Der Bogen der Fachtagungsthemen war weit gespannt; an der Tagung wurde mehr behandelt als das, was für eine Wasserbilanz erforderlich ist. So gab es neben Vorträgen zu Daten für ein gutes Wasserressourcen- sowie Einzugsgebietsmanagement auch Referate zu Datenmanagement, KI, verschiedenen Datenmodellen und schliesslich Datensicherheit. Das Interesse an «Daten in der Wasserversorgung» war auf jeden Fall gross: Rund 200 Teilnehmende kamen ins Volkshaus nach Biel. Und dass die Bedeutung von guten Daten gross ist, wurde von vielen Referenten hervorgehoben wie auch von Tagungsorganisator und -moderator Rolf Meier, SVGW-Vizedirektor und Bereichsleiter Wasser, in seiner Begrüssung: «Daten sind die Grundlage für bessere Planung und für bessere Entscheide.»
«Welche Daten fehlen uns für ein gutes Wassermanagement?», diese Frage wurde im ersten Referat von Petra Schmocker-Fackel, der Sektionschefin «Hydrologische Grundlagen» am BAFU beantwortet. Sie zeigte auf, dass zur Bearbeitung der bisherigen Wasserkonflikte Wassernutzungsdaten nicht erforderlich gewesen seien. Zur Bearbeitung der neuen Konflikte infolge des Klimawandels werde jedoch ein integrales Wasserressourcenmanagement immer wichtiger, wofür Daten zu den genutzten Wassermengen unabdingbar seien. Aktuell gebe es in der Schweiz aber kaum Daten zur Wassernutzung. Einzig für den Bereich der Trinkwassernutzung gebe es mit der SVGW-Statistik eine umfassende Datengrundlage, aber der gesamte Bereich der Brauchwassernutzungen sei damit nicht abgedeckt. Bis Ende 2026 sollen nun Vorschläge zusammengetragen werden, wie bessere Wassernutzungsdaten für die Schweiz erhoben werden könnten. Deswegen werde das BAFU Anfang 2025 auf alle betroffenen Stellen zukommen, wie die Sektionschefin zum Schluss ihres Referats erklärte.
Die Datenlage zu den Grundwasserressourcen ist im Vergleich zur Wassernutzung deutlich besser. Hier kann auf NAQUA- und kantonale Daten zurückgegriffen werden. Christian Moeck (Eawag) erklärte, dass sich aus historischen Daten viel lernen lasse, und legte dar, wie der Weg von einer Schweizer Grundwasserdatenbank, die momentan aufgebaut werde, hin zu einer Trockenheitsanalyse, einem Vorhersagesystem und einer Resilienzabschätzung aussehen könnte. Mit dem bisher erarbeiteten Modell liessen sich die Grundwasserstände vorhersagen, so Moeck. Allerdings nehme die Korrelation mit zunehmender Vorhersagezeit und schneller Reaktionszeit der Fassung ab.
Das Referat von Christina Dübendorfer (EBP Schweiz AG) drehte sich um Daten fürs integrale Einzugsgebietsmanagement (IEM). Verschiedene Formen von IEM und Wasserressourcenmanagement erfordern unterschiedliche Daten, wie Dübendorfer anhand von drei Beispielen aufzeigte. Auch sie verortete eine Lücke bei den Daten zur Wassernutzung: «Bessere Wassernutzungsdaten sind insbesondere für vorausschauende Planungen wichtig.» Es müssten jedoch nicht immer Messdaten und quantitative Daten sein: Mit Informationsaustausch und strukturierten Expertenbeurteilungen könne ebenso ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden. Zudem könnten Diskussionen in sektorübergreifenden Projektgruppen neue Erkenntnisse und gute Lösungen auf den Weg bringen.
Anhand der SVGW-Empfehlung zu Daten, der W1014 «Empfehlung für die Datenerfassung und -auswertung bei Wasserversorgungen» zeigte Martin Bärtschi, Fachspezialist Wasser beim SVGW, auf, welche Daten (Mengendaten, Betriebszustände, chemische, physikalische und mikrobiologische Qualitätsdaten, Energiedaten sowie externe Daten) von Wasserversorgungen zu erfassen sind, um die Prozesse regeln und steuern zu können, die Qualität des Trinkwassers sicherzustellen und langfristige Planungen (z. B. Generelle Wasserversorgungsplanung, GWP) durchzuführen. Er betonte: «Mut zur Lücke, aber bitte nicht bei den Daten!» Die Planung einer zukunftsfähigen und resilienten Wasserversorgung sei nur möglich mit einer soliden Datengrundlage. Fehlentscheidungen im Planungsprozess aufgrund von ungenügenden Daten verursachten viel höhere Kosten, als eine solide Datenerhebung verursachen würde. Daher lautete seine abschliessende Forderung: «Datenlücken identifizieren und sobald wie möglich schliessen.»
Wie sich der Betrieb bedarfsorientiert optimieren lässt basierend auf Daten und auch welche Einschränkungen zu berücksichtigen sind, diese Fragen standen im Zentrum des Referats von Jakob Helbing von der Wasserversorgung Zürich. Dabei splittete Helbing Bedarf auf in drei Aspekte: Wasserbedarf, Energiebedarf und Qualitätsbedarf. Die Wasserförderung mache den grössten Anteil am jährlich verbrauchten Strom aus. Durch Verträge mit der ewz sei die Wasserversorgung Zürich nicht völlig frei, wann sie im Tagesverlauf den Strom bezieht, was sich auf die Reservoirbewirtschaftung auswirke. Auch Qualitätsgründe sprächen im Fall Zürich gegen einen energieoptimierten Betrieb. Helbing fasste zusammen: «Trinkwasseraufbereitungs- und Speicheranlagen sind keine Pumpspeicherkraftwerke.» Er wies aber darauf hin, dass sich die Erfahrungen von Zürich nicht unbedingt auf andere Wasserversorgungen übertragen lassen. Gerade in Versorgungen mit keiner oder einfacher Aufbereitung, Quellwasser als Ressource und einem lineareren Versorgungsnetz gäbe es deutlich weniger Einschränkungen für einen energieoptimierten Betrieb.
Remo Bruder von der Chestonag Automation AG sprach anschliessend über das Datenmanagement bei Wasserversorgungen, wobei er folgende Themen behandelte: Vom Messwert zum Leitsystem, Archivierung von Daten, moderner Umgang mit Messdaten und die Veröffentlichung von Messwerten auf Plattformen. Zum letzten Punkt nannte er einiges, was es zu bedenken gilt: Das Einrichten von Schnittstellen brauche Zeit, die Schnittstellen müssten zudem gepflegt und die übertragenen Daten verifiziert werden. Das Betreiben einer Plattform sei also mit Aufwand und laufenden Kosten verbunden. Weiter dürften Sicherheitsaspekte nicht ausser Acht gelassen werden. Bruder stellte schliesslich einige Fragen in den Raum, die es vor dem Aufbau von Plattforme zu beantworten gelte: «Besteht ein Nutzen oder ein öffentliches Interesse? Wem gehören die Daten? Wer ist für die Daten verantwortlich und haftbar?»
Der Vortrag von Matthias Freiburghaus, ebenfalls Fachspezialist Wasser beim SVGW, über die Wasserstatistik des SVGW und deren Nutzen rundete den Block zu den Daten in der Wasserversorgung ab. Im Jahr 1910 sei die Geschäftsstelle von den Mitgliedern beauftragt worden, Daten im Bereich Trinkwasser zu erfassen. Seitdem sei die Statistik weiterentwickelt und ausgebaut worden. Aktuell würden jährlich Daten zu folgenden Themen erfasst: Wassergewinnung und -abgabe, Speicherung und Verteilung, Tarifsystem, Wasserpreis und Einnahmen, Betriebs- und Investitionskosten, Finanzierung und Wiederbeschaffungswert, Stromverbrauch und -produktion sowie Leitungsschäden und Versorgungsunterbrüche. Alle fünf Jahre werde eine erweiterte Statistik durchgeführt, in der zusätzlich vier Themengebiete angeschaut würden: Aufbereitung, Rohrnetz und -materialien Seewasserwerke sowie die Versorgung in Notlagen. Die SVGW-Wasserstatistik sei ein Teil des Datenuniversums der Wasserversorgung, so Freiburghaus. Die Werke könnten ihre über die Jahre hinweg gelieferten Daten gebündelt in einer Excel-Datei beim SVGW beziehen. Des Weiteren stehe ihnen ein Auswertungs- und Vergleichstool für eine Standortbestimmung zur Verfügung.
Nach der Mittagspause gab der emeritierte ETH-Professor Joachim Buhmann in seinem Vortrag «Künstliche Intelligenz – ein Paradigmenwechsel in der Geistesgeschichte!?» einen bunten Strauss an Denkanstössen. Das menschliche Gehirn zeichne sich durch eine extrem hohe Kreativität, aber eine geringe Speicherkapazität aus. KI sei hier eine gute Ergänzung, denn sie verbessere das menschliche Denken, indem sie die Grenzen der menschlichen Kapazität, Fakten zu speichern und komplexe Zusammenhänge zu erfassen, enorm erweitere. Buhmann ging weiter auf den Wert von Daten ein. Er nannte sie den «Rohstoff der Informationsgesellschaft». Sie bildeten das Fundament für Inferenz, also eine aus einem Regelsystem erzeugte Schlussfolgerung, und seien unser «Fenster» zur Realität. Diesem Fundament oder Fenster müsse Sorge getragen werden, denn «Fehler in Daten oder unvollständige Daten stören bzw. verhindern Erkenntnis», so Buhmann. Er erklärte jedoch auch, dass keinesfalls alle Informationen benötigt würden. Schon aus dem Gedanken des Energiesparens heraus sollten unnötige Informationen entfernt werden: «Nur weil man viel speichern kann, sollte nicht viel gespeichert werden.»
Buhmanns These zur Rolle von Modellen – «Menschen denken über sich und ihre Wirklichkeit in Modellen nach, um die Zukunft rational (insb. quantitativ) vorherzusagen» – bildete einen passenden Übergang zum nächsten Referat von Stefan Henrich (moflex Infra GmbH). Dieser beschrieb zunächst, was unter einem Datenmodell zu verstehen ist und wozu es dient:
Henrich zeigte einen Ausschnitt aus dem neu erarbeiteten GIS-Datenmodell Wasser, in dem alle Objekte (Leitungen, Armaturen, Behälter etc.) als Kanten oder Knoten abgebildet sind. Das Modell werde demnächst in der Branche vernehmlasst.
Anschliessend präsentierte Stefan Flury vom Bundesamt für Landestopografie swisstopo, was hinsichtlich digitaler Geodaten beim Bund läuft, insbesondere auch hinsichtlich des Leitungskatasters. Noch gibt es keinen schweizweiten Leitungskataster, nur einige Kantone kennen dieses Instrument bereits. Diese kantonalen Kataster sind unter zu finden. Der geplante Leitungskataster für die Schweiz soll enthalten:
Für den Zugang sei Folgendes vorgesehen: Das Verzeichnis der Netzbetreiber pro Gemeinde ist öffentlich, während für den eigentlichen Kataster Zugangsbeschränkungen formuliert werden.
Als dritter im Bunde stellte Stefan Mürner (AWA Kanton Bern) die Informationsplattform Wasser (IWP) vor, die aktuell durch die Kantone Bern und Solothurn (sowie Zürich im Bereich Siedlungsentwässerung) aufgebaut werde. Damit werde bezweckt, dass künftig die wichtigen Informationen zur Infrastrukturplanung Wasser/Abwasser (v. a. GWP/GEP) digital zur Verfügung stehen. Für die Plattform, die Mürner als «Datenstaubsauger» bezeichnete, werde ein gemeinsames GWP-Datenmodell entwickelt, Datenherrn blieben aber weiterhin die Wasserversorger. Für Personen mit Zugangsberechtigung sollen die Daten der Versorger und der Kantone ersichtlich sein. Mürner wies darauf hin, dass die Teilnahme weiterer Kantone und/oder des SVGW an der Entwicklung des GWP-Datenmodell möglich sei.
Zum Abschluss des Vortragblocks zu den Datenmodellen plädierte Christian Crinari vom Tessiner Amt für Gewässerschutz und Wasserversorgung für ein schweizweit einheitliches GWP-Datenmodell, das als Grundlage für die regionale Planung (RWP) dienen könnte. Unter den Geodatenmodellen des Bundes gäbe es derzeit nur ein Modell, das in die Nähe eines solchen GWP-Modells komme: ID 66.1 – Inventar Trinkwasserversorgung in schweren Mangellagen. Dieses reiche aber bei weitem nicht aus, um einen GWP abzubilden. Es müsse um wichtige Informationen erweitert werden, um alle Elemente einer Wasserversorgung beschreiben zu können. Da der SVGW die anerkannten Regeln der Technik in Form von Richtlinien, Empfehlungen etc. zusammenfasse, erachtete es Crinari als sinnvoll, dass der SVGW auch bei der Entwicklung des GWP-Datenmodells eine wichtige Rolle spielt und dies zusammen mit den Kantonen erarbeitet.
Das Motto des letzten Vortrags der Veranstaltung lautete: Digitalisierung ja – aber sicher. Nachdem der Referent Dario Walder (Apex Cyber Solutions AG) die Risiken der Digitalisierung anhand von zahlreichen Beispielen dargelegt hatte, zeigte er auf, in welchen Schritten sich die Cyber-Regulierung hierzulande entwickelte. Ein wichtiger Meilenstein sei die Veröffentlichung des IKT-Minimalstandards im Jahr 2018 gewesen. Basierend auf diesem seien branchenspezifische Standards ausgearbeitet worden. Unter den ersten Branchenstandards befand sich neben denjenigen für Strom und Lebensmittel die SVGW-Empfehlung W1018 «Minimalstandard für die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Wasserversorgung». Walder warb für die konsequente Umsetzung der verschiedenen Punkte des Minimalstandards durch die Wasserversorgungen. Nur so könne eine Organisation als Ganzes sicherer und resilienter gemacht werden. Penetration Tests seien zwar auch hilfreich, damit liesse sich aber nur ein spezifisches System technisch testen. Andere Aspekte, beispielsweise organisatorische Aspekte, der Cybersicherheit würden damit nicht abgedeckt.
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