Historisch gesehen verursachte die Wasserversorgung eine erhebliche Veränderung der Gewässerlandschaft: Von den im Jahr 1884 in der Schweiz vorkommenden Quellen wurden weit über 95% für öffentliche und private Trinkwasserversorgungen gefasst; im Mittelland sind es sogar fast 99%. Mit den Quellen verschwanden auch viele Feuchtstandorte und Kleinstgewässer, womit zahlreiche wertvolle Lebensräume mit besonders hoher Biodiversität verloren gingen.
Der Schutz der noch vorhandenen naturnahen Quellen ist eminent wichtig. Genauso wichtig wäre jedoch ebenso die Revitalisierung gefasster Quellen. Der VSA propagiert deshalb für gefasste Quellen folgende zwei Stossrichtungen:
Quellen spielen in der Menschheitsgeschichte seit jeher eine wichtige Rolle bei der Gründung von Siedlungen. Mit dem Bau moderner Wasserversorgungen ging ihre Bedeutung jedoch stark zurück. Mit der Ausdehnung des Siedlungsgebietes wurden im Zuge von Überbauungen viele Quellen gefasst resp. Feuchtgebiete trockengelegt und das Wasser unterirdisch abgeleitet. Die Wiedervernässung solcher Standorte hilft mit, den Hitzeinseleffekt abzumildern und gleichzeitig äusserst wertvolle Standorte für Mensch und Natur zu schaffen.
In vielen Fällen ging über die Generationen vergessen, dass ein Standort früher vernässt war. Hier kann der Wasserversorgungsatlas helfen, «vergessene» Quellen wiederzuentdecken, datiert doch dessen Datenstand oftmals vor der Erstellung der Infrastruktur der Siedlungsentwässerung, d. h. zu einem Zeitpunkt, wo das Quellwasser noch nicht unterirdisch abgeleitet wurde. Leider ist der Wasserversorgungsatlas nicht öffentlich zugänglich. Gemeinden können ihn jedoch auf Anfrage beim Kanton einsehen.
Seit der Jahrtausendwende wurden in der Schweiz hunderte von Grundwasserschutzzonen aufgehoben, weil die neue Gewässerschutzverordnung deutlich strengere Anforderungen an Schutzzonen stellt, als dies früher der Fall war. Allein im Kanton Bern wurden mehrere hundert Quellfassungen aufgegeben, weil sie entweder nicht gesetzeskonform geschützt werden konnten oder die Sanierung der oft sehr langen Quellableitungen nicht wirtschaftlich war. Leider werden solche Quellen nur in den seltensten Fällen aktiv freigelegt – meistens wird das Quellwasser einfach via Verwurf direkt ins nächste Gewässer abgeleitet.
Diese zugegebenermassen einfache und kostengünstige Lösung ist vor dem Hintergrund des Klimawandels und angesichts des dramatischen Rückgangs der wasserabhängigen Tiere und Pflanzen in der Schweiz äusserst kurzsichtig: Mit der Wiedervernässung kann ein wertvolles Feuchtbiotop geschaffen werden, welches gleichzeitig der Natur hilft, lange Hitze- und Trockenperioden besser überbrücken zu können.
Deshalb empfiehlt der VSA Wasserversorgern und Kantonen, aufzugebende Quellfassungen freizulegen und zu revitalisieren. So kann der Kanton beispielsweise vom Wasserversorger verlangen, zusammen mit dem Gesuch um Aufhebung der Schutzzone zu begründen, warum die Revitalisierung nicht möglich ist, beispielsweise wegen Eigennutzung durch den Landeigentümer o. Ä.
Auch für die in den letzten Jahren bereits aufgegebenen Quellfassungen sollten die Kantone deren Revitalisierungspotenzial abklären und abschätzen, welche Quellen mit vernünftigem Aufwand aktiv freigelegt werden könnten. Gemäss BAFU-Publikation «Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich 2025–2028» können Revitalisierungsmassnahmen an Quell-Lebensräumen subventioniert werden.
Die Pflicht zur Ausdolung von nicht mehr für die Trinkwassergewinnung genutzten Quellen ergibt sich übrigens auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (A-1251/2012 vom 15. Januar 2014 E. 25.5): Der Grundsatz der Schonung gemäss Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG) verlange demgemäss nicht nur eine Vermeidung bzw. Minderung von zusätzlichen, sondern auch die Reparatur bereits erfolgter Beeinträchtigungen, wo diese verhältnismässig scheinen.
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