Schön anzusehen sind sie: Teppiche von schwimmenden Wasserpflanzen wie etwa der Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes) im Einzugsgebiet des Sambesi. Gleichzeitig sind sie aber auch ein Indikator für das ungenügende Abwassermanagement in städtischen und industriellen Regionen tropischer Entwicklungsländer. Denn dort, wo sich viele Nährstoffe in den Gewässern ansammeln, finden die schwimmenden Wasserpflanzen ihren bevorzugten Lebensraum.
Ihr üppiges Wachstum stellt Sambia seit Jahrzehnten immer wieder vor Probleme. Unter anderem verstopfen die Wasserpflanzen regelmässig die Stauseen der Wasserkraftwerke – eine grosse Herausforderung für ein Land, das stark von der Wasserenergie abhängig ist.
Forschende des Wasserforschungsinstituts Eawag und der ETH Zürich werfen nun ein neues Licht auf die Pflanzenteppiche und ihre Bedeutung für das Ökosystem von vier Zuflüssen des Sambesi. Gemäss den Forschenden filtern diese Pflanzen die überzähligen Nährstoffe aus dem Wasser und binden sie in Biomasse. Dadurch findet sich im Sambesi – trotz Verschmutzung durch den Menschen – weitgehend oligotrophes, also nährstoffarmes Wasser.
«Die schwimmenden Wasserpflanzen puffern sozusagen die Gewässer», erklärt der Biogeochemiker Scott Winton von der Eawag-Abteilung Oberflächengewässer in Kastanienbaum. Dieses Ergebnis hatten die Forschenden zwar vermutet – schliesslich wird die Wasserhyazinthe auch regelmässig in Pflanzenkläranlagen eingesetzt. In natürlicher Umgebung gab es jedoch bisher kaum Forschung auf diesem Gebiet.
Und die Forschenden um Winton konnten sogar zeigen, dass der Effekt im Fluss wesentlich grösser ist als erwartet. «In den stark belasteten Zuflüssen, etwa unterhalb der Stadt Livingstone, wäre der Gehalt an Phosphor ohne schwimmende Vegetation um 20 bis 30 Prozent höher», so der Forscher. Dies bedeutet auch: Ohne die «schwimmenden Kläranlagen» käme es zu einer Überdüngung (Eutrophierung) des Wassers. Das Ökosystem könnte sich daher komplett verändern, Fische sterben, die Biodiversität massiv abnehmen.
Bis heute stehen jedoch hauptsächlich die negativen Seiten der Pflanzenteppiche im Fokus: Schwimmende Wasserpflanzen verstopfen immer wieder die Wasserwege und Bewässerungssysteme Sambias, behindern die Schifffahrt und die Fischerei und stören den Betrieb von Wasserkraftwerken. Es gibt daher seit Jahrzehnten teure und aufwendige, aber nicht nachhaltige Kampagnen mit dem Ziel, die Pflanzen zu entfernen.
Die Forschenden empfehlen nun neue und ganzheitliche Strategien im Umgang mit dieser Thematik. Sie stehen dazu auch in Kontakt mit den lokalen Betreibern der Wasserkraftwerke. Winton sagt: «Solange weiterhin Nährstoffe aus den Siedlungen und Industriegebieten in die Gewässer gelangen, erfüllen diese Pflanzen eine wichtige Rolle, indem sie die Gewässer sauber halten. Damit sie jedoch nicht zum Problem werden, braucht es neue Ansätze im Umgang mit ihnen.»
Dazu gibt es bereits konkrete Überlegungen. Durch den Wechsel von Regen- und Trockenzeit unterliegt die schwimmende Pflanzenbedeckung bereits jetzt saisonalen hydrologischen Schwankungen. Diesen Effekt könnte man sich zunutze machen, etwa durch künstliche Hochwasser. Dabei werden die Dämme kontrolliert geöffnet, um das Pflanzenmaterial aus den Engstellen, wo sie sich typischerweise ansammeln, hinaus zu schwemmen in weniger problematische Gebiete.
Eine weitere Idee nutzt die Tatsache, dass der Wind die Schwimmpflanzen regelmässig in Richtung Ufer bläst. Indem man den Wasserstand künstlich hochhält, kann dies noch gefördert werden. Sinkt dann in der Trockenzeit der Wasserspiegel ab, stranden die Pflanzen und können mitsamt den gebundenen Nährstoffen entfernt werden. Sie dienen dann den lokalen Bauern als kostengünstiger Dünger oder können für die Produktion von Biokraftstoff verwendet werden.
In der Schweiz hat sich die Belastung der Gewässer durch Nährstoffe seit den 1980er-Jahren durch grosse Anstrengungen im Gewässerschutz sehr verringert. Trotzdem gibt es auch hier noch immer überdüngte Gewässer. Doch es fehlt eine natürliche Pflanzenvegetation als Puffer. Die in den Tropen weit verbreitete Wasserhyazinthe kann im kühlen Europa nicht überleben.
Der Nährstoffüberschuss fördert stattdessen das Wachstum von Cyanobakterien, Algen, Phytoplankton. Anders als die Schwimmpflanzen verwesen diese jedoch viel schneller, was am Seegrund zu einem Sauerstoffmangel führt. Dadurch werden vermehrt Nährstoffe aus den Sedimenten freigesetzt, welche die Überdüngung noch verstärken.
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