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Fachartikel
27. September 2018

Siedlungsentwässerung

Klimawandel und Starkregen

Ist in der Zukunft ein Einfluss des Klimawandels auf die für die Dimensionierung der Siedlungsentwässerung relevanten Starkregen erkennbar? Untersuchungen zeigen kein erkennbares Klimasignal, weder für die nahe (2035–2064) noch für die ferne Zukunft (2070–2099). Dies gilt für die Wiederkehrintervalle 5, 10 und 30 Jahre mit je drei Dauerstufen (10 Min., 60 Min., 24 Std.) und für die vier Niederschlagsregionen in der Schweiz, repräsentiert durch 22 MeteoSchweiz-Wetterstationen.
Philipp Beutler, Bahareh  Kianfar, Frank Blumensaat , Max Maurer, 

Die langfristige Planung der Siedlungsentwässerung orientiert sich an zukünftigen Anforderungen. Dabei ist eine der zentralen Fragen der Einfluss des Klimawandels. In einem früheren Beitrag [1] wurden bereits die Auswirkungen des Klimawandels auf die zukünftigen Niederschlagsereignisse einer Messstation in der Schweiz (Wädenswil, ZH) abgeschätzt und deren Auswirkungen beispielhaft auf drei Entwässerungssysteme aufgezeigt.

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob die Ergebnisse der Untersuchung auf die gesamte Schweiz übertragbar sind. Dazu wurde die Methodik aus [1] auf 22 Niederschlagsmessstationen in der Schweiz und Liechtenstein ausgeweitet und erweitert (vgl. Fig. 1). Im Zentrum steht die Frage, inwieweit der Einfluss des Klimawandels auf die Starkregen, die für die Planung der Siedlungsentwässerung in der Schweiz relevant sind, sichtbar ist und welche Empfehlungen sich daraus ableiten lassen.

Bisheriger Wissensstand fĂĽr die Schweiz

Erste Ergebnisse zum Einfluss des Klimawandels auf die hydraulische Funktion von Entwässerungssystemen wurden bereits erarbeitet [1, 2]. Im Zuge dessen wurden auf Basis historischer Niederschlagsdaten der MeteoSchweiz-Station Wädenswil (Referenzperiode 1981–2010; 10-minütige Auflösung) mit einem stochastischen Modell Niederschlagsreihen für die Zukunftsperiode 2035–2064 (nahe Zukunft) erstellt. Ziel war der Vergleich zwischen zukünftigen extremen Niederschlagsereignissen mit und ohne Einfluss des Klimawandels. Darüber hinaus wurde versucht, systematisch alle relevanten Unsicherheiten zu berücksichtigen und diese in eine Gesamtbewertung einzubeziehen. Die Unsicherheit der Vorhersage zukünftiger klimatischer Bedingungen wurde durch die Verwendung zehn unterschiedlicher Kombinationen globaler und regionaler Klimaprognosemodelle (GCM/RCM) abgeschätzt [3, 4]. Für die Auswertung wurden 1100 Niederschlagsserien mit einer Länge von jeweils 30 Jahren generiert – 100 für die Referenzperiode und 10 × 100 für die Zukunftsperiode.

Die Ergebnisse für die Zukunftsperiode 2035–2064 zeigten für die Station Wädenswil kein signifikantes Klimasignal. Die Resultate für die relevanten Wiederkehrintervalle waren dominiert von der natürlichen Variabilität der verschiedenen Niederschlagsserien. Die zusätzliche Unsicherheit durch die Verwendung von zehn Klimaprognosemodellen für die nahe Zukunft war vergleichsweise klein.

Untersuchungen in Europa

In anderen europäischen Regionen werden Auswirkungen des Klimawandels auf die Dimensionierungsempfehlungen für die Siedlungsentwässerung ebenfalls untersucht – mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen. In Dänemark wird ein einheitlicher, klimawandelbedingter Zuschlagsfaktor postuliert [1, 5, 6]. Für zehn ausgewählte Regionen in Grossbritannien ergeben sich saisonspezifisch sowohl Zu- als auch Abnahmen zukünftiger Starkniederschlagsintensitäten [7]. Die Autoren weisen dabei explizit auf hohe Ergebnisunsicherheiten insbesondere für Sommerperioden hin. Auf Basis einer historischen Niederschlagsdatenanalyse in Sizilien (60 Stationen) wurde eine wachsende Tendenz hinsichtlich Auftreten und Intensität für einstündige Extremniederschläge identifiziert [8]. Gleichsam stellen die Autoren fest, dass dieser Trend im Zusammenhang mit geografisch-orografischen Besonderheiten (Küstennähe) steht. Interessant und allen Studien gemein ist, dass die Untersuchungen einen jeweils kleinräumigen bzw. regionalen Bezug haben. Daher ergibt sich eine räumlich sehr begrenzte Aussagegültigkeit – die Ergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf andere Regionen übertragen.

MATERIAL UND METHODEN

Die hier angewandte Methodik für die Simulation der zukünftigen Starkregen­ereignisse ähnelt in weiten Teilen dem Vorgehen aus [1, 2]. Daher werden nur die wichtigsten Schritte beleuchtet und Unterschiede hervorgehoben.

Niederschlagsdaten und Messstationen

Für die Untersuchung wurde auf historische, zehnminütige Niederschlagsdaten von 22 Messstationen des Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) aus der Periode 1981–2010 zurückgegriffen.1 Die Stationen wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt:

– möglichst lange Perioden mit Messdaten (mindestens 30 Jahre)

– etwa gleichmässig verteilt in den vier Regionen mit typischem Niederschlagsverhalten [9, 10]

– Abdeckung der zwölf klimatischen Regionen der Schweiz [11]

Für die nachfolgende Darstellung der Resultate wurden beispielhaft die Stationen Genève-Cointrin (Region Nord-West), Zürich-Kloten (Nord-Ost), Davos (Alpin) und Lugano (Süd) gewählt; die Diskussion bezieht sich auf alle 22 Stationen.

Zwei Vorhersagezeiträume

Im Gegensatz zu [1] wurden Simulationen fĂĽr zwei Zukunftsperioden gemacht:

Nahe Zukunft

Die nahe Zukunft umfasst wie in [1] den Zeitraum 2035–2064 und wurde für alle 22 Stationen simuliert.

Ferne Zukunft

Für vier Stationen (u. a. Genève-Cointrin und Lugano) wurde zusätzlich die ferne Zukunft 2070–2099 simuliert.

Damit können auch eventuell vorhandene, langfristige Klimasignale identifiziert werden.

Verwendete Modelle

Die zukünftig in der Schweiz zu erwartenden Klimabedingungen und deren Bandbreite wurden mithilfe zehn verschiedener Kombinationen von globalen und regionalen Klimaprognosemodellen für die beiden Zukunftsperioden berechnet (Details sind in [1] erläutert). Damit liegen zukünftige Niederschlagsinformationen mit einer Raum-Zeit-Auflösung von 25 km2 und einem Tag vor. Da die tiefe zeitliche wie räumliche Auflösung für die Abbildung der hochdynamischen Prozesse in der Siedlungsentwässerung unzureichend ist, wurden die Tageswerte mit stochastischen Modellen zeitlich bis auf 10-Minuten-Werte sowie räumlich disaggregiert (stochastisches Downscaling).

Derartige stochastische Niederschlagsmodelle sind in der Lage, Niederschlagsreihen zu erzeugen, deren statistische Eigenschaften nicht von den beobachteten Serien zu unterscheiden sind. Statistische Vergleichsparameter sind u. a. die mittlere Niederschlagsmenge, die Jahresmaxima, oder auch die Zeit, in der kein Niederschlag fällt. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Modelle nicht die gemessenen Niederschläge in der Vergangenheit exakt in ihrem zeitlichen Verlauf reproduzieren, sondern deren langfristige, statistische Eigenschaften widerspiegeln. Ein zusätzlicher Nutzen ergibt sich durch die Möglichkeit, beliebig viele bzw. lange Niederschlagsserien erzeugen zu können. Somit kann über mehrere Realisierungen einer stochastischen Simulation mit denselben Modelleinstellungen eine Bandbreite gleich wahrscheinlicher Ergebnisse über den fraglichen Zeitraum dargestellt werden.

Im Ergebnis wurden jeweils 100 Niederschlagsreihen mit einer Länge von 30 Jahren und einer zeitlichen Auflösung von zehn Minuten für die zehn verwendeten GCM/RCM-Klimamodellkombinationen simuliert. Damit liegen für die 22 Messstationen und für die Zukunftsperiode 2035–2064 insgesamt 22 000 dreissigjährige, simulierte Niederschlagsreihen vor. Für die Periode 2070–2099 liegen für vier Messstationen simulierte Niederschlagsreihen vor (insgesamt 4000). Um einen adäquaten Vergleich zwischen Zukunft und Gegenwart zu ermöglichen, wurde zusätzlich die Referenzperiode (1981–2010) für jede Messstation mit je 100 Realisierungen ebenfalls modelltechnisch abgebildet (insgesamt 2200).

Relevante Zielgrössen

Diese Niederschlagsserien wurden auf Klimaeffekte untersucht. Dabei wurden drei für die Siedlungsentwässerung relevante Wiederkehrintervalle (5, 10 und 30 Jahre) und drei Dauerstufen (10 Min., 60 Min., 24 Std.) unterschieden.

1  Die von MeteoSchweiz zur Verfügung gestellten, ungeprüften Niederschlagsserien in 10-minütiger Auflösung wurden durch die geprüften Stundenwerte plausibilisiert. Die als eindeutig fehlerhaft identifizierten Einzelwerte in den 10-Minuten-Serien wurden ignoriert. 

 

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ERGEBNISSE

Einschätzung der Disaggregationsgüte

Die stochastischen Disaggregationsmodelle wurden stationsspezifisch mithilfe der historisch beobachteten Niederschlagsdaten (Periode: 1981–2010) kalibriert. Die Auswertung der mit dem Modell erzeugten Serien im Vergleich zu den Beobachtungen gibt Hinweise, inwieweit es in der Lage ist, die für die Siedlungsentwässerung relevanten Starkregen zu reproduzieren. Nachfolgend wird diese Auswertung für vier ausgewählte Messstationen dargestellt und diskutiert.

Genève-Cointrin

Das Modell liefert eine adäquate Repräsentation der beobachteten Extremwerte (Fig. 2). Die meisten beobachteten Niederschlagshöhen liegen innerhalb der 80%-Konfidenzintervalle. Beachtenswert ist die Tatsache, dass den beobachteten Daten keine extremwertstatistische Verteilungsfunktion zugrunde liegt. Entsprechend liegen die Punkte nicht auf einer «schönen Linie».

ZĂĽrich-Kloten

Auch hier liegen die Beobachtungen innerhalb des Konfidenzintervalls der simulierten Extremwerte (Fig. 3). Allerdings erkennt man auch deutlich die Grenzen des Modells für seltene Ereignisse (z. B. für das 30-jährige Wiederkehrintervall).

Lugano

Die Auswertung deutet darauf hin, dass das Modell die 10- und 60-minütigen Regen mehrheitlich überschätzt (Fig. 4). So liegen die etwa zehn grössten im Zeitraum 1981–2010 registrierten Niederschlagshöhen der genannten Dauerstufen deutlich ausserhalb der simulierten Bandbreiten. Für die Dauerstufe 24 Std. liegen die Maxima überwiegend innerhalb des Vertrauensbereichs.

Davos

Im Gegensatz zu Lugano scheint das Modell die 10-minütigen Extremregen konsequent zu unterschätzen (Fig. 5). Die 60-minütigen Regen liegen am Rande der 80%-Konfidenzintervalle. Die 24-h-Regenmaxima werden hingegen hinreichend gut abgebildet, d. h. sie liegen innerhalb der simulierten Bandbreiten.

Die vier ausgewählten Stationen zeigen beispielhaft die unterschiedliche Fähigkeit des stochastischen Disaggregationsmodells, die für die Siedlungsentwässerung relevanten Niederschlagsmaxima abzubilden. Ein ähnlich heterogenes Spektrum der Modellgüte findet sich für alle 22 Stationen. Dies deutet darauf hin, dass diese – wissenschaftlich aktuelle – Disaggregationsmethode substanzielle Schwächen aufweist und die Starkregencharakteristik nur vereinzelt adäquat abgebildet werden kann.

Modellergebnisse fĂĽr zukĂĽnftige Niederschlagsmaxima
Klimasignal

Von einem Klimasignal ist dann die Rede, wenn die Niederschlagsmaxima der zukünftigen Werte wesentlich von den simulierten Werten der Referenzperiode (1981–2010) abweichen.

In den Figuren 6 und 7 sind für die Stationen Lugano und Genève-Cointrin die Simulationsergebnisse der zukünftigen Extremniederschläge für das Wiederkehrintervall von fünf Jahren beispielhaft dargestellt und beschrieben. Für die Wiederkehrintervalle von 10 und 30 Jahren lassen sich sehr ähnliche Tendenzen identifizieren. Die Resultate werden einzeln für die zehn verwendeten GCM/RCM-Kombinationen (1 bis 10 auf der x-Achse) aufgeschlüsselt. Ein mögliches Klimasignal liesse sich durch den Vergleich der simulierten Kontrollperiode 1981–2010 (graue Horizontallinien) und den simulierten Zukünften (farbige Vertikalen) identifizieren.

Die Bandbreite (Heterogenität) zukünftig möglicher Klimabedingungen ist berücksichtigt durch die Verwendung der zehn Klimaprognosemodelle (Mittel und Konfidenzen der Vertikalen). Deutlich zu erkennen ist in Figur 6 die erhöhte Varianz der einzelnen Klimamodellvorhersagen für die ferne Zukunft (rechte Teilgrafik) im Vergleich mit der nahen Zukunft (linke Teilgrafik), und zwar für alle Dauerstufen.

Lugano

Für konvektive Starkregenereignisse von 10- und 60-minütiger Dauer lässt sich für die nahe und ferne Zukunft kein deutliches, positives Klimasignal ableiten. Im Fall von Lugano heisst dies, dass für beide Zukunftsperioden kein Unterschied zwischen den simulierten Niederschlagsserien auf Basis der Klimaprognosemodelle und den Simulationen auf Basis der Kontrollperiode (1981–2010; Horizontallinien in Fig. 6 und 7) zu erkennen ist. Deutlich zu sehen ist hingegen, dass die Abweichungen der Mittelwerte klar durch die natürliche Niederschlagsvariabilität für die Kontrollperiode und die Varianz aus den Klimaprognosemodellen dominiert werden. Nur für die Dauerstufe von 24 Std. in der fernen Zukunft ist eine leichte Tendenz für ein Klimasignal auszumachen.

Genève-Cointrin

Für die Station Genève-Cointrin zeigt sich für Starkregenereignisse von 10- und 60-minütiger Dauer ebenfalls kein deutliches, positives Klimasignal. Anders sieht es für die 24-stündige Dauerstufe aus: Hier deutet eine Mehrheit der Klimamodelle eine leichte Zunahme der Niederschlagsmaxima an, sowohl für die nahe als auch für die ferne Zukunft.

Diese Auswertungen wurden fĂĽr 22 Messstationen fĂĽr die nahe Zukunft und fĂĽr vier Stationen fĂĽr die ferne Zukunft jeweils fĂĽr die Wiederkehrintervalle von 5, 10 sowie 30 Jahren vorgenommen und werden nachfolgend in zusammengefasster Form beschrieben.

Zusammenfassende Ergebnisse fĂĽr alle 22 Stationen

Das Beispiel Lugano steht – bezüglich der Identifikation eines Klimasignals – mit Ausnahme der Station Genève-Cointrin stellvertretend für alle Auswertungen, die realisiert wurden: Die Modellvorhersagen für die verschiedenen Klimamodellkombinationen weichen insbesondere für die ferne Zukunft substanziell voneinander ab. Das heisst, die Unsicherheit der Klimaprognose ist erheblich. Ebenfalls erheblich ist die erwartete (natürliche) Variabilität der Regenmaxima in einer 30-jährigen Niederschlagsserie.

In Relation zu diesen beiden substanziellen Unsicherheiten ist ein Klimasignal für alle untersuchten Stationen nicht oder lediglich sehr gering erkennbar. Dies trifft insbesondere für die nahe Zukunft (2035–2064) zu. Hier zeigen die Simulationsergebnisse keine einheitliche Veränderung der zukünftigen Extremniederschläge.

Für die Periode 2070–2099 ist eine stärkere Streuung der Jahresmaxima für alle drei Dauerstufen zu beobachten. Eine eindeutige Tendenz über alle betrachteten Stationen ist aber auch hier nicht erkennbar (Fig. 7). Einzige Ausnahme ist für die ferne Zukunft die Dauerstufe 24 Std., wo eine Mehrheit der Klimamodelle ein Klimasignal andeuten. Da die Resultate der zehn Ensemble-GCM/RCM-Modellkombinationen nicht unabhängig voneinander sind, wurde auf eine vertiefte statistische Auswertung verzichtet.

Obwohl die einzelnen Regionen durch substanziell unterschiedliche Wetterlagen beeinflusst sind (Nordschweiz durch Westwetterlagen vom Atlantik; Südschweiz durch das Mittelmeer), lassen sich keine lokalspezifischen Unterschiede in der zukünftigen Entwicklung der jährlichen Maximalniederschläge erkennen.

DISKUSSION UND FAZIT

Das Ziel war, den Einfluss des Klimawandels auf die Starkniederschläge zu untersuchen, welche für die hydraulische Kapazität der Siedlungsentwässerung relevant sind. Dabei wurden 22 Messstationen verteilt in vier Hauptniederschlagsregionen in der Schweiz untersucht, um eine breite Abstützung der Aussagen zu erhalten.

Kein deutliches Klimasignal

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Resultate kein deutliches Klimasignal für die hydraulische Auslegung der Siedlungsentwässerung erkennen lassen. Dies gilt für alle untersuchten Dauerstufen (10 Min., 60 Min. und 24 Std.) sowie für die Wiederkehrintervalle 5, 10 und 30 Jahre insbesondere in der nahen Zukunft. Damit werden die Ergebnisse von [1] auch für weitere Niederschlagsstationen bestätigt. Die Resultate rechtfertigen es auf Basis des heutigen Wissensstands nicht, für die hydraulische Dimensionierung der Kanäle einen konkreten, klimawandelbedingten Zuschlagsfaktor zu postulieren.

Die vorliegende Studie fĂĽhrte jedoch zu Erkenntnissen, die diese Aussage weiter differenzieren:

– Bezugnehmend auf die Aussagen zur Unsicherheit der Entwicklung der Stark­regen in der nahen Zukunft in [1], nimmt der Beitrag der Klimaprognosemodelle an der gesamten Unsicherheit für die ferne Zukunft weiter und z. T. deutlich zu.

– Im Gegensatz zu den eindeutigen Ergebnissen für die nahe Zukunft suggerieren die Simulationen für die ferne Zukunft für einige Stationen (z. B. GVE) eine Zunahme der jährlichen Regenmaxima im Vergleich zur simulierten Kontrollperiode, für andere Stationen hingegen nicht (z. B. LUG). Bei der Interpretation dieser Resultate ist es wichtig, diese im Zusammenhang mit der genannten Unsicherheit der Klimaprognosemodelle zu betrachten. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass das wahrscheinlichste Klima der Zukunft dem Durchschnitt der zehn Klimamodelle entspricht.

– Das verwendete Disaggregationsmodell ist – obwohl der Ansatz in der Wissenschaft häufig Anwendung findet [12, 13] – nur teilweise in der Lage, die relevanten Extremniederschläge ausreichend abzubilden. Dies hat unserer Meinung nach zwei wesentliche Gründe:

i) Die Mechanismen fĂĽr die Bildung von Starkregen in den Schweizer Niederschlagsregionen unterscheiden sich. Diese regionale Variation kann durch die zugrunde liegenden Annahmen des Disaggregationsmodells nur unzureichend abgebildet werden.

ii) Die gegenwärtig in der Wissenschaft verwendeten stochastischen Niederschlagsmodelle gehen davon aus, dass die statistischen Eigenschaften zukünftiger Starkregen (auf zeitlich wie räumlich feiner Skala) nicht grundsätzlich unterschiedlich zu den heutigen sind. Lediglich die grobskalige Veränderung der Niederschlagsmengen wird von den Klimaprognosemodellen abgebildet. Der Einfluss von verändertem Windverhalten, Zirkulationsmustern oder zunehmender Temperatur (z. B. die Veränderung physikalischer Entstehung konvektiver Starkregen) wird jedoch in aktuellen Modellen nicht berücksichtigt.

– Damit ist die vorgängig gemachte Aussage sehr wörtlich zu nehmen: Unser aktuell bestes Wissen erlaubt es uns nicht, klare Klimasignale für die Schweiz zu identifizieren. Das bedeutet aber nicht, dass es keine klimabedingten Veränderungen geben wird. Auch hoffen wir, dass Weiterentwicklungen in der Hydrologie in den nächsten Jahren neue Erkenntnisse bringen und für die hier gemachte Aussage eine Neubewertung zulassen werden (wie z. B. [14, 15]).

Empfehlungen

Basierend auf den Ergebnissen sind folgende Empfehlungen für den weiteren Umgang mit der hydraulischen Bemessung von Kanälen zur Diskussion gestellt:

– Es ist derzeit nicht sinnvoll, einen klimawandelbedingten Sicherheitsfaktor für die hydraulische Bemessung in der Schweiz zu definieren, weil seine Existenz weder eindeutig nachweisbar noch seine Grösse sinnvoll quantifizierbar ist.

– Es gibt eine Reihe substanzieller Unsicherheiten, die bereits heute die Dimensionierung und die hydraulische Überprüfung der Entwässerung prägen. Dazu gehören nicht repräsentative Niederschlagsdaten, der Einsatz von «Dimensionierungsregen», die Annahmen über erwartete Veränderungen im Einzugsgebiet, unzulänglich kalibrierte Modelle, fehlerhafte Grundlagendaten für Simulationsmodelle und weitere Unsicherheitsquellen. Dieser Umstand erfordert dringend eine Harmonisierung des Umgangs mit diesen Unsicherheiten. Dazu sollten «Best-Practice»-Standards definiert werden, welche Eingangsdaten verwendet und wie Berechnungen durchgeführt sowie überprüft werden, was für Sicherheitsfaktoren angebracht sind und wie die Belastbarkeit der Resultate charakterisiert wird.

– Angesichts der grossen Unsicherheiten und Schwierigkeiten in der Bemessung ist ein stärkeres Gewicht auf die risikobasierte hydraulische Überprüfung zu legen. Dabei sollte der Aufwand für Planung und Massnahmen proportional zum potenziellen Schaden stehen, den ein Versagensfall nach sich zieht. Wichtig ist auch, dass neben der Erweiterung der hydraulischen Kapazität auch Massnahmen in Betracht gezogen werden, die einen objektorientierten Schutz darstellen – wie z. B. Schwellen, mobile Schütze usw.

Bibliographie

[1] Egger, C.; Maurer, M. (2015): Kanalnetzbemessung unter Unsicherheit. Die Bedeutung des Klimawandels für die hydraulische Funktion von Kanalnetzen. Aqua & Gas 11, 56–63

[2] Egger, C.; Maurer M. (2015): Importance of anthropogenic climate impact, sampling error and urban development in sewer system design. Water Research 73(0), 78–97

[3] Van der Linden P.; Mitchell, J.F.B. (Hrsg.) 2009: ENSEMBLES: Climate Change and its Impacts: Summary of research and results from the ENSEMBLES project. Met Office Hadley Centre, FitzRoy Road, Exeter EX1 3PB, UK

[4] CH2011 (2011), Swiss Climate Change Scenarios CH2011, published by C2SM, MeteoSwiss, ETH, NCCR Climate, and OcCC, Zurich, Switzerland

[5] IDA Spildevandskomiteen (2005): Schrift Nr. 27, Funktionspraxis für Abwassersysteme unter Regenwetter (Skrift nr. 27, Funktionspraksis for afløbssystemer under regn), Ingeniørforeningen i Danmark – IDA, Spildevandskomiteen

[6] IDA Spildevandskomiteen (2008): Schrift Nr. 29, Erwartete Änderungen in Extremregen als Folge von Klimaänderungen (Skrift nr. 29, Forventede ændringer i ekstremregn som følge af klimaændringer), Ingeniørforeningen i Danmark – IDA, Spildevandskomiteen

[7] Darch, G. et al. (2016): Analysing changes in short-duration extreme rainfall events. Proceedings of the Institution of Civil Engineers-Water Management, 169(5), 201–211

[8] Arnone, E. et al. (2013): Rainfall statistics changes in Sicily. Hydrology and Earth System Sciences, 17(7), 2449–2458

[9] Frei, C.; Schar, C. (1998): A precipitation climatology of the Alps from high-resolution rain-gauge observations. International Journal of Climatology 18(8), 873–900

[10] Molnar, P.; Burlando, P. (2008): Variability in the scale properties of high-resolution precipitation data in the Alpine climate of Switzerland. Water Resources Research 44(10), W10404 1–9

[11] SchĂĽepp, M.; Gensler, G. (1980): Klimaregionen der Schweiz. In: Die Beobachtungsnetze der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt. Konzept 1980. Arbeitsberichte der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt, Nr. 93, MĂĽller G (ed). Anhang Ib: ZĂĽrich, Switzerland

[12] Müller, H.; Haberlandt, U. (2018): Temporal rainfall disaggregation using a multiplicative cascade model for spatial application in urban hydrology. Journal of Hydrology 556, 847–864

[13] Paschalis, A. et al. (2014): On temporal stochastic modeling of precipitation, nesting models across scales. Advances in Water Resources 63, 152–166

[14] Sorup, H. et al. (2017): Formulating and testing a method for perturbing precipitation time series to reflect anticipated climatic changes. Hydrology and Earth System Sciences, 21(1), 345–355

[15] Thorndahl, S.; Andersen, A.; Larsen, A. (2017): Event-based stochastic point rainfall resampling for statistical replication and climate projection of historical rainfall series. Hydrology and Earth System Sciences, 21(9), 4433–4448

Verdankung

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Christoph Egger (WIF Partner) für die ausführlichen Diskussionen zu Standpunkten und Hinweisen zu den Studienergebnissen sowie bei Rosi Sieber (Eawag) für die tatkräftige Unterstützung bei der Bereitstellung des Kartenmaterials.

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