Es ist durchaus sinnvoll, Phosphor (P) vor einer thermischen Verwertung des Klärschlamms zu extrahieren. Entwässert oder getrocknet kann dieser anschliessend als Brennstoff genutzt werden. Ideale Abnehmer sind Zementwerke: Sie können sowohl die Energie nutzen als auch die mineralischen Stoffe im Klärschlamm direkt als Zuschlag im Zement verwenden. Positiv an dieser Lösung ist mitunter das eingesparte Deponievolumen.
Für die ara region bern ag (arabern) stand zur Rückgewinnung von P aus nassem Klärschlamm verbunden mit der Produktion eines qualitativ hochwertigen Düngers zu Beginn der Untersuchungen das ExtraPhos®-Verfahren im Vordergrund. Dieses wurde in den vergangenen Jahren bereits auf deutschen Kläranlagen pilotiert und besteht aus drei Teilschritten:
Vorgängig zur geplanten Pilotierung auf der arabern wurden die wichtigen Prozessparameter im hauseigenen Labor der ARA und bei der Firma Budenheim als Lizenzgeberin des ExtraPhos®-Verfahrens überprüft. Es zeigte sich, dass CO2 zur Rücklösung von P nicht wirksam war, stattdessen mussten starke Säuren eingesetzt werden [1]. Damit glich das Vorgehen jedoch eher dem Stuttgarter Verfahren, bei dem die Rücklösung von P aus FS z. B. mit Schwefelsäure vorgenommen wird. Die Gewinnung von P aus der sauren Lösung entpuppte sich zudem als eigentliche Knacknuss des Verfahrens. Denn ein wertvoller Dünger sollte frei von Fe-Ionen sein (Verfahrensschritt 3).
Nach der Rücklösung des P aus Faulschlamm und der Abtrennung der Feststoffe setzte sich die P-reiche Flüssigkeit wie folgt zusammen: P als PO4-P ca. 600–800 mg/l, Fe-Ionen ca. 1500–1800 mg/l; NH4-N 1100-1200 mg/l, pH Wert 4–4,5. Zur Herstellung des verwertbaren Düngers MAP (Magnesiumammoniumphosphat) muss P gefällt und gleichzeitig quantitativ von den Fe-Ionen abgetrennt werden. Wenn dies nicht gelingt, fällt MAP zusammen mit dem schlecht bioverfügbaren Fe-Phosphat aus, was die Ausbeute von MAP vermindert und die Qualität des Düngers reduziert.
Zur Fällung des MAP wurden Zitronensäure und Mg-Ionen zugegeben (Zitronensäure zur Komplexierung der Fe-Ionen, damit diese bei alkalischem pH-Wert von 8,5–9,0 in Lösung bleiben) [2]. Da Zitronensäure einerseits teuer und andererseits zur CSB-Fracht beiträgt, wurde in den Versuchen auf der arabern eine Standardmenge von 5 g/l Zitronensäure eingesetzt. Allerdings gelang es dadurch nicht, Bedingungen zu finden, um P quantitativ und frei von Fe-Ionen zu fällen. Gemäss Angaben zum Stuttgarter Verfahren sollte das stöchiometrische Verhältnis von Zitronensäure zur Summe der Metalle Fe, Al, Ca und Mg 1,1 : 1 betragen (= 10% Überschuss). Dazu mussten insbesondere die Ca-Ionen nach der Ansäuerung des FS berücksichtigt werden (400 mg/l FS). Erst die massiv höhere Zugabe von Zitronensäure führte dazu, dass durchschnittlich 37% des bei sauren Bedingungen gelösten PO4-P als MAP gefällt werden konnten, ohne dass Fe-Ionen ausfielen. Die Frage stellte sich, wieso PO4-P nicht zu 100% gefällt worden war. Dazu gibt es verschiedene Gründe: z. B. ungenügender Überschuss an Mg-Ionen, weil ein Teil der Mg-Ionen mit Zitronensäure ebenfalls ein Komplex eingeht und nicht für die Bildung von MAP verfügbar ist.
Die Menge an Zitronensäure zur Komplexierung von Fe-Ionen schien dem Projektteam unverhältnismässig hoch. Mit 10 g/l Zitronensäure wäre der Tagesbedarf auf der arabern bei ca. 6 Tonnen (t) gelegen. Die Zitronensäure, die zur CSB- respektive BSB5-Fracht in einer Grössenordnung von 40 000 EW beiträgt, hätte anschliessend wieder biologisch eliminiert werden müssen (entspricht fast 10% der Gesamtkapazität der biologischen Stufe). Die optimalen Bedingungen zur Herstellung eines Fe-freien MAP hätten mit zahlreichen weiteren Optimierungsversuchen identifiziert werden müssen. Der dazu notwendige Forschungsaufwand im Labor vor der eigentlichen Pilotierung wurde als hoch eingeschätzt. Weiter hätten die optimalen Bedingungen bei der anschliessenden Pilotierung mit aufwändigen
Analyseprogrammen laufend ĂĽberprĂĽft werden mĂĽssen, um eine P-Recyclingrate von mindestens 50% zu erzielen.
Die Herstellung von FePO4 anstelle von MAP könnte einen möglichen Ausweg aus der gegebenen Situation bieten, denn dazu ist keine Zitronensäure nötig. Nach der Ansäuerung und der Abtrennung der Feststoffe kann der pH-Wert mit NaOH alkalisch gestellt werden. Dabei fallen PO4-P als auch die Fe-Ionen quantitativ aus. Der resultierende Feststoff enthielt 80 g P/kg TS und 250 g Fe/kg TS. Zur Revalorisierung des P müsste dieses anschliessend mit weiteren Prozessen vom Fe abgetrennt und aufgearbeitet werden.
Grundsätzlich ist die Weiterverarbeitung des gewonnenen P-angereicherten Rückstands aus FS zusammen mit der Aufbereitung weiterer Aschen aus der Monoverbrennung von Klärschlamm denkbar. Noch effizienter hingegen wäre es, mit einem Prozess sowohl P als auch Fe-Ionen zu rezyklieren, beispielsweise durch eine elektrolytische Trennung. Erste Abklärungen haben ergeben, dass auf diesem Gebiet weitere Forschungen angestellt werden müssten, da für diese Fragestellung noch kein effizientes, bekanntes Verfahren verfügbar ist.
Parallel zu den Laborversuchen erfolgten Abklärungen zur Einbindung des Verfahrens zur P-Rezyklierung in die bestehenden Prozesse der arabern. Neben der Herausforderung, die allfällig eingesetzte Zitronensäure abzubauen, wurden die zwei weiteren wichtigen Aspekte identifiziert:
Heute wird der leicht alkalische FS auf der arabern mit der Zentrifuge und dem Trockner entwässert und getrocknet. Bei einem tiefen pH-Wert, wie dies nach der Ansäuerung des Schlamms der Fall wäre, nimmt jedoch die Korrosionsanfälligkeit von Anlageteilen erheblich zu, insbesondere weil der Chloridgehalt des FS bei 300 mg/l liegt. Die bestehende Trocknungsanlage hätte nicht mit den erwarteten sauren Feststoffen beschickt werden können, da das Risiko für Lochfrass und Korrosion zu gross wäre.
Eine weitere Anpassung wäre für die Behandlung des stickstoffreichen Zentrats nötig geworden. Dieses wird zurzeit in einer separaten Anlage im Demon-Verfahren behandelt. Ein stark CSB-haltiges Zentrat, wie es aufgrund der Zugabe von Zitronensäure zur Komplexierung der Fe-Ionen notwendig wäre, ist für dieses Verfahren ungeeignet. Die eingesetzten Anammox-Bakterien würden durch andere Bakteriengruppen verdrängt. Die Behandlung des Zentrats hätte mit dem vorgesehenen Verfahren wohl auf eine klassische Nitrifikation/Denitrifikation umgestellt werden müssen. Der hohe Salzgehalt würde jedoch auch für dieses Verfahren eine Herausforderung dar-
stellen.
Das Ziel, P auf einer ARA mit einfachen Methoden als qualitativ wertvollen Dünger aus Nassschlamm zurückzugewinnen, konnte mit den gewählten Verfahren nicht erfüllt werden. Die unerwarteten Resultate bei der Überprüfung der Prozessparameter und der identifizierten potenziellen Herausforderungen, die bei der Einbindung des Verfahrens noch hätten gelöst werden müssen, führten dazu, dass die weiteren Versuche zur Optimierung des Verfahrens im Labor der arabern im Frühjahr 2020 abgebrochen und die geplante Pilotierung sistiert wurde.
Ein möglicher Weg, um einen Prozess zum P-Recycling aus Nassschlamm dennoch zu nutzen, wird von der arabern momentan nicht weiterverfolgt. Die fehlenden prozesstechnischen Grundlagen müssen andernorts erarbeitet werden. Dies bedeutet nicht, dass die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm in der Schweiz zum Scheitern verurteilt ist. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob zwingend ein Dünger als Produkt hergestellt werden muss, oder ob nicht auch ein Zwischenprodukt wie FePO4 ein wichtiger Schritt in der P-Rückgewinnungs-
kette sein könnte. Die Aufbereitung eines solchen Zwischenprodukts zu einem verwertbaren Produkt, zum Beispiel zusammen mit der P-Rückgewinnung aus Asche, sollte aus Sicht der arabern vertieft überprüft werden.
In der vorliegenden Studie wurden nur chemische Verfahren untersucht, da deren Realisierung auf der ARA dezentral noch verhältnismässig einfach wäre. Auch für thermische Verfahren zur P-Rückgewinnung, die eher bei Zementwerken integriert werden müssten, besteht noch ein grosses Potenzial.
Allerdings müssen auch diese Verfahren zur Prozessreife entwickelt werden – als Voraussetzung dafür, den wertvollen, getrockneten Klärschlamm als Alternativbrennstoff zu nutzen, ohne dass P verloren geht.
[1] Ammann, B. et al. (2020): P-Recycling aus Faulschlamm. Aqua & Gas Nr. 2/20, Seiten 36–42
[2] Schuler, A.; Stucki, G.; Fux, C. (2020): BAFU Schlussbericht zu den Untersuchungen bezĂĽglich P-Recycling aus Faulschlamm auf der arabern. Juni, 27 Seiten
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