Dreissig Jahre nach meinem Studienabschluss habe ich zwei Botschaften unserer Professoren noch genau im Ohr: Wir haben ein Problem mit fischtoxischem Ammonium in Fliessgewässern und mit gesundheitsschädlichem Nitrat im Grundwasser.
Das Ammonium-Problem lösten Ingenieure in den 1990er Jahren innerhalb eines Jahrzehnts, indem die Kläranlagen die Nitrifikationsleistung weiter steigerten und mit einer Denitrifikationsstufe nachgerüstet wurden. Damit erfüllte die Abwasserwirtschaft gleich auch ihren Teil zur Einhaltung des internationalen Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt im Nordostatlantik (OSPAR). Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Zum Nitrat-Problem könnten die heutigen Professoren dieselben Folien verwenden wie ihre Vor-Vorgänger: Die Stickstoffverluste der Landwirtschaft verharren seit Ende der 1990er-Jahre auf einem viel zu hohen Niveau. Der Verbrauch an Mineraldünger stagniert und der Import an stickstoffhaltigen Futtermitteln ist sogar deutlich gestiegen. In den letzten Jahren wurden keine weitergehenden Massnahmen ergriffen, um die Stickstoffüberschüsse der Landwirtschaft wirksam zu verringern. Die numerische Anforderung von 25mg/l Nitrat wird im Mittelland an rund 40% aller Grundwasser-Messstellen überschritten.
Dreissig Jahre lang hat die Politik dieses Problem vor sich hergeschoben. Nun soll der «Massnahmenplan Sauberes Wasser» Besserung bringen: Die Verluste von Stickstoff und Phosphor sollen bis zum Jahr 2030 um mindestens 20% reduziert werden.
Diese konkrete Vorgabe ist sehr löblich. Allerdings wird eine Stickstoffreduktion um 20% nicht ausreichen, um die Umweltziele Landwirtschaft zu erreichen (maximal 25 mg/l Nitrat im Grundwasser; Reduktion der Stickstoffeinträge in die Gewässer um 50% gegenüber 1985). Dazu müssen die Stickstoffverluste der Landwirtschaft auch nach 2030 weiter reduziert werden.
Gespannt warten wir deshalb darauf, wie der Bauernverband sich zu den vorgeschlagenen Absenkpfaden stellen wird. Gemäss Aussagen von Markus Ritter in der Abstimmungs-Arena zur Trinkwasserinitiative sind wir ja «im Bereich der Umweltziele Landwirtschaft hervorragend unterwegs».
Ganz offenbar haben Ingenieure andere Tempovorstellungen: Wenn ich dreissig Jahre nach Feststellung eines Problems noch meilenweit vom Ziel entfernt bin und genau weiss, dass ich es auch bis 2030 deutlich verpassen werde, würde ich nicht behaupten, ich sei «hervorragend unterwegs». Der Bauernverband kann jetzt aber zumindest beweisen, dass er die Umweltziele ernst nimmt. Alles andere als ein Bekenntnis zum Absenkpfad von 20% bis 2030 wäre unglaubwürdig.
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Hinhalte-Taktik der Landwirtschaft