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10. Dezember 2024

Stellungnahme Landwirtschaftsgesetz

Chlorothalonil – wo bleibt der Lerneffekt?

Im September 2024 wurde das Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes in Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative «Modernen Pflanzenschutz ermöglichen» eröffnet. Dabei sollen Pflanzenschutzmittel praktisch ungeprüft aus der EU übernommen werden. Es geht nun darum, die öffentliche Wasserversorgung wie auch die Konsumenten vor Verschmutzungen des Grundwassers zu schützen.
Rolf Meier 

Die parlamentarische Initiative «Modernen Pflanzenschutz ermöglichen» mit den vorgeschlagenen Anpassungen im Landwirtschaftsgesetz folgt der Vernehmlassung zur Anpassung der Pflanzenschutzmittelverordnung, welche am 29. März 2024 endete. Im Grundsatz verfolgen die beiden Geschäfte die gleichen Ziele – nämlich die vereinfachte Übernahme von EU-Zulassungsentscheiden von Pflanzenschutzwirkstoffen und Pflanzenschutzprodukten. Die parlamentarische Initiative würde zusätzliche Vereinfachungen bei der Übernahme von EU-Zulassungsentscheiden von Pflanzenschutzmitteln vorsehen und wie die im Frühjahr vorgeschlagene und vernehmlasste Anpassung der Pflanzenschutzmittelverordnung zu einer stark reduzierten Überprüfung durch Schweizer Behörden führen. Bei dieser vereinfachten Übernahme von Zulassungsentscheiden von Pflanzenschutzmitteln würden nur noch Risiken in besonders geschützten Bereichen - wie dem Trinkwasser – überprüft. Auswirkungen beispielsweise auf die an der Reinigungsleistung des Untergrunds beteiligte Mikrobiologie und Stygofauna würden dabei nicht genügend berücksichtigt, was wiederum sehr negative Konsequenzen auf die Grundwasserqualität haben könnte.

Gebietsspezifische Risiken und Konsequenzen unbeachtet

Eine vereinfachte Zulassung birgt das Risiko, dass Pflanzenschutzmittel in Gebieten der Schweiz eingesetzt werden, ohne dass vorgängig die gebietsspezifischen Risiken und Konsequenzen für die betroffenen Gebiete adäquat abgeklärt würden. Das von der Vorlage vorgeschlagene Vorgehen bei der Übernahme von EU-Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln erscheint insbesondere für das Mittelland der Schweiz mit erheblichen Risiken verbunden. Das Mittelland wäre durch die vereinfachte Zulassung gleich doppelt gefährdet: Einerseits, weil dort (wie auch im grossen Rest der Schweiz) noch keine Zuströmbereiche bezeichnet sind und damit der vorsorgliche Ressourcenschutz bei Trinkwasserfassungen noch ungenügend ist.

Andererseits wird dieses Gebiet landwirtschaftlich intensiv genutzt, es ist dicht besiedelt und der Untergrund wird zudem praktisch flächendeckend für die Versorgung mit Trink-, Brauch- und Löschwasser genutzt. Es ist zu erwarten, dass das Risiko - berechnet als Produkt aus Eintretenswahrscheinlichkeit multipliziert mit dem Schadensausmass - einer künftigen Grundwasserverschmutzung mit Pflanzenschutzmitteln sehr hoch ist. Die vereinfachte oder praktisch ungeprüfte Übernahme von Genehmigungen für Pflanzenschutzmittel wird daher der spezifischen Risikosituation in der Schweiz in keiner Weise gerecht.

Befürchtungen sind keineswegs unbegründet

Dass der vorsorgliche Schutz der Grundwasserressourcen tatsächlich noch immer ungenügend ist und die Risiken durch Pflanzenschutzmittel für die Trinkwasserversorgung nicht ernst genommen werden, zeigt die NAQUA-Untersuchung vom 18. November 2024 zur Belastungssituation durch Trifluoracetat, das mehrheitlich über Pflanzenschutzmittel in den Boden gelangt. Gerade auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen zeigten sich dabei signifikant höhere Verschmutzungen, die die Höchstwerte von 0.1 Mikrogramm pro Liter deutlich überschreiten. Diese Resultate machen klar, dass es rasch einen besseren Schutz der Trinkwasserressourcen braucht.

Es braucht die Zuströmbereiche!

Der SVGW begrüsst zwar die direkte Übernahme von Genehmigungen von Wirkstoffen aus der EU, verlangt aber, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auch künftig ausnahmslos durch nationale Behörden seriös geprüft wird und damit den Risiken und den spezifischen Rahmenbedingungen in der Schweiz Rechnung getragen werden kann. Die Vorlage muss somit insgesamt abgelehnt werden. Eine Lockerung dieser Praxis darf erst nach Bezeichnung der Zuströmbereiche und der Umsetzung der Motion Zanetti 20.3625 ins Auge gefasst werden.
Die Bezeichnung der Zuströmbereiche kann der Landwirtschaft wie auch den Wasserversorgern Vorteile bieten und entspricht dem Vorsorgeprinzip, wie ihn das GSchG in den Artikeln 9 und 27 vorsieht. Zuströmbereiche erlauben einerseits den Wasserversorgern, die Herkunft des Wassers zu kennen und in diesem Gebiet ein Risikomanagement gemäss Lebensmittelgesetz sowie den vorsorglichen Ressourcenschutz gemäss GSchG umzusetzen, ohne dass substanzielle Einschränkungen für die Landwirtschaft resultieren. Überall dort, wo keine Zuströmbereiche wegen Trinkwassernutzungen notwendig sind, können andererseits die Interessen der Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen höher gewichtet werden. Denkbar wäre, dass in solchen Gebieten auch Pflanzenschutzmittel mit EU-Zulassung ohne weitere Prüfung durch Schweizer Behörden eingesetzt werden könnten.
Die Vernehmlassung zur Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes läuft bis am 9. Dezember 2024. Der Bereich Wasser der SVGW-Geschäftsstelle hat in enger Abstimmung mit der Branche bereits seine Stellungnahme abgeben und damit die berechtigten Interessen der Versorger wahrgenommen.

Kontakt: Rolf Meier, r.meier@svgw.ch oder 044 288 3367.

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Kommentare (2)

Hp. Werner am 06.01 2025 um 13:51

Stellungnahme Landwirtschaftsgesetz

Grüezi miteinander. Ich finde es toll, dass ihr vom SVGW da mit möglichst viel Druck dahinter geht. Leider haben die Versorger keine oder sehr wenige Lobbyisten in Bern. Und die Bevölkerung jammert erst dann wenn es zu Engpässen in der Wasserversorgung kommt. Siehe letzte Abstimmung Pestizide. Nein sagen und dann Empörung wenn Versorger alternativen zu horrenden Kosten erstellen müssen. Bitte macht weiter Druck und informiert die breite Bevölkerung über diesen Missstand, vielleicht kapieren es dies dann mal endlich. Danke für euren Einsatz in dieser Angelegenheit.

Markus Graf am 06.01 2025 um 10:46

Landwirtschaftsgesetzt - Schutz vor Chlorotholanil

Ist es wirklich so, dass Böden ausserhalb von Trinkwasser-Zuströmbereichen wissentlichl der Vergiftung ausgesetzt werden dürfen? Für mich ist die Argumentation mit Trinkwasserschutzes eine egoistische Einstellung. Auch die Lebewesen ausserhalb von Zuströmbereichen verdienen Schutz vor Vergiftung. Nicht zuletzt in Hinsicht einer guten Bodenqualität.
Rolf Meier am 06.01 2025 um 15:00

Antwort auf Ihren Kommentar

Das Gewässerschutzgesetz zusammen mit der Gewässerschutzverordnung bieten schon heute einen guten Schutz der aquatischen Systeme. Zu einem wirksamen Schutz bräuchte es aber zusätzlich einen ebenso guten und konsequenten Vollzug dieses gesetzlichen Grundlage - hier besteht bei Pflanzenschutzmitteln wie Nährstoffen (P, N) klarer Handlungsbedarf. Bei Grundwasservorkommen, die der Trinkwasserversorgung dienen, braucht es einen stärkeren Schutz, damit zusätzlich die hohen Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung für Trinkwasser möglichst ohne weitergehende Aufbereitung des Rohwassers erfüllt werden können. Im Umkehrschluss heisst das nicht, dass ausserhalb des Zuströmbereiches von Trinkwasserfassungen ein rechtsfreier Raum herrscht - auch da gelten die einschlägigen Gewässerschutzbestimmungen.

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