Der SVGW hat sich im Parlament und den zuständigen Kommissionen erfolgreich dafür eingesetzt, dass in der parlamentarischen Initiative «Die Risiken beim Pestizideinsatz reduzieren» die Interessen der Wasserversorger berücksichtigt werden. Die parlamentarische Initiative betrifft das Landwirtschaftsgesetz, das Gewässerschutzgesetz und das Chemikaliengesetz. Nach der Verabschiedung der Gesetzesvorlage durch beide Kammern in der Sommersession, liegt nun bereits ein erstes Verordnungspaket zur Vernehmlassung vor, das Verordnungen rund um das Landwirtschaftsgesetz behandelt. Ein zweites Verordnungspaket zu den Verordnungen rund um das Gewässerschutz- und Chemikaliengesetz wird zu einem späteren Zeitpunkt in die Vernehmlassung gehen. Die Direktzahlungsverordnung (DZV), die Verordnung über Informationssysteme im Bereich der Landwirtschaft (ISLV) und die Verordnung über die Beurteilung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sind Teil dieses ersten landwirtschaftlichen Verordnungspakets, zu dem der SVGW Stellung nimmt.
Der SVGW nimmt nur zu Themen Stellung, die im Kontext der Wasserversorgung relevant sind und zu denen er sich fachlich äussern kann. Da es in den Verordnungen mehrheitlich um landwirtschaftliche Praktiken handelt, äussert sich der SVGW nur zu einzelnen vorgeschlagenen Anpassungen, die einen direkten Einfluss auf Gewässer haben, die der Trinkwassergewinnung dienen.
Als Fachverband der Trinkwasserversorger begrüsst der SVGW das Ziel der vorliegenden Verordnungen, die Risiken durch den Pestizideinsatz sowie die Nährstoffeinträge in Gewässer zu reduzieren. Über das Anreizsystem von Direktzahlungen will die DZV die Landwirtschaft incentivieren, die Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) zu reduzieren. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Dort wo es aber um bewährte, emissionsmindernde Massnahmen beim Einsatz von PSM und einen effizienten Einsatz von Stickstoff geht, sollte nach Ansicht des SVGW nicht das Anreizsystem der Direktzahlungen angewendet werden, denn solche Massnahmen sind verbindlich einzufordern, zumal das Umweltschutzgesetzt ohnehin verlangt, dass «Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen [sind], als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist» (USG Art. 11. Abs. 2).
Um die Risiken des Pestizideinsatzes zu reduzieren, sollen Betriebe gemäss DZV nur dann Direktzahlungen erhalten, wenn sie auf den Einsatz von PSM verzichten, die Wirkstoffe mit einem erhöhten Risikopotential enthalten. Unter Artikel 18, Absatz 4 der DZV sind die Wirkstoffe mit einem erhöhten Risikopotential gelistet. Diese Liste sollte nach Ansicht des SVGW von einer Instanz erstellt und jährlich überarbeitet werden, die auf die Beurteilung von öko- und humantoxikologischen Risiken spezialisiert ist. Da laufend neue Wirkstoffe auf den Markt kommen und neue Erkenntnisse zu den Auswirkungen und Risiken zugelassener Wirkstoffe hinzukommen, muss die Liste der Wirkstoffe mit erhöhtem Risikopotential regelmässig aktualisiert werden. Für die Neubeurteilung der Wirkstoffe sind entsprechend verbindliche Fristen zu schaffen.
Ausserdem sind Sonderbewilligungen für den Einsatz von Wirkstoffen mit erhöhtem Risikopotential vorgesehen. Nach Ansicht des SVGW darf dabei der Pflanzenschutz nicht höher gewichtet werden als der Grundwasserschutz. Entsprechend fordert der SVGW in seiner Stellungnahme, dass nur für Nutzflächen ausserhalb der Zuströmbereiche von Trinkwasserfassungen Sonderbewilligungen erteilt werden dürfen.
Aus ökonomischer Sicht wären gestaffelte Lenkungsabgaben auf PSM basierend auf dem Grad der umweltbelastenden Wirkung der eingesetzten Wirkstoffe und deren Abbaustoffe sinnvoller und würden auf diese Weise das Risiko beim Einsatz von Pestiziden wirksamer, kontrollierter und effizienter senken. Gleichzeitig sollte der reduzierte MwSt.-Satz für PSM abgeschafft werden, da er den ökologischen Bestrebungen der DZV zuwiderläuft.
Die Pflicht zur Erfassung der eingesetzten PSM in einem zentralen Informationssystem bildet die Basis für Massnahmen zum Schutz unserer Trinkwasserressourcen vor Pestizideinträgen. Damit die Wasserversorger die Risiken für Ihre Trinkwasserressourcen einschätzen und die Bevölkerung schützen können, müssen sie die eingesetzten PSM-Mengen, den Einsatzort und die Wirkstoffe der angewendeten Mittel kennen. Diese Daten müssen daher von den Wasserversorgern zeitnah, einfach und niederschwellig bezogen werden können und über einen Zeitraum von 20 Jahren verfügbar bleiben.
Generell erscheint uns das vorgeschlagene Reduktionsziel der Stickstoff- und Phosphorverluste wenig ambitioniert und gerade beim Phosphor schwierig mess- und quantifizierbar. In vielen Oberflächengewässern ist der Phosphorgehalt immer noch ein Problem, das zu erhöhtem Algenwachstum und in der Konsequenz zu einer Unterversorgung der Gewässer mit Sauerstoff führt. Neben anderen Belastungen ist auch der Phosphor in Hinblick auf die zunehmende Bedeutung von Oberflächengewässern zur Trinkwassergewinnung eine Problematik, die die Wasserversorger beunruhigt. Ein erhöhter Phosphorgehalt erfordert weitergehende Aufbereitungsmassnahmen und erschwert sowie verteuert entsprechend die Trinkwassergewinnung aus Oberflächengewässern. Aus Sicht der Wasserversorger sollten die Reduktionsziele daher deutlich höher sein. Zudem würde ein Nichterreichen der Absenkziele für die Landwirtschaft völlig folgenlos bleiben. Vor diesem Hintergrund ist es für den SVGW fraglich, ob so die bereits relativ tief angesetzten Ziele erreicht werden können.
Der SVGW begrüsst den Grundsatz, dass das Risiko durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ermittelt werden soll. Dazu muss aber eine anerkannte Methode zur Ermittlung des Risikos zum Einsatz kommen. Es genügt aus Sicht des SVGW nicht, dazu lediglich die erwartete Metabolitenbelastung im Grundwasser mit einem Risikowert zu multiplizieren. Vielmehr ist eine validierte Methode zu verwenden, die neben dem humantoxikologischen und ökotoxikologischen Risiko auch das Verhalten eines Wirkstoffes und die Cocktailwirkung mehrerer Wirkstoffe in der Risikobewertung berücksichtigt. Zusätzlich muss sichergestellt sein, dass jederzeit die aktuellsten Erkenntnisse aus der Forschung und Wissenschaft in diese Berechnungsmethode einfliessen.
Der SVGW wird seine Stellungnahme allen Versorgern und Organisationen bis Ende Juli an dieser Stelle zur Verfügung stellen. So können Interessierte, die ebenfalls zum Verordnungspaket Stellung nehmen möchten, die Stellungnahme des SVGW als Vorlage nutzen. Ein Verweis auf die Stellungnahme des SVGW mit der expliziten Unterstützung unserer Positionen verleiht den Anträgen des SVGW bei den Behörden mehr Gewicht. Die Vernehmlassung läuft noch bis zum 18. August 2021.
Fragen und Rückmeldungen nehmen wir gerne unter kommunikation@svgw.ch entgegen.
Die Stellungnahme kann im Shop heruntergeladen werden.
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