).
In diesem Fall lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen der Substitution von Atrazin im Mais auf die chemische Wasserqualität nur schwer abschätzen. Um eine Substitution und potenzielle Erhöhung der Konzentrationen von Substitutionsprodukten dokumentieren zu können, muss man bereits bei bzw. vor Einführung der entsprechenden Massnahme die analytischen Möglichkeiten haben die Substitutionsprodukte zu quantifizieren. Weisen die Substitutionsprodukte ein problematischeres ökotoxikologisches Profil auf, ist es wünschenswert, über sämtliche Daten betreffend Anwendung, Ökotoxikologie und Verhalten in der Umwelt (Volatilisierung, Sorption, Abbau) zu verfügen. Nur so lässt sich der tatsächliche Nutzen der Substitution auf die aquatischen Organismen einschätzen. Das vorliegende Beispiel zeigt auf, dass der Einsatz problematischer Substanzen (Atrazin) tendenziell abnimmt (Fig. 4A) und dass das 62a-Projekt zu einer Sensibilisierung der lokalen Produzenten und somit auch zu einer beschleunigten Umsetzung der empfohlenen landwirtschaftlichen Massnahmen geführt hat.
Im Ruisseau des Charmilles überschritten von den im Zeitraum 2008 – 2015 untersuchten 167 Wirkstoffen 70 mindestens einmal den von Anhang 2 der Gewässerschutzverordnung vorgegebenen Anforderungswert von 0,1 µg/l (GSchV, [13]). Die Anzahl der Wirkstoffe mit Überschreitungen schwankte in den einzelnen Jahren zwischen 21 und 36. Zu den Wirkstoffen, die den für alle PSM geltenden Anforderungswert am häufigsten überschritten, zählten hauptsächlich Herbizide (Glyphosat, Diuron, Terbuthylazin) und Fungizide (Azoxystrobin, Boscalid, Fludioxonil, Metalaxyl), aber auch einzelne Insektizide (Methoxyfenozid, Tebufenozid).
Im Boiron de Morges überschritten 27 der 87 analysierten Wirkstoffe mindestens einmal den Anforderungswert von 0,1 µg/l im untersuchten Zeitraum (2005 – 2016). Die Anzahl der Wirkstoffe mit Überschreitungen schwankte in den einzelnen Jahren zwischen 4 und 11. Es waren vor allem Herbizide für die Überschreitungen verantwortlich (Glyphosat, S-Metolachlor, Metamitron usw.). Für den Unterschied zwischen den beiden Projekten in Bezug auf die Anzahl der Anforderungswertüberschreitungen sind verschiedene Gründe verantwortlich:
Aufgrund der rasanten Weiterentwicklung der Analysetechniken während des Projektzeitraums änderte sich die Auswahl der untersuchten Wirkstoffe von Jahr zu Jahr. Insgesamt ist es umso unwahrscheinlicher, eine Grenzwertüberschreitung zu übersehen, je grösser die Bandbreite der analysierten Moleküle ist. Da im Rahmen der betreffenden Projekte ausserdem Anwendungsdaten zur Verfügung standen, konnte die Substanzauswahl gezielter erfolgen, und damit konnten die Analysekosten gesenkt werden. Um eine umfassende Überwachung durchzuführen, müssten allerdings alle PSM-Anwendungen bekannt sein, auch für jene landwirtschaftlichen Parzellen, für die keine Vereinbarung unterzeichnet wurde. Die Substanzauswahl spielt auch eine vorrangige Rolle bei der Beurteilung der ökotoxikologischen Risiken. Tatsächlich überschritten die drei Substanzen DEET, Glyphosat und AMPA am häufigsten den Anforderungswert von 0,1 µg/l. Sie waren jedoch nicht die Substanzen mit der grössten ökotoxikologischen Wirkung.
Die Beurteilung der ökotoxikologischen Risiken anhand von Qualitätskriterien zeigte auf, dass die chronischen Risiken für die aquatischen Organismen im Ruisseau des Charmilles während der gesamten Projektdauer hoch bis sehr hoch waren (Fig. 5). Von den 167 Molekülen, die im Verlauf des Projekts mindestens einmal analysiert wurden, standen für 95 (56%) chronische Qualitätskriterien (CQK) zur Verfügung. 32 Substanzen überschritten zwischen 2008 und 2015 mindestens einmal ihr CQK. Für die Herbizide Diuron und Terbuthylazin, die Fungizide Azoxystrobin und Fludioxonil sowie die Insektizide Diazinon und Methoxyfenozid wurden häufige Überschreitungen der CQK beobachtet. In 88% der Proben überschritt mindestens ein Wirkstoff das CQK. Der gravierendste Fall ereignete sich im Zeitraum 23.09 bis 06.10.2010: Damals wurde bei 12 Wirkstoffen ein RQ >1 gemessen. Im Mittel überschritten drei Substanzen ihr CQK pro 14-tägiger Probe. In Korrelation mit dem gemessenen Anstieg der Konzentrationen während der Sommermonate waren saisonale Schwankungen der Anzahl Überschreitungen zu beobachten sowie starke Unterschiede zwischen den Jahren mit einer deutlich erhöhten Anzahl Überschreitungen in den Jahren 2009, 2010 und 2011.
Die für Wasserpflanzen und wirbellose Tiere berechnete Risikosumme lag zu keinem Zeitpunkt unter 1, oft jedoch über 10 (Fig. 5). Für Wirbeltiere lag die Summe der chronischen Risiken gelegentlich unter 1, die meiste Zeit jedoch darüber (Daten nicht dargestellt). Das aufgrund des Wirkstoffgemisches bestehende Risiko für die Pflanzen verringerte sich zwischen 2009 und 2012 vor allem aufgrund von tieferen Konzentrationen der Herbizide Diuron und Terbuthylazin (Fig. 5A), erhöht sich dann im Jahr 2013 aber deutlich. Diese Erhöhung ist hauptsächlich auf das Herbizid Nicosulfuron zurückzuführen, das in diesem Jahr erstmals analysiert wurde (Fig. 5B). Hier zeigt sich, wie wichtig die Analyse der Risikosubstanzen ist. Dies setzt aber voraus, dass sie einerseits bekannt sind und dass man andererseits die analytischen Möglichkeit hat, sie zu quantifizieren. Für die hohen Risiken für wirbellose Tiere sind im Wesentlichen die Insektizide (Diazinon, Methoxyfenozid und Fenoxycarb) verantwortlich (Fig. 5C). Bei den Wirbeltieren sind vor allem Fungizide für die Risiken verantwortlich (Fludioxonil, Tebuconazol und Spiroxamin).
Vergleicht man die  RQ-Summe für Invertebraten im Ruisseau des Charmilles mit dem normalisierten Biologischen Index Schweiz (IBCH, nach Modulstufenkonzept zur Untersuchung und Beurteilung von Fliessgewässern [14]) vom März des Folgejahres, kann man einen ähnlichen Trend hin zu einer Verbesserung erkennen (Fig. 5C). Der IBCH ist jedoch kein für PSM spezifischer Indikator, sondern kann auch durch viele andere Parameter beeinflusst werden (Nährstoffgehalt, Morphologie und Wasserhaushalt des Gewässers [14]). Spezifischer auf Kontaminationen durch PSM reagiert der Index «Species At Risk» (SPEAR), der ebenfalls auf Makrozoobenthos basiert, aber weniger stark durch andere Umweltfaktoren (Morphologie oder Wasserhaushalt) beeinflusst wird als der IBCH [15]. Tatsächlich verbesserte sich der SPEAR-Index im Boiron de Morges zwischen 2000 und 2015 signifikant (p = 0,011). Auch bei den Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen ist eine signifikante Verbesserung erkennbar (EPT; p ≤ 0,001), nicht jedoch hinsichtlich des IBCH (p = 0,108) (Fig. 6). Die statistische Signifikanz ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn ausschliesslich der Zeitraum ab Projektbeginn betrachtet wird (2005 bis 2015).
Die ökotoxikologische Auswertung der chemischen Daten ermöglicht ein besseres Verständnis der Risiken für die aquatischen Organismen als der willkürlich festgelegte Anforderungswert von 0,1 µg/l. Die ökotoxikologische Beurteilung bleibt jedoch unvollständig, da für zahlreiche Stoffe keine CQK zur Verfügung standen. Ergänzend dazu können auch die biologischen Indikatoren eine Verringerung der Belastung durch PSM aufzeigen. Um anhand von qualitativ hochwertigen Daten langfristige Trends aufzeigen zu können, sind die Fachkompetenzen von Hydrobiologen erforderlich. Da sich zudem gewisse externe Faktoren stark auf die biologischen Indices auswirken können, müssen diese statistisch ausgewertet werden.
Im Rahmen dieser langfristigen Projekte wurden die Massnahmen, insbesondere im EZG des Boiron de Morges (siehe Abb. 2B), nach und nach umgesetzt. Auch können ihre potenziellen Auswirkungen auf die Monitoringdaten durch den Einfluss mehrerer externer Faktoren «verwässert» werden:
Qualitätskriterien bestimmter PSM (23) sind seit 2006 in der Literatur zu finden [16]. Weitere wurden seit dem Jahr 2014 durch das Oekotoxzentrum veröffentlicht [9], sie bestehen aber derzeit noch immer nur für vergleichsweise wenige Substanzen (56 PSM) unter allen zugelassenen PSM (~240).
Die Aufrüstung der Abwasserreinigung in der ARA von Lully-Lussy im Jahr 2012 (betrifft den Boiron de Morges) sowie die Sanierung von Kellereiabwässern (betrifft den Ruisseau des Charmilles) haben sicherlich auch zu besseren biologischen Indizes, insbesondere beim IBCH, beigetragen.
Auch aufgrund dieser externen Einflussfaktoren auf die Projekte und einer nur teilweisen Beteiligung der Landwirte im Einzugsgebiet ist es schwierig, einen genauen quantitativen Zusammenhang zwischen den seitens der Landwirte ergriffenen Massnahmen und den chemischen Monitoringdaten herzustellen. Darüber hinaus bleibt die Beurteilung der ökotoxikologischen Risiken unvollständig und der IBCH wird durch Schwankungen im Nährstoffgehalt der Gewässer beeinflusst [14].
Dank der vielen im Rahmen der beiden 62a-Projekte erhobenen Daten war es möglich, den Zusammenhang zwischen den umgesetzten landwirtschaftlichen Massnahmen und der Wasserqualität zu untersuchen. Die genannten Projekte haben als Katalysatoren gewirkt und die Landwirte dazu motiviert, landwirtschaftliche Methoden zu bevorzugen, die schonender für die Oberflächengewässer sind. Tatsächlich haben die Untersuchungen gezeigt, dass die Verbesserung der Wasserqualität teilweise auf die eingeführten Massnahmen zur Reduktion der Abschwemmung zurückzuführen war. Dieser Rückschluss war insbesondere mit Hilfe der Berechnung von Stofffrachten im Ruisseau des Charmilles und der Analyse von Glyphosat im Boiron de Morges möglich. Allerdings spielten auch die Probenahme- und Analysestrategien eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Belastung. Somit war der Zusammenhang zwischen den durch die Landwirte ergriffenen Massnahmen und den chemischen Monitoringdaten bisweilen nur schwer herzustellen. Da die Beurteilung der ökotoxikologischen Risiken auf den gemessenen Konzentrationen basiert, ist eine Bewertung ohne Analyse der risikobehafteten Wirkstoffe wenig repräsentativ. Die biologischen Indikatoren integrieren die Belastungen durch verschiedene Stoffe, werden jedoch, insbesondere im Fall des IBCH, nicht nur durch PSM, sondern auch durch andere Parameter beeinflusst. Um die Ergebnisse dieser langfristigen Projekte interpretieren zu können, hat es sich als sinnvoll erwiesen, chemische, ökotoxikologische und biologische Ansätze zu kombinieren. Dennoch bleibt es (aufgrund mehrerer gleichzeitig umgesetzter Massnahmen, der Beteiligungsquote der Landwirte und verschiedener externer Faktoren) schwierig, einen genauen quantitativen Zusammenhang zwischen einer konkreten, durch die Landwirte ergriffenen Massnahme und den entsprechenden Monitoringdaten herzustellen.
Die Erkenntnisse aus diesen beiden in der Westschweiz durchgeführten Pilotprojekten ermöglichen es einige Empfehlungen für laufende oder zukünftige Projekte sowie für den Aktionsplan PSM zu formulieren:
Aus den gemessenen Konzentrationen (MEC) wurden für diejenigen Substanzen, für die ausreichende ökotoxikologische Daten zur Definition von Qualitätskriterien (QK) bzw. Umweltqualitätsnormen (UQN) vorlagen, Risikoquotienten (RQ) berechnet [18]:
           RQ = MEC/QK      Â
Bei einem RQ >1 können negative Auswirkungen auf die aquatischen Organismen nicht ausgeschlossen werden.
Um das Risiko eines Wirkstoffgemisches zu beurteilen, wird die Summe der Risikoquotienten seiner Bestandteile gebildet [2]. Weil Pflanzenschutzmittel oft für eine bestimmte Gruppe von Organismen besonders toxisch sind, werden bei der Berechnung des Mischungsrisikos für die einzelnen Gruppen y nur die RQ derjenigen n Wirkstoffe berücksichtigt, auf die die Gruppe sehr empfindlich reagiert [10]. Das Mischungsrisiko kann somit für Pflanzen, wirbellose Tiere und Wirbeltiere separat berechnet werden. Das für das Gewässer relevante Risiko entspricht dann demjenigen der am stärksten betroffenen Organismengruppe.
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Lieteraturverzeichnis
[1] Doppler, T. et al. (2017): Hohe PSM-Belastung in Schweizer Bächen. Aqua & Gas 4/2017: 46-56
[2] Langer, M. et al.: (2017): Hohe ökotoxikologische Risiken in Bächen. Aqua & Gas 4/2017: 58-68
[3] Spycher, S. et al. (2015): Gewässerbelastung durch Pestizide. Aqua & Gas 12/2015: 58-71
[4] Bundesrat (2017): Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.
[5] RS-814.20 (1991): Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG).
[6] Bonfantini-Martin, A. (2015): Projet pilote 62a Ruisseau des Charmilles: Rapport de fin de 1ère étape 2008 à 2013. Service de l'espace rural – DGA. 11 Seiten.
[12] Hayes, T.B. et al. (2002): Hermaphroditic, demasculinized frogs following exposure to the herbicide, atrazine, at ecologically relevant doses. Proc. Nat. Acad. Sciences (USA) 99(8): 5476–5480
[13] SR-814.201 (1998): Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG).
[15] Liess, M., Von der Ohe, P.C. (2005): Analyzing effects of pesticides on invertebrate communities in streams. Environmental Toxicology and Chemistry 24(4): 954–965
[17] La Lettre du Boiron n° 13, 2018 (cited 2018). Available from: https://www.vd.ch/fileadmin/user_upload/themes/environnement/eau/fichiers_pdf/DIREV_PRE/Boiron_Lettre_2018.pdf
Die Verfasser danken ganz herzlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Behörden in den Kantonen Waadt und Genf, die uns Daten zur Verfügung gestellt, interessante Diskussionen mit uns geführt und uns konstruktive Hinweise zu diesem Fachartikel gegeben haben: Florence Dapples, Nathalie Menetrey und Cécile Plagellat von der Direction générale de l’environnement (DGE-VD); André Zimmermann und Pascal Mayor von der Direction générale de l’agriculture, de la viticulture et des affaires vétérinaires (DGAV-VD); François Pasquini von der Office cantonal de l’eau (OCEau-GE); Aline Bonfantini-Martin, Alain Bidaux und Dominique Fleury von der Direction générale de l’agriculture et de la nature (DGAN-GE). Unser Dank gilt auch Simon Spycher von der Eawag für seine fachkundigen Kommentare.
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